Der langsame, leise Marsch zu Beginn bleibt vielleicht insgesamt doch als markantester Eindruck haften - es ist, um noch einen anderen Begriff aus Konzertführern oder dem Booklet zu nennen, das Motto dieser Sinfonie. Freilich ist das der Tonfall der "Pomp and Circumstance"-Nummern, aber es fehlt aufgrund des Tempos und der dynamischen Zurückhaltung meines Erachtens die militärische Geste, ohne dass eine Art heller Trauermarsch entsteht - oder genau das? Wie gesagt: Wir sind erst am Eingang!
Der schnelle Abschnitt des Kopfsatzes ist dann dunkler getönt, erfüllt passagenweise von innerer Unruhe oder äußerem Aufbegehren. Hier meine ich - vorsichtig formuliert - so wenig wie am Anfang Brahms zu hören - gewiss ein Wahlverwandter von Hamburger Unterkühlung und einem fahleren Himmel. Eher lässt mich eine gewisse Analogie zu Vaughan Williams aufhorchen. Sicher bin ich mir nicht, ob man das nachvollziehen kann, und Verwechslungsgefahr besteht meines Erachtens sowieso nicht.
Nur angetupft, geheimnisvoll und in dezenter Variierung hört man zwischendurch wieder die langsame Einleitung. Gegen Ende übernimmt sie zunächst wiederholt die pathetische Führungsrolle, doch der Kopfsatz verklingt verhalten.
Der zweite Satz wirkt rau und drängt nach vorne, auch perkussiv unterstützt. Um an Elgars berühmte Märsche zu denken, erscheint mir die Musik nicht abgezirkelt genug - aber für manches Detail mag sich die Assoziation schon einstellen. Markante Parallelen bei anderen Komponisten fallen mir eigentlich auf die Schnelle nicht ein - oder doch wieder der oft spröde mittlere Vaughan Williams? Wiederum ein verhaltener Ausklang, doch viel düsterer.
Und jetzt bin ich ein wenig überrascht - eine Erinnerung hat sich nach vielen Jahren nicht eingestellt. Aber das ist tatsächlich - siehe oben bei den Kollegen! - in nicht geringem Maße der Geist Bruckners - und in harmonischer Hinsicht auch ein wenig Richard Wagners, meine ich, der sich dem Elgar'schen Adagio-Gestus an die Seite stellt. Beides harmoniert auf das Schönste.
Das tastet sich zunächst durch vage Reminiszenzen vorwärts und nimmt dann auf präziserer thematischer Basis rasch Fahrt auf. Doch ich meine, dass die Unruhe des Kopfsatzes wiederum vorherrscht. Brahms-Nähe - siehe oben -? Ja, warum nicht. Dennoch würde ich meinen, dass Brahms meist ruhiger seine Motivik entwickelt. Weiterhin Reminiszenzen, die vor allem das Motto vorsichtig andeuten.
Das Leitthema wird dann beherrschend - eine naheliegende Sicht des Komponisten. Und es mag schon sein, dass er sich auch gegen Ende dieses Thema sowohl englisch wie hamburgisch aussingt, diesmal unaffektiert, also zügig, aber triumphal. Bruckner hätte es anders gelöst - ob überzeugender, wird man nicht pauschal beantworten können.