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Original von Glockenton
Soeben habe ich probegehört, und obwohl ich diese Musik im Ausgangspunkt klar als Cembalomusik sehe, finde ich doch, dass sie mit ihrem Spiel sehr überzeugend und auch stilbewusst ( historisch informiert) klingt.
Ich bin hell begeistert von Ragna Schirmers Einspielung! Wobei ich die Werke hier erstmals höre und auch die anderen Einspielungen der Pianistin nicht kenne. Frau Schirmer habe ich einmal vor Jahren im Konzertsaal erlebt, als sie, gemeinsam mit dem Gewandhausquartett, Schumanns Klavierquintett aufführte (leider keine angenehme Erinnerung: die Herren Streicher spulten ihr Programm routiniert herunter und auch die Pianistin hatte nicht ihren besten Tag, auch wenn sie sich redlich mühte).
Umso überzeugender, was ich gerade höre; besonders frappant finde ich, wie R. Schirmer es schafft, mit ihrem Steinway den in der Musik angelegten Cembaloklang deutlich zu machen: Ich habe beim Hören den Eindruck, daß hier beide Sphären, die historische und die moderne, übereinandergelegt sind, was ich äußerst spannend finde - wie seinerzeit schon bei Glenn Gould und Bach. Wahrscheinlich wird, wer diesen ablehnt, auch bei Schirmer auf Probleme stoßen, und umgekehrt, wer Goulds Bach schätzt, müßte auch Schirmers Händel mögen. Aber ich kann mich täuschen. In einem Interview des FonoForum (04/09) nennt Ragna Schirmer auf die Frage, wer sie als Musikerin beeinflußt habe, übrigens Glenn Gould als einen "der ganz Großen"; er inspiriere sie "in seiner Exzentrität, weil er so mutig ist. Weil er gezeigt hat, wie man seinen eigenen Weg geht. Man darf auch mal Fehler machen, vielleicht auch mal einen Schritt zu weit gehen, aber man muss seiner Linie treu bleiben".
Auch habe ich beim Hören zwei Déjà-vu-Erlebnisse: Einmal natürlich in Bezug auf Brahms' Händel-Variationen (Vorlage: die Aria con variazioni aus der Suite B-dur, HWV 434), dann kam mir Stanley Kubricks Film Barry Lyndon, erst kürzlich im Programmkino wieder einmal gesehen, in den Sinn: Jetzt ist mir klar, daß der leitmotivisch verarbeitete Rhythmus, der den Film in einigen Veränderungen durchzieht und musikalisch dominiert (faszinierend!), nicht von Vivaldi stammt, wie ich angenommen hatte, sondern aus der Sarabande der Suite d-moll, HWV 437 stammt. Also waren mir Händels Suiten bislang wenigstens nicht gänzlich unbekannt.
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Original von HolgerB
Die Suiten werden "luftig" und locker gespielt ohne dabei, ich will es mal so nennen, "sahnig" zu wirken.
Höre ich auch so; eindrucksvoll auch, wie klar und feinfühlig die Pianistin die einzelnen Charaktere der Stücke herausarbeitet: eine wirklich große Edition. Danke für den Tip!