Hallo zusammen,
Ein Freund von mir interessiert sich für Schönberg, ist bisher aber noch keinem Werk begegnet, das er gemocht hätte. Also hab ich ihm eine eMail geschrieben, in der ich ein bisschen was über Schönberg geschrieben habe und danach festgestellt, dass die vielleicht auch hier für Schönberg-Interessierte (und die es noch werden wollen ;)) vielleicht ganz nützlich wäre (Er ist nebenbei bemerkt Fan großer Orchester, daher die diversen Randbemerkungen.)
Als denn, Copypaste, walte deiner Pflicht! Sich empfehlend, Philipp
http://schoenberg.at/6_archiv/…ks/op/compositions_op.htm
Aaalso.
Schönberg durchlief im Prinzip 3 Phasen: Ganz zu Anfang ( 1898 - 1908 ) war er durch und durch Spätromantiker ganz im Zeichen von Wagner und Strauss (teilweise auch Mahler), wie fast jeder Komponist, der zu der Zeit etwas auf sich hielt. Auf dem Link oben findest du ja alle seine Kompositionen (zumindest die mit Opusnummer, und das sind so gut wie alle), und diese tonale Phase erstreckt sich über die Opusnummern 1 - 10. Opus 10 (sein zweites Streichquartett) ist schon ein Grenzfall - es ist zwar in fis-Moll notiert, ist aber über weite Strecken harmonisch sehr extravagant. Im Übrigen war es dasjenige Stück von ihm, das am allermeisten Kontroverse auslöste - bei der Premiere haben die Zuhörer ab dem zweiten Satz die Spieler ausgelacht. Schönbergs Befürworter haben diese Kritiker dann wiederum ihrerseits niedergemacht, etc.... Das lag nicht unbedingt nur an der aufgelösten Harmonik, sondern vor allem auch daran, dass Schönberg dem Streichquartett unkonventionellerweise eine Sopranistin hinzufügte.
Mit Schönbergs Gesangsstücken kenne ich mich nicht so aus; zumindest in Opus 1 hab ich mal reingehört, fand ihn aber langweilig. Persönlich würde ich für Einsteiger sein erstes Streichquartett opus 7 empfehlen (ein einziger, 40minütiger Satz, auf der Website aber in 4 mundgerechte Stücke portioniert), das eine riesige Fuge darstellt. Streckenweise ist auch das eher langweilig, aber das Thema ist beispielsweise grandios.
Für Fortgeschrittene dann opus 10, besagtes Zweites Streichquartett, vor allem den letzten Satz, der richtig schön sphärisch ist (so hat sich Schönberg das verlassen der Atmosphäre in einem Raumschiff vorgestellt).
Da du ja wohl ein Fan symphonischer Klänge bist, wäre auch noch opus 5 "Pelleas und Melisande", eine Art Instrumentaloper, zu nennen, ist aber auch ziemlich langatmig (wieder ein einziger Satz à 40 Minuten).
Dann noch die ebenfalls opuslosen (http://schoenberg.at/6_archiv/…positions_Gurrelieder.htm) Gurrelieder, von denen wir die Einleitung in dem Harmonieseminar auf der Hochschule gehört haben... ist ein Monumentalwerk für Monumentalorchester, Monumentalchor und Solisten. Die ersten Stücke sind durch und durch impressionistisch, die späteren, soweit ich weiß, zwölftönig. Kannst ja mal reinhören.
Schönbergs zweite Phase (1909 - 1923) war dann ja bekanntermaßen die mit Opus 10 begonnene und in Opus 11 komplett durchgeführte Loslösung von der Tonalität. (Nebenbei - Schönberg hasste den Begriff "Atonalität", er selber sprach von, was ja durchaus auch zutreffender ist, "Atonikalität".) Das sind dann opus 11 bis 23 (opus 13 ausgenommen, einen tonalen Choral).
Empfehlenswert sind, ganz nach Geschmack, verschiedene Werke:
Wenn du auf etwas total Schönes stehst, op. 15 (Gedichtvertonungen) - hör vor allem mal in das erste Stück rein
Außerdem op. 20 (ein Lied, geht nur 4 Minuten)
Etwas total Unheimliches und Schizophrenes, op. 17 (wenn du den hörst, dann unbedingt in Gänze! Geht nur 20 Minuten oder so) - ein Monodram (d. h. eine Oper mit nur einer Rolle)
Das, wovon ich dir schon erzählt hatte: op. 21, der "Pierrot Lunaire", Gedichtvertonungen für Sprechstimme und Kammerensemble (wenn du nicht gleich alle hören willst, das beste (und unheimlichste) ist Nr. 8 ("Nacht" - hat auch den coolsten Text), besonders cool ist auch noch Nr. 1 ("Mondestrunken" - absolut geniales Klavierostinato, aber nicht im Bass, sondern in total hoher Oktavlage)
Um deinen symphonischen Durst zu stillen, opus 22, 4 Orchesterlieder. Der ist besonders interessant: Schönberg hat das Symphonieorchester praktisch umgedreht - anstelle von vieeel Streichern und ein paar Bläser hat er einen monstermäßigen Bläserapparat mit wenig Streichern (meist nur quartettisch oder oktettisch besetzt) kombiniert. Ziemlich interessant!
...Wie ich das vergessen konnte! Die (spartanisch kurzen, daher Hörpflicht :)) sechs Klavierstücke op. 19, über die überhaupt erst auf Schönberg gekommen bin. Das beste ist das sechste (haben wir ja im übrigen auch schonmal im Unterricht angehört, aber Mehrmalshören kann, gerade bei Schönberg, ja nicht schaden).
Uh-oh. Allemann aufgepasst =) Schönbergs dritte Phase (1921 - 1950, also die bei weitem längste), die Dodekaphonie. Nachdem Schönberg die entdeckt (wie er es selber nennt - sie ist ihm zufällig beim Spazierengehen eingefallen, also wäre "erfunden" übertrieben). Von vielen als Klischee für schräge Töne verwendet, von fast allen gehasst, von wenigen geliebt. Schönberg blieb ihr bis zu seinem Tod so gut wie ausnahmslos (doch dazu später) treu.
In den ersten paar Werken experimentiert er noch herum, die meisten finde ich langweilig (darunter auch sein erstes zwölftöniges Werk, die Klaviersuite, die wir in der Schule gehört haben). Interessant wird es so ungefähr ab opus 31, den Variationen für Orchester. Die Reihe ist relativ ohrenfreundlich, gerade die Einleitung zum Beispiel ist fast überhaupt nicht schräg. Das wäre dann sozusagen Zwölftonmusik für Einsteiger.
Wie bereits erwähnt, vieles gefällt mir selber nicht - meine Favoriten sind das Vierte Streichquartett opus 37 (absolut obercool und total unheimlich) und das Präludium opus 44 (wieder mit einer sehr ohrenfreundlichen Reihe).
Für sehr, sehr Fortgeschrittene (Schönberg für absolut Exzentrische) wäre dann das Streichtrio op. 45 zu nennen... da kannst du dich mal in ein paar Jährchen ranwagen =) Nicht böse gemeint
Für dich Symphoniker auch noch interessant - eines seiner besten Zwölftonwerke, die ebenfalls opusnummerlose (http://schoenberg.at/6_archiv/…op/compositions_Moses.htm) Oper "Moses und Aron" für Riesenorchester und mehrere Chöre, das schlicht genial ist und sogar unter strikten Aton(ik)alitätsverweigerern Begeisterte findet, allein aufgrund seiner ungeheuren Ausdruckskraft.
Huch, was den jetzt noch?! Jetzt kommt der Geheimtipp: Schönbergs wenig bekannte, stark ignorierte Zwischenphase - seine spättonale Phase! Ja ja, ein paar mal hat es ihn dann wieder gepackt. Die wenigen Werke aus dieser Phase gehören zu meinen absoluten Lieblingswerken für ihn, die sind schlichtweg genial, er hätte viel mehr davon komponieren sollen. Wirklich ein absoluter Geheimtipp! Wenn schon nicht aton...ikal, dann sollte moderne Musik SO klingen!
Es sind wie gesagt sehr wenige Werke, also liste ich sie schlicht alle auf. Das erste hat keine Opusnummer (daher hier: http://schoenberg.at/6_archiv/…op/compositions_Suite.htm zu finden), seine Suite in G-Dur für Streichorchester (1934). Mit der hab ich mich selber noch nicht so auseinandergesetzt, muss ich unbedingt noch machen =)
Das nächste, das meiner Meinung nach beste Werk Schönbergs, ist opus 38, die zweite Kammersymphonie für kleines Orchester, mit leider leider leider leider nur zwei Sätzen statt der ursprünglich geplanten drei. Der erste ist total traurig und soll tiefe Depression darstellen. Der zweite beginnt total fröhlich, übermütig, schießt aber über das Ziel hinaus und endet schließlich zwangsläufig mit einem Rückgriff auf den ersten.
Dann folgt opus 39, für Rabbi, Orchester und Chor. Dass ich mich mit dem beschäftigt hab ist schon ziemlich lange her - damals kam's mir nicht sehr tonal vor^^ Muss ich auch mal wieder hören.
Dann opus 40, Variationen für eine Orgel, auch ziemlich cool, aber ebenfalls auch nur in Ansätzen tonal =) Trotzdem empfehlenswert.
Dann das letzte, opus 43, Variationen für Blasorchester, auch genial, das zweitbeste spättonale Werk meiner Meinung nach. So soll moderne Musik klingen!
Dann also noch viel Spaß beim Erkunden, wirst ja wohl ne Weile dran zu knabbern haben =)
Es empfiehlt sich
Anders P. Maiberg ("Anders" weil alle 3 neuen Wiener Klassiker auf "A" anfingen und zwei Drittel davon auf "Berg" endeten...)