Der am 10. März 1946 in Seoul (Südkorea) geborene Kun-Woo Paik gehört zu den namhaften Pianisten von internationalem Rang, die paradoxer Weise bei uns in Europa und insbesondere in Deutschland kaum bekannt sind. In Asien ist das freilich anders - wobei man auch lesen kann, dass dies nicht zuletzt damit zu tun hätte, dass der Pianist 1974 eine der im asiatischen Raum bekanntesten Schauspielerinnen, Yoon Jeong-hee, heiratete, die trauriger Weise an Alzheimer erkrankte und am 19. Januar dieses Jahres (2023) verstarb. Dabei hatte Kun-Woo Paik , der u.a. bei der berühmten Rosina Lhévinne studierte, auch bei der deutschen Pianistenlegende Wilhelm Kempff Unterricht genommen. In den großen und bedeutenden Konzertsälen dieser Welt konzertierte er, ist mit Orchestern aus der "ersten Reihe" und namhaften Dirigenten aufgetreten, darunter Neville Marriner, Mariss Jansons und Eliahu Inbal. Sein in Aufnahmen dokumentiertes Repertoire ist durchaus reichhaltig. So erinnere ich mich an die Zeit des Klavierunterrichts, wo mein Lehrer, selber Konzertpianist, bei den unbedingt hörenswerten Interpreten des Klavierwerks von Maurice Ravel ihn, Kun-Woo Paik, nannte. Leider sind die allermeisten Aufnahmen von ihm vergriffen - so auch seine damals auf LP veröffentlichte Gesamteinspielung des Ravel-Klavierwerks:
Im Jahr 2000 schloss Kun-Woo Paik einen Exklusivvertrag mit dem Label DECCA, wo er u.a. sämtliche Klaviersonaten von Beethoven aufnahmen, was ihm aber offensichtlich bei uns nicht zu mehr Bekanntheit verholfen hat. So war ich überrascht, als ich bei Youtube auf seine späten Aufnahmen beim "Gelbetikett" Deutsche Grammophon stieß - darunter Schumann und die Aufnahme sämtlicher Nocturnes von Chopin.
Die Aufnahmen haben mich gleich begeistert. Kun-Woo Paik zeigt sich hier als feinsinniger und tiefsinniger Klavierpoet, der über die wahrlich seltene musikalische Weisheit verfügt, das Klangrelieff von Chopins Präziosen bis in den letzten Winkel auszuleuchten und den feinsten Stimmungsnuancen nachzuhorchen. Hoch poetisch gespielt auch die Goyescas von Enrique Granados - eingefangen in Bild und Ton an einem wahrlich zauberhaften Ort:
Nur schade - offenbar hat die DGG diese Aufnahmen nicht als CD veröffentlicht. Warum wohl? Aus vertragsrechlichen Gründen vielleicht wegen seines Exklusivvertrages bei DECCA? Darüber kann man aber nur spekulieren. Tiefschürfend auch sein Schumann:
Wie einst Svjatoslav Richter bevorzugt er es wohl, nach Noten zu spielen.
Ein solches auf jede Effekthascherei und Oberflächenbrillanz verzichtendes, hochpoetisches, ungemein kultiviertes und musikalisch tiefgründiges Klavierspiel hat es wahrlich verdient, mehr als bisher geschehen beachtet zu werden, gerade auch bei uns im Westen.