Den Mantel laß ich aber im Auto.
Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt nach einem Treffen mit Innenminister Wolfgang Schäuble beim Verlassen seiner Limousine
Den Mantel laß ich aber im Auto.
Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt nach einem Treffen mit Innenminister Wolfgang Schäuble beim Verlassen seiner Limousine
ZitatOriginal von Ulli
Während Haydn 77 Jahre alt wurde, Salieri 75 und Gossec sogar 95 ist Dein "Tafelmann" hier etwas arg fiktiv.., nicht?
Ach, Ulli, Du warst auch schonmal besser in Form. Jetzt fehlt nur noch, daß Du nen Vorschlag machst, wo man das hinverschieben könnte...
Alex.
O wei, also da muß ich doch rasch einschreiten. Die "Muppets", welcher Kennzeichnung ich mich privatim tatsächlich und in freundlicher Absicht bedient habe, bezogen sich nicht auf diesen Thread hier. Die Applikation stammt vom geschätzten Wildhund...
Alex,
Hallo!
Ich möchte gern statements zur ersten VK-Aufnahme von Viktoria Mullova mit Marriner und der Academy einholen.
Richard sagte sintemal etwas vom "immer kraftvollen und satten Geigenton" bei dieser Dame. Hat jemand noch andere eigene Eindrücke, die auf die Einspielung selbst bezogen sind?
Muß nichts akademisch Genaues sein, bloß Gefallen oder Nichtgefallen - ich will die Scheibe um Silvester einer jungen Dame schenken, daher wäre baldige Nachricht mir ganz hochwillkommen.
Wer die Platte denn im Schrank und nicht mehr so genau im Ohr hat, möge sie noch einmal in den Player legen.
Hinfort und eilig, liebe Freunde!
Alex.
ZitatOriginal von Franz-Peter Gülke
[...] als knapp Siebzigjähriger hätte er Tristan, als Achtzigjähriger Brahms' Erste Sinfonie erleben können. Diese wäre freilich dann so nicht komponiert worden.
Wäre Georg Philipp Tafelmann 285 Jahre alt geworden, hätte er Elektrohausens Telemusik erleben können. Freilich wäre er dann stocktaub gewesen...
Man muß nur lange genug den Finger in die Steckdose halten, dann ist es auch Musik...
Alex.
Ich danke hier dem großen Grummelbock für seinen kollegialen Hinweis. Daß man dem "Grafen Donnerschlag", wie mich ein hochgeschätzter User mal betitelt hat, ein solches Posting ganz im Ernste zutraut, stimmt mich doch nachdenklich. Das dauert aber niemals allzu lang bei mir...
Inzwischen, lieber Walter, hast Du es selbst bemerkt, daß ich dasselbe wie Du gemacht habe, nämlich Blumen mit Blumen beantwortet.
Ich reiche nuneinmal nicht hin, den lieben Albus zu verstehen. Dem galt es Ausdruck zu verleihen.
Ich könnte natürlich jetzt uns weiterparodieren, lieber Walter, und in einer mise-en-abyme-Technik den Thread hier ganz in ebenjenen Abgrund schicken.
Aber wir sind ja schließlich nicht in der Hermetik. Oder doch...? Außerdem gibt´s da die Sittenpolizei, die sieht das gar nicht gerne...
Alex.
ZitatOrdnungsregal von Albus
Mir war Musik immer lebendige Ordnung, auch als Mittel zur Ordnung. Vor Jahrzehnten wählte ich nacheinander für Ordnungszwecke Brahms' Klavierkonzerte. Natürlich Nr. 1 anfangs, der massiven Einleitung wegen; daran direkt anschließend Konzert Nr. 2. War das Cello-Solo erst erreicht, war die Ordnung der Jünglings-Kräfte wieder hergestellt.
Dank dieser Ordnungsmacht der Musik - was eine antike Einsicht war - gelang das Einfädeln in nächtliche geistige Versuche ganz entschieden deutlich besser als ohne diesen Außenhalt durch Musik.
Lieber Albus,
Ich weiß es, die Verführung wird bisweilen groß, noch halbbewußte Einsichten mit ansatzweis´ benannten eignen Grundbefindlichkeiten dergestalt zu mengen, daß sich die Welt in einem selbst zu spiegeln und man selbst in dieser wunderzart synthetisiert erst aufzugehen scheint...
Ich weiß nun aber auch, daß es zu Zeiten nachgerad´ ein wenig unerlaubt sein kann, dem Fluß der hübschen Worte so sehr nachzugeben, daß drunter ihre Nachvollziehbarkeit bei nicht so zur Besprechungspoesie geneigten Lesern angefährdet sein kann...
Nur freundlich und im Prosimetrum,
Graf Wetter.
Optimal.
Alex.
ZitatNot to mention John Wilmot, 2nd Earl of Rochester...
You don´t mean like the Earl of Doncaster...?
Was soll ich denn jetzt lesen, ne Literaturgeschichte oder immer nur den Threadtitel? Du nimmst Dir´s aber, wie Du´s brauchst...
Und weißt ganz genau, daß ich strenggenommen keine vernünftige Barockliste erstellen könnte (außerhalb unseriösen Namenlistens...)
Aber gut, an Pius´ schöner Vorgabe kann vielleicht auch ich mich entlanghangeln:
Flickenteppich:
Opitz
Gryphius
Lohenstein
(Hofmannswaldau)
Simon Dach
Paul Gerhardt
Grimmelshausen
[Die beiden Dichter geistlicher Lieder einmal schon aus aus Qualitätsgründen und dann wegen ihrer maßgeblichen Vorbildfunktion für zyklische religiöse Dichtung bis zum Pietismus u. darüber hinaus, z.B. noch bei der Droste u. dergl. - Dach darüberhinaus für den Hainbund wichtig...
Wenn Hofmannswaldau, dann auch Dach und Gerhardt. Doch werden das zuviele. Und Grimmelshausen freilich auch, man muß sich mal damit abfinden, daß nicht alle, die unendlich vorausweisen, auch gleich die Gesetze von Raum und Zeit außer Kraft zu setzen imstande waren...]
Von der Insel:
Hier spreche ich mich auch eindeutig für John Donne aus. "No man is an island" - he was! Was ist mit dem Lordkanzler, der Visionen hatte?
Die Franzosen unterschreib ich, zu Spaniern kann ich nichts sagen.
Ist Italien nach der (im Vergleich zum verspäteten England, bei dem wir eigentlich von dieser reden) frühen Rennaissance so arm an Dichtern gewesen...?
Alex.
(Ach so, nicht bis 15 zählen...)
ZitatOriginal von Klawirr
Quälgeist. Lies doch mal 'ne Literaturgeschichte...
Ich hab nur Literaturgeschichten ohne Wertungen. "Klawirrs Barock-Spaß-Buch", das fehlt mir noch...
Alex.
Zitat
Original von Klawirr
Aber verglichen etwa mit Gedichten von Fleming, Gryphius oder Hofmannswaldau klappern die Opitzschen Alexandriner ganz schön gesteltzt vor sich hin - die Zäsur ist bei ihm meist keine Staupause sondern ein Canyon auf den die ersten Verhälfte hektisch zuklappert, um die Versmelodie dann grausam in die Schlucht hinabstürzen zu lassen aus der die zweite Verhälfte mühsam wieder herauskraxeln muß.
Das war ja wohl auch mehr so didaktisch gemeint...
Und was mit "überaus einflußreich und wichtig"?
Die Lyrik...?
ZitatOrigibnal von Kurzstueckmeister
Ja, genau, was ist ein "Gestaltgesetz"?
In der Psychologie gibt´s das, in der sog. Gestaltheorie, begr. v. Max Wertheimer, sogar eine ganz einflußreiche Richtung, Blütezeit 20er bis 50er Jahre. Aber man sollte solche Strukturanalyse konkreten menschlichen Wahrnehmens nicht einszueins auf ein (in unserem bescheidenen Zusammenhang hier) erst noch zu umreissendes Phänomen "Musik" übertragen...
Das ist ja, was ich immer wieder sage: Ein hübsches Wort birgt noch nicht automatisch einen schicken Gedanken in sich.
Alex.
Lieber Albus,
ZitatDer Musikwissenschaft hat jemand jedenfalls in einer MERKUR-Ausgabe vor wenigen Monaten den Vorwurf gemacht, dass diese Wissenschaft sich nie bis Bob Dylan etc. vorgearbeitet hat.
Das ist Quatsch! Ich weiß nicht, wer das gesagt haben soll, aber Seminare und Veröffentlichungen sprechen eine eindeutige Sprache.
ZitatGenealogisch scheint mir diese Antwort auf die Frage "Was ist Musik" naheliegend...
Genalogisch sollten wir das nicht betrachten, das endet immer damit, daß man Entstehungsbedingungen mit Wesensbestimmungen, Herkunft mit Definition verwechselt.
ZitatMusik ist vegetativ-animalische Lebensenergie, mehr oder weniger durch Geist veredelt und ins Akustische transformiert, von wo das Etwas weiteren Transformationen überlassen ist
Auf dieses "mehr oder weniger" kommt denn doch einiges an. Außerdem halte ich es für mißlich, von einer nachträglichen "Transformation ins Akustische" zu reden! Der Phänomenbestand, der uns nur vorliegen kann, ist das zur akustischen Realisation vorgesehene Material. Alles, was zum kognitiven, emotionalen oder rein volitiven "Ursprung" dieses Vorliegenden gelangen will, ist zunächst einmal - ohne genauere und mühsam erarbeitete Analyse der möglichst gesamten sozialen, ästhetischen und gedankengeschichtlichen Struktur, in die eine bestimmte Musik eingebettet ist - wüste Spekulation. Daneben wird hier wieder der zeitliche Ursprung mit dem sachlichen Kern verwechselt und kurzgeschlossen...
"Vegetativ-amimalisch" soll wohl auch bedeuten, daß man sich die Mühe des Nachdenkens sparen darf, weil der gemutmaßte Urgrund allen musikalischen Seins per se nur "kreatürlich angegangen" werden kann? Dann sollten wir uns allerdings auch schenken, solche Ur-Empfindungen in dürre Worte zu kleiden, und lieber mit archaischen Zuckungen und Verrenkungen, meditativer Anbetung oder bestenfalls mit einer ad-hoc-entworfenen Form von Gegenmusik "antworten"...
Der Versuch einer Reaktivierung animistischer und animatistischer Kultgebaren ist ja auch nichts Neues...
ZitatSo kann man mit Blick auf Beethovens Streichquartette als Gebilden von "Emotion und Ästhetik" sprechen (Vegetativ-animalisches und Geist), von Manowar oder Metallica aber mindestens erwarten, dass es im Hören dieser Musik zu einer Akustik kommt, die einen umhaut, 120 dB, und in den Sack durchschlägt.
Bitte wóhin???
ZitatMusik ist eben ein Allerwelts-Phänomen.
Hm, Musik ist vielleicht eine basale Außergewöhnlichkeit. Aber keine hochambitionierte Allerweltserscheinung... jedenfalls nicht in dem Sinne, daß es keiner merken würde, wenn nun der einfallsloseste Dreck mit pseudointellektuellem Firlefanz getarnt als "Musik" verkauft werden soll. Es gibt Kriterien, ob die für alle einsehbar sind, ist nochmal eine andre Sache.
ZitatWieviel Musik ist doch jenseits der gemeinten Kunstmusik!?
Wer meint welche Kunstmusik?
ZitatUnd, wenn nun die Allerweltstechnik zur Musik herüberrückt, die Mittel mitschleifend, ist es, das solche Etwas, dann erst Musik, wenn es sich den - welchen - Gestaltgesetzen unterwirft?
Der große, große Irrtum aller "Genealogen": Musik ist immer bereits gestaltet, "Gestaltgesetzen" unterworfen. Diese werden nicht erst nachträglich an Musik herangetragen. Ungeformte Musik ist, so weit sind sich alle einig, nicht als solche anzusprechen. Da hat man eben dann Begriffe wie "Geräusch" und andere dafür.
Abgesehen davon verstehe ich den Satz beim besten Willen nicht ganz...
Alex.
Ja, das war Pech, mein Agent wurde knapp und erst in letzter Sekunde überboten.
Nun halte ich mich an das nächste Woche zur Auktion kommende Konfirmationsheft von Beethoven, wo er zwischen Psalm 23 und Johannes 3 auf vielen, vielen Seiten die Ausgaben für die Wäschefrau zusammenrechnet...
Die beeindruckendste Stelle war, wie er sich fragte, wieviel halbe Gulden elf ergeben:
0,5 +
0,5 +
0,5 +
0,5 +
.... +
0,5
___
11
(!)
Alex.
Lieber Robert,
Du vergißt, daß Holger ja zuerst gefragt hatte! Leider nicht sich selbst (was drolligerweise auch bisweilen dann Sinn macht, wenn man zunächst keine Antworten in Sicht hat - man klärt zumindest mal die eigne, völlig buntgemischte Fragestellung, die zwischen definitionalen, kulturgeschichtlichen und genuin ästhetischen Problemen oder Pseudoschwierigkeiten immer dorthin oszilliert, wo man sich vor echter Hinterfragung eigner Halbheiten sicher wähnt), sondern ersteinmal die anderen...
Alex.
Hallo.
Ich war, wie Miguel, ebenfalls bei der Aufführung Schäfer/Goebel im Saal des Deutschlandfunks dabei - und bin mit ebendem zwiespältigen Eindruck herausgegangen wie er.
Das mit der für barocke Koloraturen problematischen Atemtechnik hatte ich auch sofort gedacht, aber da waren noch andere Irritationen, solche fehlender Informiertheit über Stil und Darbietungsweise vielleicht, solche eines etwas schlampigen Zusammenspiels mit dem Orchester und nicht zuletzt vielleicht sogar eine gewisse Lustlosigkeit, wenngleich dieser Vorwurf fast noch am Schwersten wiegen möchte.
Emma Kirkby ist, nun sind wir wieder bei den Aufnahmen, auch meine Favoritin. Auch ich fand zwar das Tempo erstmal etwas überzogen, gewöhnte mich aber rasch an diese Lesart, zumal ich mit der ebenfalls recht flotten 58er Maria-Stader-Aufnahme die Alternative dazu gefunden hatte.
Ich weiß nicht, ob die von Thomas besprochene Richteraufnahme mit dieser identisch ist, aber hier kann man überhaupt nicht davon sprechen, Staders Stimme sei zu dünn geboten oder eingefangen (mono). Eine eher etwas zu volle, dezidiert weibliche Stimme, die aber in den Höhen gar nicht zumacht, sondern sich zu vollem Glanz entfaltet. Sicher nicht das, was unser junger Knabensopran von sich gegeben haben wird (wenn er denn haben wird), aber ein glänzender Vortrag, weder romatisierend wie A. Giebel, noch völlig körperlos, wie Kritiker von E. Kirkby sagen (ich gehöre dazu nicht).
Alex.
Zitat„I’m a poor man!“
Oh, this is rich...!
Alex.
ZitatHorriginal von Holger B.
Dann erklär mir doch mal was Musik ist und warum es sich aus Deiner Sicht um Musik handelt. ( Achtung : Es ist kein Trick- Bitte nicht wieder diese Antwort !)
Wenn Du meine Beiträge so genau liest, solltest Du am Anfang ja fest gestellt haben, daß ich nach der Meinung von anderen gefragt habe.
Also, dann lass mal hören .....
Und kläglich düst die Murmel mir...!
Alex.
ZitatOriginal von Robert Stuhr
2. Netter Trick, aber wirkungslos: Nicht ich muß beweisen, daß Henze etcpp Musik schreiben (was ohnehin kein Fachmann ernsthaft bezweifelt), sondern DU bist in der Bringschuld. Wer eine These aufstellt, muß sie auch begründen können, bevor man darüber diskutiert. DU aber diffamierst Werke als "Nichtmusik", ohne dafür auch nur einen Hauch einer Begründung zu liefern. Und erwartest, daß die anderen Dir die geistige Arbeit abnehmen.
In der Tat.
ZitatOriginal von Robert Stuhr
Aber es sollte schon ganz deutlich mehr sein als "Musik ist's, wenn's mir nicht in den Ohren weh tut", mehr als die simple Gleichsetzung Deines - offenbar begrenzten - Musikgeschmacks mit Musik schlechthin.
Auch dies. Ich bewundere die Langmut (sic! und, wie man sehen kann, nicht ausgestorben, sondern fit und munter), mit der hier eine Kommunikation aufrechterhalten wird, die noch gar nicht adäquat begonnen wurde...
Alex.
Lieber Bernd,
ich danke Dir für Deine abermals exakten Angaben. Nein, dann kann das mit meinem schnellgeschossenen Marriner-Leibowitz-Vergleich nicht hinkommen. Ich werde morgen nocheinmal genau gegenhören. Seltsam, woher wohl dieser Eindruck rührt...? Vielleicht aus der Erwartungshaltung - ich war bei Marriner wohl überrascht vom (übrigens auch eher schlecht accelerierten) "anzüglichen" Tempo im Kopfsatz Schubert, bei Leibowitz ist das ja nun die Regel, daß der loslegt...
Was ich zudem nicht verstehe, wieso kommt mir Leibowitzens Tempo nicht auch gehetzt vor? Ich höre sonst doch bei der C-Dur-Symphonie die eher mittelschnelle Riege, Sawallisch und den Marriner, da kann das doch nicht angehen. Irgendetwas ist mir noch nicht klar dabei...
Sehr wichtig scheint mir Deine wiederholte "ohne Not"-Bemerkung! Das ist in der Tat das Ausschlaggebende. Wer "anorganisch" wird, muß gute Gründe haben :D. Sonst liegt die Beweislast bei ihm (in diesem Falle Leibowitz).
Dank auch für Deinen Hinweis auf die Differenzen beider angesprochner Symphonien. Das leuchtet mir schon ohne es nachgehört oder -gesehen zu haben ein!
Liebe Grüße,
Alex.
Lieber Bernd,
zunächst ganz herzlichen Dank für Deine Mühe, die Du in eine wertvolle kleine Besprechung der Schubertsymphonie investiert hast!
ZitatOriginal von Zwielicht
Er [Leibowitz] lässt das einleitende Andante relativ flüssig, aber nicht schnell spielen [...] Ohne Not nimmt er dann aber das Allegro ma non troppo extrem rasch, nicht doppelt, sondern fast dreifach so schnell wie das Andante. Es entsteht also kein "organischer" Übergang [...] sondern es wird aufs Gaspedal getreten.
Das kenne ich, sogar noch ein wenig extremer, von Marriner bei ebendieser Symphonie. Bei der anderen spätklassischen Symphonie, die diesen altehrwürdigen Aufbau "langsame Einleitung - rascher Themenaufbau und -verlauf" noch hat, der Vierten Beethoven (Adagio - Allegro vivace), kenne ich sogar von Hogwood ähnliche Rückungen, auch von Kempe. Mich irritiert das aber ganz genauso wie Dich, Bernd, ich bin da auch eher für "organische Bemühungen" (man muß ja nicht im accel. jeder Note ansehen können, wie Furtwängler sie väterlich zur Eile mahnt)...
Ich habe mir nun Leibowitz mit der C-Dur Schubert mehrmals angehört, wie immer treten wunderbar die einzelnen Stimmen hervor. Eine tendentielle Gleichberechtigung des stimmführenden und des (sonst oft nur) accompagnierenden Materials verhindert nicht, daß an (durch Dynamik oder Position innerhalb der Phrase) hervortretenden Stellen einzelne (und dann gern Neben-) Stimmen durchaus für einen überschaubaren Moment stark hervorbrechen.
Im Kopfsatz der c-moll von Beethoven etwa läßt Leibowitz einmal die Streicher fast ganz zurück zurücktreten zugunsten der Holzbläser, die für zwei Takte auch dynamisch "übernehmen". Das habe ich noch bei keinem anderen Dirigenten gehört.
Ich weiß nun nicht, wie ich das "Prinzip" (nehmen wir mal an, es wäre eines) hier bei Schuberts "Großer" finden soll? Zerfällt dadurch nicht einiges? Ich höre nämlich, ganz im Gegensatz zu Dir, Bernd, nicht ein autoritäres Tempo im ersten Satz, dem Zwischentöne zum Opfer fallen müßten. Das Tempo mindestens hat (ohne es jetzt kontrolliert zu haben) auch Marriner. Aber Marriner hat stets eine zumindest leichte Gewichtung der Stimmen vorgenommen, Karajan eine deutliche, die fehlt mir im ersten Eindruck bei Leibowitz etwas.
Nicht, daß sie gar nicht da wäre, sie ist aber für mein ad-hoc-Empfinden reduziert. Was ersteinmal ein dickes Plus bedeutet, lädt es doch den partiturfernen Hörer ein, gleichsam einen akustischen Blick in dieselbe vorzunehmen...
Wenn man auf vielleicht liebgewordene Stimmendominanz verzichten kann, ist Leibowitz einmal mehr eine Fundgrube an alternativen Eindrücken.
Dennoch: Irgendwie höre ich bei dem, was ich nun von Leibowitz kennengelernt habe, neben der Tendenz zu alternativer Klangstrukturierung auch eine gewisse Vorliebe für stellenweise knalliges amerikanisches Blech und teils ein wenig harten Streicherapparat heraus. Das wirkt mir bei Schubert und den frühen Beethovensymphonien (bis einschl. Vierter) befremdlicher als bei Beethovens späteren und würde sicher auch Brahms besser zu Gesicht gestanden haben als Mendelssohn (wie gerne hätte ich bei diesen beiden was von Leibowitz gehört!).
Gleichwohl, er ist auch hier ein immer wacher, interessanter Ansprechpartner...
ZitatOriginal von Zwielicht
Überhaupt könnte man ungeschützt behaupten (woran ich schon beim obigen Sportwagen-Foto denken musste), dass es zwischen Leibowitz und Karajan trotz Zugehörigkeit zu unterschiedlichen "ideologischen" Lagern mehr Gemeinsamkeiten gibt als gemeinhin angenommen...
In der Tat! Das ist auch ein Eindruck meiner zweitägigen Vergleiche der Beethovensymphonien beider (jeweils 1962). Zwölftöner hin und Zwölfzylinder her, die Tempi sind sehr ähnlich. Und wenn nicht die, dann ganz gewiß die Temporelationen.
ZitatOriginal von Zwielicht
Allerdings verbietet sich dieser ketzerische Gedanke wieder, wenn man auf die Artikulation und Phrasierung achtet: keine Alleinherrschaft des Legato wie bei Karajan, sondern viel mehr kleinteiliges Phrasieren und Betonung der rhythmischen Elemente.
Das ist natürlich unbedingt hinzuzufügen! Das ansatzlose Streicherspiel, das Karajan schon ´62 kultiviert hat (ich bin noch immer bei den Beethovensym.), steht in krassem Gegensatz zu Leibowitz´ Forderungen. Ob das und die sehr wahrnehmbare Betonung des legato aber auch so weitreichende Konsequenzen für die Rhythmik haben, wie Du sagst, Bernd, weiß ich nämlich nicht. Da ist mir etwas aufgefallen: Karajan stellt z.B. durchbrochene Arbeit mit anderen Mitteln heraus, sicher übergangsbetonter, verbindender, aber generiert soetwas schon eine Unterbetonung rhythmischer Elemente?
Wenn Karajan etwa die stark voneinander abgesetzten Passagen im Kopfsatz von Beethovens Siebter sauber und zugleich organisch herausarbeiten will, dann macht er es sich sogar schwerer, wenn er auf hörbare Ansätze im Instrumentenspiel verzichtet. Dennoch wogt seine Siebte vielleicht nicht weniger als die von Leibowitz...
Dies sind nur laienhaft geäußerte Gedanken. Ich bin noch mitten in der Entdeckungsphase und der Kopf ist etwas wüst...
Euer Alex.
ZitatOriginal von Harald Kral
Nachdem JR den gesamten Amazon-Katalog in Sachen Leibowitz schon eingestellt hat...
...wofür ich sehr dankbar bin! Auch für den Hinweis auf die Schubertsymphonie.
Alex.
Ich bin etwas enttäuscht, daß es hier nicht "technischer" weitergeht.
Edwins großartiges Anliegen, dem er großartig in seinen kleinen, durchaus mundgerechten Beiträgen nachzukommen weiß, besteht ja eben tatsächlich in einer Art uneitel durchgeführter "Aufklärungskampagne". Das Wort Kampagne möchte ich hier keineswegs als "Werbefeldzug" o. dergl. verstanden wissen, es handelt sich vielmehr um sowas wie ein halböffentliches Freizeitseminar für Interessierte, und nur der wirklich Aufwandsscheue zuckt jetzt beim Wort "Seminar" zusammen. Die andern sehen, was das für ein entgegenkommendes Vergnügen sein kann.
Es geht, Johannes hat das mehrmals schon betont, ersteinmal darum zu zeigen, was denn eigentlich verhandelt wird. Einer Frage nach dem Wesen von etwas läßt sich schlecht begegnen, indem man mit lediglich partiell verstandenen Begriffen und Etiketten gleich herumzuspielen anfängt (unwirklich oft wurde jetzt bereits etwas für Zwölftonmusik gehalten, was es gar nicht war! Gibt das denn niemandem zu denken...?).
ZitatOriginal von pt_concours
Mittlerweile halte ich nämlich Edwins Erklärungsversuche für zu technisch. Eigentlich würde ich jetzt lieber über die geistigen Strömungen sprechen, die solche Musik entstehen liess (eingeschlossen die Philosophie, die Bildende Kunst, Architektur, Literatur, etc.)
Ja, leider geht es jetzt genau in diese Richtung!
Mir in meiner gründlichen Unkenntnis der Sache ist dieser Thread ein wahrer Segen. Was Edwin hier begonnen hat, könnte vielen von uns viel Zeit zu sparen helfen, denn hier haben wir den Idealfall (welchen Platon in seiner berühmten Schriftkritik immer angemahnt hat), daß das "Buch" zu antworten vermag, sich einstellen kann auf die spezifischen Bedürfnisse und Verständnisschwierigkeiten seiner "Leser".
Deshalb verstehe ich nicht ganz, aus welchem Grund das nicht genutzt wird, sondern zunächst Edwins Fluß sacht aber doch erfolgreich unterbrochen wurde, um nun tatsächlich zu so etwas wie einem unverbindlichen Kulturcafé zu werden.
Auch wenn die mehresten von uns nicht sehr viel mehr als Fragen beizusteuern haben: Na und, dann geht das eben mal so ab. Sich aussprechen kann man auch anderswo...
Ich muß mich nämlich auch zusammennehmen, wenn ich etwas von dem verstehen will, was hier gesagt wird. Aber das ist doch wohl genau, was immer, immer wieder angemahnt wird: Niemand will ein paar Fachleuten beim Disputieren zusehn, sondern alle erbitten sich, die Diskussion möge auf Ihrem Niveau stattfinden. Hier tut sie das einmal, und dann wird davon abgelenkt...
Ich werde die wichtigen Beiträge hier jedenfalls noch oft durchgehen. Übrigens, eine "Analyse" eines bestimmten Werkes (und nur von dem kann es sie geben) ist hier überhaupt nicht aufgetaucht, wie manchmal behauptet wird. Edwin hat stets mit Beispielen gearbeitet, die genau die gegenteilige Funktion gegenüber der Analyse haben, nämlich einen relativ abstrakten Sachverhalt (mit kleineren Einbußen) auf gewisses anschauliches Maß herunterzubrechen. Analyse sucht, auch in der Musik, wenn ich das recht verstanden habe, im Konkreten die allgemeinen Muster und ermöglicht so das Reden über sonst ganz Unzugängliches. Wer davor Angst hat, muß das eigne Reden lassen, aber doch um Himmels willen nicht die Analyse...!
Deshalb: Ich würde gerne haben, daß es noch lange weitergeht wie zu Beginn.
Alex.
Das werte aus, wer will und kreativer Stochastiker ist...
Da die "vollkommene Zahl 10" hier offenbar mit gutem Grund das Rennen macht, reiche ich, lieber rappy (Du hast Dich doch noch nicht von der Rheinbrücke geschwungen?) folgende drei nach:
Händel, Schubert, Monteverdi...
Falls aber einmal elfeinhalb verlangt werden, teile ich die Stones durch drei und behalte Keith Moon übrig.
Alex.
Lieber rappy,
eine der elememtarsten Listen! Wenn nur eine Liste, dann diese 8). Was hälst Du, rappy, von einer „mittleren Beschränkung“ auf die magische Zahl 7? Drei plus Vier? Zehn scheinen mir n´bißchen viel, da kann man gar nicht richtig sehn, wie einer oder eine wirklich tickt. Und wird auch selbst ein bißchen unsicher. Kann ich bei zehn auf Schubert oder Mozart oder Händel oder Bach verzichten? Allen Ernstes? Denn ich teile völlig Deinen Aufruf, nicht bemüht mit Entlegenem glänzen zu wollen, sondern Butter bei die Meeresbewohner zu träufeln: Welche Sieben oder Zehn hört man denn selbst am liebsten? Ganz ehrlich und ganz einfach…
Meine wären wohl:
1. Beethoven
2. Mendelssohn
3. Brahms
4. Wagner
5. Vivaldi
6. Haydn (den ich jetzt erst besser kennenlerne)
7. Weber
Mozart und Bach muß ich aufgrund ihrer grundsätzlichen "Alterität" bezgl. meiner wohl vorliegenden Gefühlswelt vom Begriff „Lieblingskomponisten“ irgendwie ausschließen. Zwar sind Ähnlichsein und Mögen nochmal zwei verschiedne Dinge, aber ein wenig was muß ich beim Komponisten schon wiederfinden, das auch vorher in mir war, sonst macht´s keinen Spaß.
Schumann ist mir ebenfalls sehr fremd, Brucker und Mahler bin ich völlig fies für. Lortzing hätte noch genannt werden können, russische und französische Komponisten kenne ich nicht so gut, italienische des 19. Jhdt.s sind mir ein Graus.
Monteverdi und Händel wären bei zehn Lieblingen dabei.
Gluck? Gluck! Oh, Gluck, wenn ich Dich endlich besser kennen täte…!
Die Bachsöhne und die Mannheimer? Ja gern, verwechsle ich nur dauernd, die Jungs.
Und Richard Strauss? O wei, das ist ein anderes Kapitel...
Was ist mit Skandinaviern? Bei sieben nicht! Von neuerer Musik versteh ich nichts, von allzu alter auch nicht viel. Die Frauen darf ich nicht, die würden nur als Quotentanten wahrgenommen. Da bleibt nicht viel.
Auf Schubert darf ich deshalb so gerade eben verzichten, weil ich mit seinen Symphonien und seinen Vokalwerken (gerade auch den geistlichen, die für mich zählen, wenn es um den Liebling geht) nichts anzufangen weiß. Bei Kammermusik, Klavier und Lied wär er der ersten einer...
Dies meine Seltsamkeiten,
Alex.
ZitatOriginal von Walter Krause
Für mich ist Leibowitz nicht nur ein "Hochklassiker", sondern in besonderem Maß ein Offenbach-Dirigent, dem nur wenige das Wasser reichen können. Horch Dir zum Beispiel seinen "Orphée" an.
Das werde ich auf jeden Fall, lieber Waldi. Hab Dank für diesen Hymnus...
ZitatOriginal von Theophilus
Dazu kann man noch erwähnen, dass diese Aufnahmen für Readers Digest gemacht und dort veröffentlicht wurden. Nachdem diese Auflage vergriffen war, sind diese Einspielungen bis in die späten 80er nicht mehr erhältlich gewesen (und ab da eigentlich auch nur in audiophilen Ausgaben, zumindest auf Vinyl; bei CD weiß ich im Moment auch nur von den teuren und relativ jungen Chesky-Ausgaben). In den frühen 70ern entdeckten audiophile Hörer die herausragende klangliche Qualität dieser Aufnahmen, was den Gebrauchtmarkt in kurzer Zeit leergefegt hat. Flüsterpropaganda führte zu einem seltenen Kultstatus und bis zum Erscheinen von Neuauflagen waren dies vielleicht die berühmtesten Klassikaufnahmen, die (fast) niemand je gehört hatte...
Sehr aufschlußreich, lieber Theophilus, vielen Dank! Das ist denn auch exakt der Grund, weswegen ich erst jetzt, so fürchterlich verspätet, jene Schallplatten mein Eigen nennen kann. Ich stehe nämlich auch ausschließlich auf Erstpressungen... und da steht selbstverfreilich "Reader´s Digest" drauf. Und: Ja, sie klingen allergrößtenteils exzellent. Sind nicht fürchterlich hoch ausgesteuert (man muß also ein wenig aufdrehen), und lediglich die Eroica und die c-moll wirken etwas komprimiert in den lauten Tutti-Stellen.
Aber was für eine Aufzeichnung des Orchesterapparates! Glänzend abbgebildet, glänzend austariert! Große Klangeinfangungskunst...!
Zur Interpretation mal was in den zuständigen Threads...
ZitatOriginal von Harald Kral
Das war - nach Glucks "Alceste" von 1950 die zweite Opern-Gesamtaufnahme von Leibowitz in Paris. Später kamen noch jede Menge dazu, Ravel, Rimsky-Korsakov, Satie, Schönberg usw.
Du bist mal wieder glänzend informiert, lieber Harald. Gerade jene "jede Menge" interessiert mich sehr. Kannst Du da näheres zu sagen...?
ZitatOriginal von pbrixius
...er hat auch eine Alceste eingespielt, die sich in meinem Besitz, und einen L'Ivrogne Corrigé, der sich (leider noch nicht) in meinem Besitz befindet. Ach ja, beides Gluck, versteht sich.
Versteht sich, lieber Peter... ;). Ich danke sehr und such danach...
Liebe Grüße,
Alex.