Beiträge von Dr. Holger Kaletha

    Was ist das den für ein Mix aus Südwind-Institut und Kirchenkreisverlautbarung?

    Ich nenne nur mal ein Stichwort: die kritischen Bayer-Aktionäre, die schon seit langem die Diskrepanz zwischen Versprechungen des Vorstandes und dem, was tatsächlich passiert, bemängeln. Und: Kirchenkreise machen die Informationen nicht, sie werten nur vorhandene Quellen aus, so dass sie öffentliche Aufmerksamkeit erlangen. :hello:



    Bei einer Übernahme durch Warner stellt sich doch hauptsächlich die Frage: wie geht Warner mit diesem Erbe um? Bleiben die Sachen verfügbar, werden Backlists veröffentlicht.

    Pragmatisch gesehen braucht man doch kein solches Paket zu kaufen, wenn man es nicht verwertet. Und mit Wiederveröffentlichungen lässt sich derzeit sehr gutes Geld verdienen - auf den Zug ist auch Warner aufgesprungen.




    Ich verkneife mir mal die Bemerkung mit Lesen können und Vorteil und so....

    Demnach müßte der Gini-Koeffizient in allen Ländern bis heute gleichmäßig gefallen sein. Die Realität sieht jedoch in vielen Ländern ganz anders aus - das Umgekehrte ist der Fall, z.B. in vielen osteuropäischen Staaten und in China. Solche pauschalen, schönfärberischen Behauptungen sind einfach nicht besonders seriös.


    Schöne Grüße
    Holger

    kann es sein, daß Du den Unterschied zwischen "operativ" und "strategisch" noch nicht so ganz verinnerlicht hast?


    Hast Du überhaupt den Film gesehen?? Ja? Nein ??

    Lieber M-Müller,


    welchen Fim meinst Du?


    Zwischen EMI und Warner gab es ja einen Machtkampf, was die Übernahme angeht, so ähnlich wie zwischen Porsche und VW. Zunächst wollte EMI Warner schlucken, und dann ist es umgekehrt passiert. Wenn man es nur ökonomisch-rechtlich betrachtet, könnte VW heute die Porsches als VW verkaufen wie Warner das jetzt mit EMI macht. Bezeichnend kommt im Falle der Autos niemand auf die verrückte Idee, so etwas zu tun. Das täte nämlich weder VW noch Porsche gut, sondern wäre für beide ruinös. Da geht es um Unvereinbares wie "Volks"-Wagen und Luxus-Sportwagen, für die der Name jeweils steht. Und dieses spezielle (sehr erfolgreiche) Markenimage ist für die Käufer und das Kaufinteresse entscheidend. (Es gab ja mal sogar einen VW-Porsche - aber es ist bei diesem einen Modell geblieben.) Irgendwie hat die Musikindustrie das nicht so richtig begriffen. Die Marke wird im Grunde völlig beliebig durch diese Praktiken. Wenn eine junge Chinesin wie Yuja Wang sagt: Ihr Jugendtraum war immer, einmal Exklusivkünstler der Deutschen Grammophon zu werden, dann zeigt das die Bedeutung, welche solche Labels weltweit doch haben. Decca z.B. hat nicht zuletzt durch die besondere und besonders gute Aufnahmetechnik eine hohen Grad von Markenidentität. Wenn sie jetzt Philips auch als Decca verkaufen, schaden sie nur sich selbst. Philips hat auch so einen besonderen Klang - waren können sie nicht z.B. beide Logos auf das Cover drucken?


    EMI ist 1931 entstanden durch den Zusammenschluß von UK Columbia und Grammophone Company HMV. Das "p" und das "c" stehen für das Copyright - in den USA gibt es z.B. nur "p" und nicht "c". Wenn das Copyright von 1939 eingetragen ist auf HMV, dann besitzt HMV die Rechte - und weil HMV ein Teil von EMI damals war, gehören die Rechte letztlich EMI. Rechtlich ist es also überhaupt kein Problem, wenn "p" EMI z.B. steht. Die EMI-Rechte hat dann jeweils der, der EMI gekauft hat. EMI ist als Konzern zudem längst zerschlagen - EMI Music Publishing gehört zu Universal und EMI Music zu Warner. Als rechtsfähige Marke gibt es EMI somit überhaupt nicht mehr - es können also auch keine Konflikte entstehen, wie wenn EMi noch existieren würde und nur einen Teil seiner Rechte verkauft hätte. Außerdem sind die Copyright-Rechte für Musik-Produktionen nach 70 Jahren erloschen. Insofern ist es sogar rechtlich unsauber, wenn statt "p" HMV-Italia 1939 nun "p" Warner-Italia 1939 steht. Warner hat die Rechte für sämtliche EMI-Aufnahmen scheinbar gekauft - zu dem Paket gehören aber auch Aufnahmen mit längst abgelaufenen Rechten. Abgelaufene Rechte werden durch Kauf der Rechte des ursprünglichen Rechtsinhabers eben nicht einfach wieder zu Rechten. Warner suggeriert hier also fälschlich, im Besitz von Copyright-Rechten zu sein, die sie schlicht gar nicht mehr besitzen. So etwas ist nicht gerade förderlich für ein gutes Unternehmens-Image - spricht für ein rücksichtsloses In-Besitz-nehmen-wollen. Damit tut sich Warner letztlich keinen Gefallen.


    Ich habe auch etwas gegen pauschale Kapitalismus-Kritik, wundere mich aber gerade in diesem Thread über das große Vertrauen in die Systeme nach dem Motto - wie es faktisch läuft, das wird alles schon seine Richtigkeit haben. Der üble Kapitalismus aus dem 19. Jhd. ist durch die soziale Marktwirtschaft und rechtliche Regelungen ja nun wirklich eingedämmt worden. Durch die Globalisierung wird aber all das in vielen Bereichen unterlaufen - es gibt keine Kontrollmöglichkeiten mehr, nationales Recht wird ausgehebelt usw. Hier ist - teils deftige - Kapitalismus-Kritik sehr wohl angebracht. Auch viele seriöse Unternehmen leiden letztlich unter solchen Erscheinungen. Zudem darf man verlangen, dass z.B. deutsche Unternehmen dieselben rechtlichen Grundsätze und ethischen Prinzipien, zu denen sie sich bei der inländischen Produktion selber verpflichtet haben und sogar offensiv damit werben, auch im Ausland (sprich: Dritte-Welt-Ländern) praktizieren und sich dort nicht wie imperialistische Kapitalisten aus dem 19. Jhd. benehmen, nur weil alles so schön weit weg von uns ist und niemand deshalb so genau hinschaut.


    Schöne Grüße
    Holger

    ich habe über das Sokolov-Konzert ja im entsprechenden Thread berichtet, aber damit du auch mal eine andere Meinung hörst, kannst du das hier nachlesen:


    Lieber Willi,


    besten Dank! :) Ich habe ihn so ja auch im Konzert in Bielefeld so erlebt - ein wirklich unvergeßlicher Abend! Man darf nicht vergessen, dass er 1974, als er die Beethoven-Sonate aufnahm, gerade mal 24 Jahre alt war. Da hört man noch ein bisschen die typischen Eigenarten der russischen Pianistenschule - sehr viel Kraft! Heute spielt er viel differenzierter. Ich konnte es erleben mit D 959 von Schubert und Chopin. :hello:


    Liebe Grüße
    Holger

    Solomon Cutner hat diese Sonate, eine der letzten, die er aufnehmen konnte, als eine der wenigen in Stereo eingespielt. Er nimmt das Tempo deckungsgleich mit Sokolov, der diese Sonate in der vorliegenden Aufnahme 18 Jahre später einspielte. Als Solomon die Aufnahme machte, war Sokolov gerade 6 Jahre alt.


    Lieber Willi,


    Solomon kenne ich leider nicht - aber Sokolov habe ich mir heute angehört (auch mit op. 90). Zum Auftakt hat er wirklich eine wunderbare Inspiration - den aufsteigenden Lauf erst vor dem Sforzato ins Piano zurückzunehmen. Daduch bekommt der Einsatz im Forte dann Ereignischarakter. Ansonsten ist das zwar eindrucksvoll, aber auch sehr russisch-massiv. Insgesamt fehlt mir da doch so etwas wie Anmut, Intimität auch ein bisschen mehr Zartheit für eine frühe Beethoven-Sonate. Zum Kopfsatz von op. 90 paßt dieser Sokolov-Stil finde ich besser. Der wunderbare zweite Satz - den er auch wieder mit sehr viel russischem Expressivo spielt - ist mir dann wieder zu massiv. Von daher würde mich interessieren zu hören, wie er die Sonate heute spielt. Du hast ihn ja erlebt! :) Bei diesen Aufnahmen Ende der 60iger von ihm ist aber auch nicht alles gelungen, muß ich sagen, gerade weil im Moment so ein riesen Hype in Sachen Sokolov gemacht wird. Bei Schubert D 784 findet er nie den richtigen Schubert-Ton (ganz anders als der junge Vladimir Ashkenazy, das ist einfach wunderbar gespielt!), auch Schumanns Carnaval ist nicht gerade gelungen. Überwältigend dagegen die 9.Sonate von Scriabin. So dämonisch-infernalisch spielt das niemand, noch nicht einmal Horowitz. Allein dafür lohnt es sich, die CD zu kaufen!


    Herzlich grüßend
    Holger

    Bei EMI handelt es sich zweifellos um einen zumindest bei Aficionados bekannten und gut eingeführten Namen, Warner hätte ihn vermutlich verwendet, wenn sie denn gedurft hätten.

    Bei einem so übermächtigen Konzern und "Multi" wie Warner ist glaube ich erst einmal die Frage - nicht, was hat er gedurft, sondern: Was hat er gewollt und was nicht? Man kann das Problem nämlich auch ganz woanders sehen. Wenn Warner unbedingt den Label-Namen EMI hätte haben und behalten wollen, hätten sie ihn auch gekauft. Die Finanzkraft dazu haben sie jedenfalls. Wenn das nicht geschehen ist, dann steht eine unternehmenspolitische Entscheidung dahinter. Es ist letztlich ein unternehmenspolitisch entscheidender Unterschied, ob Warner selber als Label am Markt präsent sein will oder nur als Vertrieb für die Labels im Hintergrund fungiert, die dann unter dem Konzerndach vertrieben werden (EMI, Erato usw.). Decca hat auch mal Telefunken gekauft, dann aber ein neues Label Teldec (=Telefunken-Decca) gegründet, das eigenständig neben Decca am Markt präsent war. Man war also daran interessiert, die Marken zu erhalten. Im Falle von Philips dagegen hat man den Markennamen nicht behalten - der Arrau-Beethoven wird nun nicht mehr unter dem Namen Philips, sondern Decca angeboten. Warner (das kann man nachlesen) hat eine sehr expansive Unternehmenspolitik in den vergangenen Jahren betrieben, also versucht, als Konzern eine weltweit marktbeherrschende Stellung zu erlangen. Offenbar gehört zu dieser Strategie, Warner auch als Label zu etablieren, d.h. die alten Labels wie die Makrelen in einem Haifischmagen zu verschlucken. Zu dieser Unternehmensphilosophie passen dann einfach ganz bestimmte manipulative Rücksichtslosigkeiten - sie sind letztlich Ausdruck einer ganz besonderen Unternehmenskultur.



    es geht "den Leuten" auf der Welt nicht immer schlechter, sondern immer besser, und zwar mit gewaltigen Sprüngen, und zwar vor allem seit der Zeit nach dem 2. Weltkrieg:

    ... genau deshalb gibt es zur Zeit so viele Flüchtlinge auf der Welt, die elendig in den Meeren ersaufen, wie sie die Welt bislang noch nie gesehen hat.


    Schöne Grüße
    Holger

    Zitat

    EMI hingegen ist qua Zerschlagung als Rechteinhaber nicht mehr existent - und kann daher auch als Inhaber nicht mehr genannt werden.


    Das verstehe ich gar nicht! EMI ist doch gar kein "Rechtsinhaber" mehr, wenn die Rechte längst verjährt sind. Wenn Naxos ohne rechtliche Konsequenzen HMV als Publikationsquelle von 1942 nennen kann (und das schon 2008), dann erst Recht Warner 2015. All das macht keinen Sinn - es sei denn, es soll partout jeder Hinweis auf EMI getilgt werden. Das will ich genau wissen - und dafür habe ich einen Juristen, den ich fragen werde... :D


    Schöne Grüße
    Holger

    Nachtrag: Die Abspielgeräusche (von einer Matrize oder Schellackplatte) sind bei den HMV-Italia-Aufnahmen auch zu hören - mehr oder weniger je nach Aufnahme. Ich hatte gestern den Marescotti gehört, und da sind sie sehr im Hintergrund. :D


    Dieser (unten abgebildete) ABM-Mitschnitt mit Beethovens 5. Konzert ist Top - eine im Vergleich mit anderen Dokumenten eher entspannte Virtuosität - typisch für seinen Vortragsstil von 1970. Auch die sehr sorgfältige, durchsichtige und unaufdringliche Orchesterbegleitung von Jean Martinon ist vorzüglich wie auch die Aufnahmetechnik. Manchmal klirrt allerdings der Obertonbereich des Steinway-Flügels etwas - das sind wohl Verzerrung in der Aufnahme oder vielleicht entstanden durch die Digitalisierung (ich habe das Download):



    Schöne Grüße
    Holger

    Zitat

    Für mich hingegen schon. Da werden lediglich mit idealerweise geringstmöglichem Aufwand bestehende Archive ausgewertet, um dann diese Boxen zum Budgetpreis an den Käufer zu bringen. Dein hoher und berechtigter editorischer Anspruch in allen Ehren, aber das interessiert bei Warner offensichtlich niemanden. Andererseits sehe ich dahinter aber auch kein bewußt absichtsvolles, irgendwie "strategisches" Handeln.


    Und warum steht dann da im Falle der Teldec-Aufnahmen (p) Teldec Classics - und nicht auch Warner Classics? Das spricht gerade für ein "strategisches" Handeln. Brilliant-Classics z.B. ist ein Billig-Label und da sind die Angaben trotzdem ausführlich und genau. Ein Ernst zu nehmender Kostenfaktor ist das also gerade nicht. Und letztlich: Ich bin der Kunde und Käufer und signalisiere, dass ich diese Praktiken nicht zu akzeptieren bereit bin. Mit voller Absicht. Denn da sollen die Konzerne ein solches negatives Echo ruhig bekommen, dass sie eben beim nächsten Mal darauf aufpassen, es nicht nochmals so zu machen. Diese Sprache verstehen sie nämlich sehr gut. Denn was sie auf gar keinen Fall wollen, ist negative Publicity. So etwas versaut auf Dauer das Geschäft.


    Schöne Grüße
    Holger

    Exklusivrechte verjähren im Verlagswesen. Z.B. hat der Fischer-Verlag die Rechte für Franz Kafka längst nicht mehr - d.h. jeder andere Verlag kann nach dem Verfallsdatum Kafka-Texte herausbringen ohne irgend etwas an Fischer zu zahlen. Genau das ist offensichtlich bei den frühen EMI-Aufnahmen der Fall. Naxos hat die folgende CD bereits 2008 herausgebracht:



    Im Booklet steht:


    Release editor´s note: Although it is konwn that Michelangeli´s war-time recordings for Telefunken and Voice del Padrone Italia (Italian HMV) were made between 1939 and 1945. It is difficult to establish precise recording dates and venues. It is knwon that that the VdP recordings were made in Milan, either in thwe Conservatorio Verdi (the more likely venue) or in a studio especially set up inside La Scala by VdP. Some of Michelangeli´s Telefunken recordings - but which? - were made in the home of private individuals, including the residence of the Counts Bonzi-Lentati in Milan. The four Telefunken recordings included on this disc were made in Januar 1943. Research by courtesy of Angelo Scottini, in collaboration with the Documentazione Arturo Benedetti Michelangeli, Brescia, http://www.centromichelangeli.com

    Das ist also vorbildlich dokumentiert (anhand des ABM-Document-Center in seiner Geburtsstadt Brescia) und für ein Billiglabel wie Naxos um so bemerkenswerter. Konkret steht dann bei Frederico Mompou, Cancion i danza Nr. 1:


    Recorded in Milan, probably beetween December 1941 and February 1942 Mat OBA 4870 Cat HMV DA 5432

    Nun zum Vergleich Warner:



    Das dünne Booklet enthält außer einem schmalen Begleittext in mehrfachen Übersetzungen keinerlei Angaben zu den Aufnahmen. Die stehen jeweils kleingedruckt auf dem Pappcover - als Beispiel wähle ich ebenfalls den Mompou:

    Recorded: 1942 Milan
    Producer: Unknown
    Balance Engeneer: Unknown
    Publisher: Union Musical Ediciones SL (p) 1943 Warner Music Italia Srl. Mono Digital Remastering (p) 1992 Polyphone Records Limited, a Warner Music Group Company


    Was Warner hier macht, finde ich wirklich skandalös. Was Naxos kann, das kann Warner schließlich auch. Dass es dafür irgendwelche juristischen Gründe geben soll, ist also völlig unplausibel. Und es gibt auch so etwas wie ein Verlagsethos, dass nämlich Quellenangaben (und darum handelt es sich hier, und nicht um die Positionierung des Labels auf dem Cover) wie allgemein üblich korrekt sein müssen. Hier wird statt dessen ziemlich perfide - mit pseudokorrekter, ausführlicher Nennung von Daten wie Toningenieur und Produzent - der Eindruck erzeugt, als sei die Warner Group der "Publisher" von 1943. Das ist glatte Datenfälschung und ungefähr so, wie wenn die Tschechen nach der Vertreibung der Sudetendeutschen die deutschen Inschriften an Gebäuden aus dem 17 Jhd. durch tschechische ersetzen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die italienischen Mitarbeiter des ABM-Document-Center darüber entweder sehr verwundert oder aber ziemlich erbost sein werden.


    "Schlampigkeit" ist für dieses Verhalten für mich keine plausible Erklärung - man hätte die vermeintlich problematischen Angaben ja z.B. einfach weglassen können, wie das in der Vergangenheit bei den so vielen von ABM kursierenden Raubkopien reichlich praktiziert wurde. Das Motto der Box "The Complete Warner Recordings..." ist an sich schon befremdlich hochtrabend, wenn es um eine bloße Sammlung von Aufnahmen geht, welche von der EMI, von Telefunken und der RAI gemacht worden. Für mich spricht alles dafür, dass da eine ziemlich plumpe Marketingstrategie am Werk ist, wo sich der Aufkäufer ins gemachte Nest setzt und anhand eines großen Interpreten-Namens eine Labelidentität konstruieren will. Dazu werden dann kurzerhand die Quellen umgefälscht, um den Anspruch "Complete Warner Recordings" einzulösen. Mehr als peinlich!


    Schöne Grüße
    Holger

    Zitat

    Mir ging's um die hier scheinbar in manchen Beiträgen implizit unterstellten Motive.


    Ich tippe bei der nicht befriedigenden Deklaration im Falle ABM eher auf Schlampigkeit, wahrscheinlich nicht zuletzt dem Verkaufspreis der Box(enserie) geschuldet.


    "Schlampigkeit" ist hier für mich keine plausible Erklärung - man hätte die vermeintlich problematischen Angaben ja z.B. einfach weglassen können, wie das in der Vergangenheit bei den so vielen von ABM kursierenden Raubkopien reichlich praktiziert wurde. Das Motto der Box "The Complete Warner Recordings..." ist an sich schon befremdlich hochtrabend, wenn es um eine bloße Sammlung von Aufnahmen geht, welche von der EMI, von Telefunken und der RAI gemacht worden. Für mich spricht alles dafür, dass da eine ziemlich plumpe Marketingstrategie am Werk ist, wo sich der Aufkäufer ins gemachte Nest setzt und anhand eines großen Interpreten-Namens eine Labelidentität konstruieren will. Dazu werden dann kurzerhand die Quellen umgefälscht, um den Anspruch "Complete Warner Recordings" einzulösen. Mehr als peinlich!


    Schöne Grüße
    Holger

    Zitat

    Die Verwendung von martialischen Begrifflichkeiten wie "Auslöschung" etc. ist daher auch verfehlt, vielleicht auch nur ein sprachlicher Mißgriff. Die Vorstellung, da säße nun ein Label-Management, dass sich ins Fäustchen lacht, da nun ENDLICH ein mißliebiger Wettbewerber von der Landkarte getilgt wurde, ist IMHO schon ein bißchen naiv. Entscheidungen dürften da weitaus nüchterner gefällt werden, zumal die handelnden Personen keinerlei direkten Gründerbezug zu den jeweiligen Unternehmen haben dürften. Sämtliche originären Gründerpersonen sowie ihre Erben sind längst aus dem Geschäft - und damit auch ganz überwiegend enge emotionale Bindungen.

    Bleiben wir mal bei den Fakten. Exklusivrechte verjähren im Verlagswesen. Z.B. hat der Fischer-Verlag die Rechte für Franz Kafka längst nicht mehr - d.h. jeder andere Verlag kann Texte herausbringen ohne irgend etwas an Fischer zu zahlen. Genau das ist offensichtlich bei den frühen EMI-Aufnahmen der Fall. Naxos hat die folgende CD bereits 2008 herausgebracht:


    Im Booklet steht:


    Release editor´s note: Although it is konwn that Michelangeli´s war-time recordings for Telefunken and Voice del Padrone Italia (Italian HMV) were made between 1939 and 1945. It is difficult to establish precise recording dates and venues. It is knwon that that the VdP recordings were made in Milan, either in thwe Conservatorio Verdi (the more likely venue) or in a studio especially set up inside La Scala by VdP. Some of Michelangeli´s Telefunken recordings - but which? - were made in the home of private individuals, including the residence of the Counts Bonzi-Lentati in Milan. The four Telefunken recordings included on this disc were made in Januar 1943. Research by courtesy of Angelo Scottini, in collaboration with the Documentazione Arturo Benedetti Michelangeli, Brescia, http://www.centromichelangeli.com


    Das ist also vorbildlich dokumentiert (anhand des ABM-Document-Center in seiner Geburtsstadt Brescia) und für ein Billiglabel wie Naxos um so bemerkenswerter. Konkret steht dann bei Frederico Mompou, Cancion i danza Nr. 1:


    Recorded in Milan, probably beetween December 1941 and February 1942 Mat OBA 4870 Cat HMV DA 5432


    Nun zum Vergleich Warner:



    Das dünne Booklet enthält außer einem schmalen Begleittext in mehrfachen Übersetzungen keinerlei Angaben zu den Aufnahmen. Die stehen jeweils kleingedruckt auf dem Pappcover - als Beispiel wähle ich ebenfalls den Mompou:


    Recorded: 1942 Milan
    Producer: Unknown
    Balance Engeneer: Unknown
    Publisher: Union Musical Ediciones SL (p) 1943 Warner Music Italia Srl. Mono Digital Remastering (p) 1992 Polyphone Records Limited, a Warner Music Group Company

    Was Warner hier macht, finde ich wirklich skandalös. Was Naxos kann, das kann Warner schließlich auch. Dass es dafür irgendwelche juristischen Gründe geben soll, ist also völlig unplausibel. Und es gibt auch so etwas wie ein Verlagsethos, dass nämlich Quellenangaben (und darum handelt es sich hier, und nicht um die Positionierung des Labels auf dem Cover) wie allgemein üblich korrekt sein müssen. Hier wird statt dessen ziemlich perfide - mit pseudokorrekter, ausführlicher Nennung von Daten wie Toningenieur und Produzent - der Eindruck erzeugt, als sei die Warner Group der "Publisher" von 1943. Das ist glatte Datenfälschung und ungefähr so, wie wenn die Tschechen nach der Vertreibung der Sudetendeutschen die deutschen Inschriften an Gebäuden aus dem 17 Jhd. durch tschechische ersetzen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die italienischen Mitarbeiter des ABM-Document-Center darüber entweder sehr verwundert oder aber ziemlich erbost sein werden.


    Schöne Grüße
    Holger


    Zitat von Christian B.

    sind die Aufnahmen denn klanglich verbessert/verändert worden? Sonst lohnt die Anschaffung ja nicht, da alles - soweit ich sehe - bereits auf dem Markt war (bis auf einige Faschingsschwank-Sätze). Gerade die Teldec-Aufnahmen habe ich klanglich sehr bescheiden in Erinnerung.

    Lieber Christian,


    die digitalen Masterings mit neuester Technik sind wirklich hervorragend! Bei den Teldec Aufnahmen (gehört habe ich Grieg "Erotik" und Chopin Berceuse) ist der Klang noch etwas klarer und sauberer als auf der alten Teldec-CD (Digitaltechnik von 1994). Beim Chopin ist der Flügel nicht so wunderbar präsent wie beim Grieg. Die Telefunken-Aufnahmetechnik für diese Zeit ist wirklich ausgezeichnet, weiträumig, klar und sauber, eindeutig besser jedenfalls als bei EMI-Italiana. Allerdings - das wirst Du in Erinnerung behalten haben - sind das wohl (Aufnahmedatum 1942) Matrizen und keine Bandaufnahmen. Deswegen hört man einen sehr hohen Rauschanteil im Hintergrund (Abspielgeräusche) - es hört sich an wie von der Platte abgespielt. Bei Chopin haben sie wahrscheinlich sogar eine Schellackplatte benutzen müssen, weil die Originalmatrize verloren gegangen ist, was den etwas weniger präsenten Klang und den höheren Rauschpegel erklären würde. Das kann man natürlich durch kein noch so gutes Remastering wegbekommen - in dieser Hinsicht sind die EMI-Italiana-Aufnahmen weniger belastet, frei von solchen Nebengeräuschen, weil es offenbar schon Bandaufnahmen sind und es die Originalbänder noch gibt.


    Kaum zu fassen: Meine schlechte Meinung von der Kompetenz bei EMI (jetzt Warner) wird auch hier mal wieder bestätigt. In der EMI Icon-Box sind alle EMI-Aufnahmen drin - nur Marescotti "Fantasque" hatten sie "vergessen". Die ist nun in der Warner-Box enthalten. Das hat mich natürlich gefreut. Dafür gibt es aber einen neuen Fauxpas. Sie haben offenbar die Lizenz von Fonitcetra erworben und die Rundfunkaufnahmen der RAI mit aufgenommen. Aber von wegen "Complete... "! Da ist das 1. Klavierkonzert von Liszt mit Rafael Kubelik dabei - schön, aber den Totentanz (auch mit Kubelik, das ist derselbe von der RAI aufgenommene Konzertabend, ABM hat beides hintereinander gespielt!) haben sie doch glatt wieder "vergessen". Das vermeintlich Komplette ist also wieder mal nicht komplett - zum Ärger des Sammlers. Bei Lipatti hatten sie sich auch so ein Ding geleistet. Nach der EMI-Box kam eine Einzel-CD heraus mit dem Bartok-Konzert Nr. 3 und Liszt Nr. 1. Dann haben sie die Box neu aufgelegt und diese zwischenzeitlich erschienene Einzel-CD vergessen, da mit aufzunehmen. Solcher Murks hat in diesem Laden offenbar "Tradition". ?(


    Schöne Grüße
    Holger

    sind die Aufnahmen denn klanglich verbessert/verändert worden? Sonst lohnt die Anschaffung ja nicht, da alles - soweit ich sehe - bereits auf dem Markt war (bis auf einige Faschingsschwank-Sätze). Gerade die Teldec-Aufnahmen habe ich klanglich sehr bescheiden in Erinnerung.

    Lieber Christian,


    die digitalen Masterungs mit neuester Technik sind wirklich hervorragend! Bei den Teldec Aufnahmen (gehört habe ich Grieg "Erotik" und Chopin Berceuse) ist der Klang noch etwas klarer und sauberer als auf der alten Teldec-CD (Digitaltechnik von 1994). Beim Chopin ist der Flügel nicht so wunderbar präsent wie beim Grieg. Die Telefunken-Aufnahmetechnik für diese Zeit ist wirklich ausgezeichnet, weiträumig, klar und sauber, eindeutig besser jedenfalls als bei EMI-Italiana. Allerdings - das wirst Du in Erinnerung behalten haben - sind das wohl (Aufnahmedatum 1942) Matrizen und keine Bandaufnahmen. Deswegen hört man einen sehr hohen Rauschanteil im Hintergrund (Abspielgeräusche) - es hört sich an wie von der Platte abgespielt. Bei Chopin haben sie wahrscheinlich sogar eine Schellackplatte benutzen müssen, weil die Originalmatrize verloren gegangen ist, was den etwas weniger präsenten Klang und den höheren Rauschpegel erklären würde. Das kann man natürlich durch kein noch so gutes Remastering wegbekommen - in dieser Hinsicht sind die EMI-Italiana-Aufnahmen weniger belastet, frei von solchen Nebengeräuschen, weil es offenbar schon Bandaufnahmen sind und es die Originalbänder noch gibt.


    Kaum zu fassen: Meine schlechte Meinung von der Kompetenz bei EMI (jetzt Warner) wird auch hier mal wieder bestätigt. In der EMI Icon-Box sind alle EMI-Aufnahmen drin - nur Marescotti "Fantasque" hatten sie "vergessen". Die ist nun in der Warner-Box enthalten. Das hat mich natürlich gefreut. Dafür gibt es aber einen neuen Fauxpas. Sie haben offenbar die Lizenz von Fonitcetra erworben und die Rundfunkaufnahmen der RAI mit aufgenommen. Aber von wegen "Complete... "! Da ist das 1. Klavierkonzert von Liszt mit Rafael Kubelik dabei - schön, aber den Totentanz (auch mit Kubelik, das ist derselbe von der RAI aufgenommene Konzertabend, ABM hat beides hintereinander gespielt!) haben sie doch glatt wieder "vergessen". Das vermeintlich Komplette ist also wieder mal nicht komplett - zum Ärger des Sammlers. Bei Lipatti hatten sie sich auch so ein Ding geleistet. Nach der EMI-Box kam eine Einzel-CD heraus mit dem Bartok-Konzert Nr. 3 und Liszt Nr. 1. Dann haben sie die Box neu aufgelegt und diese zwischenzeitlich erschienene Einzel-CD vergessen, da mit aufzunehmen. Solcher Murks hat in diesem Laden offenbar "Tradition". ?(


    Schöne Grüße
    Holger

    Zitat

    das empfinde ich als nicht wenig anmaßend. Du kennst weder mich, meine Person, noch meine Maßstäbe oder kannst mein Konsumverhalten beurteilen. Ich möchte Dich daher bitten, von derart unterstellenden Mutmaßungen künftig bitte abzusehen, denn sie zielen völlig grundlos ad personam.

    Nein, das ist nicht anmaßend, sondern völlig berechtigte moralische Kritik. Die muß der Mensch aushalten können, denn es geht darum, sich um das bessere Leben zu bemühen. Und man kennt alle diese Ausreden schließlich von sich selbst! Wenn ich mich mit einem Veganer unterhalte, wird der mir auch vorhalten, dass Fleischessen unmoralisch ist. Das ist nicht anmaßend, sondern ich bin lediglich gezwungen, eine wirklich gute Antwort zu geben oder dem anderen und mir zuzugeben, dass ich nicht ehrlich bin oder einfach mein Gewissen ausschalte.


    Ich habe mich letztlich gegen folgenden Argumentationsstil gewehrt:


    Das sind die Argumente, die ich immer vorzugsweise von den gut situierten grünen Studienräten in meinem Freundeskreis höre. ;-) Derartige Moral muss man sich leisten können.

    Zitat

    Wer es sich leisten kann, handelt bewußt anders. Das ist aber kein Grund, sich moralisch zu empören und sich über diejenigen zu erheben, die es eben nicht können.

    Da wird behauptet, dass man sich "Moral" im Alltag angeblich nicht leisten kann - das ein Luxus von grünen Spinnern und Reichen ist. Und im letzten Fall wird mir etwas unterstellt, was völlig abwegig ist. Ich habe Jahre in einer kirchlichen Umwelt-Bürgerinitiative mitgearbeitet, wir haben draußen auf dem Marktplatz Stände gemacht, mit den Leuten geredet, eine Bach-Säuberungsaktion mit Eltern und Kindern veranstaltet usw. Wir haben nie gesagt: Du mußt und Du darfst nicht, sondern: Jeder soll sich selber kritisch befragen, ob er von dem, was er freilig und ohne Not tun kann, wirklich genug getan hat. Und da lautet die Antwort, wenn wir nur ehrlich uns selbst gegenüber sind: Wir tun im allgemeinen alle viel zu wenig und haben jede Menge Ausflüchte und Ausreden, um uns vor dieser Verantwortung zu drücken.


    Schöne Grüße
    Holger

    Zitat

    Die Antwort auf diesen Einwand liegt auf der Hand.
    Der in prekären Verhältnissen lebenden Konsument kann das kaum gestalten, muss aber gleichzeitig seinen Lebensunterhalt bestreiten.

    Bezeichnend kommen solche "Einwände" in der Regel nicht von den sozial Schwachen selbst, sondern von denen, die alle reichlich Geld und Einkommen genug haben, sich aber gerne auf die Schwachen berufen, um ihr eigenes Gewissen zu beruhigen, weil sie einfach so wie bisher gedankenlos weiter konsumieren wollen. Die Gesellschaft wird gestaltet von denjenigen, die ein reguläres Einkommen haben und entsprechend Geld ausgeben können - auf sie bezieht sich die Wirtschaft. Diese Zielgruppe ist in der Gesellschaft in der großen Mehrheit. Und sie hat die Möglichkeit, durch ihre Macht (sprich: Kaufkraft und Kaufverhalten), bestimmte Verhältnisse nachhaltig zu verändern. Wenn sie sich träge und verantwortungslos verhält, wird sich allerdings nichts verändern. Es ist in der Vergangenheit schon viel geschehen (dazu kann man unzählige Beispiele nennen) - es könnte aber noch weit mehr geschehen, ohne große Not und Anstrengung. Man muß es nur wollen!


    Günstig einzukaufen gibt es viele Möglichkeiten. Die Stadt Bielefeld z.B. hat eine Kleiderkammer, wo Bedürftige für 2 Euro gebrauchte Hemden usw. in tadelloser Qualität kaufen können. Es gibt Geschäfte, die Konkursware anbieten (Markenartikel!) zum sehr günstigen Preis, in Bielefeld gibt es den Werksverkauf von Seidensticker z.B., der an sich schon günstig ist, dazu noch Ware mit kleinen Fehlern (2. Wahl) zum Schleuderpreis verkauft, es gibt die Schlußverkäufe, wo 50% und mehr Preisnachlaß gewährt werden. Auf den Münsteraner Markt muß man nur kurz vor Schluß sein, dann bekommt man das Kilo Spargel für 3 Euro am Wochenende, weil die Händler die Bestände loswerden wollen. Es ist natürlich ein großes Problem, dass die Verarmung der Gesellschaft eine Spirale in Gang setzt, die mit dem Elend in Dritte-Welt-Länderrn erkauft wird. Das sehe ich auch - und dagegen muß man etwas tun. Aber zu behaupten, dass die Selbstmorde und brennenden Fabriken in Indien "notwendig" wären oder als notwendiges Übel quasi schicksalhaft einfach hinzunehmen wären, damit unsere Hartz-IV-Empfänger leben können, ist nicht nur falsch, sondern auch zynisch und unmoralisch.


    Das alles ist auch eine Generationenfrage. Meine Eltern sind im Krieg groß geworden. Da wurde gehungert - auch in der Nachkreigszeit, wo ein 1000g-Maisbrot für die Woche reichen mußte. Meine Mutter war eine hervorragende Köchin, nicht, weil sie teure Zutaten brauchte, sondern, weil sie (Waisenkind!) durch diese Zeit geprägt aus dem Wenigsten wirklich ein tolles Essen produzieren konnte. Meine Mutter hat sehr, sehr sparsam eingekauft, aber wir haben nie das Gefühl gehabt als Kinder, dass es an irgend etwas mangelt. Diese Fähigkeit ist heute einfach verlorengegangen. Ich habe das durch meine Erziehung verinnerlicht - bin nicht bereit, im Winter 4 Euro für einen Blumenkohl auszugeben oder 3 Euro für eine Salatgurke. Dann kaufe ich eben anderes saisonales Gemüse zu einem angemessenen Preis. Wenn ich dagegen sehe, wie gerade sozial Schwache einkaufen - die Currywurst und die Tiefkühlpizza - dann bekomme ich zuviel. Die brauchen im Grunde alle eine Ernährungsberatung. Und das Anspruchsdenken ist einfach falsch. Es muß nicht jeden Tag ein Schnitzel auf dem Teller liegen. Ich bin zudem Hobbykoch und Feinschmecker. Die Retortenhühnchen aus Massentierhaltung schmecken einfach nur nach Pappe. Auf so ein zweifelhaftes Produkt kann ich sehr gerne verzichten. Lieber für drei solche Papp-Hühnchen ein gutes kaufen, was auch nach Hühnchen schmeckt.


    Schöne Grüße
    Holger

    Das sind die Argumente, die ich immer vorzugsweise von den gut situierten grünen Studienräten in meinem Freundeskreis höre. ;-) Derartige Moral muss man sich leisten können.

    Es isrt ja schön, dass Du keinerlei Gewissensbisse hast, wenn Dein Lieblingskaffee mit Kinderarbeit produziert wurde und an Deinem Billighemd Blut klebt. Moral muß man sich nur leisten wollen.



    Und das kann eben die Masse nicht. Meine Hartz IV Mandanten sind froh, wenn sie für ihre Kinder billige Klamotten beim Discounter oder überhaupt zB genug Fleisch und Gemüse kaufen können. Denen ist es egal, ob das Huhn frei rumläuft oder das Schwein "artgerecht" gehalten wurde.

    Fakt ist, dass die Industrie, welche Billighemden in Massen sehr profitabel produziert, nun mal nicht von Hartz IV-Empfängern lebt. Das ist eine Minderheit und nicht die primäre Zielgruppe. Das 4 Euro Hemd wird heute von gut situierten Teenagern gekauft, die shoppen gehen aus purer Langeweile, bei einer Tour 10 solcher Teile kaufen und sie dann nach zwei Wochen in den Müll schmeißen um sich neue zu kaufen. Das ist schlicht eine perverse Kultur - und die wird aufrecht erhalten von solchen haarsträubenden Zuständen in Fernost. Vor zwanzig Jahren haben die Leute ihre Klamotten Jahre getragen - dann kann man auch mehr bezahlen, wenn man sie nicht gleich übermorgen entsorgt. In unserer Familie wird das immer noch so altmodisch praktiziert und es geht auch. Es gibt längst Initiativen auch von Unternehmerseite. Wenn z.B. ein Hemd nur 20 Cent (!!!) beim Endverbraucher mehr kostet, kann man die Arbeitsbedingungen in China oder Indien bereits erheblich verbessern. Es ist also möglich, mit durchaus realistischem Einsatz deutlich Wirkung erzielen. Insofern sind solche Argumente mit den (angeblich) verwöhnten Studenten nur ein Alibi für Denkfaulheit und Verantwortungslosigkeit.


    Hast Du mal Deine Eltern gefragt, wie es mit Fleischkonsum in früheren Zeiten aussah? Fleisch gab es einmal in der Woche zum Sonntag und das Hähnchen einmal im Jahr zu Weihnachten. Dieser Massen-Fleischkonsum von heute ist Irrsinn in vielerlei Hinsicht - und alles andere als gesund. Die Lösung heißt: einschränken und bessere Qualität kaufen. Ich habe schon seit Jahren den Fleischkonsum erheblich reduziert und fühle mich deutlich besser. Und wenn man etwas Intelligenz investiert, kann man auch günstig hochwertige Produkte kaufen. Meine Metzgerin auf dem Markt sagt stolz: mein Fleisch ist billiger als bei Aldi. Die kommen vom Land, schlachten selbst (beziehen das Fleisch also nicht vom Schlachthof!), fahren zum Schlachten zu den kleinen Betrieben, die noch keine Massentierhaltung betreiben. Das ist zwar kein Biofleisch (das ist mir auch zu teuer), aber eben doch vernünftig produziert. Zudem ist der Fleischer wirklich gut - bekommt regelmäßig Medaillen von der Fleischerinnung. Wenn man sich nur richtig informiert, ein bisschen die Augen aufmacht, kann man sehr wohl verantwortlich leben und einkaufen auch mit begrenztem Budget. In jedem normalen Supermarkt gibt es heute Bio-Produkte, die nicht wesentlich teurer und manchmal sogar billiger sind als konventionelle. Die Behauptung, dass verantwortliches Leben und Einkaufen ein Luxus ist für Reiche, ist also eine faule Ausrede derjenigen, die gedanken- und verantwortungslos konsumieren wollen, was ich von daher nicht akzeptiere.



    Viele kulturelle Einrichtungen wären ohne Sponsoring schon nicht mehr existent.

    Das ist doch gut so. Da wird Geld endlich mal vernünftig und sinnvoll investiert.



    Und die Orchideenfächer die sich (Gott sei Dank) einige Volluniversitäten (noch) leisten (ich denke da gerade an die Diskussion um die Archäologie und Theaterwissenschaft in Leipzig) hängen an dem gleichen Tropf.

    Das ist auch so ein Klischee. Die teuersten Fächer sind die Naturwissenschaften, die brauchen für ihre Apparaturen Millionen (und entsprechend Sponsoren aus der Wirtschaft). Was dagegen die Geisteswissenschaften benötigen mit ihrem bisschen Bibliotheksetat, sind Peanuts. Es ist bekannt, dass viel Geld von Stiftungen (Wirtschaft, EU) schnell locker gemacht wird, wenn nur genügend große Summen verlangt werden. Wenn für irgendwelche empirisch-experimentellen Forschungen eine Millionensumme beantragt wird, wird das Geld sofort bewilligt. Wenn dagegen Geisteswissenschaftler bei der DFG (= Deutsche Forschungsgemeinschaft) lächerliche 2000 oder 4000 Euro als Druckkostenzuschuß für eine Klassikerausgabe beantragen, gibt es erst einmal kein Geld. Das ist grotesk!



    Für einen Ökonomen ist es übrigens im Grundsatz in der Tat egal, ob er Smartphones oder Klassik CDs produziert.

    Hast Du Dich mal mit einem Ökonomen unterrhalten? Das stimmt so nämlich auch nicht! Das ist eine Vergröberung und Vereinfachung. Wer viel Geld investiert, möchte nämlich auch wissen, wofür.


    Schöne Grüße
    Holger

    sind die Aufnahmen denn klanglich verbessert/verändert worden? Sonst lohnt die Anschaffung ja nicht, da alles - soweit ich sehe - bereits auf dem Markt war (bis auf einige Faschingsschwank-Sätze). Gerade die Teldec-Aufnahmen habe ich klanglich sehr bescheiden in Erinnerung.


    Ich habe noch gar nicht reingehört, lieber Christian. Die Daten der Aufnahmen (bis auf die Fälschung der Urheberschaft) sind ausführlich angegeben. So haben sie z.B. bei den beiden Haydn Konzerte einmal die bessere spätere Übertspielung und die deutlich schlechtere ältere einfach aus dem Bestand benutzt (wie schon in der EMI Icon-Box) - also nicht neu remastert (die Daten des Remasterings stehen auch dabei). Die Telefunken-Aufnahmen sind aus den Kriegsjahren (Anfang der 40iger), da ist die Klangqualität natürlich nicht überragend, aber auch nicht wirklich schlecht, finde ich. Bei den RAI-Aufnahmen werde ich ebenfalls vergleichen - ich nehme an, sie sind neu remastert. Mal sehen! ;)


    Herzlich grüßend
    Holger


    »Im feinen taktilen Ausbalancieren der Musik, im Einfangen der allerleisesten Klänge, die den erotischen Hauch körperlichen Begehrens verströmen, im Erschaffen eines betäubenden Zustandes, eines schwerelosen Nirwanas liegen die Qualitäten von Vogts Chopin-Interpretationen.« (Fono-Forum 2015)


    Eigentlich widerstrebt es mir, mich auf Kritiken in Magazinen einzulassen. Hier ist es aber ausnahmsweise angebracht, weil die Kritik hier in fragwürdiger Weise versucht, etwas durch große, schöne Worte mit Bedeutung aufzuladen. Lars Vogts Chopin-Platte passt freilich in den Zeitgeist, eine Tendenz, die ich „neuer Sensualismus“ nennen würde. Dieser zeichnet sich aus durch ein Auskosten des Sinnlichen des Moments – entweder narzistisch-selbstverliebt wie beim Medienstar Lang Lang, oder aber in gewissen Tendenzen zur lyrischen Verweichlichung, zuletzt zu vernehmen bei Anna Gourari, die Prokofieffs Visions fugitives allzu empfindsam moderne, kristalline Klarheit raubt, oder bei Olga Scheps. Bei Lars Vogt kommt ein modisches Element der „Entschleunigung“ hinzu – Musik wird ihres dramatischen Impetus beraubt, Langsamkeit so zum Ausleben von Gefühligkeit, die von wirklicher Erotik allerdings so weit entfernt ist wie das Poesiealbum eines Jungmädchens von der furiosen Leidenschaftlichkeit der Zigeunerin Carmen. Was sich da auslebt, ist nicht großes, erschütterndes Gefühl, sondern eben bloße Empfindlichkeit, Gefühligkeit, welche sich gefällt in ach so delikaten Klangsäuseleien. Zum wirklich Erotischen gehört der Drang, der Durst, die Dämonie unerbittlichen Begehrens: also Bewegung. Der neue Sensualismus jedoch begehrt nicht – er genießt statt dessen, nimmt in heimlicher Ruhe und Stille, behaglich im Lehnstuhl sitzend, das ein oder andere hübsche Zückerchen aus der Keksdose. Sensibel ist das freilich – aber keine Sensibilität eines über den Sinnengeschmack hinausgehenden Geschmacks mit Geist und „Fassung“, die Sinn für die Balance und die klassischen Konturen hat. Für Chopin braucht man Stilempfinden und zugleich ein Sensorium für die innere Dramatik dieser Musik, die freilich von jeglicher Theatralik und wirkungsrhetorischem Bombast freizuhalten ist. Eine Chopin-Ballade wie die so vielgespielte in g-moll ist nun mal so etwas wie ein musikalisches Drama. Und da ist der Abstand von Lars Vogt zu den wirklich ganz Großen erheblich. Michelangelis Hyper-Sensibilität versteht es, in aufs Höchste gesteigerter lyrischer Konzentration das Dramatische um so deutlicher herausbrechen zu lassen, verleiht dabei dem Stück mit italienischem Formsinn nicht nur glasklare Klassizität und stilistische Balance, sondern auch glühende Dämonie. In der Entschleunigung von Lars Vogt dagegen verschwindet jeglicher dramatische Antrieb – und das musikalische Drama vergeht entsprechend im Nirwana von Langatmigkeit und Langeweile. Besonders schlecht bekommt diese Reduktion von Chopins Musik auf ihre sensualistische Reizqualität den Nocturnes. Das grundlegende Missverständnis vieler Interpreten ist hier, die gleichsam verinnerlichte Dramatik, die in Klangereignisse gebannte innere Unruhe und drängende Bewegung zu überhören und Chopins Nocturnes statt dessen zu biedermeierlichen Stimmungsbildern der Beruhigung, zu romantizistisch entspannten, sentimentalen Nachtphantasien zu verklären. Hier kann man wirklich sehr viel von Maurizio Pollinis Einspielung lernen, welcher den Nocturnes ihre pulsierende Bewegung zurückgegeben hat. Lars Vogt dagegen treibt gerade hier die sensualistische Reduktion von Bewegungsdynamik auf die Spitze.


    Keine guten Voraussetzungen sind das also für einen Zugang zur hochdramatischen Sonate op. 35. Lars Vogts Kardinalfehler (Aufnahme CAvi 2013) zeigt sich gleich zu Beginn: Die „Logik“ dieses Sonatensatz-Dramas besteht in der thematischen Kontrastierung und Kontraststeigerung, dem Aufeinanderprallen unversöhnlicher Gegensätze und der dadurch freigesetzten destruktiven Energie. Davon jedoch ist bei Lars Vogt von Anfang bis Ende dieser existentiell so tiefschürfenden Sonate rein gar nichts zu spüren. Das zeigt schon die Grave-Einleitung, die Lars Vogt sensualistisch domestiziert zu einem gemäßigten Mezzoforte: kein dramatischer Kontrast als Auftakt zu einem Drama, sondern statt dessen moderates Mittelmaß: kontrollierte Belanglosigkeit. Das Hauptthema hat zwar rhythmische Struktur, aber keinerlei dramatische Kraft, weder so etwas wie fatalistischen Drang noch klassische Klarheit des Aufbaus und dynamische „Entwicklung“. Die Keilakzente Takt 25 wirken nicht organisch, sondern manieriert. Dem Seitenthema, was bei Vogt durchaus männliche Züge behält, also keineswegs rücksichtslos verzärtelt wird, mangelt es wiederum an organischer, dramatischer Entwicklung. In der Reprise wirkt der „Einfall“, das Sforzato im Bass Takt 5 ultrakurz anzureißen, auch nicht schlüssig. Es fehlt der Exposition überhaupt der Blick für das große Ganze, einen groß angelegten kontinuierlichen Spannungsauf- und abbau. So nimmt sich die – zudem klaviertechnische Schwächen verratende – Schlussgruppe einfach nur schwach aus.


    Vogts Darstellung der Durchführung ist geradezu ein exemplarisches Beispiel für musikalisches Unverständnis, für die Sinnwidrigkeit einer kapitalen Fehlinterpretation. Ins Unendliche zerdehnt wird der dramatische Höhepunkt dieses Satzes zur Ruheinsel, wo sich rein gar nichts mehr fortbewegt. Statt die atomisierten Themenreste in ihrer Kontrastwirkung bis hin zum expressiven Extrem zu schärfen, löst sich das Geschehen auf in isolierte, pseudometaphysische Einzelereignisse von Ton und Stille – zersprengt zwischen gähnender Pausenleere, so dass sich die einzelnen musikalischen Fäden zu einem Band nicht mehr verknüpfen. Die technisch anspruchsvolle Passage Takt 138 wirkt – im langsamen Gang – nicht wirklich souverän bewältigt. Da diese Durchführung keinerlei dynamische Intensität hat, verliert so auch die Reprise ihren Sinn: als Haltepunkt und Ruhepunkt kann sie sich vom vorherigen Geschehen gar nicht absetzen.


    Das Scherzo „Presto, ma non troppo“ wirkt bei Vogt wiederum sensualistisch gemäßigt – klaviertechnisch mit seiner fehlenden Präzision und Schlagkraft ist das eher biederes Mittelmaß. Das Trio-Thema gestaltet sich bei Vogt als harmlose Naivität – ohne jeglichen Schmerz und einer irgendwie morbiden Sinnlichkeit entbehrend, die Zauber und Dämonie entfalten könnte. Hier wäre Sensibilität angebracht mit dem Resultat feiner Differenzierung der Töne und Farben – die merkwürdiger Weise aber ausbleibt. Die kontrapunktische Passage Takt 134 wirkt banal und das Sich-Zurücknehmen am Schluss – mit der ahnungsvollen Vorerinnerung an den Trauermarsch –, wenig eindringlich. Auch bei diesem Satz vermisst man einmal mehr die sinntragenden, dramatisierende Kontraste.


    Beim Trauermarsch lehrt die Aufnahme von Lars Vogt, wie man es auf jeden Fall nicht machen sollte. Chopins Sonate op. 35 gehörte zum Repertoire des Schumann-Wettbewerbs în Düsseldorf von 1994, den Anna Gourari gewann. Als Zuhörer konnte ich dort das „Problem“ der Teilnehmer erleben, dass sie den dynamischen Aufbau – eine organische Steigerung nie nachlassender Spannung zum Forte und Fortissimo-Höhepunkt hin –, nicht zu entwickeln vermochten. Lars Vogt verschleppt wie nicht anders zu erwarten entschleunigend das Tempo (das hört sich fast schon wie eine Parodie vom späten Ivo Pogorelich an, allerdings auch nur das, denn Vogts Vortrag ist im Unterschied zu Pogorelich völlig unexzentrisch), raubt diesem Marsch zudem den ihm tragische Würde verleihenden festen Schritt, so dass das musikalische Geschehen nur immer wieder auf der Stelle tritt. Bei solch sensualistischer Verweichlichung wirken die Forte-Massen schließlich um so klobiger und unschöner. Das lyrische Intermezzo setzt sich durch eine flüssigere Gangart vom Gewicht des Trauermarsches ab, bleibt aber unschuldig harmlos. Dieser Trauermarsch hat weder etwas Aufrüttelndes, noch Beklemmendes, noch irgendwelche Dämonie. Die Reprise des Trauermarsches bekommt zumindest zu Beginn den Anflug des Gespenstigen, der sich aber gleich wieder verliert, weil es Vogt einfach nicht gelingt, aus diesem Beginn eine dramatische Klimax zu entfalten. Im Presto-Finale (1.36 Min.) bemüht sich Vogt, das „sotto voce“ zu realisieren und auch um rhythmische Differenzierung. Gleichwohl vermag das den Hörer in keiner Weise zu erschüttern. „Ich weiß nicht was soll es bedeuten...“ könnte man mit Heinrich Heine über Vogts Interpretation dieses Satzes schreiben. Aus musikalischer Aporetik wird Ratlosigkeit der Interpretation. Die Aufnahme gehört zu den Schlusslichtern des Feldes. Wertung: 1 Stern





    Josef Bulvas Aufnahme der Sonate op. 35 aus Frankfurt a. M. von 1987 ist nicht nur schlecht, sie ist katastrophal schlecht, überschreitet an vielen Stellen die Grenze vom Musikalischen zum Unmusikalischen. Nachdem der Pianist einer Handverletzung wegen zunächst seine Karriere beenden musste, hat er sie nun genesen wieder aufgenommen und diese dramatische Sonate zusammen mit Beethovens „Appassionata“ erneut eingespielt (RCA, Augsburg Jan. und Nov. 2013). Mehr als 25 Jahre später wirkt nun doch vieles gediegener – so spielt er die Grave-Einleitung deutlich disziplinierter, ohne die grotesken Zerdehnungen der alten Aufnahme. Der Grundcharakter einer durchgängigen, eigenwilligen Rhythmisierung ist geblieben, jedoch insgesamt mit weicherem Ton und größerer Homogenität. Gleichwohl fehlt dieser Rhythmik Bulvas der tiefere Sinn – die Bewegung dieses Hauptthemas reduziert sich auf einen rhythmischen Charakter, der aber letztlich ausdrucksleer keinerlei Dramatik entfaltet. Das Seitenthema wirkt ähnlich wie früher unsensibel und holzschnittartig, die Schlussgruppe ist einigermaßen akzeptabel. Bulva spart sich die Expositionswiederholung und begibt sich direkt in das Durchführungsgeschehen. Dort lässt er die Rhythmen zwar kräftig poltern, ohne dass aber eine dynamische und dramatisierende Kontrastschärfung damit verbunden wäre. Die eher langweilig gespielte Passage Takt 138 ff., der Kulminationspunkt der Durchführung, zeigt technische Probleme – was natürlich nach einer solch gravierenden Handverletzung, die sich niemals mehr vollständig auskurieren lässt, auch verständlich (und verzeihlich) ist. Das Scherzo entbehrt wiederum klaviertechnisch der letzten Präzision, bleibt aber stets rhythmisch bewegt, ohne jemals klebrig zu wirken. Beim Trio kann man nur den Kopf schütteln! Unwirsch und unsensibel präsentiert sich hier Chopins Musik wie abgespult von einer Musikmaschine, einer Drehorgel. Der Trauermarsch, mit sattem Ton gespielt, erscheint annehmbar, ist aber auch nicht überragend gespielt. Das lyrische Intermezzo gerät einfach zu vordergründig, nie realisiert Bulva auch nur annähernd ein Pianissimo. Interpretatorisch bleibt das völlig nichtssagend. Das Forte des Trauermarsches wirkt wiederum etwas weich, was wohl auf die Handverletzung zurückzuführen ist. Das Presto-Finale (1.36 Min.) liegt tempomäßig im Mittelfeld. Bulva nimmt es im trockenen sotto voce, wiederum rhythmisch, doch entfaltet diese Rhythmik einfach keine Bewegung, tritt eher auf der Stelle, als zum stürmischen Rauschen und Bewegungsrausch zu werden. Nein – eine neue Dimension erschließt auch diese Aufnahme nicht, wenn auch einige der eklatanten Schwächen der älteren deutlich abgemildert werden. Die Bewertung bleibt so auch die für ein Schlusslicht: 1 Stern.


    Schöne Grüße
    Holger

    Lieber Holger, Im Beitrag 24 hatte ich erwähnt, dass Brilliant als Lizenznehmer handelt. Deshalb wird in diesen Fällen der Eigentümer/Rechteinhaber z.B. Deutsche Grammophon auf der Box angegeben. Hätte Brilliant-Classics die Aufnahmen erworben und wäre damit Eigentümer/Rechteinhaber geworden, würde Brilliant-Classics es genau so machen, wie alle anderen.
    Dasselbe gilt für die Genuin-Box Beitrag 24. Auch Genuin ist in diesem Fall Lizenznehmer und gibt den Eigentümer der Aufnahmen an.
    Wenn in der Cziffra-EMI-Box ist eine Philips-Aufnahme drin ist und Philips als Eigentümer angegeben ist,
    dann handelt es sich ebenfalls um eine Lizenz von Philips an EMI.


    Auf der Box wird auch bei Brilliant die DGG nicht angegeben - lediglich im Booklet, wo es um den Nachweis der Produktionsdaten geht im Kleingedruckten. Soviel ich weiß, laufen Rechte auch nach einer gewissen Zeit ab. Aufnahmen aus den 30iger und 40iger Jahren kursieren so bei verschiedensten Labels. So hat z.B. auch Naxos die EMI-Italiana-Aufnahmen von Michelangeli rausgebracht - also garantiert keinerlei Rechte gekauft. Ich habe gerade mal geschaut: Im Booklet steht "HMV-Italia". "HMV" ist die Abkürzung für "His Masters Voice" - also EMI ist als Produzent genannt. Ich finde also nach wie vor keinen triftigen Grund dafür, weswegen sich Warner anmaßt, als Produzent einer solchen historischen Aufnahme zu bezeichnen. Das "Juristische" scheint mir hier nicht mehr als eine faule Ausrede zu sein.


    Schöne Grüße
    Holger

    Das ist doch nun wirklich völlig ungerecht und lebensfremd. Sollen da Neunzigjährige sitzen, die noch Legge gekannt haben? Gott behüte. Die Vorstellung wäre gruselig. Wir können doch die Musik hören, die wir hören wollen. Egal unter welchem Label. Nur das zählt letztlich für mich. Gib doch den jungen Leuten ihre Chance. Die machen das schon gut. Also Sammler kennst Du Dich doch gut aus, Holger.

    Mir hat mal ein Händler, der seit Jahrzehnten erfolgreich Platten und CDs verkauft und selber die Sachen z.T. aus den USA importiert hat, folgendes erzählt: Im Marketingbereich sitzen Yuppies, nach der neuesten "Mode" in den Wirtschaftswissenschaften ausgebildet, die dann zu ihm kamen und ihm erzählen wollten, wie er erfolgreich Klassik-CDs verkauft. Er mußte ihnen dann mit seiner langen Erfahrung klar machen, dass ihre Vorstellungen mit den wirklichen Bedürfnissen des Klassikkunden so gut wie gar nichts zu tun haben. Und von den großen Labels berichtet er, dass sie viele der Stellen, wo die kompetenten Leute saßen, einfach wegrationalisiert haben. Wenn man dann also z.B. nach Glenn Gould fragt, wissen manche, die das angeht bzw. angehen sollte, schon gar nicht mehr, wer das ist.



    Das ist eine falsche Information zum Produkt und auch eine Manipulation der Historie, wenn auch eine kleine, die vielleicht als belanglos abgetan werden kann. Aber solche "Belanglosigkeiten" führen zu Gewöhnung und in Masse zu einer anderen Geschichte, zu einer anderen Welt a la der schönen neuen von Aldous Huxley.

    Genau das soll nicht passieren - eben ein solcher Gewöhnungseffekt. Verhindern kann das nur der Protest der Kunden.



    Dieses Phänomen hat einer der bedeutendsten deutschen Denker schon vor 167 Jahren beschrieben und legt man diese Beschreibung der eigenen Betrachtung zu Grunde, dann stellt man fest, dass man schon seit mindestens einem Vierteljahrhundert in diesem Dschungel angekommen ist. In einer Zeit, in der der Neoliberalismus Staatsideologie ist und die Gesetze des Marktes den gleichen Stellenwert wie die Naturgesetze oder die 10 Gebote haben, sollte das Verschwinden eines Label-Namens eigentlich niemanden mehr aufregen, höchstens noch verwundern.

    Wenn man so denkt, dann muß man konsequent auch Kinderarbeit in Kaffeeplantagen, die heute üblich ist, das 3 Euro-Hemd bei Kick, was in Indien und China produziert wird, wo sich die Leute in Scharen aus Verzweiflung aus dem Fenster im 5. Stock stürzen, fatalistisch als "Realität" hinnehmen. Da ich nicht zu den Zynikern gehöre, bin ich auch nicht bereit, hier einfach die Dinge laufen zu lassen und als unabänderliches Schicksal zu betrachten, sondern setze durch mein Verhalten als Konsument Zeichen. Der Konsument hat Macht - denn die Konzerne wollen an sein Geld. Wenn der Kunde eben nicht mehr kauft, dann werden die Multis das sehr wohl verstehen. Das Aufbegehren der Konsumenten hat ja nun wirklich schon einiges bewirkt. Unser hiesiger Supermarkt z.B. bietet inzwischen regionale Produkte an mit namentlicher Kennzeichnung des Produzenten inclusive Adresse. Wer nicht aufmuckt, der wird auch nichts verändern.


    Schöne Grüße
    Holger

    Lieber Holger,
    das "p" bedeutet "published" = "veröffentlicht". Es folgt das Jahr der Veröffentlichung.
    Dahinter wird der (jetzige) Rechteinhaber angegeben.

    Schneewittchen :) -
    das ist doch völlig widersinnig! Veröffentlicht hat das nun wirklich nicht der jetzige Rechtsinhaber! Das ist geradezu lächerlich. "Warner Italia 1939" ist Unfug, den jeder halbwegs gebildete Musikliebhaber durchschaut. Und solche Boxen kaufen letztlich nur die Kenner - und ärgern sich. Wozu also dieser Blödsinn? Brilliant-Classics macht es ja auch richtig. Es geht also! Ansonsten müßte man nicht von den Mannesmann-Röhrenwerken, sondern auch im Rückblick von den Vodaphone-Röhrenwerken sprechen. Ich werde mal meinen Freund demnächst fragen, der Klassik-Liebhaber und Jurist ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Nennung der originalen Publikationsquelle im Booklet ein Problem ist. Der Label-Name auf dem Cover ist Werbung - aber doch nicht solche Angaben. Es gibt z.B. Fälle wie Alexis Weissenberg, er hat Chopins Sonate op. 35 im selben Studio in Paris aufgenommen im Abstand von einem Jahr - erst bei RCA und dann bei EMI. Da braucht man als Sammler schon genaue Angaben. In der großen Cziffra-EMI-Box ist eine Philips-Aufnahme drin (die Chopin-Etüden), die ist auch als solche vermerkt. Und Bertarido hat Recht: Warner ist ein kommerzielles Konstrukt und hat einfach nicht den Namen, den EMI hatte. Keinen Musikliebhaber interessiert der Name Warner - das ist keinerlei Kaufanreiz. Ich habe auch Sony als Label nie Ernst genommen - für mich zählen CBS oder RCA. Ich glaube, der Fehler liegt in der Personalpolitik. Da sitzen Jungspunde, die von der Ausbildung her klasissche Musik vermarkten wie im Pop-Bereich oder ob sie Seife verkaufen und welchen der Sinn für solche Traditionen fehlt.


    Schöne Grüße
    Holger

    Kurzer Nachtrag - es ist tatsächlich zweimal der Carnaval enthalten! Bislang gibt es davon nur einen Japan-Mitschnit auf Youtube (mit sehr vielen Fehlern).


    Das ist der eindeutig schlechteste Horowitz-Mitschnitt, den ich kenne, lieber Christian! :D Er spielt das, als hätte er die Noten zuvor im Flugzeug gelernt (Walter Gieseking, so die Legende, sagte man nach, dass er so ganze Kalvierkonzerte in den Kopf bekam und nachher auch ohne Üben spielte!) und wie er mal selbstironisch sagte dann im Konzert geübt! Da sind unglaubliche technische Fehler drin, wo man merkt, wie schwer dieser Schumann ist, dass auch ein Horowitz ohne gründliche Vorbereitung hier einfach versagt. Da hat er sich wohl selber reichlich überschätzt! Ganz schön teuer die Box in der Vorankündigung - 160 Euro! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

    Nehmen wir einmal Brilliant Classics, die ebenfalls bzw. praktisch ausnahmslos (ältere) Aufnahme unter dem eigenen Label herausbringen, die vormals anderswo "beheimatet" waren; z.B. handelt es sich bei folgender Doppel-CD ursprünglich um eine DGG-Produktion


    Ich habe diese (s.u.!) Box - das sind auch DGG-Produktionen, welche die DGG selber nicht veröffentlichen wollte und dankenswerter Weise für den Sammler von Brilliant-Classics herausgebracht wurden:



    Die Angaben zur Aufnahme stehen auf dem Pappcover der jeweiligen CD - und da ist ganz korrekt vermerkt p (= Print) 1960 Deutsche Grammophon Gesellschaft. Genau so soll es auch sein!


    Schöne Grüße
    Holger

    Die von Willi herausgesuchte CD habe ich heute gehört:



    Das ist Klaviermusik des 20. Jhd. allererster Qualität! Wirklich spannend! Zu haben ist diese Doppel-CD bei jpc für 1.99 Euro. Da kann ich nur empfehlen: zugreifen! :)

    Schöne Grüße
    Holger