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Original von gyokusai
Hallo —
um mein Schärflein hier hinzuzufügen: Die Abhängigkeiten von Smetanas Version der Melodie und der der Hatikva sind recht komplex. Die Melodie der Hatikva geht auf die Melodie eines yiddishen Volkslieds zurück (möglicherweise sephardischen Ursprungs, aber schwer zu sagen), das wiederum auf ein italienisches oder spanisches Volkslied aus der späten Rennaissance zurückgeht. Dieses wiederum hat auch seinen Weg nach Osteuropa gefunden und war dort in vielen Ländern sehr populär, u.a. in Rumänien und Polen (und hat sich mit dem „sephardischen“ Import der Melodie wieder gekreuzt?). Witzigerweise gibt es Anzeichen dafür, daß die Hatikvah auf dem osteuropäischen Überlieferungstrang der Melodie aufbaut, während Smetana das Thema einem schwedischen (!) Volkslied entnommen hat ...
Evolution könnte kaum verwickelter sein ;-). Vielleicht gibt’s ja inzwischen neue Forschung zu dem Thema, aber so wie oben beschrieben war der Stand der Dinge zumindest noch vor etlichen Jahren. (Aber die Bemerkung, „Hey, klingt wie die Moldau!“ habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr gehört ... hoffe, das hat nichts mit einem Nachlassen des musikalischen Bildungsstandards in Deutschland zu tun ... ;-))
Liebe Grüße,
gyokusai
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Hallo,
also, meines Erachtens haben die Hatikwah und die Moldau relativ wenig gemein. Schon der Takt ist ja ein anderer - beide ähneln einander vielleicht so wie "Alle meine Entchen" - Könnte es nicht sein, dass unterschiedliche Leute zu unterschiedlichen Zeiten auf die Selbe Idee gekommen sind? Kleiner Exkurs nur: Der französishe Chanson "Garde l'Esperance" von Renee Lebas, in dem es um das Schicksal jüdischer Emigranten in Frankreich geht ("Gib die Hoffnung nicht auf, dass eine andere Zeit kommt") folgt exakt der Hatikwah-Melodie.
Aber noch was zu Smetana. Der hat auch die von Haydn im Kaiserquartett verwendete deutsch-österreichische Nationalhymne verwurstet, nämlich gleich in drei (!) der vier Sätze seiner Triumph-Sinfonie, geschrieben für die Hochzeit Kaiser Franz Josephs mi der bayerischen Prinzessin Elisabeth.
Die Tschechen setzten in den Kaiser die Hoffnung, er werde ihnen die ersehnte Freiheit zurückgeben. Smetana hat 1855 selbst die Uraufführung geleitet, der Kaiserhof lehnte die Widmung an den Kaiser jedoch ab.
Aufnahmen gibt es nur innerhalb von zwei Smetana-Gesamtausgaben, einmal der Orchesterwerke (3 CD Supraphon), einmal im 10-CD-Klotz, der unlängst bei Wohlthats für 5 Euro verramscht wurde.
Sicher ist es nicht Smetanas bestes Werk, aber unproblematisches, solides Handwerk, mit leichten Ankängen an Dvorak.