Eichendorffs Gedicht ist situativ einer ländlichen Szenerie verschrieben, die die Tageszeit ("Abendrot") ein Stückweit konkretisiert: Es gibt zwei Menschen, vermutlich am Ende einer Wanderung, ein Ausruhn "überm stillen Land", ein Innehalten, gespiegelt im landschaftlichen Ausblick auf rings sich neigende Täler, in denen die Dämmerung aufzieht, ein Lerchenpaar sowie eine Reflexion über diesen Abend, der auch ein Lebensabend, über die Erschöpfung, die auch eine Lebensmüdigkeit ist.
Soweit irgend möglich, bietet das abendliche Geschehen der Landschaft den Entfaltungsraum einer existenziellen Selbstbefragung und scheint dadurch zugleich symbolisch überhöht und im Realen objektiviert, gleichsam der Natur zurückgegeben, "down to earth", wie die Engländer sagen. Strauss´ Vertonung bietet eine Fülle von Klangassoziationen pastoraler Art, Hornquinten, Sexten- und Terzenseligkeit, diatonisches Fortschreiten teils volksliedhaften, teils choral- oder gar wiegenliedhaften Charakters.
Rings sich die Täler neigen
Nur an dieser Stelle übernimmt die Singstimme die punktierte Auf- und Abwärtsbewegung der Sonnenuntergangsweise. Blick und Melodie sinken in die Tiefe; der Klang ist urvertraut, obwohl nach dem B-Dur-Intermezzo eine Wendung nach Ges-Dur eingetreten ist. Diese Tonartrückungen durchziehen das Lied mit immer neuen Wechseln in der Beleuchtung und konterkarieren die melodische Schlichtheit.
Es dunkelt schon die Luft
Enharmonisch geht es über ein unerwartetes D-Dur und Cis 7 nach fis-Moll, über einer in Triolen unheimlich absteigenden Baßlinie. Der 3/2-Takt markiert die klangliche Zäsur als ein beklommenes Innewerden der bedrohlichen Aspekte dieses Übergangs zur Nacht. Die oben liegende Terz fis-a des fis-Moll-Akkords wird, beinah noch im tiefen Brummregister, den Flöten anvertraut, ehe sie, in enger Zweistimmigeit in Quart- und Terzabständen trillernd, das aufsteigende Lerchenpaar symbolisieren, die die Singstimme im Folgetakt, in der Durparallele A-Dur, begrüßt.
Die kunstvolle "Übergänglichkeit" in Strauss´ Kompositiosweise wird auch in diesem knappen Abschnitt erkennbar. In der nächtlichen Atmosphäre des Tals sind die Lerchen ungreifbar bereits vorhanden, ehe sie sich in die ihnen eigne Sphäre des lichten Tages erheben.
Zwei Lerchen nur noch steigen
nachträumend in den Duft.
Nur Eichendorff konnte so etwas schreiben. Das realistische Detail umschließt unlösbar die atmosphärische Empfindung, das träumerische Verhaftetsein der friedlichen Tiere oben im scheidenden Licht, so als könne man den Tag "nachträumend" noch etwas hinauszögern und verlängern.
Heraldisch entstammen die Lerchen der mittelalterlichen Lyrik, genauer dem "Taglied" als Verkünder des Endes liebestruknener Nächte. "It was the nightingale and not the lark", diesen Vers aus Romeo und Julia kennt wohl jeder. Wie das in der Literatur so zugeht, entstanden daraus im 19. Jahrhundert, zumal in England, sehr berühmte Gedichte auf die Nachtigall (Keats, Coleridge) und die Lerche (Wordsworth), die der romantischen Zweiteilung der Welt in eine rauschhafte Nacht- und eine lichte Tagseite verpflichtet bleiben.
Dies im Sinn, erscheinen die lyrischen Symboltiere bei Eichendorff besonders bemerkenswert. Denn wie sonst die Nachtigallen, halten hier die Lerchen die Scheidelinie zwischen Nacht und Tag offen und stehen, zunächst, für ein Weiterlebenwollen am Lebensabend, für einen dem Menschen nicht mehr möglichen verspäteten Aufbruch ins Licht, für eine existenzielle Sorglosigkeit auch. Sodann aber haftet ihrem schmetterlingshaften Schwirrflug ganz von ferne etwas Eschatologisches an; die Lerche im Zwielicht scheint vom Seelenflug vom Weiterleben nach dem Tode und einer anderen, reineren Existenz zu künden.
So unzweifelhaft Strauss das Reimwort "beide" im dritten Vers der ersten Strophe getilgt hat, so unbeirrt beläßt er die Lerchen als Paar, unüberhörbar in den Terzentrillen der Flöten und, gegen Ende des Liedes, der Piccolos. Das ist eine gewisse Inkongruenz. Sehr Straussisch ist die melodische Phrase cis-gis a-fis ("... Lerchen nur noch ...") mit ihrem Sextensprung aufwärts, der ja in der ersten Strophe mehrfach bereits anklang. Nach reinen A- und D-Dur-Harmonien wendet sich der beschworene "Duft" wieder nach Cis-Dur, das sich im Folgetakt, von der Solo-Violine umspielt, nach Cis 7 verschleiert.