Übrigens brauche ich gar nicht zwischen U und E auf diese Weise "versöhnt" werden. Die Formulierung "Versöhnung zwischen U und E wäre wohl auch ideal für Fernsehmoderatoren/innen von Sendungen, bei denen ich mich erfahrungsgemäss nach kurzer Zeit beginne aufzuregen, weil da so ein Mensch einen Titel wie "Roll over Beethoven" spielt.
Auch ein geistliches Werk von Bach kann mich gut "unterhalten", ebenso eine Oper wie z.B. "das Rheingold" von Wagner .
Eigentlich ist es doch so, lieber Glockenton, daß der sogenannte "Klassik"-Hörer sehr wohl zwischen verschiedenen Rezeptionshaltungen wechseln kann. Es gibt Bach-Stücke mit durchaus unterhaltendem Charakter - "Air" ist es aber gerade nicht. Natürlich sind die Walzer von Johann Strauß Unterhaltungsmusik (freilich sehr gute!), aber Beethovens Sonate op. 111, ein Brahms Intermezzo oder die B-Dur-Sonate von Schubert wollen und können nicht unterhalten. Bei Chopin z.B. wird eine Mazurka oder ein Walzer seines Unterhaltungscharakters entledigt, zum inneren Monolog einer vereinsamten Seele - wenn man einen tiefsinnigen Interpreten wie Michelangeli hat, der das auch hörbar macht (beim Walzer op. 34 Nr. 2 z.B.), dann erlebt man diese Dimension. Liszt konnte sein Publikum wahrlich unterhalten - aber in seinen späten Jahren wollte er das nicht mehr in einer Art von Selbstkasteiung. Das ist ungemein spröde und abstrakte Musik, völlig antirhetorisch, die vom Interpreten und Hörer einfach eine andere innere Einstellung verlangt. Das Problem beim durchschnittlichen Pop-Hörer ist, daß er Musik eben nur noch als Unterhaltung und Entertainment rezipieren kann, also zu diesen Einstellungswechseln nicht mehr fähig ist. Systemtheoretisch hat die Kluft (die "Differenz") zwischen "U" und "E" die Popkultur hervorgebracht. Komischer Weise wird dann der "Klassik" dies zum Vorwurf gemacht. Der gebildete Klassik-Hörer hat ein durchaus gutes Gespür, wann man eine Musik unterhaltsam oder ernst vortragen sollte. Genau diesen Instinkt hat der Pop-Hörer verloren - da wird dann wahllos alles "aufgepeppt" und das als allseligmachendes Crossover verkauft.
Schöne Grüße
Holger