@ Chorknabe
Ich halte es für arg unglücklich, Kant von der Kritik der Urteilskraft aus zu beginnen.
Eine kleine Frage vorweg: Interessierst du dich nur für "Geschmack" oder möchtest du generell in das Denken Immanuel Kants (du bist interessanterweise der Erste, den ich sehe, der Kant mit seinem Taufnamen Emanuel anspricht) einsteigen?
Ich für meinen Teil habe Kant vor gut einem Jahr kennen gelernt, und seit dem lässt er mich nicht mehr los! Nach einem Jahr kann man natürlich noch nicht sagen, man kenne Kant wirklich, aber den Einstieg in seine Welt habe ich hinter mir.
Wenn du es mit Kant wirklich ernst meinst, würde ich Dir einige Ratschläge geben:
Hinter den 3 Kritiken steckt ein Konzept, es ist also schon mal sehr schlecht die Kritik der Urteilskraft verstehen zu wollen, ohne die Kritik der reinen Vernunft und die Kritik der praktischen Vernunft zu kennen (wobei "kennen" bei Kant ein seeeeehr weiter Begriff ist). Wobei, mit deinem Plan, mit der KdU zu beginnen, hast du prominente Unterstützung; Schiller hat es auch so versucht - Dreimal darfst du raten, wie es geendet ist .
Mein Tipp: Beginn mit was einfachem, um dich erst man an Kants Stil zu gewöhnen.
Zum Beispiel die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
- hier erhältst du in recht verständlicher Sprach eine Einführung in Kants Ethik.
Diese ist IMO sowieso besser geeignet um in Kants Gedankengebäude einzusteigen als die Kritiken, denn, so Kant in der Metaphysik der Sitten:" Hier (in der Kritik des Vernunftvermögen) ist an keine Popularität (Volkssprache) zu denken, sondern es muss auf scholastische P ü n k t l i c h k e i t gedrungen werden. :wacky:
(aus: Die Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, Vorrede, Weischedel Suhrkamp S.310)
Ansonsten, wenn du direkt mit den Kritiken beginnen möchtest, empfehle ich dir als Einstieg in die Kritik der reinen Vernunft:
Walter Götz - Kants "Kritik der reinen Vernunft" im Klartext
Daneben kann ich dir zur KdV nur empfehlen ( ich selbst habe es zu spät erfahren) HUMES Untersuchung über den menschlichen Verstand zu lesen
- erleichtert das Verständnis der KrV um einiges, da hier viele Grundideen in wesentlich verständlicherer Form gebracht werden (Komm jetzt aber bloß nicht auf die Idee, in der KrV stünde dasselbe wie in der UüdmV - Kant hat zwar einige Ideen von Hume übernommen, entwickelt diese aber in eine ganz andere Richtung! (zu den Dingen, die Kant nicht von Hume übernommen hat zählt leider auch die Verständlichkeit seiner Sprache ))
Ansonsten kann ich nur sagen: Es wird nicht leicht, aber es lohnt sich wirklich.
Zu deiner Leseeinführung zur KdU von Ralf Ludwig kann ich so nichts sagen, da ich sie nicht kenne, aber ich kenne vom selben Autor die Leseeinführung in die KrV und war ehrlich gesagt schwer enttäuscht. Es handelt sich dabei eigentlich nur um eine zusammengekürzte Fassung der KrV ( so etwas gibt es übrigens von Kant höchstpersönlich, nennt sich „Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik die als Wissenschaft wird auftreten können“ – angeblich noch unverständlicher als dis Kritik selbst :D), zusammengehalten durch Ludwigs Erläuterungen die ich persönlich (genau wie die Auswahl der Texte) für sehr problematisch halte. Generell, aus den Kritiken Lesebücher machen zu wollen, zielt in meinen Augen an der Struktur dieser Werke vorbei. Wenn man sie liest, wird man merken, dass sich Kants Faszination für Schemen bis in die Struktur seiner Arbeiten zieht, ein Lesebuch kann dem nicht gerecht werden.
Ansonsten, welche Ausgabe der KdU besitzt du denn? Besonders hervorzuheben ist hier IMO die Meiner-Ausgabe, besonders wegen der Einleitung
(eigentlich ist alles aus dieser Ausgabe empfehlenswert, nur leider auch so verdammt teuer – zudem zerpflücken sie sehr stark, so ist hier die Metaphysik der Sitten in die beiden metaphysischen Anfangsgründe aufgeteilt, was dann den Preis noch weiter erhöht – man vergleiche: Reclam: 9 Euro; Meiner: 2 x 18.80 = 37.60 Euro – Da hört auch bei mir der gute Wille auf!)
Biographisches Vorwissen ist für Kant IMO kaum erforderlich (soweit wie Heine würde ich zwar nicht gehen, aber... ) wichtiger ist, dass du dich in den historischen Kontext einließt (solche sachen wie Empirismus und Rationalismus sollten bekannt sein)
Ansonsten möchte ich auch mal an die anderen Taminos fragen, womit seid Ihr in Kants Philosophie eingestiegen? (Notfalls könnte man dies separat behandeln)
Liebe Grüße, Heliaster