Beiträge von Gino_Poosch


    Weniger wegen der heftigen, schnaubenden und gurgelnden La Bartoli, als vielmehr wegen des Repertoires. Gepriesen sei zumindest ihre schatzgräberische Lust...
    Dennoch, nicht dieses, sondern das Gluck-Album halte ich immer noch für ihr bestes Recital der letzten Jahre.


    Gruß


    Gino


    Für mich, trotz einiger Schwächen DIE Aufnahme der "Frau ohne Schatten"!
    Sicher, die Färberin liegt für Hildegard Behrens hoffnungslos zu tief. Van Dam ist mit seinem belcanteskem, aber kernigen Barak herrlich.
    Domingos Probleme mit dem Idiom störten mich anfangs bei dieser Aufnahme sehr, jetzt, nach einigen Jahren, liebe ich seinen Kaiser. Wer bitte, singt "Denn ich habe mich versündigt gegen ihn in der Trunkenheit der ersten Stunde" so prachtvoll? Und noch etwas - in dem vollen Wissen darum, daß ich mich der Majestätsbeleidigung schuldig mache - für mich steht die Kaiserin von Julia Varady der von Leonie Rysanek in nichts nach! :yes: :stumm: Ihre große Szene im 3. Akt ("Vater, bist du's?") ist sensationell gelungen.

    Bevor ich schlafen gehe, meine eigene Anregung aus dem Altstimmen-Thread aufnehmend 8):


    Giuseppe Verdi
    Messa da Requiem


    Anna Maria Rovere
    Ralph Lambert
    Jean Madeira
    Giulio Neri


    Erich Kleiber
    Wiener Philharmoniker


    23.11.1955 Musikverein Wien


    Leider kein Bild vorhanden, weil die Melodram CD Box schon lange nicht mehr erhältlich ist.


    Gute Nacht


    Gino

    Zitat von Philhellene

    Jean Madeira finde ich als Erda ganz in Ordnung, aber nicht wirklich überwältigend. Sonst habe ich leider nichts mit ihr.

    Hallo Philhellene,


    Vielleicht, gibst Du ihr noch eine Chance?! Ich halte Jean Madeira trotz starker Konkurenz (Christa Ludwig und Martha Mödl) für die größte Klytämnestra in einer der größten Elektra-Produktionen (trotz Strichen):



    Unglaublich, wie sie hier singend (sic!) der Rolle ein Gesicht zu verleihen vermag. Sie ist damit weit entfernt von den röchelnden, alten Frauen die nicht selten diese Partie übernehmen.



    Madeira, Borkh, Della Casa, Mitroupoulos - Salzburg 1957


    Ansonsten unbedingt hörenswert ihre furiose Amneris in einer deutsch gesungenen Aida unter dem genialen Dirigat Kubeliks aus Wien 1955 (Gerichtsszene!). Ihre tolle Ballo-Ulrica im selben Jahr neben Tucker, der späten Milanov und einem etwas unidiomatischen, aber mächtig auftrumpfenden Josef Metternich. Sowie der Altpart in einem raren Verdi-Requiem unter Erich Kleiber (Melodram) neben dem großartigem schwarzen Baß Giulio Neris.



    Zitat

    ich verstehe nicht ganz, warum man den Terminus "Kontraalt" benötigt, da der Kontraalt-Bereich sowieso die einzigen reinen Altgefilde darstellt.

    Die tatsächlich große Verwirrung der Termini wird noch größer wenn man weiß, daß in Italien contr'alto oft einen Mezzosopran meint. Ganz im Gegensatz zu unserer deutschen Definition (s.o.).



    Liebe Grüße


    Gino


    Ein großartige Symbiose aus Debussys subtiler Tonsprache und Karajans Klangfarbenzauber mit den Berliner Philharmonikern. Auch von Stade und van Dam sind "outstanding"... Für mich wirklich eine der großen Opernproduktionen des letzten Jahrhunderts.


    Grüße
    Gino

    Gerade höre ich:



    Eine der besten Dessay-CD's. Ihr "Ach ich fühl's"" ist durch die Sanfheit der Formug und tolles Pianissimo (Ende!) einfach großartig. Ebenso bedeutend ihre Marternarie. Wer mit dem etwas ausufernden Virbrato in den höheren Lagen ebenso zurecht kommt, wie mit ihrer matten Mittellage wird mit einem großen Hörerlebnis belohnt.


    Louis Langrée musiziert mit dem "Orchestra of the Age of Enlightenment" weit größeres als die pure Begleitung eines Arienrecitals...


    Grüße
    Gino

    Hallo GieselherHH,


    es freut mich das ich Dir Lust auf den Lohengrin und die Gruber-Box machen konnte. Letztere Investition wirst Du allein wegen der großartigen Tannhäuser Auszüge nicht bereuen. Bei jpc.de gibt es diese 3CD-Box für 29,99 Euro. Wie ich finde äußerst wohlfeil für solche Schätze. Das Programm von "Ponto/Mitridate" ist ohnehin sehr spannend (z.B. der Gedda-Lohengrin oder ein toller Macbeth mit Scotto und Bruson). Schau auch mal hier!
    Der Preiser Lohengrin mit dem ätherischen Fehenberger schlägt da mit 44,99 für 3 CDs schon höher zu Buche. Recht teuer für eine Aufnahme deren Rechte abgelaufen sind, wie ich finde. Vielleicht erscheint ja irgendwann eine preiswerte Ausgabe?! Dennoch: Ich liebe beide sehr!


    Ja, der "Ballo" (in dt.) mit Fehenberger ist hervorragend. Auch habenswert ist sein Radames in Karajans Aida von 1951 aus dem Wiener Musikverein. Einfach unglaublich wie Karajan die Priesterszene zum Ende des 1. Aktes dirigiert. Es ist wie ein Wunder, der Chor (Wiener Singverein) klingt wie aus einer anderen Welt. Eine gewisse Hilde Forer (mir gänzlich unbekannt) singt eine großartige Sacerdotessa. Sicher ist Fehenberger nicht unbedingt prädestiniert für "Celeste Aida", aber in der Priesterszene (bei "Nume, che duce ed arbitro") ist er einfach magisch. Und wo gibt es heute einen Spinto wie den von Carla Martinis als Aida?



    Alberto Remedios im Godall-Ring ist wirklich interessant. Endlich ein Siegfried jenseits purer Kraftmeierei (die ihm sicher auch nicht zu Gebote stand). Aber Reginald Goodall macht halt alles möglich... =)


    Grüße


    Gino

    Hallo,


    eine klare Kategorisierung oder Abgrenzung der Fachbezeichnungen zwischen Alt und Mezzo ist wohl ebenso kompliziert wie die zwischen Baß und Bariton. Immer in Abhängigkeit davon, ob man Umfang, Volumen oder Stimmfarbe bzw. Timbre zur Abgrenzung heranzieht. Aushilfsweise verwenden wir den Terminus „Kontraalt“ um besonders tiefe (etwa bis zum tiefen d reichende), füllige und pastose Stimmen zu bezeichnen, die für den Oratoriengesang, Wagners Erda oder etwas Strauss’ Gäa in Daphne prädestiniert sind. Der dramatische Alt hingegen verlangt nach einer Expansion in die Vollhöhe, zuweilen gar bis zum c’’’.


    Ich persönliche differenziere vor allem nach Stimmfarbe und nicht nach dem individuellem Umfang. So halte ich Ewa Podles, mit ihrem großen, pastosen Organ klar für eine Kontraaltistin, obwohl sie mühelos das hohe C erreicht. Ebenso sind etwa erwähnte Clara Butt, Ernestine Schumann-Heink oder Huguette Tourangeau diesem Fach zuzuordnen. Anne Sophie von Otter ist für mich mit ihrer schlanken, zuweilen herben Stimme demnach alles andere als eine Altistin, und aufgrund ihres Timbres ohne jede Eignung für Partien wie Carmen oder Dalila. Und wenn ich dies auch noch bemerken darf: Die von sagitt erwähnte, kürzlich erschienene, Einspielung der „Kindertotenlieder“ unter Boulez, finde ich wegen von Otters’ und Boulez’ Unterkühltheit und der nahezu penetranten Weigerung gegenüber jeglichem Espressivo meilenweit von den Aufnahmen mit Ferrier, Baker oder Ludwig entfernt.


    Obwohl es natürlich keine Dokumente der Stimme von Maria Mailbran gibt, war auch sie ganz sicher keine Altistin sondern ein Mezzo. Es ließe sich diskutieren ob sie nicht gar Sopran gewesen ist. Kritiken aus der Zeit und die für sie komponierten Partien beweisen dies. So sang sie – heute unvorstellbar – Arsace in „Semiramide“, Leonore in „Fidelio“ und Susanna im „Figaro“. Sehr Aufschlussreich ist es auch, einen Blick auf die Malibranfassungen von Lucia di Lammermoor oder Maria Stuarda zu werfen. In der Mittellage soll sie ein Loch gehabt haben, welches sie nur durch ihre Technik geschickt zu überbrücken wusste. Ihre Tiefe war also vom oberen Register isoliert und nicht angebunden.


    Aus der Vergangenheit sind sicher noch zu nennen: Amalie Joachim, die Frau Joseph Joachims, sowie Hermine Spies, Lula Mysz-Gmeiner oder Maria Philippi.


    Spontan fallen mir noch zwei bisher ungenante, wirkliche Altstimmen ein, die noch in der Stereoära tätig waren: Oralia Dominguez und (sicher bekannter) Jean Madeira. Beides tolle Stimmen!


    Man könnte noch viel schreiben, allein über die große Ewa Podles. Aber später mehr....


    Liebe Grüße


    Gino

    Höre gerade:


    Giuseppe Verdi
    LA TRAVIATA


    Violetta: Julia Varady
    Alfredo Francisco Araiza
    Germont: Paolo Gavanelli


    Dir.: Roberto Abbado
    München 26.10.1993


    Es gibt leider kein Cover, weil der Mitschnitt weder offiziell noch inoffiziell jemals erschienen ist. Trotzdem toller Klang! Günther Krämer hatte damals seine Münchner Traviata gänzlich auch die Varady zugeschnitten. Sie ist Traumhaft! Bin da aber leider eh nicht objektiv - ich liebe sie einfach... :D


    Grüße
    Gino

    Das ging aber schnell... =) Danke!


    Vielleicht bin ich da auch zu empfindlich, aber in den leiseren Passagen stört mich das schon etwas. Zumal die Aufnahme von 1979 ist, da dürfte das eigentlich nicht passieren. Dennoch: Sie ist großartig. Dieses "Confutatis"... Oder das Ende des "Tuba mirum"...


    Grüße


    Gino

    Hallo,


    Was für eine tolle Aufnahme. Giulini dirigiert göttlich. Man muß hören wie er das "Benedictus" dirigiert. Ludwig, Donath und Lloyd sind hervorragend. Wenn nur Robert Tear nicht wäre ;(... Der Philharmonia Chorus ist aber der eigentliche Star der Aufnahme. Habe noch nie so einen Chor im Mozart Requiem gehört!


    Habe die CD allerdings noch in der EMI "RED LINE" Serie. Und in dieser Ausgabe hat die Produktion (1979) ein furchtbares Hintergrundrauschen. Besitzt jemand diese Neuausgabe und kann mir sagen, ob dieses Rauschen evtl. gefilltert wurde?



    Vielen Dank


    Gino

    Hallo GiselherHH,


    falls Interesse besteht, kann ich dir als wahrscheinlich bedeutendstes Dokument von Claude Heater einen "Tristan" aus dem Teatro Verdi in Triest von 1969 empfehlen, wobei Heater hier natürlich als Tristan und nicht als Melot zu hören ist. Seine dunkle, leicht verschattete Stimme finde ich sehr reizvoll. Im dritten Akt verfügt er durchhaus noch über die nötige Stamina und Hingabe. Isolde ist Catarina Ligendza (hier bei ihrem Rollendebüt zu erleben), es dirigiert Luigi Toffolo.



    Hans Beirer ist sicher ein guter Vorschlag. Ich halte ihn für ziemlich unterschätzt, obwohl er bestimmt keiner der ganz großen ist. Auch er bekam nie die Gelegenheit in seinen großen Rollen dokumentiert zu werden. Am meisten dürfte er heute bekannt sein, durch die unsägliche Diskussion, ob er der unbekannte Sänger des Parsifal ("Africo Baldelli") neben Maria Callas' Kundry 1950 in Rom ist.



    Der bekannte Karajan-Tannhäuser aus Wien von 1966 zeigt viele seiner Eigenheiten. Er ist sicher ein "wissender" Sänger und durchweg engagiert, singt musikalisch aber oft ungenau und neigt zu heftigsten Schmissen (Sängerstreit 2. Akt). Besser kommt er meiner Meinung nach in einem kürzlich von "Living Stage" veröffentlichten "Tristan"-Mitschnitt von 1970 aus Wien unter Horst Stein weg. Hier singt er, zugegeben schon etwas spät und daher nicht ohne Blessuren, einen intensiven, ergreifenden Tristan neben der Isolde von Ingrid Bjoner (bis dato in dieser Rolle ebenso undokumentiert).


    Helge Brilioth ist als Götterdämmerungs-Siegfried allein wegen seiner lyrischen Anlage der Partie interessant. So etwas konnte man sich nur unter Karajan wagen. Seine beiden Bayreuther Tristane in meinem Besitz (1974,1975) zeigen ihn jedoch, wie Du schon anmerkst, total überfordert. Der dritte Akt ist für ihn ein hoffnungsloser Kampf. Brilioth hat übrigens auch, wie viele Sänger vor und nach ihm als Bariton begonnen (1959) und erst 1965 mit dem José in Stockholm das Tenorfach erklommen. Damals hatte er wohl weltweit durchaus einen Namen, trat er doch in seinem Fach an allen wichtigen Häusern in Erscheinung: Bayreuth (Siegmund, Tristan), Salzburg (Siegfried), MET (Parsifal, Florestan und die vorgenannten), Wien (Lohengrin), München, Scala, Covent Garden, Paris (Parsifal), Berlin... usw.... Merkwürdig, dass ihn heute niemand mehr kennt.



    Ich bin Dir dankbar für den Namen Lorenz Fehenberger, obwohl er sicher alles andere als ein Wagnersänger war. So hat er außer Lohengrin meines Wissens nur noch Stolzing gesungen. Der kürzlich bei „Preiser“ erschienene Lohengrin von 1952 unter Eugen Jochums wirklich traumhaftem Dirigat ist für mich eine Offenbahrung. Jürgen Kesting findet ihn übrigens furchtbar. Man muß aber nur „Atmest du nicht mit mir die süßen Düfte?“ hören und ist bezaubert von Fehenbergers Timbre und seinem Legato. Das ist wirklich „Weltversunkenheit“. Unverständlich warum die DGG diese Produktion nie auf CD veröffentlicht hat, Neben Fehenberger singen das Ehepaar Frantz/Braun (Helena Braun ist eine großartige Ortrud, ohne Grenzen bei „Fahr heim“), Otto von Rohr und Annelies Kupper. Uneingeschränkt empfehlenswert!
    Bizarrerweise gibt es einige sehr späte Tristan-Auszüge mit dem Symphonieorchester Innsbruck. Hier schweigt man besser.


    Ich will an dieser Stelle nicht verhehlen, dass mir die meisten unbekannten und in diesem Thread genannten Sänger in ihren Partien lieber sind als James King, der mir nie sonderlich lag und für mich heute ein Argument gegen eine Aufnahme darstellt. Was denkst du über ihn?


    Und um noch einen Namen einzuwerfen: Alberto Remedios


    Grüße


    Gino

    Hallo,


    ja in der Tat ist meine Vorahnung gespalten.
    Von Eva Mei erwarte ich mir gar nichts. Hielt diese recht kleine, oft scharfe und im tiefen Register nicht existente Stimme schon immer für überschätzt.


    Ganz anders BERNADA FINK. Wahrscheinlich werde ich mir die Aufhnahme ihretwegen zulegen. Was für eine großartige Sängerin. Ihre Schumann CD ist eine Offenbahrung:



    Man braucht hier nur Schumanns "Mignon" anzuspielen, übrigens meine liebste von allen Mignon Vertonungen, um aus dem Staunen nicht mehr rauszukommen.


    Michael Schade, nunja, vielleicht auch nicht mehr das, was er mal war, aber durchaus vorstellbar. Der Erfolg von Ildebrando d'Arcangelo beruht wohl eher auf seiner vorteilhaften Optik, als auf seiner bedeutenden Baßstimme. In diesem Baßpart ist er übrigens schon auf Gergievs Requiem dokumentiert.


    Bei den meisten Dirigaten von Harnoncout fällt mir eher "interessant", als "bedeutend" ein. Nur alles anders machen zu wollen als die anderen, reicht nun einmal nicht. Mal sehen wie es hier wird...


    Grüße


    Gino

    Hallo,


    nun, meiner Begeisterung über Nina Stemme habe ich oben ja schon Ausdruck verliehen. Allein ihretwegen interessiert mich die Aufnahme. Der Rest der Besetzung sieht auch nicht unbedingt nach einer Agenturbesetzung aus. René Pape habe ich hier in Berlin oft live als Marke gehört. Er ist kein alter, resignierter Mann sondern ein tief verletzter, aber noch mitten im Leben stehender Herrscher. Allein sein balsamisches Timbre und die tiefe seiner Interpretation stehen für sich. Mihoko Fujimura kenne ich als Kundry ohne jede Ausstrahlung, dafür mit umso mehr Stimme. Ihr tiefes Register ist eine wahre Freude und in diesem Fach heute eine Seltenheit. Sicher ist sie eine große Hoffnung für die Zukunft. Bei Rolando Villazon braucht man nicht zu seinen beiden Virgin-Recitals zu greifen, es reicht sein südländischer, hocherotischer Steuermann auf Barenboims Holländer um den Ausnahmerang dieser Stimme festzustellen. Ich habe Villazon hier in Berlin u.a. als Macduff, Rodolfo und Alfredo gehört. Außerordentlich! Bei Olaf Bär bin ich mir da schon nicht mehr so sicher ob Fach und Partie das richtige, für diesen Sänger der eher bei Mozart und im Lied zuhause ist, sind.


    Und das Pappano nach seinem Bayreuther Lohengrin und auch dem toll dirigiertem Wagnerrecital mit Domingo und Voigt prädestiniert für ein spannendes Tristan-Dirigat ist, liegt auf der Hand. Domingo ist natürlich eine kontroverse Besetzung. Am liebsten höre ich ihn noch als Parsifal unter Levine und als Lohengrin. Die Probleme mit der Diktion - zwar im laufe der Jahre deutlich geringer geworden - (man vergleiche die frühen Meistersinger mit dem Wagnerrecital) sind aber weder angenehm noch wegzudiskutieren. Den Tristan hat Domingo ja schon seit Jahren anvisiert, wird ihn aber sicher auf der Bühne nicht mehr realisieren.


    Karsten, Du hast natürlich Recht. Im Vorhinein weiß man nie wie synthetisch ein solches Studioprodukt wird.


    Dennoch: Ich werde der Aufnahme natürlich eine Chance geben. Alles Neue schon vor Erscheinen schlecht zu reden, scheint mir eher Wichtigtuerei zu sein, zumal diese Besetzung nun wirklich spannendes verheißt…


    Liebe Grüße


    Gino

    Hallo GiselherHH,


    zu Eberhard Katz: In der Tat ein gutes Beispiel für eine Qualitätsstimme, die heute kaum noch bekannt ist. Katz wurde übrigens durch den großen Josef Metternich unterrichtet (nach einer Ausbildung als Bierbraumeister) und debütierte 1963 in Köln als Erik. Mit diesem Haus blieb er auch bis zum Ende seiner Karriere verbunden. Hier sang er u.a. auch Herodes neben der Salome von Gwyneth Jones. Neben den Wagnerhelden war er auch als Florestan, Max und Pedro ("Tiefland") erfolgreich. Bei der Deutschen Grammophon sang er übrigens den "Kavalier" in einer kompletten "Cardillac" Aufnahme.



    Ja, August Seider ist sicher nicht jedermanns Sache, und bestimmt kein wirklich großer Vertreter seiner Zunft. Ganz ordentlich schlägt er sich aber als Tannhäuser in einer Produktion aus 1951 vom Bayerischen Rundfunk unter Robert Heger. Durchaus habenswert auch wegen der Elisabeth von Marianne Schech und dem Landgrafen von Otto von Rohr (was für eine wunderbare, sonore und nach unten unbegrenzte Baßstimme!). Schön übrigens auch Rita Streich als Hirte. Bei PREISER.



    Josef Traxel hat nach seinem 55er Steuermann im darauf folgenden Jahr von Windgassen den Erik übernommen. Und Keilberth von Knappertsbusch das Dirigat. Was für ein großer Gewinn nach dem öden, breiten und ungenauem Drigat Knas! Der Erik Traxels ist jugendlich-ungestüm und ein Highlight des Mitschnittes (Myto). Sicher, man muß Traxels virbatoarme und dadurch zuweilen androgyn klingende Stimme mögen. Ich mag sie! Sie bezog sicher immer ihren Reiz aus der hervorragenden Höhe (ein C''' bereitete ihm keinerlei Probleme). Er sang übrigens nicht nur Lohengrin sondern sogar Siegmund.


    Über die anderen genannten Sänger, später weiter.


    Was hältst Du von Namen wie Claude Heater, Jean Cox oder Helge Brilioth?

    Ernst Gruber war einer der ganz großen, heute leider nahezu vergessenen Wagnersänger des letzten Jahrhunderts. Sein Heldentenor verband eine baritonal gefärbte, metallische, in der Höhe potente Stimme, mit einer existenziellen, von großer Expressivität durchdrungenen Rolleninterpretation, die ihn mit Tenören wie Jon Vickers, Max Lorenz oder Ramon Vinay in eine Reihe stellt. Im Gegensatz zu den Vorgenannten ist der Sänger jedoch heute bestenfalls den Gesangsenthusiasten ein Begriff. Zwei Ausgrabungen des wichtigen Labels Ponto/Mitridate machen Hoffnung, dass Gruber posthum die Ehre zuteil wird, die ihm gebührt.


    Biographfisches:
    Ernst Gruber wird am 20.12.1918 in Wien geboren. Nach seinem Studium bei Karl Rössl-Majdan und Hans Depter debütiert er 1947 in Graz als Max im „Freischütz“. Hermann Abendroth engagiert ihn 1949 nach Weimar. Ab 1953 tritt er in Leipzig und Dresden als Heldentenor in Erscheinung. Seit 1964 ist er Mitglied des Ensembles der Berliner Staatsoper. Immer wieder führen Gruber Gastspiele nach Barcelona, Lissabon, Amsterdam, Budapest und die USA. Neben den großen Wagnerpartien brilliert er als Otello, Radames und Florestan (144-mal!). Das er neben dem schweren Fach auch 71-mal den Tamino sang, zeigt seine Vielseitigkeit und erinnert auch an Wolfgang
    Windgassen.



    Außer einige bis dato unveröffentlichte Rundfunkaufnahmen aus Leipzig und Berlin war bisher nur ein Prager „Meistersinger“-Querschnitt greifbar. Auch der „Steiger“ verzeichnet keine einzige Gesamtaufnahme. Eine geplante „Tristan“-Plattenproduktion unter Franz Konwitschny neben Hanne-Lore Kuhse scheiterte am plötzlichen Tod des Dirigenten.


    Umso willkommener und fast an ein Wunder grenzend, die Veröffentlichung eines „Tristan“-Mitschnittes aus Philadelphia von 1967. Dieses Gastspiel wurde damals von Friedelind Wagner initiiert. Neben Gruber erwecken besagte Hanne-Lore Kuhse, Blanche Thebom und vor allem der Kurwenal von Ramon Vinay (hier nach seinem Ausflug ins Tenorfach wieder als Bariton) Interesse. Und dies trotz des wirklich grauenhaften Dirigats von William Smith und des defizitären Orchesters.
    Das Zusammentreffen von Gruber und Vinay im dritten Akt, ist das zweier Titanen und sie schenken sich nichts. Wo andere Sänger sich mit der Bewältigung der musikalischen Anforderungen aufhalten und nicht selten scheitern, gelingt Gruber ein großes Portrait, was in seiner Wirkung bestenfalls in den Aufführungen von Lorenz, Vickers oder Suthaus (weniger in der EMI-Produktion, eher 1947 im Berliner Admiralspalast) seine Entsprechung findet.
    Auch wegen der Kuhse ist dieser Mitschnitt einer der wichtigsten Veröffentlichungen der letzten Jahre. Die Sängerin die einst als Königin der Nacht begonnen hatte, ist Diskographisch nur unwesentlich besser dokumentiert als Gruber. Hier zu empfehlen wären „Tiefland“ und ein deutsch gesungener „Radamisto“ (beides „Berlin Classics“). Die recht blonde Simme der Kuhse macht aus der Isolde keine matronenhafte Dame, sondern eine junge, reizvolle Frau, hierin Catarina Ligendza nicht unähnlich.



    Grubers Heldentenor ist auch auf einer 3CD Portrait Box von Ponto zu hören und klingt hier in seiner Vielseitigkeit vielleicht noch Eindrucksvoller. Ohne Grenzen in Otellos Auftritt, mit grandioser Ausladung und feiner Differenziertheit in Siegmunds „Ein Schwert verhieß mir der Vater“ und furios in Szene und Kavatine des Erik (neben Ludmila Dvorakova). Überhaupt versteht man beim ihm jedes gesungene Wort. Dieser deklamatorische Stil lässt ihn in großer Tradition zu den Wagnersängern alter Schule erscheinen, seine menschliche Durchdringung der Partien macht ihn aber gleichsam zu einem modernen Sänger.


    Bei den ersten Worten von Florestans Auftritt („Gott! Welch Dunkel hier!“) attestiert man, dies lediglich von Julius Patzak und Jon Vickers in dieser Form gehört zu haben. Feinstes Legato dann in der Arie und nicht die geringsten Probleme mit Tempo und Tessitura-Hürden des Poco allegro-Endes.


    Als Tannhäuser übertrifft er für mich hierdurch alle (sic!) auf Tonträgern dokumentierten Kollegen. Mit Max Lorenz teilt der Sänger das Schicksal auf keiner Gesamtaufnahme als Tannhäuser vertreten zu sein. Lediglich eine Leipziger Rundfunkaufnahme aus 1955 unter Herbert Kegel ist erhalten (u.a. der komplette 2. Akt). Diese nun lässt wirklich keine Wünsche offen. Gruber singt hier mit der Hand auf dem Herzen, provokant und spottend, voll von dramatischem Impetus. Hier steht er Lorenz an Intensität und Engagement in nichts nach, singt aber mit deutlich sicherer Intonation und mehr musikalischem Gespür als der verehrungswürdige Lorenz. Man zeige mir eine einzige Romerzählung wo stimmliches Finish mit dramatischer Wahrhaftigkeit in dieser Weise einhergeht. Ich gäbe für diese Ausschnitte den Großteil meiner Tannhäuser GAs her.


    Ernst Gruber starb 1979 - gerade 60jährig – an den Folgen einer eigentlich banalen Operation.


    Liebe Grüße


    Gino

    Liebes Forum,


    viele Wagnerfreunde trauern den vergangen großen Tagen des Wagnergesanges nach. Den Typus des Heldentenors halten viele gar für ausgestorben. An Namen wie Wolfgang Windgassen oder Lauritz Melchior versuchen Melomanen immer wieder nachzuweisen, daß man Wagnerglück heute höchstens noch durch die Schallplatte erfahren kann. Doch auch diesen Apologeten ist oft nicht bekannt, dass neben den üblichen, auf vielen Tonträgern verewigten Sängern, andere, heute nahezu vergessene Sänger den Typus des Wagnersängers in unverkennbarer Form verkörperten.


    Wer kennt heute noch August Seider, George Vincent, Karl Liebl, Torsten Ralf, Ernst Kozub oder Josef Traxel (alle noch nach 1950 aktiv)? Viele Überraschungen und Enddeckungen sind demjenigen sicher, der sein Augenmerk auf jene unterrepräsentierten Künstler richtet.


    Den Beginn will ich machen mit einem des größten und gleichsam unbekanntesten Exponenten dieser Gattung der letzten 50 Jahre: Ernst Gruber


    Mit welchem Sänger (oder welcher Sängerin) im Wagnerfach außerhalb der ausgetretenen Pfade verbindet ihr das Adjektiv „Groß“? Und: Muß es immer Windgassen oder Nilsson sein?


    Viele Grüße


    Gino

    Hallo,


    nun, dieser Thread ist sicher nicht unbedingt geeignet um Fischer-Dieskau kritisch zu würdigen.


    Nur eine Kleinigkeit. Wer eine vernünftige Auseinandersetzung mit dem Schaffen des Sängers sucht, sei gewarnt vor folgendem Buchtitel:


    Kenneth S. Whitton
    "Dietrich Fischer-Dieskau"
    DVA 1984


    Der englische Germanist Whitton, bringt es in diesem Machwerk fertig, auf 320 Seiten, keine einzige (sic!) wirklich negative Anmerkung zu dem in seinen Augen verehrungswürdigen Künstler zu machen. Er spielt sogar FDs äußerst defizitären Portraits von Scarpia und Macbeth gegen die großen Vertreter wie etwa Gobbi und Taddei aus. Jede einzelne Seite ist in kniender Haltung verfasst und dient bestenfalls der Erheiterung.


    Unzweifelhaft hat Fischer-Dieskau für das Deutsche Lied mehr getan als jeder andere vor und nach ihm. Er hat einige wichtige Uraufführungen wie Brittens "War Requiem" (1962) und Reimanns "Lear" (1978 ) gesungen Auch einige Opernpartien (Mozart!) haben in ihm einen bedeutenden Vertreter gefunden. So z.B. sein früher Wolfram in dem tollen Tannhäuser aus der Städtischen Oper Berlin von 1949. Ich persönliche schätze ihn (Mea Culpa), als Buchautor letztlich höher, denn als "Universalsänger".


    Daher gleich eine Empfehlung:


    Mir fiele eine Menge ein, was über DFD geschrieben werden müßte. Vielleicht im Rahmen eines anderen Threads?!?


    Liebe Grüße


    Gino

    Hallo,


    ich lese gerade diese beiden Bücher. Ein kleines Kontrastprogramm aus dem Kalten Krieg... =)



    Sehr aufschlussreich! Hervorragend der typisch amerikanische Stil des großen Harold C. Schonberg. Die Entwicklung der Kunst der Pianistik und der prägendsten Künstler von der Entstehung des Instruments an bis ca. 1960. ABSOLUT LESENSWERT!



    Vorliegendes Buch (OA 1970) ist nur mit Vorsicht und einer gewissen Distanz zu genießen. Der Autor, ein russischer Historiker, bedient sich nicht selten und im Gesamtzusammenhang allzu anorganisch, einer für heutige Augen und Ohren unerträglichen Klassenkampfrhetorik. Ein lustiges Beispiel:


    "Nie aber hat die Inquisition die Kolonisatoren, die Kapitalisten und Imperialisten, die Faschisten und andere Ausbeuter und Feinde des Menschgeschlechts verfolgt, mit dem Bann belegt und verurteilt." :D (Geht auch schlecht, gab es doch damals im 13. Jhd. weder Kapitalisten, Imperialisten noch Faschisten in unserem heutigen Sinne.)


    Liest man aber über solche Stellen ebenso hinweg, wie über das wirre, hasserfüllte Vorwort der Herausgebers, so ist dieses Buch sehr fundiert und dessen Fakten und Quellen hervorragend nachgewiesen. Für jemanden wie mich, der nicht das vielbändige Standartwerk über die Inquisition von Henry Charles Lea lesen wollte, auf gut 500 Seiten eine lohnenswerte Abhandlung des Themas.


    Liebe Grüße


    Gino