Beiträge von farinelli

    Ja, mein Stromverbrauch hat sich nicht ganz verdoppelt (liegt auch daran, daß ich anfangs manisch viel gehört habe und der Fernseher nebst Entourage mit dranhängt).

    Abgelöst haben die Yamahas einen Sony TA-A1ES; solide 2000-€-Klasse. Läuft jetzt im Arbeitszimmer an Elacs BS 312, über den TEAC NT-505, auch nicht schlecht. Aber den Direktvergleich mit Yamaha besteht der Sony nicht. Sogar die im C-5000 eingebaute Phonovorstufe, wahlweise symmetrisch, ist grandios.

    Nun, vielleicht ist der große Technics Vollverstärker (die Vor-/Endkombi ist sogar mir zu teuer) eine Konkurrenz. Technisch sehr ausgereift. Hab ich noch nie gehört. Wie so vieles andere.


    :hello:

    Bonsoir, wilkommen im Club! Ja, ich habe hier in Köln lange Probe hören dürfen, auch den A-S3000, bis er denn weg war, genau so wie die silberne Vor- und Endstufenkombi. Gekauft habe ich zuerst, etwas skeptisch, wie das bei mir zu Hause klänge, deinen CD-S2100 (weil zu einem sagenhaften Preis). In Berlin habe ich das dann - weil völlig begeistert - mit dem CD-S3000er wiederholt (die Player liegen, außer im Preis, eigentlich nicht sehr weit auseinander); den 2100er übernahm ein guter Freund.


    Probe gehört habe ich die Yamahas immer an teuren B&Ws. Mir selber hat besagter Freund Boxen gabaut, 2 Wege Baßreflex mit Expolinear AMTs, die ziemlich weit runter reichen im FqB. Ich bin wirklich zufrieden. Einen Subwoofer brauche ich nicht. Die Bowers&Wilkins klingen natürlich auch toll, sehr voluminös und klangfarbenschön. Nur in der Höhe (sie gelten ja als höhenlastig) fand ich sie etwas unspektakulär, und im Baß, auf den Hörraum bezogen, betont zurückhaltend. Aber ich habe insgesamt nicht so viele Hörerfahrungen, für die teuren Studios bin ich zu schüchtern.


    :hello:



    Lieber und verehrter Helmut Hofmann, es ist überhaupt nicht so wichtig, was ich hier schreibe, denn es verdankt sich ja vor allem deiner akribischen und anregenden Vorarbeit. Ich bin sehr bescheiden geworden in dem, was ich erfasse.

    Man könnte ja meinen, Schumanns Komposition folge dem Schema A-A´-B. Aber schon das würde nicht erklären, welcher Kontrast zwischen dem extrem karg untermalten Einsatz der Vokallinie und ihrer "Erfüllung" über der fallenden Baßlinie besteht - die Wirkung ist in der ersten wie der zweiten Strophe unbeschreiblich.

    Das Ausspannen der Flügel (Strophe 3) hat deswegen auch nichts zu tun mit der suggestiven Tonmalerei etwa bei Loewes "Meister Oluf" ("Da dehnt es sich aus"). Es ist ein poetischer Vorgang, der sich aus den wogenden Ähren und der träumenden Erde ergibt - lyrisch wie kompositorisch; d.h. zu letzterem: eine Expansion des Melodischen ins Transzendente.


    :hello:

    Verehrter Helmut,


    ohne zuletzt zu einem anderen Ergebnis zu gelangen als du, würde ich dennoch, und sei es auch bloß gleichsam heuristisch, gerne die Struktur des Gedichts anders akzentuieren - ich denke nicht, daß Schumanns Vertonung eine so perfekte Ehe mit Eichendorffs textlicher Vorlage eingeht.


    Das geküßte und im Traum davon berührte Antlitz der Erde hat, wie ich denke, wenig mit griechischer Mythologie zu tun. Die Folie ist die biedermeierliche Psychologie des jungen Mädchens, in dem unbewußt der Kontinent der Liebe erschlossen liegt. Um bei Schumann zu bleiben, so bietet der "Nußbaum" ein weit ausgeführtes Beispiel dieser Bildlichkeit.


    Allerdings ist bei Eichendorff die Konkretion dieser Methaphorik sehr weit zurückgenommen. Das mädchenhaft Verschämte springt gleichsam unvermittelt in eine, sagen wir, pantheistische Erotik über.


    Die Kernbedeutung kommt dabei dem Ausdruck "Blüthenschimmer" zu. Wie bei Goethes "Nebelglanz" haben wir es mit einem völlig idiosynkratischen Neologismus zu tun, der allein für alle übersteigerten "Mondnacht"-Erwartungen einsteht. Ohne daß das Gedicht sich hier vorerst festlegen ließe, ist es doch ausgeschlossen, daß wir es mit etwas wie Dehmels "Verklärte(r) Nacht" zu tun hätten, nämlich einer Mondnacht im Winter. "Blüthenschimmer" meint vielleicht zuletzt den weißen Abglanz der Dinge, durch den die "Helle Nacht" die Welt verwandelt und verzaubert (und ohne den auch Schönberg nicht auskommt).


    In der Tat ist der Mond selbst bei Eichendorff gleichsam ausgespart - er wird weder beschrieben noch angesprochen. Die bekannte Indirektheit und Spiegelhaftigkeit der Beleuchtung wird aber durch den erotischen Topos des Geküßtseins und Träumens als ein Wiederschein ganz eigener Art gedeutet. Das Wirken von oben als eine Verwandlung im Unten evoziert eine leise Spannungsgeladenheit dieser Wirkung ("Träumen"), und insofern vollzieht die zweite Strophe die Bewegung der ersten rückwärts, vom in sich Bewegten in den Raum und bis zum Kosmos.


    Schumann hat, wie ich meine, vor allem diese Klammer von der ersten zur zweiten Strophe im Sinn. Rein sprachlich und stilistisch aber bricht die zweite Strophe mit der ersten. Es gibt keine Metaphorik, kein grammatikalisches "als ob". Die reine konstatierende Wahrnehmung des Gegebenen schließt eine Dimension auf, die man als lyrische "Gegenwart" ansprechen könnte.


    Zudem drückt "Die Luft ging durch die Felder" sich aus wie ein Mensch von ländlicher Prägung - präzise und ohne Emphase. Da erschauern keine Zweige und Blätter (wie noch bei Verlaine, "La lune blanche"). Allein die sacht wogenden "Ähren" deuten die Jahreszeit des Hohen Sommers an. Versiegt ist scheinbar die Erotik des Gedichtanfangs.


    Die etwas mühsame, schwer zu singende Deklamation der ersten Gedichtzeile mit ihrer Kargheit und der Emphase auf dem Quintenfall "Him-mel" wird der zweiten Strophe in meinen Ohren eher aufgezwungen als ihr gerecht. Es scheint, daß Schumann bloß "Luft [ging durch]", "sacht" und "leis" unterstrichen hat - epitheta, die hier das versteckte Residuum der verträumten Erotik des Himmelskusses bilden. Hört man Schumann, so verbildlicht die zweite Strophe das Raunen des traumvergessenen Innern in der Landschaft. In der Tat ist das leise Waldesrauschen ein für Eichendorff fast schon zu abgegriffener Topos, als daß man ihn hier ganz sinnfällig verstehen könnte. Aber die zweite Strophe ist die eigentliche Erfüllung des Gedichttitels - "so sternklar war die Nacht" ist ein für den Vollmond im Sommer unverzichtbarer Aspekt, ganz gleich, wie viele Silberwölkchen bei Lenau oder Friedrich effektvoll hinzugesetzt werden mögen.


    "Erwartung" und "Erfüllung", wie sie im erotischen Traum des Beginns konzipiert sind, bestimmen Schumanns Deutung des ganzen Gedichts, die ja zuletzt nichts auflöst und irgendwie alles in der Schwebe läßt und das Spiel mit Natur und Metaphysik, mit Psychologie und Religion kongenial in Töne setzt.


    :hello:

    Fischer-Dieskau hat auch die leichte Muse beehrt - in der Boskowski-Fledermaus singt er die Titelpartie.


    Ich empfehle jedem, der´s nicht kennt, die beiden Aufnahmen aus Preys Jugendzeit, beide Decca - der Schwanengesang mit Klien und das Schubert-/ Schumann-/ Brahms-/ Strauss-Album mit Karl Engel. Der Spielmann auf letzterem, Aufenthalt, Ständchen, In der Ferne (um nur diese herauszugreifen) im ersten bleiben m.E. unerreicht, was Expansionsfähigkeit, Suggestivität und, darf ich sagen: Strahlkraft betrifft. "Rauschender Strom - brausender Wald/ Starrender Fels" - bei Prey wird das plastische, unzweifelhafte Landschaft und Seelenlandschaft; und nur wenige Sänger haben diese unmittelbare, man möchte fast sagen: demagogische Gabe, den Hörer völlig unvermittelt ins lyrische Szenario zu versetzen.


    :hello:

    Kleiner Nachtrag zu Nr. 19, Täuschung


    Liebe Freunde,


    es bleibt nicht ohne Ironie, sich ausgerechnet angelegentlich dieses Liedes getäuscht zu haben.


    Es lag ja stets nahe, Nr. 9 und Nr. 19, Irrlicht und Täuschung in einen Zusammenhang zu stellen. Bestimmen landschaftliche Bestimmtheit und Allegorik das erstere, so hat das zweite, hier betrachtete Stück schon textlich den Vorzug, in wenigen Worten vielsagend zu sein.


    Nun habe ich, um mit der Tür ins Haus zu fallen, beim gestrigen Querhören von "Alfonso und Estrella" zu Beginn der zweiten Aktes die Ballade vom Wolkenmädchen kennengelernt. Innerhalb dieser Erzählung bildet unser Lied Nr. 19 - musikalisch, nicht textlich - bloß eine Episode.


    Schubert zitiert sich hier also selbst. Ich behaupte einmal, ganz stark, daß der Anfang des zweiten Aktes insgesamt eine poetische Meisterleistung darstellt, deren wenige Bekanntheit mich wundert. Es handelt sich in toto um eine wunderbar atmosphärische Evokation des Unirdischen, wie wir es bei Brahms (Ihr wandelt droben im Licht), im Vorspiel zum zweiten Rheingold-Bild, vielleicht im Sanctus des Fauréschen Requiems und anderswo finden. Die schillernde, romantisch-erotische Begebenheit, nach der ein schlummernder Jägersmann im Traume gleichsam von einem Feenwesen ins Wolkenreich entführt wird und dort, im Begriff, das Mädchen zu ergreifen, ins Leere und in den Tod stürzt, spielt nicht, wie Müllers Gedicht, mit dem eingeweihten Wissen des Getäuschten. Dafür wird das Locken der zauberischen Wolkenwelt und ihrer zweideutigen Numinosität erlesen ausgemalt.


    Ich behaupte hier, auch ganz stark, daß Winterreise Nr. 19 ohne Kenntnis dieses immanenten Bezugs gar nicht adaequat zu verstehen sei. Immer schon kam es mir zitathaft und aphoristisch vor. Das warme Haus mit einer lieben Seele drin mag an des schönen Liebchens Haus von Nr. 2 denken lassen, oder an Rilkes "Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr" - ich habe im Deutschunterricht gelernt, daß es dabei um das Haus eines Glaubens geht, nicht um die selbst errichtete Immobilie. Müllers knapper Text läßt verschiedene Ausdeutungen zu - die halb bewußt eingestandene Selbsttäuschung kann gar nicht radikal genug begriffen werden. Wie ja die Obdachlosigkeit des Winterreisenden eine umfassende ist.


    :hello:

    Ich verstehe den hier vorherrschenden Tenor nicht. Es gibt eine Fülle hervorragender Einspielungen. Also von den Werken für Solovioline resp. Bratsche über die Streichtrios, die Klaviermusik, das Karinettenquintett gewiß über die großen Orchestervariationen bis hin zum Violin- und Klavierkonzert haben wir doch eine Fülle herrlichster Musik. Das Largo con gran espressione aus Op. 114 hat ein so unbeschreiblich schönes Thema - wo fände sich solch eine Ruhe und Tiefe, und sei es bei Brahms? Bei Reger lohnt es sich immer, dran zu bleiben und zuzuhören. Ich liebe ihn.

    :hello:

    Liebe Freunde,


    ich nehme dies zum freudigen Anlaß, auf Brahms´ "Schicksalslied" zu sprechen zu kommen. Ich möchte dazu ein wenig weiter ausholen. Einfach nur aus Freude an meiner Aufnahme des Stücks, unter Robin Ticciati mit den Bambergern und dem Chor des Bayerischen Rundfunks. Seit ewigen Zeiten schon begleitet mich Haitinks (Chor und SO des BR) Einspielung der Altrhapsodie, mit der unübertrefflichen Alfreda Hodgson, und der ganz wundervollen Nänie nach Schiller. Die neuere Ticciati-SACD ließ mich im Stillen zu dem Schluß kommen, daß das Münchner Chorensemble weltweit das beste ist für dieses spezielle Repertoire.


    Da ich bei weitem kein Hölderlin-Experte bin, erlaube ich mir, an die gewisse Nähe des Schicksalslieds zu der Engelmetaphorik in Rilkes reifer Lyrik zu rühren. Daß der Engel als Motiv der christlichen Weltanschauung zugehört, unterscheidet die beiden dichterischen Konzepte nicht so grundsätzlich, wie man meinen könnte. Es gibt ein Hölderlin gewidmetes hymnenartiges Gedicht aus Rilkes Spätzeit, das die Motivik des Schicksalsliedes durchaus aufgreift.


    Zuvor möchte ich auf die von Helmut referierte Erlösungsperspektive bei Brahms eingehen. Soweit ich mich erinnere, übersandte er das Manuskript der "Nänie" nach dessen Tod an die Mutter Anselm Feuerbachs, um ihr so zu kondolieren. "Auch das Schöne muß sterben" - "Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten ist herrlich".


    Brahms überläßt, anders als Schiller, nicht dem Gemeinen das Schlußwort, das klanglos zum Orkus hinabgeht. Er funktioniert vielmehr das der Nänie den Titel gebende "Klaglied", zu dem sich im Fazit die Tränen der um ihre Toten Weinenden verdichten, zu einer Wesensbestimmung und damit Rechtfertigung aller, und deshalb auch: seiner Musik um. Ich fand das immer überwältigend. Schon die Lichtheit der ersten Chortakte, "Auch das Schöne muß sterben" hat etwas Jenseitiges, Klagloses. Aber in der für das letzte Verspaar aufgesparten Reprise enthüllt sich erst der Kern dieser Musik, die quasi das Tor zu einer anderen Welt aufstößt.


    Der Antikenkontext der Komposition ist demnach hybrid - wenn man etwa die Bedeutung Schillers für die Brahms-Zeitgenossen bedenkt oder sich, was nicht das Gleiche ist, Feuerbachs klassizistischen Malstil ins Gedächtnis ruft. Die "Nänie" bringt in gebildeter und etwas kataloghafter Form vieles zusammen, was zu musikalischen Kontrasten einlädt und aus den Skizzen von Adonis´ oder Achilles´ Tod zunächst die Apotheose der Thetis erwachsen läßt, gewiß eine stellvertretende Mater dolorosa in griechischem Gewande. Aber auch eine ergreifende Suggestion fern aller Bekenntnisse.


    Schillers Text entstand um 1800, fern der Zeitenwende, der Brahms sich näherte, als er 1881 die Komposition beendete. Aber auch die zehn Jahre zuvor erfolgte Vertonung des Hölderlingedichts greift weit zurück, und die Aneignung ist wie dort sehr persönlich.


    Um die oben behauptete Nähe Hölderlins zu Rilke zu belegen, möchte ich der behaupteten Starrheit der Entgegensetzung von Götter- und Menschenwelt entgegenhalten, daß die gedankliche Klammer des Textes wie folgt lautet:


    Ihr wandelt droben im Licht usw.

    ...

    Doch uns ist gegeben, auf keiner Stätte zu ruhn usw.


    Die Apostrophe zum Eingang und die durchgehaltene Perspektive "von unten" fügen sich, wie ich meine, bruchloser zusammen, als es andere meinen. Was sich hier durchhält, ist freilich nicht eine ungebrochene Kontinuität von irdischer uns göttlicher Welt, sondern die Kontinuität unserer menschlichen Existenz, die in die Welt geworfen wird, sterblich ist und doch hinausgreift über sich in eine höhere Welt.


    Wenn Rilke, im "Ange du Méridien" (und den Derivaten, etwa dem "Einsamen"), eine Existenzform entwirft, so muß man an die Unheimlickeit des "Leiermanns" der Winterreise zurückdenken, es ist auch ein Liebäugeln mit dem Abgrund. Hölderlins "Schicksalslied" vermeidet derartige Signale. Selbst die wie eingeschobene Mittelstrophe erinnert den einen oder anderen von uns vielleicht an Rungesche Tageszeiten, an den Morgen mit allen Attributen vom offenäugig schlafenden Säugling, knospender Flur und lichten Höhen, befremdlich in seiner seraphischen Sphärenmusik.


    Nicht erst das Adjektiv "keusch" weist dieses paradiesische Jenseits als verloren aus. Aber ich bin nicht berufen, Hölderlins Text angemessen auszulegen. Für mich interessant ist vor allem, wie inspiriert Brahms für diese unanschauliche, unbetretbare Welt bezwingende Töne findet. Wiederum ist der Textvorwurf vor allem Subtext einer Selbstrechtfertigung der Musik schlechthin.


    "Glänzende Götterlüfte/ rühren euch leicht

    Wie die Finger der Künstlerin/ heilige Saiten"


    Das menschliche Ohr ist demnach ein empfindliches Kontaktfeld zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, und die Musik macht das Angewehtsein vom Ewigen menschlich erfahrbar. Die kontrastierend ausgemalte blinde Schicksalsheimat des Menschen wirkt bei Brahms erst recht kalt und routiniert-konventionell; keine Apotheose einer Meeresgöttin hat hier Platz. Aber die Rückkehr zum Verklärungsreich hat auch hier das letzte Wort, und ich habe große Zweifel, daß es ein Wort aus der Bibel ist.


    :hello:

    Verehrter, geschätzter Helmut Hofmann,


    ich denke doch, daß deine Sorgfalt, stehe sie der Spontaneität auch entgegen, deinen Beiträgen allererst zu ihrer Qualität verhilft. Ich sehe da eine Kontinuität bis zu deinem gegenwärtigen Schubert-Thread. Die Fülle deiner Beiträge verstellt dir vielleicht die Sicht darauf. Oder der naturgemäß begrenzte Austausch über diese spezielle Materie verstärkt den Eindruck einsamen Wirkens.

    Meine ausgedehntere Abszenz hienieden hat damit gar nichts zu tun, hatte sehr persönliche Gründe. Aber ich habe nie aufgehört, über deine Thesen nachzudenken; im Grunde wollte ich mich immer nur mit dir auseinandersetzen, denn im Leben habe ich niemanden, der solche Interessen teilt. Nimm dies als Ausdruck meiner tief verpflichteten Dankbarkeit für alles, was du ersinnst und zu Papier bringst, wenn ich so sagen darf.


    Um zur Wetterfahne zurückzukommen: Es ging mir in meinem letzten Beitrag um die Aggression, die Schuberts Vertonung der letzten Strophe herausbringt. So wenig schmeichelhaft, wie das ganze Stück in den Ohren der jungen Dame klingen muß - der Wanderer exkulpiert sich gewissermaßen: Das "nur nicht so laut" präludiert dem kalkulierten Ausbruch, bei dem es auch musikalisch laut wird. Hier setzt sich der Dichter, man überliest es leicht in den kalenderspruchhaften Versen, über das konventionelle Gebot, gewisse Dinge nicht auszusprechen, vehement hinweg. "Fragen sie vielleicht nach meinen Schmerzen?" "Die Tochter wird ja teuer genug verkauft!"


    Die Deutung mancher Interpreten von der Wetterfahne als "aufgestecktes" Bordellschild hat erst hier, als Assoziationsmoment, ihre Berechtigung; sie unterfüttert die Ungeheuerlichkeit aller im Lied erhobenen Vorwürfe, nicht deren sachliche Seite. Daraus folgt aber zugleich, daß das lyrische Ich die Ungerechtigkeit seiner Rede zum Teil einholt. "Nun gut, ich werde ihr jetzt weh tun. Kümmert die da denn, wie es mir ergeht?"


    So oder ähnlich meinte ich das.


    :hello:

    ELISABETH

    Dich, teure Halle, grüss' ich wieder,
    froh grüss' ich dich, geliebter Raum!
    In dir erwachen seine Lieder,
    und wecken mich aus düstrem Traum. -
    Da er aus dir geschieden,
    wie öd' erschienst du mir!
    Aus mir entfloh der Frieden,
    die Freude zog aus dir. -
    Wie jetzt mein Busen hoch sich hebet,
    so scheinst du jetzt mir stolz und hehr;
    der dich und mich so neu belebet,
    nicht länger weilt er ferne mehr.
    Sei mir gegrüsst! sei mir gegrüsst!
    Du, teure Halle, sei mir gegrüsst!


    Liebe Freunde,


    ich empfinde eine große Freude und Rührung, alle, zumal die betagteren unter uns, hier weiterhin rege und engagiert zu finden. Das ist zumal heutigentags nicht selbstverständlich. Bleibt mir nur alle gesund und erhalten!

    :hello:


    Im englischen Original des Buches wird immer der deutsche Text des Liedes vorangestellt, gefolgt von einer Übersetzung, die hier lautet: "Why do they ask about my sorrows?"; diese Zeile wird dann im Text wiederum zitiert. Wenn der deutsche Übersetzer dies zurückübersetzt mit "Warum fragen sie nach meinen Schmerzen?", dann ist das zumindest fragwürdig. Ob nun allerdings "was" oder "warum", der Sinn ist sicherlich der von Dir gemeinte: was kümmern sie meine Schmerzen, warum interessieren sie sich dafür, wo doch ihr Kind einen reichen Bräutigam gefunden hat.

    Liebe Freunde,


    hier scheint mir das Problem auf Seiten der Rückübersetzung ins Deutsche zu liegen.


    Im Englischen kommt dem "Why" zumal als Eröffnung einer Phrase, sei sie zum Schein oder tatsächlich fragend formuliert, eine Nebenbedeutung zum wörtlichen kontextuellen "Warum" zu. In Shakespeare´s Sonnet Nr. 130 wird:


    If snow be white, why then her breasts are dun


    nicht etwa übersetzt durch:


    Wenn Schnee weiß ist, warum sind ihre Brüste dann falb?


    sondern wie folgt:


    Wenn schnee weiß ist so ist ihr busen fahl (George)


    "Why" könnte man hier beinahe durch "well" ersetzen, eine ganz allgemein einräumende Anknüpfung an Gesagtes oder Gedachtes, das man gleichsam im Stillen voraussetzt, ohne es zu billigen, also dem Sinne nach zwischen "na gut!" oder "und wenn schon!" changierend, um bloß zwei Beispiele zu nennen.

    Wenn, wie ich vermute, im englischen Originaltext dieses wegwerfende "why" Verwendung findet, so ist der Sinn der Übersetzung:


    "Fragen sie etwa nach meinen Schmerzen?"


    Da auch diese Auslegung durch Müllers Vers abgedeckt wird, geht es mir hier vor allem darum, diesen weitaus trotzigeren Gestus hervorzuheben, den Schubert den Worten ja musikalisch unterlegt - auch die Wiederholung der Phrase hat dieses Persistierende; "Was kümmert sie usw." läßt, für mein Sprachgefühl wenigstens, die Nuance der Provokation vermissen, klingt allzu resignierend und selbstbezogen. Gleichwohl wäre zu diskutieren, inwiefern das ganze Lied die Ohnmacht ungehaltener Schmähreden reflektiert, die jede betrogene Liebe kennt.


    :hello:

    Also Wilde hat das zugrundeliegende Drama in - ich glaube: fehlerhaftem - Französisch geschrieben. Ein guter Freund hat es dann ins Englische übersetzt. H. Lachmann übertrug dann alles (fabelhaft) ins Deutsche.


    Für Freunde genauerer Prosodiebetrachtung sei hier nur angemerkt, daß etwa Herodes´ Aussprache des Namens bei "Wo ist Salome" ganz anders betont ist als in "Salome, komm, trink Wein mit mir". In letzterem Fall liegt die Betonung nach dem auftaktigen "Sa-lo-" eindeutig auf der Endsilbe "-me". Der Komponist kann sich offenbar auch nicht entscheiden.


    LG :hello:

    Hallo,


    ich hatte mir wegen der hier und bei Amazon zu lesenden Bewertungen die BPO unter Rattle heruntergeladen, in 44,1kHz/24. Heute kam dazu Nelsons/BSO in sensationellen 192kHz/24.
    Hintergrund war die große Verwunderung, daß es gar nicht so leicht ist, einen befriedigenden Brahms-Zyklus unter den neueren Einspielungen zu finden.
    Meine erste Begegnung mit Brahms-Symphonien war ein Geburtstagsgeschenk meine Tante, die III. in der ersten Karajan-Einspielung mit BPO von 1964 oder so. Die fand ich zwar großartig, v.a. den Anfang, aber auch sehr streng; das poco allegretto paßte mir nicht hinein, die übrigen Sätze fesselten mich nicht besonders.
    Zu Brahms als Symphoniker kam ich erst durch Bernsteins Wiener Zyklus, und hier waren es durchweg zuerst die Binnensätze - die ich bis heute wie kaum etwas in der sinfonischen Literatur liebe - die Bernsteins Aufnahmen mir nahebrachten. Mein Favorit ist bis heute im Grunde die Zweite, mit ihrem lieblichen Kopfsatz, ihrer Helle und Naturverbundenheit. Karajans 60ger-Jahre-Zyklus fiel dagegen in meinen Ohren irgendwie ab, auch klanglich natürlich, und ich vermißte den Schmelz der Wiener.
    Trotz Bernsteins TV-Einführungen war mir natürlich klar, daß III,1 bei ihm ein eher mißlungenes Experiment darstellte: auf die spannungsvollen Bläserakkorde folgt ein schon im Ansatz flügellahmer Streicher-Abstieg, und der Bezug der Tempovorschrift auf die Achtel der synkopierten Begleitung ist einigermaßen fragwürdig. Auch IV,1 kann gegen C. Kleiber nicht mithalten (der Rest schon); wer Brahms dramatisch liebt, greife zu anderen Dirigenten als Bernstein.
    Rattles Zyklus mit den Berlinern ist, was Tempo-Dispoition, Phrasierung, Liebe zum Detail betrifft, ganz hervorragend. Die Akzente sind vielleicht immer eine Spur zu weich ausgeschwungen, statt scharf (z.B. der die Bläserfanfare abschließende dritte Schlag auf 1 beim Einsatz des Sreicherthemas). Der Klang ins pastos, voll und dunkel, eher kompakt als transparent, aber von außerordentlicher Schönheit.


    Nicht zu empfehlen sind Skrowaczewski bei Denon und Janowski bei Pentatone, und zwar wegen der in meinen Ohren mangelnden Detailarbeit im Orchester (ich denke z.B. an den Beginn von II,3 oder den Schluß von IV,2). Beide Zyklen sind vom Dirigat her eindrucksvoll; es hapert aber öfters an der Umsetzung.


    Rattles Interpretation ist womöglich eine Spur objektiver und insofern unpersönlicher und weniger riskant - das bedeutet allerdings Kritik auf einem sehr hohen Niveau. Vergleicht man etwa den Schluß von IV, 2 bei Rattle mit Bernstein, so läßt Lenny den reinen Streichergesang erst wunderbar gezogen und mit ausdrucksvollen Akzenten spielen und in der apotheosehaften Einkleidung über rollenden Paukenwirbeln aufblühen, ehe dann das Schlußtableau des Hauptthemas im schneidenen Blech über sehr herbstlich gefärbten Streicherarpeggien erklingt - unnachahmlich und unerreicht. Rattle verzichtet beim Streicherthema auf die expressiven Akzente und die prononcierten Paukenschläge und beim Schlußtableau auf die Einfärbung des Blechs - so klingt es denn wie alles in diesem Zyklus, rund und voll und blühend, milde und ohne das, was manche bei Bernstein als Manier empfinden.


    Nelsons Bostoner Zyklus kann gegenüber Rattle akustisch punkten - der Klang ist weiträumig und wunderbar durchsichtig, bei vergleichbarer Fülle fehlt ihm das Dicke und Pastose der Berliner; die Bostoner klingen weniger aufgehellt als vielmehr wirklich strahlend; sie gewinnen dadurch bedeutend an Spontaneität. Das Dirigat läßt nichts zu wünschen übrig, es fehlt weder an Dramatik noch an kontemplativem Innehalten oder herb ausgekosteter Süße. Das Orchester ist sicher unter den besten dieser Welt. Eine klare Empfehlung!


    :hello:

    Liebe Mitglieder,


    ich habe meinen physischen Tonträgerkonsum völlig eingestellt und nutze nur mehr Highres-Files. Der klangliche Unterschied ist eklatant, das Immaterielle am Downloading reizvoll und nicht zuletzt die Einschränkung der Angebotsauswahl eine erfreuliche Tendenz in der Inflation neuer und neuaufgelegter Aufnahmen - zumindest was mich betrifft.


    :hello:

    Café Zimmermann habe ich seinerzeit gehört und sofort gekauft. Eine glanzvoll virtuose Einspielung. Wenn man ihr eine Schwäche anhängen möchte, so wäre das - etwa im Vergleich zu Savall, den ich hier ebenfalls empfehlen möchte - eine gewisse Eindimensionalität im Getrimmtsein auf Tempo und Timing. Ein Freund von mir besitzt eine hervorragende Anlage mit aktiven Bipol-Strahlern, da klingt Café Zimmermann tatsächlich sehr viel lebendiger und musikalischer als bei mir, wo akustisch die aggressive Spielweise vorwiegt (z.B. Konzert No. 3). Soviel zur Subjektivität von Höreindrücken ..


    :hello:

    Lieber Caruso 41, verehrte Diskutanten und Taminos,


    ein spannender und anregender Thread! Insbesondere meinen Dank für die Literaturempfehlung, eine echte Alternative zu J.M. Fischer, A. Csampai und J. Kesting.


    Dein Versuch, zu Beginn etwas kategoriale Logik in diese Diskussion zu bringen, ist an sich schon zu begrüßen - obwohl ich persönlich meine Zweifel hege, ob der "Stil" tatsächlich eine ganz objektive Kategorie ist. Ich meine das mit Blick auf die youtube-Diskussionen etwa zu Carmen.


    Ich bin auch ein großer Fan der dort komplett greifbaren Da-Capo-Serie August Everdings, wo man ja z.B. eine Maria Stader über eine Sena Jurinac urteilen hört: "Sie konnte so wenig ..."


    A propos Everding: Nächste Woche sehe ich mir in Berlin "endlich" seine Zauberflöten-Inszenierung in den Schinkelschen Kulissen an (im Schiller-Theater). Ich bin schon sehr gespannt, auch, ob René Pape den Sarastro singen wird. Einen Tag davor, am 16., hätte ich Günther Krämers Inszenierung in der Deutschen Oper sehen können, gesiegt hat die Alternative mit den besseren Parkettplätzen.


    Inzwischen bin ich gespannt auf den Fortgang dieser Gespräche!


    :hello:

    Gar nicht genug loben kann man diese Aufnahme:


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    Das erste Konzert übertrifft vielleicht noch die von mir hochgeschätzte Moskauer Gilels-Interpretation


    Und ganz wundervoll spielt ebenfalls eine Grande Dame:



    Sehr subtil und technisch über alle Zweifel erhaben, doch in der entschleunigten Tempoauffassung (zumal der b-Moll-Sonate) ans Provokative grenzend:



    Die hier eingespielte g-moll-Ballade oder zumal das 1. Nocturne b-Moll sind Sternstunden durchdachter und clichéfreier Darstellung der beseeltesten Art.


    :hello:

    Lieber verehrter Rheingold1876,


    mit wieviel Freude und Dankbarkeit habe ich diesen Link aufgerufen. Gibt es ein höheres Maß an Kunst, gibt es irgendwo seinesgleichen? Ist das, zumindest, nicht die ultimative, die unübertreffliche Interpretation und Darbietung von Wolffs Mignon?


    Ich wünsche Dir by the way ein frohes, gesundes und glückliches Neues Jahr,


    Dein farinelli


    :hello:

    Beispiel: die berühmte Barbarina-Arie am Schluss mit den sordinierten Geigen. Dies ist für mich die schönste Opernarie, die Mozart je geschrieben hat, und das sind ja einige. Wie hat der Flimm das versaut durch unnötigen Aktionismus (Gehampel hat Gerhard sehr treffend gesagt); und auch der Sängerin fehlte daher die unglaublich ergreifende Melancholie und der Schmerz, den dieses Stück braucht, wobei deutlich werden muss, dass hier die Musik mehr aussagt, als die vom Text her ja nur Nebenfigur der Barbarina eigentlich zu bieten hat. Das ist für mich immer der Mehrwert einer Oper gegenüber dem Theater. Und wenn ein Regisseur das nicht hinbekommt, ist er kein guter Opernregissseur.


    Lieber Dr. Pingel,


    da du nicht wollen kannst, dir die Fassung von André Rieux zu empfehlen (denn darauf liefe deine Beschreibung hinaus) -


    erkläre dich doch bitte mal inhaltlich näher zu Sinn und Inszenierung der kurzen Nunmmer zu Beginn des 2. Akts.


    Zur Einfachhheit hier noch einmal der Text da Pontes:


    BARBARINA


    L'ho perduta ... me meschina! ...
    Ah chi sa dove, sarà?
    Non la trovo... e mia cugina ...
    E il padron cosa dirà?


    :hello: