Beiträge von Philhellene

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    Original von Ulli


    Veto. Zunächst: Geschmacksache. Ich mag manchmal nur Opern, manchmal nur Sinfonien, seltener beides parallel. Da käme zumindest ich gelegentlich vom Regen in die Traufe... zudem: Hätte Mozart keine Opern komponiert (aus welchen Gründen auch immer), würde beispielsweise das 2. Thema der Jupitersinfonie (1. Satz) nicht existieren. Zudem wird ja die "Singbarkeit" der mozartschen Themen in seinen Instrumentalwerken oftmals hervorgehoben. Das hätte es ohne Mozarts große Opernkenntnis und -erfahrung sicherlich nicht gegeben. Also kann an der Sache irgendewas nicht stimmen...


    Die unterschwellige Erwartung, einen mit Figaromusik unterlegten Goetheschen Faust zu finden, finde ich nicht nur etwas hoch, sondern auch völlig daneben gegriffen... Libretti müssen keine literarischen Meisterwerke i.S. des Theaters sein... sie sind es in der Regel auf ihre eigene Weise, z.B. Zauberflöte oder Cosí fan tutte.


    Ich fühle mich unverstanden, aber es ist vermutlich meine eigene Schuld. Ich erwarte von Libretti keine literarischen Meisterwerke, aber sie müssen im Sinne des Theaters sein! (Wogegen Goethes Faust zweifellos ein literarisches Meisterwerk ist, aber meiner Meinung nach nicht unbedingt von Theaterpranke des Meisters zeugt...) Ein Libretto muss bühnenwirksam sein, eine gute Dramaturgie aufweisen, und es muss sprachlich wenigstens in Ordnung, besser gut sein. Es kann Dinge, die im Sprechtheater mithilfe des Textes vollzogen werden (z. B. Charakterisierung) ganz oder teilweise in die Musik auslagern. Es gibt natürlich auch einige formale Unterschiede zwischen Libretto und Theaterstück (Arien, Ensembles...), die sich allerdings spätestens ab Wagner langsam legen.


    Aber - noch einmal: Für mich sind Text und Handlung wesentlicher Bestandteil einer Oper und die Musik muss sich auch nach Text und Handlung richten. Ich fordere idealerweise kein "prima... poi", sondern eine gleichberechtigte Partnerschaft, wie das bei vielen Meisterwerken der Opernliteratur gelungen ist. Gute Musik zu einem schlechten Text ergibt höchstens eine mittelmäßige Oper.


    Liebe Grüße,
    Martin

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    Original von Ulli
    äußerst merkwürdigen Meinungen (darf ich das anmerken?) von maticus und Philhellene - frei nach dem Motto "Ich mag eigentlich keine Oper, daraus folgt: Oper ist doof." - da steig ich dann wirklich aus.


    Ich liebe Oper, daraus folgt: Oper ist super! :yes:;)
    Aber ich kann Oper nicht als Musik losgelöst von Handlung und Text betrachten.


    Liebe Grüße,
    Martin

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    Original von keith63


    Auf die Musik der 'Zauberflöte' inkl. Gesang möchte ich ungern verzichten...allerdings 'finde' ich das Libretto alles andere als gelungen...! Was nun...keine Zauberflöte...?


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    Original von maticus
    Zugegeben, wenn ich denn in die Oper gehe oder mir eine Opern-DVD kaufe, dann sollte natürlich auch die Handlung und Inszenierung ansprechend sein. Sonst sollte man es sich lieber nur auf CD anhören.


    Ich kann den Gesang leider nicht vom Gesungenen trennen (besonders nicht, wenn ich die Sprache verstehe). Es nützt mir auch nichts, wenn ich die Oper auf CD anhöre. Wenn ich den Text schrecklich finde (siehe Euryanthe), kann ich auch die Musik nicht genießen.


    Ich bestehe ja auch immer darauf, dass die Sängerinnen und Sänger stimmlich agieren, also mit ihrer Stimme das Gesungene ausdrücken, so dass auch die CD reicht, um die gesamte Darstellung zu vermitteln. Wenn ich den Eindruck habe, dass eine Sängerin oder ein Sänger keine Ahnung von dem hat, was sie/er da singt und genauso gut auf lalala singen könnte (und da könnte ich viele, auch berühmte Leute aufzählen, die derart schlechte Interpretationen liefern), dann gefällt mir die Aufnahme sowieso nicht.


    Liebe Grüße,
    Martin

    Zitat

    Original von maticus
    Nebenbei: Für mich steht bei einer Oper immer die Musik im Vordergrund, nicht Text oder Handlung. Wenn das neben der Musik auch gut ist, umso besser.


    Das sehe ich nicht so. Eine Oper ist für mich Musiktheater und die Voraussetzungen guten Theaters müssen für mich auch bei einer guten Oper erfüllt sein. Nur in der Umsetzung gibt es natürlich Unterschiede, da man in der Oper Charakterzeichnung und Dramaturgie auch über die Musik betreiben kann/muss, während beim Theater dafür nur der Text zur Verfügung steht. Wenn ein Komponist kein brauchbares Libretto gefunden hat, hätte er sich meiner Meinung nach besser auf Sinfonien verlegt... :rolleyes: Deswegen ist auch "Euryanthe" nie und nimmer eine gute Oper, auch wenn mir die Musik gut gefällt!


    Liebe Grüße,
    Martin

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    Original von Jacques Rideamus
    Vielleicht sollten wir dies Diskussion aber erst in dem Zeitraum ansetzen, wo ihre Funktion schriftlich debattiert wurde. Welches sind eigentlich die frühesten Zeiträume dafür? Gibt es dergleichen auch schon in der Antike?


    Mit dem Aufkommen der Philosophie im antiken Griechenland, also etwa ab 600 v. Chr., werden alle Bestandteile der damaligen Welt erforscht und untersucht, folglich auch die Musik und die Musiktheorie
    .
    Ich bin allerdings kein Spezialist für die antike Musiktheorie, dennoch:
    Die bestimmende Meinung in der Antike ist die Zusammengehörigkeit von Musik und Mathematik, wie sie besonders in der pythagoräischen Lehre ausgedrückt wird (Musik als Abbild der göttlichen Weltordnung). Es gibt quasi "schöne" Zahlenverhältnisse, die "schönen" Intervallen entsprechen.
    Musik wird in der Naturphilosophie (naturgemäß ;)) von der physikalischen Seite betrachtet. Noch bis in die frühe Neuzeit hält sich ja überdies die Vorstellung der "Sphärenharmonie", wo Musik auch im Bereich der Astronomie eine wichtige Rolle spielt, und im Mittelalter gehört Musik mit Arithmetik, Geometrie und Astronomie zum "naturwissenschaftlichen" Quadrivium (im Unterschied zum "geisteswissenschaftlichen" Trivium Dialektik, Grammatik, Rhetorik).


    Mit Platon und Aristoteles beginnt dann die Betrachtung von Musik als Kunst. Platon ist gegen moderne Musik, die unmoralisch sei. Man solle an den althergebrachten Normen festhalten.
    Aristoteles weist der Musik zwei Funktionen gleichermaßen zu, die ich verkürzt als Unterhaltung und Vermittlung von Affekten bezeichnen will. Musik wirke unmittelbar auf die Seele.
    Sein Schüler Aristoxenes (~350-300) positionierte sich besonders gegen die pythagoräische Lehrmeinung: Er bestritt, dass Musik bloße Mathematik sei und sich Konsonanz in Zahlenverhältnissen widerspiegle. Er geht vom Hören und der Hörerfahrung aus. Das Erkennen von Konsonanz beruhe auf erlernten, anerzogenen Kriterien für "schöne" Musik.


    Das griechische Tonsystem in historischer Zeit besitzt Tonleitern, die aus zwei gleichgebaute Tetrachorde (Viertonreihen) zusammengesetzt werden. Es gibt diatonische Tetrachorde (bestehend aus zwei Ganztonschritten und einem Halbtonschritt), chromatische Tetrachorde (bestehend aus einer kleinen Terz und zwei Halbtonschritten) und enharmonische Tetrachorde (bestehend aus einer großen Terz und zwei Vierteltonschritten).
    Die wichtigste Tonleiter war das diatonische Dorische (e-d-c-h-a-g-f-e; die griechischen Tonleitern sind als absteigend gedacht), das seit dem Mittelalter "phrygisch" heißt, während das altgriechische Phrygische jetzt das Dorische ist. :rolleyes:


    Antike Musik und Musiktheorie ist jedenfalls ein spezielles und in Anbetracht von Zahl und Art der Quellen anspruchsvolles Forschungsgebiet; ich hoffe, ich habe die mir bekannten Dinge korrekt wiedergegeben.


    Zum Einhören:



    :jubel:


    Liebe Grüße,
    Martin

    Zitat

    Original von Jacques Rideamus
    Ist es nicht legitim, wenn man die Hauptaufgabe der Musik in der Erfüllung des Bedürfnisses sieht, aus dem heraus sie ursprünglich wohl entstand, nämlich Entspannung oder Unterhaltung und erst im weiteren Verlauf als Ausdruck der eigenen seelischen Verfassung?


    Wenn sie ursprünglich aus dem Bedürfnis nach Entspannung oder Unterhaltung entstanden ist, könnte man das so sehen. Wir können die ursprüngliche Funktion der Musik nicht mehr sicher rekonstruieren, aber vermuten können wir aufgrund der vorhandenen Zeugnisse vielleicht folgende Möglichkeiten:


    1.) Musik als Medium zur unsichtbaren Welt (etwa Kultgesänge; Psalmen; Musik zur Unterstützung von Trancezuständen; Götterhymnen, wie etwa jene der Enheduanna; altgriechische Tragödie; Gregorianische Choräle und die gesamte neuzeitliche geistliche Musik)


    2.) Musik zur Verherrlichung des Herrschers im weitesten Sinne (z. B. Epos, Fanfaren, evt. Kriegsmusik, die könnte man aber auch zu 3.) zählen; dann die entsprechende Musik im Barock...)


    3.) Musik als konstituierendes Element von Gemeinschaft (z. B. Sappho, Alkaios, frühgriechische Elegie, Tanz...) - in diesen Bereich fällt dann aber sowohl Ausdruck der eigenen seelischen Verfassung (Sappho!) als auch Unterhaltung (etwa alle Flötenspielerinnen, wie sie uns seit den Frühen Hochkulturen auf Symposionsbildern überliefert sind).


    Von diesen drei Optionen halte ich 2.) für aus 1.) herausgegangen. Ob 1.) oder 3.) die ursprüngliche Funktion gewesen ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Wesentlich erscheint mir aber, dass, sobald ich Texte für 3.) kenne, und dabei handelt es sich um die frühgriechische Lyrik, Unterhaltung und persönlicher Ausdruck nicht voneinander zu scheiden ist.


    Das sind natürlich nur meine persönlichen Überlegungen.


    Liebe Grüße,
    Martin

    Wir wollen ganz kurz beim Hintergrund der Oper verweilen: Die Geschichte der heiligen Thais von Alexandria (Gedenktag 8. Oktober) ist uns in mehreren Viten und Martyriologien überliefert. Ein Bischof namens Paphnutios, Serapion oder Bessarios bekehrte die reiche Kurtisane. Sie verbrannte all ihr Hab und Gut und ging ins Kloster, um sich in Hinkunft nur noch Gott hinzugeben. Sie ist (natürlich) Patronin der reuigen Dirnen.


    Die deutsche Dichterin und Nonne Hrotsvit von Gandersheim schrieb sechs terentische Dramen, um die unmoralischen Terenz-Komödien im Schulgebrauch zu ersetzen. Eines dieser Stücke ist unter den Namen "Paphnutius" oder "Thais" bekannt und schildert die erwähnte Bekehrungsgeschichte. Hrotsvit zeigt Thais als eine Art "Taufscheinchristin", die zwar an Gott glaubt, sich aber ihrer Sünden nicht bewusst ist oder sich selbst belügt. Erst durch die Begegnung mit Paphnutius erkennt sie das Unglück ihres bisherigen Lebenswandels und wendet sich in der Wüste ganz Gott zu.
    Eingewoben in das Stück finden sich philosophische Betrachtungen über die Einheit von Seele und Körper. Die Sünde der Thais ist es, dass ihre reine göttliche Seele nicht mit den Handlungen ihres Körpers im Einklang ist.


    Nach Hrotsvit hat Anatole France im 19. Jh. seine Satire "Thais" gearbeitet, in der er die Liebesgeschichte zwischen Paphnuce und Thais einfügt. Massenet und sein Librettist Gallet nehmen diesen Roman als Vorlage, verzichten aber fast völlig auf die satirischen Elemente, versuchen stattdessen, Mitgefühl für die Protagonisten zu erwecken.



    Ich möchte sodann mit den Charakteren der Oper fortfahren: Athanael ist selbst ein Bekehrter. In seiner Jugend (bei France im Alter von 15 Jahren) hat er selbst Thais aufsuchen wollen, doch als er schon vor ihrer Türe stand, scheiterte das Unterfangen an mangelndem Mut - und mangelndem Geld. Dann "spricht die Gnade zu seinem Herzen" und er wendet sich dem Christentum zu und tritt in die Gemeinschaft der Coenobiten ein (die ägyptischen Coenobiten waren die ersten Mönche im heutigen Sinne: zuvor gab es nur Einsiedler, die Coenobiten lebten gemeinsam, aßen gemeinsam, beteten gemeinsam in der Klostergemeinschaft). Doch eigentlich begehrt er Thais noch immer: und sein Entschluss, sie zu bekehren, resultiert effektiv aus dem Wunsch, dass sie wenigstens, wenn nicht er selbst, so doch kein anderer Mann verwende! Niedere Beweggründe! Und auch seine große Arie gegen Alexandria erklärt sich so: Er hasst die Schönheit, den Reichtum, das Wissen, das die Stadt verströmt, weil sie ihm selbst versagt sind.
    Wir sehen in der ganzen Oper seine Lust, Macht über Thais auszuüben. Er kommt nie zu seinem eigentlichen, sublimierten sexuellen Ziel: aber er "besiegt" Thais, er quält sie in der Wüste, er versucht sogar, sie am Sterbebett noch mit Glaubenszweifeln zu überschütten, damit sie ungetröstet und nicht in Gott stirbt. Es ist auch nicht ohne Grund eine Baritonrolle: Athanael ist nicht der positive Held dieser Oper.


    Nicias ist ebenso negativ gezeichnet: Wir hören aus dem Mund der Thais, und die muss es schließlich am besten wissen, dass er liebesunfähig ist und nur Befriedigung sucht. Er ist ein Jugendfreund von Athanael! Wir können uns diese Clique präpotenter Halbwüchsiger ungefähr vorstellen, nachdem uns zwei Mitglieder als erwachsene (aber nicht reife) Männer gezeigt werden... :rolleyes:


    Die Heldin der Oper ist zweifellos die Titelfigur: Thais, die unermesslich reiche Kurtisane. Bei Hrotsvit ist es die Habgier, die sie ins Geschäft drängt, und sie erreicht ihr Ziel. Bei Massenet ist das nicht ganz so klar; aber wir dürfen vielen Aussagen der Thais keinen Glauben schenken: sie ist nicht wollüstig oder gar nymphoman, wenn sie im ersten Akt so fixiert daherredet: das gehört zum Job. Wir sehen am Beginn des zweiten Akts wohl ihr wahres Selbst; und dann, wenn Athanael erscheint, fällt sie wieder in die dirnenhafte Sprache. Und wenn sie bekehrt ist, spricht sie von der Nichtigkeit der Vergnügungen... worauf wir das immer beziehen wollen. Habgier oder Wollust? Vielleicht auch Streben nach Unabhängigkeit? Aber ich glaube, es überwiegen doch Habgier, Eitelkeit und Putzsucht!
    Doch Thais ist sich klar, dass ihr Leben eigentlich leer ist: sie wird nicht geliebt, sie wird nur benutzt, und ihre gleißende Schönheit schwindet von Tag zu Tag, und damit ihre Lebensgrundlage. Ihre Midlife-Crisis-Arie "Dis-moi que je suis belle" zeigt die Ängste der Mittvierzigerin. (Zum Vergleich: Athanael ist wahrscheinlich noch keine Dreißig...) Thais ist unglücklich mit ihrem Leben (darum fürchtet sie auch den Tod). Sie hat niemanden, sie wird nie jemanden haben, der ihr Gutes will. Aber sie ist empfänglich für den Gott, den Athanael ihr brachial aufzwingt, und sie begreift diesen Gott viel tiefer und viel wahrer als ihr Bekehrer: wie modern ist die Theologie, die sie in der Arie "L'amour est une vertu rare" vertritt: "...Eros will uns zum Göttlichen hinreißen, uns über uns selbst hinausführen..." (Benedikt XVI., Deus caritas est, 5) Leider wird dieses schöne Bild von Athanael ziemlich brutal zerstört, und auch wenn Albine auf den ersten Blick sympathisch scheint, lässt sie zu, dass Thais ihren Körper mit Fasten und Schlafentzug komplett zerstört... (die reale heilige Thais kann das nicht so radikal vollzogen haben, denn die ist laut Viten erst nach über drei Jahren verstorben) Dennoch hat Thais in meinen Augen ihr persönliches Glück und Happy End gefunden: Sie stirbt ohne Angst und in der sicheren Gewissheit, des himmlischen Hochzeitsmahles teilhaftig zu sein.


    Zuletzt noch eine Anmerkung zu Renée Fleming: In der Live-Übertragung habe ich schon einiges gehört, was stimmlich und interpretatorisch nicht ideal war, aber man muss bedenken, dass sie zum Zeitpunkt der CD-Aufnahme über zehn Jahre jünger war und sowieso auf Aufnahmen besser klingt als live. Und dass man weniger gelungene Passagen im Studio noch einmal aufnehmen kann, bei einer Live-Übertragung eben nicht. Ich muss mir die CD beizeiten zulegen, ebenso auch die DVD mit Eva Mei.
    Aber ihr könnt ja schon einmal Bewertungen einstellen: TMOO - Thais


    Liebe Grüße,
    Martin

    EMI 1962



    Eine proto-HIPpe Aufnahme, die vielleicht heutzutage ein bisschen zwischen den Stühlen sitzt: mit HIP-Produktionen kann sie in puncto Historizität nicht mithalten, mit spätromantischem Breitwandsound kann sie aber auch nicht aufwarten...
    Die Studioaufnahme einer Glyndebourne-Produktion.


    Glyndebourne Festival Chorus, Royal Philharmonic Orchestra, Vittorio Gui - 5 (Gui war der erste Dirigent, der sich mit der Originalpartitur des "Barbiere" auseinandergesetzt hat und spielt hier nach dem von ihm selbst hergestellten Aufführungsmaterial, das die originalen Tonarten und Arien wiederherstellt.)


    Il Conte d'Almaviva: Luigi Alva - 4,5 (eine wunderschöne, noble Stimme, aber er könnte mehr "stimmlich agieren")


    Rosina: Victoria de los Ángeles - 5+ (Eine ihrer besten - von vielen sehr guten - Aufnahmen! Hier kommen ihr Temperament und komisches Talent ausgezeichnet zur Geltung. Die vielfältigen Nuancen ihrer Stimme sind beeindruckend; ihre geniale Rosina changiert zwischen armem Mädchen und gewitzter Intrigantin, dass es eine wahre Freude ist! Sie singt die Partie - wie übrigens schon in der älteren Aufnahme unter Serafin - selbstverständlich in der originalen Mezzolage, was zu jener Zeit eben noch nicht selbstverständlich war. Dazu kommt das perfekte Stilempfinden der Alte Musik-Spezialistin.)


    Figaro: Sesto Bruscantini - 5 (Der italienische Bariton hatte die Rolle zu dieser Zeit fast gepachtet, und das mit Grund! Er hatte außerdem reichlich Gelegenheit, seine Darstellung bis zu dieser Aufnahme zu perfektionieren... Ein sehr von sich selbst eingenommener Barbiere.)


    Bartolo: Ian Wallace - 5 (Gehörte zu Vittorio Guis "Rossini-Ensemble" und fügt sich daher mit seinem nuancierten Vortrag optimal in das restliche Ensemble und Guis Interpretationsrichtung ein.)


    Basilio: Carlo Cava - 4,5 [i](schön und stilsicher gesungen, aber kann mit den anderen doch nicht ganz mithalten)


    Gesamtwertung: 29/6 = 4,83 (eine sehr empfehlenswerte Aufnahme, zumindest vor Marriner sicherlich der Referenz-Barbiere.)

    Zitat

    Original von petra
    @ Lalaleia! Leialalei!


    Wellbreche
    Lochnesse
    Nixbleche


    :hello: Petra


    Well-Nessie, die/der/das: zumeist weibliche Person (Männeranteil steigend, es gibt sogar einen ganz berühmten :stumm: ), die/der nach erfolgtem Aufenthalt in Schönheitskliniken und auf Wellnessfarmen endgültig zum Monster mutiert ist... :wacky:


    :angel:
    Martin

    Ich gehe meistens nur in Graz ins Theater, wenn das auch gilt... Am Grazer Schauspielhaus kann ich den "Baumeister Solness" nachdrücklich empfehlen, den ich mir gestern zum zweiten Mal angeschaut habe. Ein grandioser Peter Simonischek in der Titelrolle und eine geniale Hilde: die junge Verena Lercher, eigentlich Karenzvertretung für Andrea Wenzl, aber ich hoffe, dass sie bleibt! Wie viele Nuancen sie in ihre Partie eingebracht hat!
    Die Inszenierung von Intendantin Anna Badora ist eine, wie ich sie gern mag: Vom Text ausgehend, eine aufs Wesentliche konzentrierte Bühne und eine glänzende "Personenregie". Die gut gewählte Musik hat die schauspielerischen Leistungen an den Höhepunkten noch verstärkt. Absolut gelungen!


    Liebe Grüße,
    Martin

    Helmbiege
    Gernwilde
    Ortsfremde
    Windflaute
    Rossräude
    Perlweiße
    Heilerde
    Haarbreite*
    und Starobrünne


    :D :hello:
    Martin


    ----
    * das erste Wort dieses wunderschönen Doppelnamens kann auch durch eine wesentlich tiefliegendere Extremität, die beim Menschen in der Regel doppelt vorkommt, ersetzt werden, ebenfalls mit vier Buchstaben... :untertauch:

    Zitat

    Womit der Zeitpunkt näherrücken dürfte, zu dem Opern auf der Bühne nur noch in 20-30 Städten stattfinden werden und der Rest des interessierten Publikums massenkompatibel aufbereitete, starstarrende und technisch manipulierte Aufführungen aus wenigen großen Häusern im Kino und auf DVD genießen darf. :wacky:


    Falls für die Masse des Publikums überteuerte Karten (30 Euro!!! :motz: ) für eine Videoübertragung mit suboptimaler, dumpfer Akustik in fragwürdigem Ambiente (Popcorn am Boden und der Sektstand neben den Plastikpalmen...) tatsächlich attraktiver sind als das ortsansässige Opernhaus, dann schon. Aber wo gehen dann all die Leute hin, die ihre Abendgarderobe ausführen wollen? :D


    Liebe Grüße,
    Martin

    Zitat

    Natürlich wissen wir nicht, was im Kino kommt.


    "Les contes d'Hoffmann" wird - mit der Besetzung :D - wohl übertragen werden...
    Außerdem hoffe ich auf "Aus einem Totenhaus", schon allein, um dieser genialen Oper ein größeres Publikum zu verschaffen. Die Regie von Chéreau, die ja schon in Aix und bei den Wiener Festwochen zu erleben war, gefällt mir sehr!


    :hello: Martin


    P.S.: Ob die Carmen mit Gheorghiu/Alagna was wird?... :stumm:

    Zitat

    Original von Fairy Queen
    Eine solch überzogene Mimik geht zwangsläufig auf Kosten der ausgeglichenen Resonanzen und damit des allgemeinen Klangvolumens und der Rundheit der Töne.
    [...]
    Trotzdem muss man diese Art des Singens nicht kritiklos hinnehmen.
    Ich sehe das nciht als physiologische Notwendigkeit sondern als Wahl. Und diese Wahl stellt für etlcihe Zuhörer, wie wir hier lesen, eine arge Zumutung [Hervorhebung von Philhellene] dar.


    Allerdings! Ich schließe mich jenen an, denen die Stimme der Bartoli ziemlich auf die Nerven geht. Schönes Timbre (das ist natürlich immer Geschmackssache!) hat sie meines Erachtens auch keines, eher ein migräneverursachendes.
    Außerdem hat sie ein extrem hauchiges Piano, in manchen Aufnahmen, die ich von ihr kenne, klingt sie für mein Empfinden schon fast wie eine Popsängerin, die sich an klassischer Musik vergriffen hat.


    :hello: Martin

    Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    Bitte schaue Dir das Video an, dann wirst Du bemerken, daß ich das abolute Gegenteil meinte und es ein Scherz war.


    Lieber Michael,


    das gilt natürlich für mein Statement genauso!


    :angel: Martin

    Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    Um ehrlich zu sein, ich finde, daß er viel zu wenige Blechbläser einsetzt..... :D :stumm:


    Ich habe mal nachgeschaut, er ist ausgebildeter Posaunist, kein Wunder also.


    :hahahaha:
    Ich kenne von ihm nur die (erste?) Sinfonie "Lord of the Rings", die ist, wenn ich mich recht erinnere, sogar für reines Streichorchester...


    :hello: Martin


    Liebe Petra!
    Ich sehe, dass ich deine Frage noch nicht beantwortet habe, aber dein "Carmen-Programm", das du etwas später beschrieben hast, dünkt mich ein guter Überblick über die verschiedenen Arten, Carmen zu interpretieren. Julia Migenes habe ich gerade erst entdeckt; rein stimmlich gefällt mir am besten Victoria de los Ángeles, die wieder einmal mit ihren vielfältigen Nuancen eine sehr genaue Charakterstudie abliefert und auch noch ganz in der Tradition der Opéra Comique steht; Solange Michel ist meiner Meinung nach auch unbedingt hörenswert, ein bisschen weniger durchdacht als de los Ángeles, aber dafür ein bisschen uriger.


    Liebe Grüße,
    Martin

    Auf Youtube habe ich gerade die Seguidilla aus dem Film mit Plácido Domingo als Don José und Julia Migenes als Carmen gefunden - Wow! Julia Migenes deckt sich optisch völlig mit meinen Anforderungen an eine Carmen, und wie sie die Seguidilla anlegt, entspricht auch vollauf meinen Vorstellungen: der Beginn verhalten, zart, ein bisschen melancholisch, dann immer koketter und verführerischer und am Ende triumphierend! Ihre Stimme ist weniger dunkel als die vieler Mezzos und bringt mehr das Opéra-comique-Flair zur Geltung, das ich bei dieser Oper ausdrücklich verlange. Lediglich an ihrer Aussprache könnte man Mängel finden. Wohl eines der besten Gesamtpakete!


    :hello: Martin


    P.S.: Und mein sehr positiver Eindruck verstärkt sich beim Ausschnitt aus dem zweiten Akt, wo Carmen für José tanzt: Wenn Julia Migenes sich zum Tanz begleitet, macht sie das nicht mit so Urlauten wie diverse andere Sängerinnen, sondern musikalisch und sensibel. Dafür ist sie dann umso giftgetränkter: "Taratata" - wie sie das dem armen José an den Kopf wirft! Und erotisch ist die Szene auch, und wie! Manchmal - ein weiterer Kritikpunkt - singt sie ein bisschen gleichförmige Phrasen, aber insgesamt gefällt sie mir noch immer ausgezeichnet.

    Liebe Severina,
    den Maeterlinck kenne ich leider auch noch nicht. Ich interpretiere in diesem Fall nur vom Libretto und der Musik ausgehend und in gewisser Hinsicht bin ich auch der Meinung, dass man eine Oper nur auf diesen Grundlagen interpretieren kann. Manches kann freilich durch die Vorlage klarer oder deutlicher werden, aber was Librettist und Komponist gemacht haben, ist eigentlich meistens ein eigenes Werk, in das sie eigene Ideen und Vorstellungen einfließen haben lassen.


    Ich höre und lese gerade nach und habe gefunden, dass die Sache mit dem Ring, wenn auch nicht explizit, doch wiederaufgenommen wird: In der Szene III/3, wenn Pelléas und Golaud aus der Zisterne emporsteigen, sagt Golaud, er habe erfahren, was wirklich vorgefallen sei. Worauf kann sich das sonst beziehen, als auf den Ring? Offensichtlich hat Mélisande doch die Wahrheit gesagt oder zumindest etwas, das Golaud plausibel genug erschienen ist, worin aber Pelléas gleichwohl vorgekommen ist.


    Noch etwas: In der Szene II/2 spricht Mélisande zu Golaud, dass sie den Eindruck habe, Pelléas möge sie nicht besonders und spreche nur mit ihr, um der Höflichkeit Genüge zu tun, wenn sie sich zufällig begegnen. Sollen wir ihr das glauben? (Mélisande lügt häufig, um von ihrem Herrn nicht bestraft zu werden!) Wenn wir ihr das glauben, ist nämlich Pellys Regie in diesem Punkt sehr werkgetreu.


    Liebe Grüße,
    Martin

    Liebe Fairy Queen, liebe Severina!
    Ich habe zwar die Aufführung nicht gesehen, aber möchte dennoch ein paar ungeordnete Gedanken beifügen:


    Mélisande ist in meinen Augen ein völlig unbewusstes Geschöpf, so weit von einem doch immer wenigstens teilrationalen Menschsein entfernt wie nur möglich, ein Kleinkind (Regression!) oder gar wie ein Tier in Menschengestalt. Sie ist völlig unfähig, zu reflektieren, bis zum Schluss. Sie ist total verwahrlost im Hinblick auf eine menschliche Erziehung und ich frage mich eigentlich, in welchem Keller sie ihre "Kindheit" verbracht hat, bevor ihr die Flucht gelang.
    Aber wenn sie Pelléas anflirtet, dann zeigt sie wohl, dass sie gelernt hat - wie eine Ratte - was sie tun muss, um gut behandelt zu werden. Und Pelléas will sie gut behandeln. Liebt er sie? Das bezweifle ich. Sie sind zwei Kinder, zwei Spielgefährten. Mélisande kann bei ihm ein bisschen Freude im düsteren Allemande finden, gerade weil er sie nicht liebt. Er spielt mit ihren Haaren. Sie schauen gemeinsam ins Licht. Versucht er, Mélisande zu heilen? Es gelingt ihm nicht.
    Die Tristanhaftigkeit des Stoffes erschließt sich auch mir nicht.


    Liebe Grüße,
    Martin

    Ich sammle nach wie vor in die Breite, aber mittlerweile haben sich, meistens durch Zufall, schon einige mehrfache Werke angesammelt:


    4 Mal Fauré-Requiem (davon dreimal die Version von 1900, einmal die von 1893)
    4 Mal "Ária (Cantilena)" aus den Bachianas Brasileiras Nr. 5 (Victoria de los Ángeles, Ana Maria Martínez, Barbara Hendricks, Elina Garanca)
    3 Mal Bachianas Brasileiras Nr. 5 (mit den obigen außer Garanca, die nur die Ária aufgenommen hat X( )
    3 Mal "Les filles de Cadiz" (Victoria de los Ángeles, Patricia Petibon, Ana Maria Martínez)
    2 Mal Mompou: "Música callada"
    2 Mal Schubert-Streichquartette Nr. 10,12,14,15
    2 Mal Puccini: "Gianni Schicchi"
    2 Mal Mozart: "Die Zauberflöte"


    Ich glaube, von den doppelten gibt es noch ein paar (und Schnipsel sowieso), aber mehr fallen mir gerade nicht ein...


    Liebe Grüße,
    Martin

    Neben Janáceks neun Opern steht für mich, gleichberechtigt mit deren besten, das "Tagebuch eines Verschollenen", das ich eigentlich gar keiner Gattung definitiv zuordnen kann. Es erzählt eine wahre Gegebenheit: in einem Dorf in Janáceks Heimat Mähren verliebte sich ein junger Mann (Janek) in das Zigeunermädchen Zefka, die von ihm schwanger wurde, worauf er seine Eltern sitzen ließ und sich den Zigeunern anschloss. In seinem Zimmer fand man später, gleichsam als Abschiedsbrief, eine Art Gedicht über seine Liebe zu Zefka, seine Verzweiflung und den Entschluss zur Flucht, das auch in der Lokalzeitung veröffentlicht wurde und Janácek als Libretto für das zweiundzwanzig Sätze umfassende Werk diente.


    Die Besetzung ist durchaus ungewöhnlich: Janek wird von einem Solotenor verkörpert, das Orchester besteht lediglich aus einem Klavier. Soweit wäre es ein normaler Liedzyklus. Doch auch Zefka tritt auf, in Gestalt einer Altistin, und während das Liebespaar, ungefähr in der Mitte des Werkes (Sätze 9-11), miteinander spricht, wird es noch von einem dreistimmigen Frauenchor begleitet. Das Klavier hat auch einen Solosatz (13), der wohl die Liebesnacht darstellen soll. Man könnte das Werk folglich auch als sehr reduzierte Kammeroper interpretieren.


    Wie bei Janácek üblich, sind Elemente der mährischen Volksmusik eingearbeitet. Das Klavier begleitet die Stimmen nicht wie in herkömmlichen Liedern, sondern ist gänzlich eigenständig, erinnert also auch an Janáceks Orchesterbehandlung in seinen Opern.


    Die einzige Aufnahme, die ich bislang habe, lässt einen exzellenten Nicolai Gedda und eine mir etwas unsinnliche, zu dramatische Vera Soukupová hören:


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    Was sind eure Erfahrungen mit diesem fetzigen (:D) Werk?


    Liebe Grüße,
    Martin