Wenn mir Jemand die FLAC-Dateien per WeTransfer schickt, brenne ich Dir die CD-R, lieber Alfred, und schicke sie Dir nach Wien.
Beiträge von Dr. Holger Kaletha
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Ich habe die hier geweigte Brilliant Box vor Jahren gekauft und eigenlich nie gehört. (uneigentlich auch nicht
Nun stellt sich heraus, daß bei der 3. Sinfonie (CD NR 1)
bei TRACK 6 (ca* 21:11) ein Lesefehler auftritt, der vom Player nicht korrigiert werden kann
Der Kauf liegt Jahre zurück - eine Reklamation ist praktisch ausgeschlossen
(oder zumindest sehr umständlich )
Lieber Alfred,
hast Du einen zweiten CD-Spieler? Da wird ein Fehler auf der CD sein, aber die Fehlerkorrekturen der CD-Spieler haben unterschiedliche Algorithmen. Ich habe z.B. eine CD, wo man mit dem einen CD-Laufwerk ein Klickern hört, mit dem anderen läuft sie problemlos durch. D.h. im einen Fall bügelt die Fehlerkorrektur den Fehler aus, im anderen nicht. Leider habe ich die Box nicht. Vielleicht kann Rüdiger Dir für diese CD, die er gerippt hat, eine CD-R brennen und schicken. Dann kannst Du Dir den Neukauf sparen.
Schöne Grüße
Holger
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Da stimme ich Dir bei. Man will und muss ja verkaufen. Dieses Thema ist ein weites Feld. Aber sicher auch spannend. Wie weiter oben bereits erwähnt, gibt es auch beim persönlichen Geschmack "Prägungen" durch erste Aufnahmen etc. So wie bei der ersten Liebe.....
Ja klar, es gibt persönliche Referenzen. Das Merkwürdige ist, dass es bei etlichen Aufnahmen, womit man ein Werk zuerst kennenlernte, so eine Phase gibt, wo man nach anderen Aufnahmen sucht und auch neue Referenzen findet, aber schließlich immer wieder oder später einmal wieder zu ihnen zurückkommt. Die Qualität prägt fürs Leben. So sollte es sein!
Du bezeichnest dies als Referenz ... damit sind wir schon wieder bei der persönlichen Betrachtungsweise. Ich stimme dem nicht zu ...
Wenn man eine Umfrage machen würde, lieber Wolfgang, welche Aufnahmen als Referenzen am häufigsten genannt werden, dann landete Mrawinskys Tschaikowsky (die DGG-Aufnahmen wurden während einer Tournee des Orchesters in den Westen in London gemacht) ganz gewiss auf einem der vorderen Plätze...
Kennengelernt hatte ich die Tschaikowsky-Symphonien mit den Aufnahmen von Abbado mit den Wiener Philharmonkern (4 und 6) und dem London SO (Nr. 5) auf LP (DGG) damals. Sie haben mir mit das Orchester-Repertoire erschlossen, haben für meine Biographie also eine Schlüsselbedeutung. Seit 1986 habe ich keinen Plattenspieler mehr und die Platten damals verkauft. Vor 2 Jahren ungefähr habe ich mir die alten Abbado-Aufnahmen wieder gebraucht auf CD besorgt und war beglückt, dass sie wirklich außergewöhnlich sind, auch Referenzen. Abbados spätere Tschaikoswky-Aufnahmen aus Chicago erreichen bei weitem nicht dieses olympische Niveau. Die anderen Mrawinsky-Aufnahmen habe ich inzwischen auch.
Schöne Grüße
Holger
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ich beschäftige mich gerade mit dem Werk und mache eine Übersicht über die gängigen und alten Produktionen. Es gibt eine absolut überragende Produktion, die werde ich besprechen und empfehlen. Mehr brauchst du nicht. Warte das ab! Außerdem dauert das Stück nur eine Stunde - aber was ist das für eine Musik.
Ein Kommentator schrieb bei YouTube: "wenn das Stück zu Ende ist, hast du nur einen Wunsch: es gleich nochmal zu hören!"
Lieber Dr. Pingel,
das Stück ist toll. Eine Aufführung habe ich aber nicht erlebt, in der Rheinoper Düsseldorf aber vor vielen Jahren Der wunderbare Mandarin. Da bin ich gespannt auf Deine Besprechung! Auf CD habe ich die alte CBS-Aufnahme von Pierre Boulez.
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Referenzaufnahmen sind für mich solche, die Maßstäbe gesetzt haben, an denen andere Aufnahmen gemessen werden in verschiedener Hinsicht. Das muss natürlich nicht nur eine Aufnahme sein, es können auch mehrere sein. Michelangelis Debussy, von Axel erwähnt, ist eine solche Referenz z.B., Pollinis Chopin-Etüden oder Mrawinskys Tschaikowsky. Es ist aber zu beobachten bei der Flut von Neuaufnahmen, dass allein aus verkaufs- und marktstrategischen Gründen immer weniger auf "Referenzen" bei Plattenbesprechungen und Interpretationsvergleichen zurückgegriffen wird. Immer zu sagen, ja, das ist ganz schön, kommt aber nicht an die Referenz XY heran, ist nicht verkaufsfördernd.
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Während mir ein solcher Titel die Haare zu Berge stehen lässt, denke ich an jemand, den ich bitten (!) würde, sich darauf zu stürzen: na klar, Holger Kaletha.
Das ist sehr nett, lieber Dr. Pingel, dass Du mir das anvertraust. Nur habe ich mich speziell mit diesem Werk gar nicht eingehender beschäftigt, so dass dies für mich doch einige Arbeit und vor allem Zeitaufwand bedeuten würde.
Aber reizvoll wäre das schon. Ich muss dann erst einmal schauen - Du hast ja eine Arbeit dazu verlinkt.
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Wobei Dein imaginierter Autofahrer Beethovens Fünfte nicht komponiert hat, Schumann sein op. 17 hingegen schon.
Wenn das Werk fertig gestellt ist, ist der Autor/Komponist auch nur ein Rezipient/Interpret seines Werkes. Und er schafft das Werk ja nicht dafür, dass es exklusiv nur für ihn da ist. Anders ausgedrückt: Nur, wenn ein nicht nur exklusiv für den Künstler verständlicher Sinn im Werk liegt, vielmehr ein allgemeinverständlicher, ist das Kunstwerk auch für die Welt geschaffen. Insofern bleiben die biographischen Entstehungsbedingungen des Künstlers privat und eine privatio und dem Werk nicht weniger äußerlich als bei einem fremden Rezipienten, wenn sie dann zu seinen privaten Rezeptionsbedingungen werden und nicht klar ist, warum sie überhaupt etwas zur Allgemeinverständlichkeit des Werkes beitragen.
Und bei Schumann ist es meines Erachtens eben auch unerlässlich, die Lebensumstände genau zu betrachten (und natürlich die Noten). Die "Biographik" hat sich methodisch immens weiterentwickelt, sie schaut ja auch genau auf das Werk, das sich aus dem Leben entwickelt und es nicht selten hinter sich gelassen hat. Im Unterschied zu vielen anderen Richtungen in den Geitseswissenschaften ist sie jedoch nicht nur ein theoretisches Gebilde.
Denn das ist meines Erachtens das Problem der Geisteswissenschaften heute (und ich komme aus dieser Welt): Sie ist leider weitgehend bedeutungslos, sie hat keine Relevanz und sie vermag es auch nicht und ist zumeist auch gar nicht daran interessiert, Menschen zu erreichen und unser wunderbares kulturelles Erbe lebendig zu halten.
Meine Wahrnehmung der Geisteswissenschaften ist etwas anders. Aber seis drum.
Um das was ich meine an einem anderen Beispiel noch einmal etwas leichter zu veranschaulichen, Vincent van Gogh:
Heidegger hat dieses Schuhbild so interpretiert, als ob hier Bauernschuhe und der Verweisungszusammenhang auf eine bäuerliche Welt dargestellt sei. Heideggers phänomenologische Deutung ist genial, aber leider eine Fehlinterpretation. Da hat ihm damals auch ein Kunstwissenschaftler aus seiner Kenntnis der biographischen Entstehensbedingungen heraus widersprochen und entgegnet: Dargestellt sind hier keine Bauernschuhe, sondern die Schuhe des Malers, also van Goghs eigene Schuhe. Wenn man sich als Betrachter aber nur an das hält, was auf dem Bild tatsächlich zu sehen ist, dann hat allerdings der biographisch informierte Kunsthistoriker genau so wenig Recht wie der Philosoph Heidegger, denn man kann dem Bild einfach nicht entnehmen, um welche Schuhe es sich handelt. Was man sieht, sind irgendwelche Schuhe, die "ausgelatscht" sind und nicht mehr. Van Gogh stellt sie auf eine quasi leere Bildfläche. Ein Pieter Breughel dagegen hätte die Schuhe in das Milieu gestellt, aus dem sie stammen, so dass man daran sofort erkennen würde: Das sind die Schuhe eines Bauern, eines Schmiedes etc. Wenn ich nun van Goghs Briefe lese, dann steht dort die theologisch-philosophische Erörterung (van Gogh war tief religiös und Laienprediger), dass er die Dinge, die er malt, nicht als Dinge ansieht, sondern als Symbole und Gleichnisse betrachtet. Hält man sich daran, dann führt Heideggers offensichtliche Fehlinterpretation genauso wenig zu einem wirklichen Verständnis des Bildes wie die biographischen Kenntnisse des Kunsthistorikers, die genau sagen können, welche Schuhe van Gogh gemalt hat. Wenn es letztlich auf die Symbolbedeutung und den Gleichnischarakter ankommt, ist es tatsächlich unerheblich, um welche Schuhe es sich konkret handelt. Die Transformation ins Symbolische und Gleichnishafte erklärt letztlich auch, warum von Gogh die Schuhe hier quasi abstrakt vor einem leeren Hintergrund auf einer leeren Bildfläche dargestellt hat. Daran sieht man, dass solche biographischen Kenntnisse von Entstehensbedingungen des Kunstwerks nur unter ganz bestimmten Bedingungen für das Sinnverständnis überhaupt relevant sind, weswegen also erst einmal zu klären ist, ob überhaupt und wenn, auf welche Weise sie das sind. So wie ich bei van Gogh nicht wissen muss, um welche Schuhe es sich konkret handelt, um das mit den ausgelatschten Schuhen ausgedrückte Gleichnis zu verstehen, brauche ich bei Schumann nicht biographisch zu konkretisieren, ob die "ferne Geliebte" Clara, Ernestine oder sonst wie heißt, um zu verstehen, dass das mit der Musik Ausgedrückte die unendliche Sehnsucht ist.
Schöne Grüße
Holger
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Ich möchte keineswegs abstreiten, dass das Werk über die persönlichen Anspielungen hinaus weitere, vielschichtige Bedeutungsebenen hat, aber gerade die persönlichen Hintergründe während des Entstehung, die heimliche Kommunikation während der Trennung, ist doch ein ganz besonderes Merkmal, von der die Fantasie auf fasziniernede Weise erzählt.
Mein Problem dabei ist - und das ist ein ganz grundsätzliches in der Ästhetik, das seit Hanslick mitunter sehr polemisch-heftig diskutiert wird bis heute (ein wirklicher "Grundlagenstreit" in der Musikästhetik) - genau das von Dir formulierte, inwieweit solche "persönlichen Hintergründe während des Entstehens" überhaupt relevant sind für uns, die wir Schumanns Musik hören und verstehen wollen.
Ich gebe mal ein Beispiel: Jemand fährt mit dem Auto zum ersten Rendezvoux mit einer Frau, die, das ist seine Lebensgeschichte, seine große Liebe geworden ist und die er dann später auch geheiratet hat. Im Autoradio hört er während der Fahrt Beethovens 5. Symphonie. Später, auch nach Jahrzehnten, er ist schon längst Großvater, verbindet er immer, wenn er Beethovens 5. hört, die Musik assoziativ mit den Bildern der ersten Begegnung mit seiner Frau, die seine große Liebe ist. Jeder wird sagen: Das ist eine quasi private Assoziation, die mit Beethovens Musik rein gar nichts zu tun hat, also "außermusikalisch" ist. So, und ist es bei Schumann nun nicht ganz genauso? Als Schumann seine Fantasie op. 17 schrieb, war er von Clara getrennt. Immer dann, wenn er später die Fantasie spielt oder hört oder über sie schreibt, muss er an Clara denken. Natürlich, das kann er, aber das ist seine ganz private Assoziation, die genauso wenig zum Musikverständnis seiner Fantasie etwas beiträgt wie in der oben erzählten Geschichte das Rendezvoux des Verliebten mit seiner Frau zum Verständnis von Beethovens 5. Das alles ist außermusikalisch. Nun sagen die Biographisten: Ja, aber da gibt es bei Schumann das Beethoven-Zitat "An die ferne Geliebte". Schön, sage ich da, aber das ist dann irgendeine ferne Geliebte und das trägt nur insofern zum Musikverständnis etwas bei, als es mir deutlich macht, dass es hier ganz allgemein und nicht weiter bestimmt um den Ausdruck romantischer, unerfüllter unendlicher Sehnsucht geht. Wer oder was da der konkrete Gegenstand der Sehnsucht war, Clara oder eine andere der vielen Liebschaften Schumanns (er war ja ein Womanizer und nicht besonders treu), auch das haben die schlauen Muwis lustiger Weise entdeckt, dass es da durchaus noch andere Bezüge gibt, braucht mich nicht zu interessieren. Das ist alles außermusikalisch und berührt den Ausdrucksgehalt der Musik nicht. Der Ausdruck unerfüllter Sehnsucht ist der Ausdruck unerfüllter Sehnsucht egal worauf er sich bezieht.
Schöne Grüße
Holger
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Ich habe mir die Mühe gemacht, diese Magisterarbeit von Sebastian Brehm durchzulesen. Das sollte man tun. Dann wird nämlich klar, dass eine ausschließlich biographische Deutung eine kaum haltbare Engführung ist.
Die entscheidende Ungereimtheit ist: Die Bezüge zu Clara Wieck und die Quasi-Widmung zu ihr ergeben sich ausschließlich durch den ersten Satz. Das wird auch aus den Briefen Schumanns deutlich. Selbst dann, wenn Clara auf einen der anderen Sätze zu sprechen kommt, hat Schumann gleich auf den ersten Satz umgelenkt. Dass das Motto über dem 1. Satz steht, ist aber nun nicht im Sinne Schumanns gewesen und geht auch nicht auf ihn zurück. Schumann hat ursprünglich darauf bestanden, dass das Motto auf der Rückseite des Titelblatts abgedruckt wird, also dass es sich auf die ganze Fantasie bezieht (alle drei Sätze!). Genau das wird durch die mögliche biographische Auslegung nicht gedeckt, die sich - auch durch Schumanns Briefe eindeutig belegbar - nur auf den ersten Satz beziehen kann.
Die philosophische Dimension von Schlegels Dichtung war Schumann sehr wohl vertraut:
Während seiner Schulzeit am Zwickauer Gymnasium gründete Schumann mit einigen Mitschülern
am 12. Dezember des Jahres 1825 einen Lesezirkel, den „Litterarischen Verein“, in welchem die
literaturbegeisterten Jugendlichen in die deutsche Literatur „eingeweiht“ werden sollten. In jenem
Kreis, der aufgrund seines geheimbündlerischen Auftretens sowie seiner Zielsetzung wohl eine
Vorstufe zu dem an späterer Stelle noch näher erläuterten „Davidsbund“ gesehen werden kann, lasen
und diskutierten Schumann und seine Freunde eine Vielzahl von Dramen, Biographien, Gedichten
und philosophischen Texten. So studierten sie nahezu alle Dramen Schillers, die Werke Friedrich
Schlegels, Johann Gottlieb Fichtes sowie ab dem Jahr 1827 auch Lektüre von Jean Paul. Ihr letztes
Treffen fand nach etwa dreißig Sitzungen am 16. Februar 1828 statt.Die haben sogar Fichte (!) gelesen, den Urvater aller Frühromantiker und philosophisch ein wahrlich harter Brocken.
Brehms Überlegungen zur "praktischen Umsetzung" des Mottos heute beziehen sich deshalb auch auf die philosophische Dimension des Mottos:
Das Schlegelsche Motto vor Schumanns Fantasie Op.17 beinhaltet sowohl philosophische als auch
programmatischen Aspekte. Wie am Beginn des dritten Abschnittes bereits umfassend erörtert
beschreibt das Motto die romantische Vorstellung, ein poetischer Gedanke, der „Ton“, sei die
sinnlich wahrnehmbare Projektion einer höheren Welt, welche die gesamte Wirklichkeit durchzieht
und den „heimlich Lauschenden“ seinem fernen Ideal näher bringt. Gleichzeitig wird in dem
Vierzeiler der ruhelos strebende und suchende Charakter des Werkes vorweggenommen, der aus
einem weitgehenden Fehlen von Fixpunkten resultiert. Der ausführende Interpret der Fantasie sollte
dementsprechend versuchen, das im Motto angesprochene Wesen des Werkes so weit wie möglich
auch durch sein Spiel zu unterstützen, so dass es dem Zuhörer auch durch den Höreindruck deutlich
offenbart wird.Schöne Grüße
Holger
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Einem gebildeten, zumal philosophisch geschulten Hörer mag es sich so darstellen, wobei diese Deutung für mich etwas erzwungen wirkt, wie zumeist, wenn die Methodik deduktiv ist.
Ich will gar nichts deuten und begnüge mich mit einem Blick auf die Entstehungsumstände und da sprechen die Indizien (Clara-Quintabgang, An die ferne Liebe-Zitat in den ersten 20 Takten, Trennung, Briefe usw.) für eine bereits im Motto anklingende, persönliche Botschaft, von der die Adressatin ja auch regelrecht hingerissen war. Eine faszinierende heimliche Kommunikation über Musik in Zeiten der Trennung wird thematisiert und natürlich die Abwesenheit der Geliebten beklagt. Zu Schumanns Lebzeiten hat Clara die Fantasie nie öffentlich aufgeführt. Freilich nimmt so ein kapitales Werk im Laufe der Zeit im Horizont der Zuschauer dann auch andere Bedeutungsebenen ein.
Erzwungen ist für mein Dafürhalten, gerade solche vom Deutschen Idealismus geschulte romantische Autoren wie Novalis oder Friedrich Schlegel ohne Philosophie verstehen zu wollen. Für sie bildeten Philosophie und Dichtung eine untrennbare Einheit.
Das Schlegel-Gedicht ist ein zentraler Text für die Entdeckung der Stimmungen in der Romantik. Die Empfindsamkeit des 18. Jhd. betont die Empfindungsmannigfaltigkeit. Davon zeugt etwa der englische Garten, der abwechslungsreiche Empfindungen schafft durch immer neue überraschende Blickperspektiven. Die Betonung, dass die Empfindungsmannigfaltigkeit (der "bunte Erdentraum" bei Friedrich Schlegel) von einem einheitlichen Stimmungston durchzogen wird, ist dem gegenüber neu und originär romantisch.
In der von Dir verlinkten Arbeit ist zu lesen, dass Schumann wohl zuerst das Motto auf Beethoven und später erst auf Clara Wieck bezogen hat. Das sollte man finde ich nicht einfach unberücksichtigt lassen.
Schöne Grüße
Holger
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Bei allen Erkenntnissen, die man belegen kann, es bleibt für mich schlussendlich ein Geheimnis, was sich Robert Schumann bei der Komposition der Fantasie Op. 17 gedacht hat und warum er dieses Motto vorangestellt hat. Die Schönheit dieses Kunstwerkes wird für mich durch die Ungewissheit und Mehrdeutigkeit verstärkt. Es muss nicht alles enthüllt werden.
Ja finde ich auch, aber die Richtung kann man glaube ich schon erraten, warum es dieses Motto gibt. Die Fantasie ist in der Romantik eine sehr freie Behandlung der Sonatenform. Das kann den Hörer verwirren und er das als unverständliche Bizarrerie empfinden. Da gibt das Motto dann den Hinweis an den Spieler und Hörer, dass es im vordergründig Verworrenen und sprunghaft zusammenhanglos Scheinenden eine hintergründige Einheit gibt, die man nur lauschend ergründen muss. Wenn man zudem einen weiteren Blick hat über die Musik hinaus und die Literatur mit einbezieht, wird Schumanns Motto erst recht verständlicher. Im scheinbar Ungeordneten und Sinnlosen verbirgt sich der eigentliche, tiefere Sinn. Das ist ein romantischer Topos geradezu.
Schöne Grüße
Holger
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Damit meinte ich, dass "für den, der heimlich lauschet" (Schlegel) keinesfalls "das Geheime und Verborgene heraushörend" bedeuten kann, wie Du oben mal behauptet hast. Denn man kann nicht einfach ein Adjektiv zum Objekt machen.
Ich habe aber kein Problem damit, Deine Meinung stehen zu lassen, sehe es aber wie dargelegt anders.
In solchen Fragen lohnt es sich, ins Grimmsche Wörterbuch zu schauen. Zum Lauschen gehört nämlich der Bedeutungskontext "etwas Verborgenes erspähen". Lauschen kann das "lauern" bedeuten (in einem Hinterhalt auf den Feind), der Jäger lauscht in den Wald, d.h. er versucht, das darin Verborgene und Versteckte, das Wild, das er jagen will, zu erspähen. Lauschen hat auch bezeichnend die Bedeutung "versteckt sein" und bedeutet ein scharfes Aufmerken. Zum Bedeutungsfeld von "heimlich" gehört die Bedeutung heimelig im Gegensatz zu fremd, vertraut.
Von daher ist bei Schlegel die Bedeutung klar. Es gilt, die in der Empfindungsmannigfaltigkeit sich verbergende einheitliche seelische Regung lauschend zu erspähen und zwar "heimlich". Die Seele ist ja zugleich das Eigene und Eigenste, also eigentlich das Vertrauteste. Der Blick auf das Verborgene ist ein gleichsam intimer Blick. Die Bedeutung "geheim" für "heimlich" macht aber auch Sinn, in dem Sinne einer gewissen versteckten Schamhaftigkeit, das Intimste (die Innerlichkeit seelischer Regungen) schauen zu wollen. Eine durchaus schillernde Bedeutungsvielfalt ist ja auch durchaus im Sinne der Romantik.
"heimlich lauschen" - hier meint es "im Geheimen lauschen":
William Sidney Mount The Power of Music (1847) (Cover-Titelbild meines Buches):
William Sidney Mount – Wikipedia
Schöne Grüße
Holger
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Es gibt Kapitel über "Wiederkehrende Auffälligkeiten als „leiser Ton“" und "Biographiebezogene Deutung des „leisen Tons“"
Hier das Fazit (S. 84), in dem das "heimliche Lauschen" eine ganz natürliche und einfache Erklärung findet:Das ist leider einfach zu einfach
:
"Wenn also Schumann mit der Verwendung der Passage aus Nimm sie hin denn, diese Lieder auf eine
seiner tatsächlichen Geliebten anspielen möchte, ist es am naheliegendsten, dass damit seine Gattin
Clara gemeint ist. Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass die Stelle aus An die ferne Geliebte ein
Relikt aus jener Zeit ist, als die Fantasie Op.17 noch als Klaviersonate für Beethovens Denkmal
konzipiert war und somit der reinen Huldigung des großen Meisters dient.
Genau damit werden alle Skeptiker gegenüber biographisch-hermeneutischen Erklärungen nur bestätigt, denn das heißt im Grunde nichts anderes, als dass die Zuschreibung im Prinzip austauschbar und nahezu beliebig ist. Es kann mit diesem Motto sowohl eine Huldigung von Beethoven als auch von Clara Wieck gemeint sein. So aber ist die Zuschreibung schlicht "außermusikalisch", gehört nicht zum Ausdrucksgehalt der Musik. Beethoven schreibt über den 1. Satz seiner Pastoral-Symphonie: Angenehme, heitere Empfindungen, welche bei der Ankunft auf dem Lande im Menschen erwachen. Das kommentiert Leonard Bernstein humoristisch so und trifft damit den Nagel auf den Kopf: Beethoven hätte auch den folgenden Anlass angeben und folgendes in die Partitur schreiben können - die Musik klänge ganz genauso: "Glückliche Gefühle, weil mein Onkel mir eine Millionen Dollar hinterlassen hat." Diesen Einwand der Beliebigkeit solcher Zuschreibungen können solche biographistisch verengenden Deutungen einfach nicht ausräumen.
Die Liebe zu Clara als „leiser Ton“, scheint durch Einträge in Schumanns Tagebüchern, in welchen
er davon spricht, dass er und Clara sich in jener Zeit, in der sie aufgrund des väterlichen Verbots
keinen Kontakt haben durften, nur durch das heimliche, gegenseitige Zuhören ihres Klavierspiels
nahe sein konnten, bestätigt zu werden. Es lässt sich also auch die letzte Zeile des Mottos − „für
den der heimlich lauschet“ − in Bezug auf Schumanns Biographie deuten, wie aus seinen
Aufzeichnungen deutlich wird:
Wenn Schumann das so deutet, dann tut er es als Rezipient seiner eigenen Musik. Das ist also keine Explikation des Ausdrucksgehaltes der Musik, sondern eine rezeptionsästhetisch vermittelte Konkretisation. Die Musik ist aber nunmal nicht ausschließlich für den Komponisten Schumann als Hörer bestimmt. Schumanns Erlebnisse mit Clara Wieck sind auf einen anderen - zumal einen heutigen - Hörer nicht übertragbar. Die biographische "Erklärung" ist deshalb auch keine Begründung dafür, wie wir das auf das Motto bezogen Schumanns Musik überhaupt hören können. Ein Satiriker könnte jetzt sagen: Wer Schumanns Fantasie op. 17 wirklich verstehen will, muss sich im Sinne der Biographisten erst einmal eine Klavier spielende Freundin anschaffen.
Das der Fantasie vorangestellt Motto beschreibt in diesem von Schumann gewählten Kontext also viel konkreter als vermutet eine Situation, in der jemand heimlich jemandem zuhört (jedoch nicht, dass er etwas Verborgenes heraushört. Das gibt der Schlegel-Text auch grammatikalisch nicht her.) Darüberhinaus hat der vollständige Schlegel-Text gewiss noch andere Deutungsebenen, aber das Motto der C-Dur Fantasie spielt auf die konkrete Situation an, in der der Zuhörer der Fernen Geliebten nur heimlich lauschen durfte. Deswegen hat Schumann diese Zeilen vermutlich ausgewählt, denke ich.
Das Motto ist rein als Text gar nicht konkret - sondern enthält die Unbestimmtheitsstelle: "ein leiser Ton". Welcher Ton ist es denn nun? - das wird gar nicht genannt. Wenn man nun angibt, welcher dieser Ton denn ist, dann ist das eine konkretisierende Deutung, welche diese Unbestimmtheitsstelle füllt. Schon bei Schumann selbst ist die Konkretisation in Hinblick auf Clara Wieck aber nicht eindeutig, wenn auch Beethoven - vielleicht sogar ursprünglich - gemeint sein kann und gemeint war und nicht Clara Wieck.
Grammatikalisch? Der Schlegel-Text ist ziemlich eindeutig, dass mit dem "leisen Ton" die seelische Gestimmtheit und damit die hintergründig alles durchziehende Grundstimmung gemeint ist. Das wird auch durch die Alliteration zum Ausdruck gebracht "Welle, Welle ... Worte, Worten". Es geht um den Gleichklang, das sinnlich-klangliche Kontinuum, in dem sich die "eine Seele" (die immer eine verborgene ist) regt. Das Wellenspiel ist ein solches, wo die Wellen ineinanderlaufen, sich durchdringen. Das ist sozusagen das romantische Geheimnis, das man nicht erfährt, wenn man sich vordergründig an das hält, was die einzelnen Worte benennen und bedeuten, wie es gewöhnlich geschieht.
In diesen Kontext gehört auch Gustav Mahler. Er gab seiner Ersten Symphonie den Titel "Der Titan". Mahler selbst erläuterte das so: Die Symphonie bezieht sich nicht auf die Literatur von Jean Paul, zum Ausdruck gebracht wird damit nur die "Stimmung" dieser Symphonie. Man kann den biographischen Bezug bei Schumann also machen, dann ist das aber nur ein Verweis auf die Liebe und Sehnsucht als Grundstimmung dieser Musik, aber nicht irgendwie eine "Darstellung" der Liebesbeziehung von Schumann zu Clara Wieck.
Schöne Grüße
Holger
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Das ganze Gedicht kannte ich gar nicht, vielen Dank!
Geister trauern hier auch "heimlich".
Ein stimmungsvoller, anspruchsvoller Text, finde ich!
Voller Poesie und Rätsel.
Schubert hat es vertont
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"Im Verborgenen lauschen" oder "geheim lauschen" macht wenig Sinn.
'Das Geheime heraushörend' steht da nicht. Es ist wohl einfacher.
Laut Grimm hat "heimlich" in der Goethezeit zunächst eine andere Bedeutung als heute üblich, es drückt ein Wohlbefinden aus.
Es gibt dafür heute noch das Wort "heimelig": "ich fühle es noch, wie heimlich mirs war" > "Für den, der heimlich lauschet".
Das Schlegel-Gedicht:
Es wehet kühl und leise
die Luft durch dunkle Auen,
und nur der Himmel lächelt
aus tausend hellen Augen.
Es regt nur eine Seele
sich in der Meere Brausen
und in den leisen Worten,
die durch die Blätter rauschen.
So tönt in Welle Welle,
wo Geister heimlich trauern;
so folgen Worte Worten,
wo Geister Leben hauchen.
Durch alle Taten tönet
im bunten Erdentraum
ein leiser Ton, gezogen
für den, der heimlich lauschet.Die Bilder sind das Brausen des Meeres, das Rauschen der Blätter: Es geht darum, dass Eine (die "eine Seele") hinter der vordergründig erscheinenden Mannigfaltigkeit zu erfassen. Das andere Bild ist die Wortfolge - man folgt gewöhnlich den einzelnen Worten und ihrem Sinn, also einer Bedeutungsmannigfaltigkeit, wo es gilt den Lebenshauch (was ein Bild der Seele ist) dahinter zu erfassen, der nicht in der Wortfolge ("so folgen Worte Worten") und der mit ihr verbundenen sukzessiven Bedeutungserfassung zum Ausdruck kommt. In der letzten Strophe wird das dann verallgemeinert: Es tönt ein "leiser Ton" durch alle Töne (alle lauten Töne, also die, die man vordergründig hört). Der "bunte Erdentraum" ist das, was sich in der Wahrnehmung aufdrängt, was gleich in die Augen fällt. Der "leise Ton" ist dagegen der, den man in der Wahrnehmung der vielen lauten Töne im Vordergrund allzu leicht überhört, weil die lauten Töne ihn übertönen. Hier wird einmal der alte metaphysische Gegensatz von phaenomena und noumena benutzt - die "eine Seele" ist das Noumenon, was jenseits des "Erscheinenden" ist, weil es als etwas nicht Sinnliches sondern Geistiges selbst nicht erscheint, sondern die verborgene Seite und der Hintergrund des Erscheinenden ist. Dieser metaphysische Gegensatz wird bei Schlegel nun umgedeutet durch die romantische Empfindsamkeit. Es gibt die vielen Töne und verschiedenen Affekte (die an den einzelnen Wortbedeutungen kleben) - die aber von ein und derselben "Stimmung" durchzogen werden. Es geht in diesem Gedicht ja nicht um die Musik - sondern die Musik ist Metapher für die "Harmonie" als seelische "Stimmung", die alles Mannigfaltige vereinheitlichend durchzieht. Franz Liszt redet entsprechend von der "Geistesstimmung". Im 20. Jhd. hat Martin Heidegger diese romantische Tradition aufgegriffen, allerdings ohne expliziten Bezug, indem er von "Grundstimmungen" spricht wie z.B. der "tiefen Langeweile". Anders als die vordergründige Langeweile, wenn ich z.B. mich langweile wegen einer Zugverspätung, ist die tiefe Langeweile nur heimlich und im Verborgenen da. Die "tiefe" Langeweile ist ein Hintergrund für einen Vordergrund, wie etwa bei Blaise Pascal. Der Adel erheitert sich im Divertissement (der "Zerstreuung" durch Unterhaltung im Theater z.B.), seine vordergründige Heiterkeit ist aber im Grunde von tiefer Langeweile durchstimmt. Es ist für mich keine Frage, dass Schumann diesen Sinn bei Schlegel sehr gut verstanden hat mit seiner Esoterik, wonach Musik eine Geheimsprache nur für Eingeweihte ist, die sich dem gewöhnlichen Ohr entzieht. Der Hörer soll sich nicht von den vordergründigen wechselnden Affekten der Musik gefangen nehmen lassen, sondern die dahinter stehende einheitliche Grundstimmung erfassen. Dazu muss er "heimlich lauschen" können, also das Verborgene heraushören können, was alles durchstimmt. Das sagt das Motto.
In der Analyse von Werner Spies über die Fantasie ist nirgends von Programmmusik die Rede. Ein Blick in die Noten auf den Quintabgang, den Schumann immer mit Clara verbindet, sowie das unüberhörbare Beethoven-Zitat aus "An die ferne Geliebte" sind deutliche Hinweise, die den Kontext der Fantasie (auch ohne Esoterik) erschließen lassen. Schumann selbst spricht von einer tiefen Klage.
Beethovens "ferne Geliebte" ist schließlich auch poetische Fiktion und keine Realität. Wenn man so vorgeht wie Spieß, dann versucht man mit Blick auf Schlegels Gedicht Schumanns Musik "Wort nach Wort", also "Thema nach Thema", zu analysieren, sucht also nach dem Sinn im "bunten Erdentraum" statt in der einheitlichen Stimmung und Seele dahinter. Und auch wenn man das dann nicht explizit als programmatische Deutung versteht, hypostasiert man so eine Sinnschicht - die biographische - zum Sujet und rekurriert dann faktisch auf so etwas wie ein geheimes, verschwiegenes Programm.
Fraglich war für mich ja vor allem, ob der durchgehende 'leise Ton' nur im übertragenen Sinn zu verstehen ist und ob es ihn nicht doch auch ganz konkret gibt. Aber wenn ich die Meinungen hier zusammenfasse, auch die von moderato, dem wir diesen thread verdanken, ist das wohl im übertragenen Sinn zu verstehen. Letzte Zweifel bleiben allerdings
S.o.!
Schöne Grüße
Holger
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Schumann an Clara, 17.3.1838: "Der erste Satz ist wohl mein Raffiniertestes was ich je gemacht - eine tiefe Klage um Dich."
In Reclams Musikführer von Günther Spies finden sich auf Basis der Noten folgende Informationen:
Das Eröffnungsthema (T.2-10) ist ein absteigender Quintgang und erinnert an das Clara-Thema des Andantinos der f-Moll Sonate op. 14 und dieses Eröffnungsthema enthält zudem auch die Gerüsttöne der Melodie aus Beethovens Liederkreis "An die ferne Geliebte" (T.15-18).Solche Deutungen halte ich allerdings für hoch problematisch. Denn die Gefahr ist, dass man so Schumanns Fantasie op. 17 als Programmmusik missversteht. Demzufolge ist dann der "geheime Ton" das "verschwiegene Programm" und die Musik nichts als tönende Biographie. Somit wäre der alles durchziehende Ton des Schlegel-Mottos mit der "Klage um Dich" (wörtlich genommen) schlechterdings identisch und damit hätte die Musik ein konkret fassliches "Sujet", nämlich Schumanns Liebe zu Clara Wieck. Das widerspricht aber schlicht allen ästhetischen Vorstellungen der Romantik, insbesondere E.T.A. Hofmann, der für Schumann maßgeblich ist, für den die Kunst und Musik ein abgeschlossenes "Geisterreich" ist jenseits aller Realität. Ein solches biographisches Programm der Musik als Sujet zu unterschieben, wäre nach der romantischen Hermeneutik und ihrer Antithese "poetisch/prosaisch" nicht "poetisch", sondern "prosaisch". Natürlich kann die Subjektivität des Künstlers auch in der Musik ihre Spuren hinterlassen, indem er solche selbstbezüglichen Andeutungen in die Musik einschreibt, sowie der romantische Maler in einem Bild das Gesicht seiner selbst unterbringen kann. Man sollte sich allerdings hüten, das mit einem Programm und Sujet zu verwechseln. Der Sinn der romantischen Ironie ist es gerade, deshalb bin ich darauf gekommen, die Doppelsinnigkeit des Nichtseins im Sein und des Seins im Nichtseins zu betonen - und damit die "prosaische" platte Identifikation aufzuheben.
Weiter wird im ersten Satz die Beethoven-Melodiefigur in T. 49-52 sowie die Rücknahme in ein "geheimnisvolles pp" als eine "Vertiefung ins Intime" beschreiben: "Partien wie diese scheinen dem im Schlegel-Motto angesprochenen "leisen Ton" direkt wie metaphorisch zu entsprechen."
Das ist der Versuch, das durch thematische Analyse dingfest zu machen. Erst einmal bezieht sich das Motto nicht nur auf einen Satz, sondern die ganze Fantasie und zweitens ist der Kontext die Gefühlsästhetik. Von daher ist es fragwürdig, ob der "leise Ton" überhaupt in dieser Weise dingfest zu machen ist und nicht vielmehr gerade unfasslich bleiben soll.
Demzufolge wäre der "leise Ton" aus dem Schlegel Zitat als eine Rücknahme ins Innere oder auch ins Intime zu verstehen. Tatsächlich zeichnet sich die Fantaise trotz berauschender fff-Stellen im ersten Satz immer wieder durch längere zurückgenommene und leise Passagen aus.
Ganz überzeugt bin ich davon aber noch nicht. Das Schlegel-Motto beschreibt keine Rücknahme, sondern einen durchgehenden Ton Für den, der heimlich lauschet.Genau. Das ist ein durchgehender Ton!
"heimlich" hier vermutlich im Sinne von "ohne sich zwang anzuthun", "wohl, frei von furcht" (Grimm)
"ich fühle es noch, wie heimlich mirs war, als ich zum erstenmale an einem hohen mittag hinein (in ein von bäumen geschlossenes plätzchen) trat." (Goethe)
Hier stütze ich mich auf den Schumann-Experten Hubert Moßburger. Schumanns Auffassung der Musik ist, wie Moßburger ausführt, eine Esoterik. Für ihn war die Musik eine Art Geheimsprache, die nur von den Eingeweihten zu entschlüsseln ist. Von daher ist es mehr als naheliegend, dass Schumann das "heimlich" bei Schlegel im Sinne von "geheim" = "verborgen" (das Geheime und Verborgene heraushörend) gedeutet hat.
Schöne Grüße
Holger
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Dass Schumanns Gefühle für Clara 'nicht zum Ausdrucksgehalt des Werks gehören', wie Du meinst, widerspricht in jedem Fall Schumanns eigenen Äußerungen - siehe moderatos Zitat.
Schumann hat erst einmal gesagt:
„Der ,Ton' im Motto bist Du wohl. Beinahe glaub ich's“.
Das "beinahe" ist sprachlich eine Als-ob-Modalisierung. Er sagt ja nicht einfach: "Das Motto: Das bist selbstverständlich Du!".
Schumann ist Leser von E.T.A. Hoffmann. Und Hoffmann ist romantische Musikphilosophie. Das kennt Schumann, er hat es gelesen. Der Grundgedanke romantischer Musikphilosophie ist - in betonter Abwendung von der Tradition musikalischer Rhetorik - dass das musikalische Gefühl eine unbestimmte Ahnung ist - und gerade nicht individualisierend bestimmt. Diese ahnende Unbestimmtheit schließt eine Individualisierung und Konkretisierung des Gefühls durch seinen Gegenstand im Prinzip aus. Das weiß Schumann - auch das erläutert sehr gut Schumanns "beinahe" = "eben nicht wirklich". Weil die Sehnsucht nach dem Unendlichen immer eine unbestimmte Sehnsucht ist und bleibt.
Es ist auch im Prinzip nicht von Belang, was Schumann selber meint. Hanslicks Einwand ist einfach schlagend. Was ist die Liebe alltäglich? Die Mutterliebe zu ihrem Kind ist qualitativ eine andere als die Liebe der Mutter zu ihrem Mann oder zu ihren Geschwistern. D.h. die Liebe wird hier durch den jeweiligen Gegenstand der Liebe zu einer jeweils qualitativ anderen. All das kann Musik prinzipiell nicht ausrücken. Das musikalische Gefühl ist nie und nimmer in diesem Sinne individualisiert. Mutterliebe im Unterschied zu Geschwisterliebe kann Musik nicht ausdrücken - keine Musik auf der Welt - und auch nicht die Liebe zu Person A im Unterschied zu Person B. Sprache freilich kann das durch die Benennung zum Ausdruck bringen (und darüber einen Roman erzählen, so dass man die Geschwisterliebe etwa versteht), aber nicht Musik, die keine Gegenstände benennt. Schumanns Liebe zu Clara Wiek ist seine Liebe, aber sie ist in keiner Musik, auch nicht seiner eigenen, ausdrucksfähig. Wenn Du das behauptest oder behaupten willst, bist Du ein Einfühlungsgenie. Dann musst Du behaupten, Du wirst wie Schumann und erlebst wie Schumann, wenn Du Schumanns Musik hörst. Das würde heißen: "Ich, wenn ich Schumanns Musik höre, verwandele mich in Schumann und kann auch seine Liebe zu Clara Wieck empfinden so wie er sie empfunden hat. Und deshalb gehört die Liebe zu Clara Wieck zum Werk als ein Ausdrucksgehalt, der durch Einfühlung vermittelt wird." So etwas gehört aber in das Reich der Fabel psychologisch betrachtet. (Mit den Abgründen der Einfühlungstheorie muss ich mich leider herumschlagen...
) Musikalisch ausdrucksfähig ist nur die Stimmung der Liebe und Sehnsucht als ein unbestimmtes Gefühl (eine "Ahnung" im Sinne der Romantik). Das kann man hören. Auch wenn man nicht Schumann ist, sondern Christian B., Holger K. oder Lieschen Müller heißt. Aber nicht mehr. Alles was darüber hinaus geht ist musikalisch nicht vermittelbar. Die Romantiker haben deshalb sehr gut unterschieden zwischen realen Gefühlen im Leben und "Kunstgefühlen" (Ludwig Tieck). Das musikalische Gefühl hat weder Anlass noch Gegenstand - Schopenhauers Analyse ist in diesem Punkt phänomenologisch einfach treffend.
Schöne Grüße
Holger
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An Clara schrieb Robert später: „Der ,Ton' im Motto bist Du wohl. Beinahe glaub ich's“.
Jugendbriefe von Robert Schumann, nach den Originalen mitgetheilt von Clara Schumann. Leipzig, Breitkopf und Härtel 1886. Seite 303
Ganz so ernst, wie wir annehmen, dürfte es von Schumann nicht gemeint gewesen sein, wenn er im zweiten Satz, den ersten Satz relativiert.Ich denke, mit diesem Ton ist die der Komposition zugrunde liegende Idee gemeint, nicht eine definierte Tonhöhe.
Lieber Moderato,
Schumanns Ironie ist in der Tat bemerkenswert. Dahinter steckt ein ganz grundsätzliches - und musikästhetisch heikles - Problem. Eduard Hanslick: "Musik kann stürmen, wogen, rauschen, das Lieben und Zürnen trägt nur unser eigenes Herz in sie hinein." Stürmen, wogen, rauschen sind intransitive Verben. Lieben und Zürnen sind dagegen transitiv: Ich liebe Jemanden, mein Zorn richtet sich auf die oder die Person. Letzteres (dieses Transitive) nennen Philosophen "intentional". Musik kann also - folgt man Hanslick - nur nichtintentionale Gefühle ausdrücken aber keine intentionalen. Demnach kann die Musik - auch die von Schumann - die (intentionale) Liebe zu Clara Wieck gar nicht wirklich zum Ausdruck bringen. Das würde Schumanns ironische Zurückhaltung ("nur beinahe glaub´ ichs") erklären. Schopenhauers Lösung (die Hanslick allerdings ebenfalls kategorisch ablehnte) war: Musik drückt nicht konkrete Gefühle aus, sondern abstrakte "Gefühlsideen", also Liebe oder Sehnsucht an sich, aber nicht die Liebe zu einer konkreten Person. Oder anders ausgedrückt: die "Stimmung" von Liebe und Sehnsucht. Stimmungen sind nichtintentionale Gefühle und deshalb musikalisch ausdrucksfähig. Demnach wäre der alles im Geheimen durchziehende "Ton" in der Fantasie op. 17 die "Stimmung" von Sehnsucht und Liebe an sich - ohne konkreten Bezug auf einen Gegenstand. Dass damit die Liebe zu Clara Wieck gemeint ist, gehörte so nicht zum Ausdrucksgehalt des Werks. Das wäre mit Hanslick gedacht nur eine psychologisch erklärbare Projektion (was unser "Herz" lediglich in die Musik hineinträgt, aber in ihr gar nicht enthalten ist), sprich: "außermusikalisch". (Ich denke da etwas anders, aber das auszuführen, würde zu weit führen.) Nur als Hinweis, weil ich mich damit beschäftige und schon lange beschäftigt habe: In der Romantik ist mit dem "Ton" - das ist die Tradition der Empfindsamkeit - immer ein Empfindungston gemeint, also keine "ästhetische Idee" im Sinne von Kant, die sich dann mit Hanslick und allen "Formalisten" nach ihm gedacht in thematisch-motivischer Arbeit darstellt, sondern eine Gefühlsqualität. Mit Franz Liszt kommt man dem schon näher: Nach Liszt kommt die "poetische Idee" eines Tonstücks in der "Geistesstimmung" zum Ausdruck, die in ihm zum Erklingen gebracht wird.
Ich müsste mein schlaues Buch noch einmal herauskramen. Bei Schumann gibt es eine ähnliche Auffassung über die Melodie wie bei Nikolaus Lenau. Lenau sagte mal in Bezug auf Beethoven, dass "Melodie doch eigentlich nur Nebensache ist in der Musik". Der "Ton" ist also wohl auch nicht die Melodie beim Romantiker Schumann.
Schöne Grüße
Holger
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Aber was ist mit „ein leiser Ton“ nun genau gemeint, und handelt es wirklich nur um einen Ton oder nicht doch um eine Melodie?
Das ist aus Schlegels Gedicht "Gebüsche", das auch Schubert vertont hat. Es ist ein exemplarisches Beispiel für die Entdeckung der "Stimmungen" in der Romantik. Die Stimmung ist ein einheitlicher Grundton, der alles durchzieht. Er ist leise, weil er hintergründig und nicht vordergründig ist. Das passt zu Schumann - er betont das Verschwiegene, Verborgene, Hintergründige, das man erraten muss und das sich nur dem Eingeweihten erschließt, der diese Geheimsprache aufschließt - siehe den Carnaval und die Humoreske.
Was die Stimmung in der Romantik bedeutet ist zu sehen etwa bei Carl-Gustav Carus, dem Goethe-Anhänger und Freund von Caspar David Friedrich:
Man sieht, dass das Bild "Ton in Ton" gemalt ist, d.h. ein farblich warmer Grundton verbindet alles, taucht das Ganze einheitlich in ein sanftes Licht. In der Musik ist das die Entwicklung weg von der Rhetorik der vordergründigen Affekte hin zu einer Erlebnis-Musik, wo alles von einer einheitlichen Grundstimmung des Ganzen durchzogen ist.
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Wenn jemand für MICH ein Rotes Tuch ist, dann ist es Schumann. Abgesehen, daß kaum eines seiner Werke mich überzeugt sind seine Bemerkungen über ander Komponisten gradezu ein Desaster.
Schumann ist da durchaus kein Einzelfall. Im 19. Jhd. und noch im 20. hat man sich mit ästhetischen Konzepten regelrecht bekriegt - das wohl berühnmteste Beispiel: Wagner und Hanslick. Mendelssohn und Berlioz waren Freunde. Nur musikalisch hatte Mendelssohn keinerlei Verständnis für seinen Freund Berlioz. Ihr musikalisches Denken hatte so gut wie keine Gemeinsamkeiten. Über die "Phantastische Symphonie" hat sich Mendelssohn regelrecht entrüstet: Berlioz sei ja ein so feiner Mensch und er verstehe deshalb nicht, wie er so eine schreckliche Musik schreiben könne! Es ist ein merkwürdiges Phänomen, wie nicht nur bei den deutschen Romantikern große Vorbehalte gegenüber italienischem Belcanto vorherrschend waren. Bela Bartok war ein großer Verehrer von Franz Liszt. Nur alles, was bei Liszt nach Bellini klingt, hat er kategorisch abgelehnt und mit Geringschätzung gestraft.
Schöne Grüße
Holger
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Sehr interessant!
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Die Ouvertüre kannte ich nicht. Gestern habe ich sie mir angehört. Ein wirklich einnehmend schönes Stück. Ganz Schubert - mit italienischem Kolorit. Was ich damit meine? Es ist eine Reminiszenz an Rossini im Geiste Schuberts. Bemerkenswert. Denn die deutschen Romantiker hatten ihre Schwierigkeiten mit der italienischen Oper, insbesondere Robert Schumann, für den Rossini geradezu ein rotes Tuch war. Von ihm stammt die Äußerung (nicht wörtlich zitiert, dazu müsste ich nachschauen), bei Berlioz sei mehr Melodie drin als bei allen Italienern, insbesondere Rossini. Von daher wäre es nicht verwunderlich, wenn die Schubert-Anekdote über die Entstehung der Ouvertüre einen Wahrheitskern hätte. Was natürlich fehlt in Schuberts Adaptation, ist die Leichtigkeit Rossinis, der aufgeklärte Humor. Anders als Schubert ist Rossini nicht melodieselig.
Schöne Grüße
Holger
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Inzwischen habe ich diese SACD und auch - die Märsche - schon gehört. Ashkenazy gefällt mir auch ausgezeichnet. Die meisten anderen Aufnahmen trimmen die Musik auf Orchesterbrillanz. Ashkenazy gestaltet die Märsche sehr plastisch als Charakterstücke und hat immer ein organisch-natürliches Tempo - stets Gespür für das Richtige, der "Schmiss", der dazugehört, ist da, aber ohne jede Übertreibung. Ganz ausgezeichnet! Kompositorisch gefallen mir die Märsche Nr. 3 - 6 am besten - sehr symphonisch. Die Streicherserenade ist sehr schön - ich habe aber bislang noch nicht die Zeit gefunden, sie in Ruhe zu hören. Das werde ich natürlich noch tun.
Klanglich ist die SACD sehr oberbasskräftig. Für meine basskräftigen Dynaudio-Lautsprecher etwas zu "dick" - ich habe an der AVM-Kette auch keine Klangregler, um die Bässe etwas rauszunehmen. Deshalb habe ich sie schließlich mit der CD-Spur gehört mit der AVM-Laufwerks-Wandler-Kombi. So - deutlich schlanker - klingt die Aufnahme auf dieser meiner Anlage am besten. Auch hervorragend der Klang mit meiner Kopfhöreranlage, mit dem Klangwunder Marantz CD 60 als Abspielgerät. Die Aufnahme zeigt sehr schön die unterschiedliche klangliche Abstimmung der Elektronik.
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Hm. Jein. Hast Du mal mit KV 379 verglichen? Das ist m. E. auch recht ähnlich rabiat-aufwühlend, ich würde die Sonate sogar als „Sturm und Drang“-orientiert einstufen.
Ohne Frage gibt es bei Mozart "Sturm und Drang". (Ich hatte nur nicht die Zeit, Mozart und Beethoven zu vergleichen.) Die Ähnlichkeit ist verblüffend. Wobei ich sagen muss, dass ich den wunderbaren 1. Satz von KV 379 reifer und tiefer finde als den 15jährigen Beethoven (reingehört habe ich bei ASM und Lambert Orkis). Weswegen das natürlich kein Vorwurf ist - für einen 15jährigen ist das erstaunlich!
Bei Mozart fällt auf, dass er im "Sturm und Drang"-Teil sehr viele Seufzermotive benutzt. Dadurch wird das Drängen sehr affektiv aufwühlend. Bei Beethoven fehlen diese Seufzermotive. Und weil sie fehlen, wirkt die Musik "gestischer" als Mozart, obwohl bei Mozart auch Gesten da sind. Oder anders ausgedrückt: Mozart ist rhetorischer, affektiver, Beethoven subjektiver, "Ich"-betonter.
Mein Lieblings-Sturm-und-Drang-Stück bei Mozart (ich liebe diese Sonate
) ist das Presto aus der Klaviersonate KV 310 - hier gespielt von Emil Gilels in Salzburg (DGG) (das gibt es auch auf DVD aus Ossiach mit Bild und Ton):
Mozart: Piano Sonata No. 8 in A minor, K.310: 3. Presto (Live)
Schöne Grüße
Holger
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Das Klavierquartett WoO 36 Nr. 1 war mir bislang gar nicht geläufig. Der 15jährige Beethoven klingt zunächst ganz wie Mozart, so dass man ihn mit Mozart verwechseln kann. Er komponiert - sehr schön - im empfindsamen Stil. Was auffällt, ist der sehr virtuose Klavierpart. Wenn man bedenkt, dass solche Kammermusik damals eher zum Spielen als zum Hören gedacht war, ist das schon sehr anspruchsvoll. Man merkt: Das hat ein Klaviervirtuose komponiert! Das Klavier spielt die erste Geige. 😄 (Bezeichnend heißen die späteren Sonaten "Sonate für Klavier und Violine" und nicht "Sonate für Violine und Klavier".) Beethoven als Beethoven erkennt man dann im scherzohaften schnellen Teil. Da gewahrt man das Energische, Beethovens schroffe Akzente und seine Eigenwilligkeit. Das hätte Mozart so nie komponieren können. Den Schluss bildet - bemerkenswert - ein Variationssatz. Beethoven hat eine große Affinität zur Variationsform und ist ihr großer Meister unter den Klassikern. Hier zeigt er sich gefällig und artig empfindsam - da ist noch nichts vom aufmüpfigen Humor der Eroica-Variationen zu spüren.
Fazit: Beethoven auf dem Weg zur Selbstfindung, noch in den Fußstapfen Mozarts. Empfindsam, eingängig, gefällig. Schön zu hören. Aber auch noch nicht richtig "erwachsen". Jedenfalls eine interessante Entdeckung.
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Gut dass es hier auch angesprochen wird. Schlimm finde ich die Verzerrungen. Die sind am stärksten bei diesen elektromagnetisch bewegten Membranen in Kisten. Besser wird es mit vollflächig angetriebenen Folien frei im Raum. Die Verzerrungen wird man nicht los werden, solange man zur Anregung der Luftmoleküle ein Masse behaftetes Mittel dazwischen verwendet. Diese wirken alle wie ein akustisches Musikinstrument und mischen ihre eigenen Schwingungen (Eigenresonanzen) dazu.
Flächenstrahler sind faszinierend (ich habe mehrfach den berühmten Quad-Elektrostaten gehört und auch Martin Logan u.a.), haben aber den Nachteil, dass man mit ihnen nicht laut hören kann. Wenn sie übersteuern, schlagen die Folien aneinander und die Lautsprecher werden beschädigt. Verzerrungen sind bei der heutigen Lautsprechertechnologie eigentlich kein Thema mehr. Mit Hornsystemen kann man höchste Lautstärken hören in Konzertsaal-Lautstärke mit Null Verzerrungen. Resonanzen ebenfalls gleich Null. Eine Gauder Darc 60 (mit Diamanthochtöner aus einem Stück, nicht gepresst wie bei B&W (!), Preis in dieser Luxus-Version 36000 Euro) habe ich gehört und man kann sie auch extrem laut hören ohne jegliche Verzerrungen. Im normalen Wohnzimmer erreicht man solche Lautstärkegrade nie bzw. kann sie sich wegen der Rücksicht auf die Nachbarn nicht leisten. Auch meine "kleine" Dynaudio verzerrt nicht, jedenfalls nicht in einer Größenordnung, die hörbar wäre.
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Die Box des Labels Profil/Hänssler mit 12 CDs enthält historische Scriabin-Aufnahmen (1946-1962). Die Sonaten sind auch enthalten.
Russische Klavierschule: Vladimir Sofronitzky (1901-1961)
Ergänzungen:Scriabin-Recitals in Moskau & Leningrad mit Svjatoslav Richter, Emil Gilels, Vladimir Sofronitsky
Scriabin spielt Scriabin
Lieber Moderato, das ist eine sehr empfehlenswrete Box! Ich habe die Aufnahmen in anderen Ausgaben schon früher erworben. Vladimir Sofronitzky, Scriabins Schwiegersohn, darf in keiner Sammlung eines Scriabin-Liebhabers fehlen.
Von Scriabin selbst sind Rollenaufnahmen überliefert. U.a. spielt er die 3. Klaviersonate (leider nicht auf CD erhältlich). Bemerkenswert, wie frei der Komponist mit seinem eigenen Notentext umgeht. Der langsame Satz der 3. Sonate ist einfach wunderbar - und Niemand spielt ihn finde ich so wunderschön wie Vladimir Ashkenazy.
Aleksandr Nikolaevich Scriabin: Sonata no. 3 in F# minor, Op. 23 - Played by the Composer - YouTube
Soweit ich das erfassen konnte, befasste sich Skriabin mit Philosophie Esotherik oder einer Spielart davon, die dann ausdrucksstark auch in seine seine Werke einfloss.
Darüber zu schreiben ist anderen, berufeneren vorbehalten - das ist nicht meine Domäne....
Lieber Alfred,
die Texte von Scriabin sind für uns heute etwas schwer verdaulich mit ihrer Mischung aus symbolistischer Poesie und exaltierter Mystik. Geistesverwandt ist das auch mit Friedrich Nietzsche, dem Gedanken des "Übermenschen", d.h. einer Selbstüberwindung des Menschen in Form der Übersteigerung des menschlichen Normalbewusstseins in einen höheren Zustand. Das ist bei Scriabin die "Extase". Das kommt dann ab der 4. Sonate. Bei der 3. Sonate, die noch eine spätromantische Per aspera ad astra-("Durch Dunkel zum Licht"-)Dramaturgie hat, ist der Schluss bemerkenswert. Das Thema des langsamen Satzes wird zur Apotheose im Fortissimo gesteigert - aber die Apotheose scheitert, bekommt "weiche Kniee": Alles versinkt schließlich im Piano-Nichts im Bass und wird am Ende von einem Sturm weggeblasen. Das kann man so interpretieren, dass diese "romantische" Finallösung der Apotheose scheitert und an die Stelle dann in der Folge bei Scriabin die Extase tritt - die Überwindung und Auflösung des menschlichen Bewusstseins in immer höheren Stufen.
Die 4. Sonate hat zwei Teile - der zweite ("Prestissimo volando" im Pianissimo) ist so wie er notiert ist eigentlich unspielbar. Nur Emil Gilels schafft es in einem Konzertmitschnitt aus Moskau in die Richtung. Da hat er allerdings einen "Filmriss" an einer Stelle. Macht aber gar nichts.
Es ist sehr schade, dass die Aufnahmen u.a. der 3. Sonate von Lazar Berman nicht veröffentlicht sind. Berman spielt hypergenau ohne alle Übertreibungen und hat einen unglaublichen Sinn für die spätromantische Vielschichtigkeit. Manche Interpreten meinen insbesondere bei der 3. Sonate, da zu "lyrisieren" wie z.B. Anatol Ugorsky. Das geht aber finde ich schief - die Dramatik ist hier essentiell.
Viel Freude weiterhin beim Durchhören von Scriabins Sonatenkosmos!
Schöne Grüße
Holger
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Die Aufnahme von Debargue kann ich nur empfehlen! Es gibt zum Paulello- Flügel und der Entstehung der Aufnahme von und mit Lucas Debargue einen sehr informativen Artikel von Carsten Dürer in der Zeitschrift Piano-News! Ein sehr interessantes Instrument. Am besten natürlich, man hört es live.