Lieber Edwin Baumgartner, lieber Loge, liebe Messiaen-Bewegte überhaupt,
verfolge Euren heftigen Streit, den Ihr beide da seit gestern führt, mit großem Interesse - nicht weil ich den Krieg der Geister besonders mag (gebe zu, daß mich der polemische Stil eher befremdet), sondern weil ich selbst gerade (wieder einmal) einen Versuch unternehme, mich den merkwürdigen Klangkonstruktionen des O. M. anzunähern und daher alles Bedenkenswerte und gut Gedachte gern aufnehme.
Das "Quatuor pour la fin du Temps" schätze ich seit langem hoch; die Turangalila-Symphonie habe ich bereits zweimal, zuletzt in diesem Frühjahr, im Konzertsaal erlebt und fand's beeindruckend und erhebend - doch mit den übrigen Werken, vor allem denen für Orgel, wurde ich bislang nicht recht warm.
Nun bin ich - gute Tips im Tamino-Forum, auf das ich erst kürzlich gestoßen bin! - auf die Gesamteinspielung durch Olivier Latry gekommen - und entdecke eine Welt! Was mir bislang spröde und kühl erschien, nimmt mich jetzt gefangen - habe sogar den Eindruck, mich auf eine, ich sag's ruhig mal, spirituelle Reise zu begeben, hochfaszinierend, und frage mich, was mich da so ergreift.
Natürlich höre ich Vogelstimmen und habe gelesen, daß diese Laute O. M. anscheinend einen unmittelbaren Zugang zum Göttlichen ermöglicht haben. Aber das berührt mich nicht, bin ornithologisch weder versiert noch besonders interessiert.
Auch der katholische Mystizismus, der in den Titeln so dominiert, beschäftigt mich weniger, fühle mich wenig angesprochen durch "heitere Hallelujas einer Seele, die den Himmel ersehnt" (ein Beispiel für viele andere).
Bin auch kein ausgesprochener Freund des Orgelklangs (mit Kammer- und Orchestermusik viel besser vertraut).
Aber es gelingt mir, gerade durch das, was O. Latry an der Notre-Dame-Orgel aufführt, im ruhigen Anhören ein Gefühl der Mitte in mir zu spüren, das ich aus anderen musikalischen Welten (darf mich da ohne Hemmungen als durchaus hör-erfahren bezeichnen) nicht kenne, glaube da vereinzelt "ätherische" Stellen zu entdecken und trete in Kontakt mit einem grundlegende, tiefen "Optimismus", den die Musik ausstrahlt.
Ganz, ganz schwer zu beschreiben!
Was ich mich frage: Was nehme ich da wahr (die Grenze zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung verschwimmt, ist sie überhaupt bestimmbar?)?
Wahrscheinlich hängt es mit der besonderen Art des Statischen, wie ich sie nur bei Messiaen höre, zusammen? Einer ruhigen, in sich selbst begründeten Gewißheit?
Damit beende ich zunächst meine Spekulationen und Fragen und bin neugierig auf weiter Anregungen...