Beiträge von thdeck

    Ich vermute mal, Du hast in Deinem Leben noch nie eine wissenschaftliche Publikation verfasst. Und der akademische Betrieb ist Dir wahrscheinlich so vertraut wie dem Schuster die Weltraumfahrt. Deine Klischeevorstellungen über Philosophie sind einfach nur erheiternd. 😄

    Ich stelle fest: Du bist nicht mal des Lesens mächtig. Oder du hast eine beeindruckende Fähigkeit, unliebsame Fakten auszublenden.


    Übrigens habe ich mich kurzzeitig gewundert, warum ein Philosoph nicht mit Experten seiner Fachrichtung diskutiert. Da könnte man doch so richtig auf Augenhöhe, und so richtig wissenschaftlich, und so weiter...

    Aber mit richtigen Philosphen auf Augenhöhe zu diskutieren, das stelle ich mir nicht so einfach vor. Mach das lieber nicht.

    Deine "Bekehrungsbemühungen" finde ich ja durchaus rührend (das meine ich jetzt nicht ironisch) ^^ , aber Dir ist offensichtlich nicht klar, dass es z. B. das Universitätsfach "Wissenschaftstheorie" gibt.

    Ich finde deine Bemühungen, deinem Orchideenfach eine gewisse Relevanz zu geben, auch durchaus rührend. Das meine ich jetzt nicht ironisch. ;)


    Und doch hättest du damit mehr Erfolg, wenn du etwas wissenschaftlicher arbeiten würdest.

    Wobei Alfred ja immerhin seine Kriterien nennt. Das ist also durchaus ein wissenschaftlicher Ansatz. Ich lege Kriterien fest (diese sind immer subjektiv), und dann bewerte ich.


    Damit betreibe ich natürlich keine Wissenschaft. Aber das Urteil ist dann "wissenschaftlich überprüfbar".


    Kunst funktioniert allerdings anders. Da legt der Künstler (nicht der Rezipient) die Kriterien fest und handelt dann entsprechend. Man kann dann sein Produkt auf 2 Arten bewerten:

    (1) Hat er sein Ziel erreicht?

    (2) Hat sein Ziel überhaupt eine Relevanz?


    Wobei (2) dann schon wieder subjektiv ist. "Prunk, Glanz und Gloria" kann ja auch ein Ziel sein. Und man kann es mit künstlerischen Mitteln umsetzen. Aber wie relevant ist es eigentlich? Man sollte sich aber auch da erst mal die Umsetzung ansehen...

    Holger, wenn du jemals aus deiner Blase herauskommen würdest, wäre das ein echter Gewinn. Vor allem für dich selbst.


    Ich gehe aber gerne auf deine Philiosophensicht ein.


    Zunächst aber Punkt 1:

    Wir sind hier nicht in deiner Philosophen-Blase. Wir befinden uns im 21. Jahrhundert. Inzwischen hat sich zusätzliches Wissen angesammelt. Daher gilt:

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    Die Wissenschaft ist ein System der Erkenntnisse über die wesentlichen Eigenschaften, kausalen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur, Technik, Gesellschaft und des Denkens, das in Form von Begriffen, Kategorien, Maßbestimmungen, Gesetzen, Theorien und Hypothesen fixiert wird.

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    Genau das macht der Schuster, wenn er sich in Bereiche vorwagt, die er noch nicht kennt. Das gilt also nicht für jeden Schuster. Es gilt nur für die Schuster, die verstehen wollen, wie alles zusammenhängt.


    Und so kommen wir zu Punkt 2, der Sache mit techne vs. episteme:

    Diese Differenzierung mag unter manchen Gesichtspunkten hilfreich sein, hier ist sie es nicht. Der Schuster in meinem Beispiel würde nämlich auch dann genau dieselben Überlegungen anstellen, wenn er gar keinen neuen Schuh entwickeln wollte. Er will einfach verstehen, wie alles zusammenhängt.

    Oder nimm jemanden, der von der Tarte Tatin fasziniert ist. Das kann ein Konditor sein, der sie perfektionieren will. Oder ein Gourmet, der einfach wissen will, wie man Apfel, Butter und Zucker so genial kombinieren kann. Aber die Umsetzung gern dem Konditor überlässt.


    Oder nehmen wir deinen Fall: Ja, deine Bestrebungen haben keinen materiellen Hintergrund. Und doch verfolgst du einen nicht-philosophischen Zweck: Du arbeitest an deiner Reputation. Mit welchem Erfolg, sei dahingestellt. Aber du bist näher an der "techne", als du wahrhaben willst.


    Unabhängig von den beiden Punkten gilt, ich wiederhole mich:

    Um zu validen Erkenntnissen zu kommen (egal ob episteme oder techne), musst du wissenschaftlich arbeiten. Also nicht eine spezielle Sichtweise voraussetzen und nur noch die Daten sammeln, die zu dieser Sichtweise passen. Ansonsten taugt weder dein Schuh noch deine "Erkenntnis" zu irgendwas.

    Weil die Ergebnisse nur sehr selten falsifiziert werden können, das ist meines Erachtens ein Unterscheidungskriterium.

    Du bist vermutlich Geisteswissenschaftler. Ich kann dir jedenfalls versichern, dass in den Naturwissenschaften die Ergebnisse auch nur selten falisifiziert werden können. Theoretisch ja. Aber in der Praxis ist das ein Riesenaufwand. Und selbst dann bist du auf die Kooperation dessen angewiesen, der die ursprüngliche Arbeit angefertigt hat. Klar, wenn man lange genug bohrt, und der andere mauert, weiß man auch so schon, wie der Hase läuft.


    Aber ich behaupte mal, in 90% aller Fälle werden in den Naturwissenschaften die Ergebnisse nur auf Plausibilität geprüft. Alles andere wäre viel zu aufwändig. Und selbst damit kommt man vielen auf die Schliche.


    Im übrigen gehe ich davon aus, dass es in beiden Sparten nur wenige echte Fälscher gibt. Die meisten blasen ihre Ergebnisse einfach etwas auf. Und wenn sie dabei nicht allzu dreist vorgehen, wird das toleriert.

    Meines Erachten kann man die Methoden der Naturwissenschaften nur bedingt mit denen der Geisteswissenschaften vergleichen. Bspw. hat Michael Maar vor Jahren eine Studie vorgelegt über den Einfluss der Märchen Hans Christian Andersons auf das Werk von Thomas Mann. Oder Rolf Christian Zimmermann über den Einfluss der Neuplatoniker und Gnostiker auf das Weltbild des jungen Goethe, als dieser schwer erkrankt aus Leipzig nach Frankfurt zurückkehrte.

    Warum kann man das mit den Naturwissenschaften nicht vergleichen???

    Es handelt sich um neue Erkenntnisse. Wichtig ist, dass sie mit wissenschaftlichen Methoden gewonnen wurden. Die Vorgaben dürfen durchaus "einseitig" sein. Die Vorgaben einer Diplomarbeit sind auch einseitig. Oder die Vorgabe an den Schuster, einen bestimmten "neuen" Schuh zu entwickeln.


    Mir geht es um die wissenschaftliche Herangehensweise. Dass man insbesondere das Ergebnis nicht vorher schon festlegt. Oder dass man das Ergebnis anschließend noch gewichtet im Vergleich zu älteren Untersuchungen. So nach dem Motto "ab jetzt muss die Geschichte umgeschrieben werden."


    So argumentieren nur Wichtigtuer. Die gibt es in den Naturwissenschaften übrigens genauso. Auch unter den Schustern.

    Ich verstehe dein Unbehagen mit der Schusterei. Aber dann müsstest du einen gewissen Grad an Komplexität der Problemstellung festlegen, und das wird nicht funktionieren. Wir reden natürlich von der Aufgabe, einen neuen Schuh mit neuen Anforderungen herzustellen. Z.B. einen existierenden Schuh, der erwartungsgemäß 20 Jahre hält, so zu modifizieren, dass er auch 20 Jahre lang wasserdicht ist. Dazu muss man sich mit unterschiedlichen Materialien beschäftigen - theoretisch und/oder experimentell - und abschätzen können, wie man diese einsetzt. Auf keinen Fall sollte man denken, das gehe nur mit Werkstoff X, alles andere sei Quatsch.


    Wikipedia sagt übrigens:

    Die Wissenschaft ist ein System der Erkenntnisse über die wesentlichen Eigenschaften, kausalen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur, Technik, Gesellschaft und des Denkens, das in Form von Begriffen, Kategorien, Maßbestimmungen, Gesetzen, Theorien und Hypothesen fixiert wird.


    Bei "wissenschaftlichem Arbeiten" würde ich zusätzlich noch den Begriff "Wissensvermehrung" anführen, dass man also etwas Neues entwickelt (neue Erkenntnis, neues Produkt) etc.

    Bei einer Diplomarbeit bekommt man eine Aufgabe zugewiesen, die mit Hilfe zuvor erlernter Methoden zu lösen ist. Das Ergebnis sollte dann irgendwie neu sein. Wobei die Schöpfungshöhe meist nicht besonders hoch ist. Aber es ist nicht vorgesehen, dass man nur etwas bereits Existierendes nachbaut. Oder dass man 10 Bücher liest und dann zusammenfasst, was drin steht.


    Wenn wir schon dabei sind:

    Auch Kunst muss "neu" sein. Aber auch kreativ. Also nicht ausschließlich das Ergebnis von Kausalität befolgen von Gesetzmäßigkeiten. Daher kann eine KI niemals Kunst schaffen.

    Nochmal zur "Wissenschaftlichkeit".

    Dazu muss man nicht studiert haben. Auch ein Schuster kann wissenschaftlich arbeiten. Er legt sein Ziel fest und informiert sich über den Stand des Wissens. Auf dieser Basis fängt er zu arbeiten. Sich dabei immer wieder fragend, ob sein Ziel sinnvoll formuliert ist, und ob der gewählte Weg der richtige ist. Er bekommt ja laufend neues Feedback (Kunden, Lieferanten, Konkurrenz), das er in seine Überlegungen einfließen lässt. Unwissenschaftlich wäre, sich vorab auf eine bestimmte Lösung festzulegen und dann nur noch Informationen an sich heranzulassen, die nicht im Widerspruch dazu stehen. Und Kritik daran abzubügeln mit der Aussage, er sei ja Meister, und es wisse eh keiner besser als er, wie man Schuhe macht.


    Hier noch ein Beispiel, welches näher an unserem Fall ist: Angelologie

    https://de.wikipedia.org/wiki/Angelologie

    Das ist die Lehre von den Engeln. Eine Wissenschaft, mit der sich große Denker wissenschaftlich(!) befasst haben.


    Nun gibt es den Maler Giotto di Bondone, einer der bedeutendsten des Mittelalters. Er malte auch viele Engel. Einem Kunsthistoriker dürfte es sehr leicht fallen, einen Einfluss der Angelologie auf Giottos Werke nachzuweisen. Wenn sich besagter Kunsthistoriker aber zu Aussage hinreißen ließe, Giottos Werke sind ohne vertiefte Kenntnisse in Angelologie nicht zu verstehen, wäre das grob unwissenschaftlich. Und geradezu grotesk wäre die (natürlich frei erfundene) Behauptung, fast alle Kunstkenner des Mittelalters hätten die Hauptwerke der Angelologie in ihrem Bücherschrank stehen gehabt. Dafür würde ihm seine Uni den Dr-.Titel entziehen.

    Die Beiträge sind einfach nur peinlich und zeigen, dass hier ein empirisch-naturwissenschaftlicher Standpunkt blind verabsolutiert wird aus der völligen Unkenntnis von Erkenntnistheorie und ihrer geläufigen Unterscheidung von Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften bzw. Kulturwissenschaften heraus. Die Geisteswissenschaft ist keine Naturwissenschaft und ihre wissenschaftliche Arbeitsweise eine völlig andere.


    Ich empfehle als Lektüre Hans-Georg Gadamer "Wahrheit und Methode". Da ist - im Anschluss an Martin Heidegger - vom "hermeneutischen Zirkel" die Rede, den man nicht vermeiden kann, so dass es methodisch nur darum gehen kann, nicht etwa aus ihm herauszukommen, sondern in rechter Weise in ihn hineinzukommen. In der Hermeneutik, sagt Gadamer, sind Vorurteile unvermeidlich, man muss sich ihrer nur bewusst werden. Die Hermeneutik arbeitet mit Vorgriffen, weil sie eine Sinn erschließende Funktion haben. Wie tragfähig diese sind, entscheidet sich im Prozess der Sinnaneignung.


    Die Naturwissenschaft und ihre Methode ist schlicht ungeeignet für die Arbeit des Geusteswissenschaftlers. Wer das nicht begriffen hat, muss sich erst einmal mit seiner Bildungslücke in dieser Hinsicht beschäftigen.

    Nur zur Info: Ich bin Wissenschaftler und du nicht. Dein Text ist für einen Wissenschaftler wie mich komplett irrelevant. Das ist wie wenn ein Metzger einem Schuster erklären will, wie man Schuhe macht. Oder wie wenn ich dir erklären würde, wie Philosophie geht. Das würdest du zurecht ignorieren.


    Aber mal kurz zur "Erkenntnis".


    Ein Fan von Schalke 04 hat die Erkenntnis, dass sein Verein besser ist als Borussia Dortmund. Das kannst du wissenschaftlich nicht widerlegen.

    In Nepal traf ich einen Deutschen, der mir von seiner Erkenntnis berichtete, dass das Christentum einfach tiefgründiger sei als der Hinduismus. Ich habe auf eine Diskussion verzichtet, obwohl mir das Christentum natürlich näher steht als der Hinduismus.

    Neulich in Istanbul las ich eine Broschüre, in welcher fachkundig die Erkenntnis beschrieben wurde, nachdem der Islam dem Christentum überlegen ist. Und das Judentum das Ergebnis von "Fälschungen" sei.


    Wissenschaftlich kommst du gegen solche "Erkenntnisse" nicht an. Sie sind nämlich in sich stimmig. Aber halt nur, wenn man als Basis seinen eigenem Horizont nimmt und ausblendet, dass dieser beschränkt ist.


    Ein Forum wie dieses hat natürlich genau den Zweck, von seinen "Erkenntnissen" zu berichten. Hier geht es nicht um Wissenschaft. Störend ist allerdings, wenn einzelne Personen ihren "Erkenntnissen" einen wissenschaftlichen Anstrich geben wollen.


    Übrigens gibt es hier durchaus Leute, die zu wissenschaftlichem Denken in der Lage sind. Die erkennt man aber nicht an ihren Titeln, sonderen daran, wie sie argumentieren.

    Zu der Behauptung von thdeck " du machst hier den üblichen Fehler von Leuten, die es nicht gewohnt sind, wissenschaftlich zu arbeiten" sei gesagt:

    Wir sind hier nicht in einem universitären Seminar. Ich könne meine zentralen Thesen selbstverständlich mit Verweisen auf die entsprechenden Quellen und Zitaten aus der musikwissenschaftlichen Literatur belegen, wie ich das im Studium gelernt habe.

    Das war meinerseits etwas hart ausgedrückt.

    Du wolltest ja nur einen bestimmten Aspekt näher beleuchten, und das ist wissenschaftlich natürlich zulässig. Im übrigen habe ich nicht deine fehlenden Quellenangaben kritisiert, zumal man aus dem Kontext entnehmen konnte, dass du seriös arbeitest, also nicht irgendwelche Dinge erfindest, wie Kollege K., der kackfrech behauptet, fast jeder Wagner-Opern-Besucher hätte damals Schopenhauer im Wohnzimmerregal stehen gehabt. Das hat er nämlich einfach so erfunden.


    Mein Punkt ist, dass man in der Wissenschaft ergebnisoffen an ein Thema herangeht. Das setzt allerdings voraus, dass man z.B. untersuchen will, welche Weltanschauungen Wagner beeinflussten. Du hast dich aber von vornherein auf einen Aspekt beschränkt und das auch so kommuniziert.


    Ich könnte z.B. untersuchen, welche Gedanken der Aufklärung in Haydns Opernschaffen einflossen. Da könnte ich alle anderen Aspekte weglassen, und es wäre immer noch wissenschaftlich. Erst wenn ich behaupten würde, Haydn hätte vor allem deswegen Opern geschrieben, weil er die Gedanken der Aufklärung verbreiten wollte, dann wäre es unwissenschaftlich.

    Und was ist da jetzt an Deiner „mathematischen“ Theorie ergebnisoffen?

    Ich habe keine "mathematische Theorie", was fantasierst du dir da zusammen???


    Den Punkt "ergebnisoffen" habe ich hinreichend erklärt.


    Du beobachtest ein Phänomen und sammelst dann alle Infos, die das Phänomen erklären können. Erst wenn du alle(!) Infos hast, fängst du an, zu gewichten.


    Im konkreten Fall wirst du feststellen, dass wenn Wagner z.B. 41 Jahre alt war, als er auf Schopenhauer stieß, bereits 41*365=14695 Tage (jaja, ein paar mehr wg. Schaltjahren) Zeit hatte, von allen möglichen Erfahrungen beeinflusst zu werden.


    Evtl. weißt du auch, dass Wagner eine recht meinungsstarke Person war. D.h. mit 41 Jahren war sein Weltbild schon ziemlich gefestigt. Natürlich noch nicht abgeschlossen, dazu war er viel zu intelligent. Aber ein Wagner mit 41 wechselt nicht mal eben seine Weltanschauung, nur weil er mit einem Philosophen in Berührung kommt.

    dass er für seine Opernmusik Inspiration aus philosophischem Schrifttum bezog. Zum Beispiel aus der Philosophie Arthur Schopenhauers. Darauf soll hier eingegangen werden.

    Und doch machst du hier den üblichen Fehler von Leuten, die es nicht gewohnt sind, wissenschaftlich zu arbeiten. Du machst eine Untersuchung, bei der das Ergebnis vorher schon feststeht: Schopenhauers Einfluss auf Wagner.


    So geht aber Wissenschaft nicht. Wissenschaft ist ergebnisoffen. Im aktuellen Fall müsstest du dich fragen: Wie wurde Wagners "Tristan" zu dem, was er ist? Was hat Wagner beeinflusst?


    Und ich kann dir jetzt schon sagen: Die Oper wäre ohne Schopenhauer kaum anders geworden. Schopenhauer hat nur Dinge konkretisiert, die bei Wagner ohnehin schon vorhanden waren.


    Woher ich das weiß? Mathematisch-analytisches Denken seit ca. 50 Jahren, inkl. Studium (Mathematik) und Promotion (Ingenieurwissenschaften). Samt Anwendung in hunderten von Beispielen.


    Konkret:

    Gib mal 1000 intellektuell dazu fähigen Leuten die Aufgabe, sich mit dem Philospohen X auseinanderzusetzen. Befrage sie 10 Tage später zu ihren Eindrücken. Sie werden sich in 100% der Fälle positiv äußern. Egal ob Schopenhauer, Nietzsche oder Sartre.

    Dann warte 10 Jahre und stelle dieselbe Frage. 99,9% der Leute werden sich kaum noch an die damalige Episode erinnern. Einfluss auf ihre Denkweise: So gut wie null. Nur die wenigen, die ohnehin schon der betreffenden Philospohie nahe standen, werden sich nach 10 Jahren noch begeistert äußern.


    Es ist nämlich leider(!) so, dass der Mensch nicht in der Lage ist, seine Lebens- und Denkgewohnheiten, die er sich im Lauf von Jahrzehnten angeeignet hat, in kurzer Zeit zu ändern. Daher funktionieren auch die ganzen Diäten und sonstigen "Lebenshilfen" nicht. Was du bist und denkst, hat sich über lange Zeit entwickelt. Dieses zu ändern, benötigt wiederum eine entsprechend lange Zeit. Falls du sofort von einer "neuen" Idee begeistert bist, hast du diese die ganze Zeit schon in dir getragen.


    Schopenhauer hat also bei Wagner einfach offene Türen eingerannt. Bei mir wäre Schopenhauer auf Granit gestoßen. Bei mir war es Sartre, der auf fruchtbaren Boden fiel. Sartre wiederum wäre vermutlich bei Wagner auf Granit gestoßen.


    Es bleibt daher dabei:

    Um Wagner zu verstehen, sollte am besten bei Wagner direkt forschen.

    Um seinen "Tristan" zu verstehen, sollte man... (wie der Satz weitergeht, dürfte jetzt klar sein)

    thdeck Kunst ist jedenfalls nicht Naturwissenschaft, darauf können wir uns einigen, sonst finde ich das etwas zu primitiv gedacht.

    Es geht um logisch-analytisches Denken. Genau das kann Naturwissenschaft. Geisteswissenschaft offensichtlich weniger.


    Und natürlich hat Kunst weder mit Naturwissenschaft noch mit Geisteswissenschaft etwas zu tun. Kunst ist etwas ganz anderes. Frag astewes, der kann es gut erklären.


    Wissenschaften sind keine Kunst. Aber sie erklären bzw. analysieren Kunst. Und sie sind ergebnisoffen. Zumindest die Naturwissenschaften. Sie betrachten die Sache unter verschiedenen Blickwinkeln. Im Gegensatz zu der Groteske, die Kollege K. hier abliefert. Er kennt nämlich nur einen Blickwinkel. Und das ist erstens wissenschaftsfeindlich und zweitens antiintellektuell.

    Kunst ist im wesentlichen ein Prozess kreativer Kräfte und nicht das Resultat philosophischer Überlegungen.

    Genau so ist es.


    Und ich finde es erschreckend, wie man in den Geisteswissenschaften einen Dr.-Titel bekommen kann und nicht mal in der Lage ist, solche grundlegenden Dinge zu verstehen.


    Ich bin übrigens selber "Dr.". In Ingenieuwissenschaften, mit Mathematik-Diplom. Die wissenschaftsfeindliche Haltung, die der Kollege K. hier an den Tag legt, wäre in meinem Bereich wirklich undenkbar.


    Das heißt übrigens nicht, dass man in der Philospohie nicht zu wertvollen Erkenntnissen kommen kann. Aber Philospohie ist Philospohie, und Kunst ist Kunst.

    Sicher nicht.

    ^^

    Künstler verwendeten oft Anspielungen, die der heutige Betrachter in der Regel nicht versteht. Bspw. in einer Passion um 1520 eine Biene, die einen Hund nervt - spielt auf 2 Orden an, die einander damals nicht so mochten. Der Hund ist eine Verballhornung der "Domini-Canes". Die Biene steht, glaube ich, für die Benediktiner?

    Genau das habe ich ausführlich erklärt.

    Und es sind auch keine "Anspielungen", das ist schlichtweg die Bildersprache zur Zeit der Entstehung des Werks. Dessen Kenntnis setzt der Künstler natürlich voraus, genauso wie Wagner die Kenntnis der deutschen Sprache voraussetzt.


    Es bleibt dabei: Der Künstler macht eine Aussage, und er hat dringendes Interesse daran, dass die Aussage verstanden wird. Sonst könnte er sich nämlich die Mühe sparen.


    Ja, die Aussage muss nicht von "allen" verstanden werden. Aber doch zumindest von denen, die dem Künstler wichtig sind. Und das sind bei Wagner ganz sicher nicht die Schopenhauer-Experten. Ganz sicher nicht.

    Um es mal pointiert zu sagen: Ich muss den "Tristan" überhaupt nicht verstehen, wenn ich es nicht drauf anlege.

    Richtig. Umgekehrt kannst du auch einen Riesenaufwand betreiben, alle möglichen Hintergrundinfos einholen, etc.


    Ich sage nur, was der Künstler voraussetzt:

    - Grundsätzliche Vertrautheit mit der "Sprache" (also Musik und Text)

    - Passender kultureller Hintergrund


    Beispiel aus der Malerei:

    Bei einer Kreuzigungsszene geht der Maler davon aus, dass verstanden wird, was dargestellt ist. Also keine antike Hinrichtung, sondern der christliche Hintergrund. Auch die beteiligten Personen (Maria, Johannes, etc.) werden als bekannt vorausgesetzt, samt deren theologischer Bedeutung.

    Der Maler setzt aber ganz sicher nicht voraus, dass man seine eigenen familiären Verhältnisse kennt, oder dass man weiß, mit welchen Philosophen er sich beschäftigt hat.

    Ja, der Maler lässt möglicherweise ganz viel Wissen, das er sich im Laufe der Jahrzehnte erworden hat, in das Werk einfließen. Aber was davon beim Rezipienten ankommen soll, legt er unabhängig davon fest. Was beim Rezipienten ankommen soll, steckt er direkt in das Werk. Was nicht im Werk selbst enthalten ist, braucht der Rezipient nicht zu wissen. Jedenfalls aus Sicht des Künstlers.


    Kunsthistoriker dürfen das anders sehen. Ich gebe hier nur die Sicht des Künstlers wieder.

    Was Dr. Holger Kaletha hinsichtlich der Voraussetzungen zum Verständnis eines der Vergangenheit entstammenden, also historischen Kunstwerkes am Beispiel Thomas Manns ausführt, ist zweifellos zutreffend.

    Nein, das ist einfach Unfug. Das würde nämlcih bedeuten, dass der Künstler wissentlich ein unverständliches Werk veröffentlichen würde.


    Um es genau zu sagen: Kunst hat einen Sender und einen Empfänger. Real existent ist aber nur das, was beim Empfänger ankommt. Wenn Wagner z.B. Instrumente vorgeschrieben hätte, deren Töne wir nicht hören können, würde die Musik gar nicht existieren. Sie würde zwar in der Phantasie Wagners existieren. Aber nicht für den Opernbesucher. Sie wäre de facto inexistent.


    Entsprechend verhält es sich mit einem Sinn, der nur über Schopenhauer zugänglich ist. Da ca. 99,9 % der Opernbesucher Schopenhauer nicht gelesen haben, ist dieser Sinn für 99,9 % der Rezipienten inexistent.


    Willst du ernsthaft behaupten, Wagner treibt so einen Aufwand, um vielleicht 1 von 1000 Leuten etwas mitzuteilen???



    Das bedeutet übrigens nicht, dass es nicht sinnvoll sein kann, sich zusätzliche Informationen zu besorgen. Ich sage nur: Es ist vom Künstler so nicht vorgesehen. Weder von Wagner noch von sonst wem.



    PS: Man kann übrigens diskutieren, wie das mit der Textverständlichkeit ist. Wagner wusste natürlich, dass sein Publikum in einer Aufführung dem Text nicht lückenlos folgen kann. Aber er hat ja seine Werke nicht für eine einzige Aufführung komponiert. Er konnte davon ausgehen, dass interessierte Leute den Text halt später nachlesen und/oder im Laufe der Jahre mehrere Aufführungen besuchen. Aber Kenntnis von Schopenhauer hat er nicht vorausgesetzt. Ganz sicher nicht. Das ist vollkommen ausgeschlossen.

    Allgemein gesagt, bzw. festgestellt, denn ich nenne hier einfach die Fakten, nicht meine Meinung:


    Ein Kunstwerk erschließt sich ausschließlich aus dem Werk. So ist es vom Künstler gedacht. Irgendwelche Theorien (egal ob vom Künstler an anderer Stelle geäußert, oder von irgendwelchen Philosophen) sind für das Werkverständnis komplett irrelevant.


    Im Falle einer Oper: Libretto und Partitur. Und sonst gar nichts. Außer der Künstler gibt noch eine Art "Gebrauchsanleitung" konkret zum Werk, was aber extrem selten ist (Haydn machte das zu seinem "Orlando Paladino" per Handzettel, indem er die Beziehungen der einzelnen Personen zueinander skizzierte).


    Für den Normal-Operngänger heißt das: Libretto lesen, gern auch mehrfach. Und sonst nichts. Weil es vom Künstler genau so vorgesehen ist.


    Man muss nur beachten, dass der Künstler natürlich eine gewisse Vorbildung voraussetzt. Z.B. erwartet Verdi italienische Sprachkenntnisse. Falls nicht vorhanden, muss man sich einer Übersetzung bedienen. Auch werden implizit gewisse Kenntnisse der Operngeschichte vorausgesetzt, da die Komponisten ja nicht bei Null beginnen. Dazu muss man aber keine Bücher lesen, das kommt so nach und nach.


    Unabhängig davon ist es natürlich nicht verboten, einen Opernführer zu lesen. Zur Vertiefung kann das durchaus beitragen. Aber diese Informationen sind bereits gefiltert. Und nochmal: Die Komponisten gehen niemals davon aus, dass ihr Publikum einen Opernführer liest. Sie ewarten lediglich, dass das Publikum auf dem "aktuellen Stand" ist.


    Zum Kollegen Hintze:

    Er muss natürlich tiefer einsteigen, da er an Opernproduktionen beteiligt ist. Aber auch er hält sich vorzugsweise an Text und Musik. Er stellt keine Theorien über das Werk auf. Er analysiert nur genauer.


    Zum Kollegen Kaletha:

    Er ist in einer ganz anderen Branche tätig. Da darf er gerne alle möglichen Theorien aufstellen. Diese sind für das Werkverständnis aber völlig irrelevant.


    Praktisches Beispiel:

    Kundry im Parsifal. Könnte theoretisch eine Jüdin sein. Dazu gibt es aber nur Daten, die außerhalb des Werks stehen. In der Oper selbst gibt es null Hinweise dazu. Daher ist Kundry mit absoluter Sicherheit keine Jüdin. Sie ist das, was sie in der Oper ist, und nichts anderes. Ihre Religion bzw. "Rasse" ist komplett irrelevant. Wenn es anders wäre, hätte der Künstler das im Werk irgendwie thematisiert. Hat er aber aber nicht. Absichtlich nicht.


    Fazit:

    Haltet euch ans Werk, und nicht an irgendwelche Deutungen. Damit seid ihr vollkommen ausgelastet. Zumindest bei Werken von bedeutenden Künstlern.

    Das ist beim Bier, insbesondere bei IPAs auch der Fall ;)

    Das war jetzt grob vereinfacht. Und es gibt auch "Markenweine", die immer gleich schmecken sollen. Beim Sekt ist es sogar die Regel.


    Allgemein gesagt: Es gibt sehr viele Produkte, die immer gleich sein sollen. Weil die Konsumenten Wert darauf legen. So wie manche Leute auch immer in denselben Urlaubsort fahren, und dort immer in dasselbe Restaurant gehen.


    Das ist offensichtlich eine weitere typisch menschliche Eigenschaft: Der Wunsch nach "Berechenbarkeit".


    Hier im Forum scheinen da zwei Welten aufeinanderzutreffen...

    Wenn er nicht weiß, was ein Künstler ist, wie kann er dann die Absicht haben, einer zu sein?

    Weil sich seine "Botschaft" an jemanden richtet. Damit erfüllt er das Kriterium. Er weiß ja nicht, was Kunst bzw. was ein Künstler ist. Aber er handelt ggf. entsprechend.


    Ich weiß übrigens nicht, ob man bei dem Beispiel mit dem Affen als Künstler wirklich von Kunst sprechen kann. Man müsste sicher sein, dass sich die "Werke" an jemanden richten. Ich habe als Schüler regelmäßig mein Notizbuch mit "Verzierungen" versehen. Das aber mehr aus Langeweile, ich wollte damit nichts ausdrücken. Das war daher keine Kunst.

    Im Grunde sieht man all diesen Diskussionen, dass es nur scheinbar um Kunst geht. In Wahrheit geht es um die Freiheit bzw. die Furcht vor ihr.

    Normalerweise zitere ich nichts, nur um meine Zustimmung zu geben. Hier muss ich es aber tun. Der Satz ist extrem wichtig.


    Wobei "Furcht" vielleicht etwas übertrieben ist. Aber manche scheuen halt das Risiko. Sie wollen keine Überraschungen erleben, weil sie auch negativ sein könnten. Aber mit dieser Einstellung behindert man das Entstehen von Kunst.


    Übrigens bin ich auch deswegen Wein- statt Biertrinker, weil beim Wein jeder Jahrgang anders ist. Auch beim selben Erzeuger und demselben Weinberg. Natürlich ist Wein keine Kunst. Aber es geht auch hier um das Neue, das Unplanbere (wenn auch in einem professionellen Umfeld, d.h. das Ergebnis ist kein Zufallsprodukt). Es ist eine der grundlegenden menschlichen Eigenschaften, die Suche nach Neuem.

    Und das völlig unabhängig davon, ob der Schöpfer seine Schöpfung als Kunst betrachtet oder nicht (auch er ist in dem Fall nur der Beobachter); der außenstehende Beobachter kann dem Schöpfer zustimmen oder eben nicht. Für ihn gilt seine eigene Beobachtung.

    Du unterschlägst hier regelmäßig die Hälfte.


    Bei der Kunst es zwingend notwendig die Existenz des Künstlers (1) und die des Rezipienten (2). Sobald einer von beiden fehlt, kann es keine Kunst sein. Das Werk muss sich also an jemanden richten, und es muss dort auch ankommen.


    Wenn ich z.B. einen Roman mit unsichtbarer Tinte schreibe, oder in einer Sprache, die keiner versteht, ist er schlichtweg nicht existent. Wenn "Regietheater" keine Besucher hätte, wäre es auch nicht existent.


    Es braucht also beides: Die Absicht, Kunst zu machen. Und die Fähigkeit, diese als solche zu erkennen. Kunst ist sozusagen die Schnittmenge von beiden.


    Wenn es anders wäre, könnte man jede Gesteinsformation zur Kunst erklären. Oder umgekehrt könnte ich mich als Künstler bezeichnen und behaupten, meine Werke seien einem Brand zum Opfer gefallen. Das könnte ich mir sogar per Autosuggestion einbilden. Für mich wäre die Aussage dann "wahr". Es fehlt aber der Rezipient. Daher bin ich objektiv gesehen eben doch kein Künstler.


    Übrigens ist der Affe auch nur dann Künstler, wenn er die Absicht hat, einer zu sein. Dazu muss er nicht wissen, was ein Künstler ist. Er muss aber die Absicht haben, mit jemanden zu kommunizieren. Solange er es nur für sich macht, ist es keine Kunst.


    Anders ausgedrückt: Zur Kunst gehört zwingend eine Art Kommunikation. Und zwar eine, die funktioniert.

    Jetzt aber bitte nicht schwafeln.


    Ist Kunst schöpferisch/kreativ oder nicht?


    Es geht hier nur um die Definition. Ich dachte bis vor kurzem, die Definition sei klar: Kunst ist schöpferisch/kreativ. Das scheint aber nicht so zu sein. Wir müssen aber klipp und klar sagen, was wir unter "Kunst" verstehen.


    Du kannst gerne jeden Menschen "Künstler" nennen, der herausragende Fähigkeiten hat und damit herausragende Dinge leistet. Reinhold Messner beim Bergsteigen, Lionel Messi im Fußball, Alfred Brendel auf dem Klavier.


    Ich weise aber vorsorglich darauf hin: Die "Künstler" im Bereich Musik definieren sich gemäß Duden bzw. Wikipedia, also schöpferisch/kreativ. Auch wenn es so aussieht, als ob sie "nur" irgendwelche Noten in Töne umwandeln würden...

    Das sehe ich anders. Der Pianist - oder allgemein: Musiker - ist schon deswegen Künstler, weil er sein Instrument (oder die Stimme) in besonderem Maße beherrscht. Das unterscheidet ihn von anderen. Er muß gar nichts interpretieren und auch nichts Neues schaffen. Er ist so bereits Künstler.

    Du formulierst das falsch. Richtig formuliert muss es heißen: "Ich habe eine andere Definition von Kunst."


    Das ist dein gutes Recht. Definitionen können nicht falsch sein. Allenfalls "wenig hilfreich". Aber auch das trifft nicht notwendigerweise auf deine Definition von "Kunst" zu.


    Ich halte mich einfach an die Definition von Wikipedia: "Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines kreativen Prozesses."


    Nach dieser Definition muss der Künstler Neues schaffen. Das liegt an dem Wort "kreativ".


    Der Duden sagt zu "Kunst": "schöpferisches Gestalten aus den verschiedensten Materialien oder mit den Mitteln der Sprache, der Töne in Auseinandersetzung mit Natur und Welt"


    Also auch hier: Es muss Neues geschaffen werden. Hier liegt es am Wort "schöpferisch".

    Die Definiton gefällt mir - aus verschiedenen Gründen NICHT


    Nicht alles was aus einem "sogenannten kreativen Prozess" entsteht ist notwendigerweise ein kunstwerk


    Es klappt hier nicht so richtig mit dem Zitieren, also von Hand eingefügt:


    "Ein Kunstwerk ist das Produkt eines kreativen Prozesses."


    Diese Definition gefällt dir nicht. Das ist bedauerlich, spielt aber keine Rolle. Der Satz ist zu 100% korrekt. Da gibt es nichts zu diskutieren. Es gibt im ganzen Universum keinen korrekteren Satz wie diesen. Es gibt gleich korrekte. Z.B. dass sich die Erde um die Sonne dreht. Aber keine korrektere.


    Du verwechselst hier "notwendig" mit "hinreichend". Der kreative Prozess ist notwendig für ein Kunstwerk. Aber nicht hinreichend. Es gibt auch kreative Prozesse, die kein Kunstwerk erzeugen.


    Wobei man durchaus sagen darf: Wenn jemand kreativ ist und ein Kunstwerk erzeugen will, dann ist das Ergebnis zwangsläufig ein Kunstwerk. Nur halt manchmal kein gutes.


    Es bleibt aber dabei: Wer sich Künstler nennt, muss kreativ sein. Ein Pianist, der sich Künstler nennt, muss Neues schaffen. Jede seiner Interpretationen muss neu sein, also das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Ansonsten ist er kein Künstler, sondern nur Pianist. Was ja auch nicht schlecht ist. Ich verlange übrigens nicht von jedem Pianisten, dass es Künstler ist. Ich stelle nur fest: Künstler ist er ab dann, wo er kreativ wird. Unabhängig davon, ob sein "Produkt" (d.h. seine Interpretation) "gut" ist.


    Das gilt analog natürlich auch für Regisseure. Ja, man "darf" den Regisseuren auch verbieten, kreativ zu sein, d.h. Kunst zu schaffen. Nur leider steht das nur in der Macht derjenigen, die den Regisseur verpflichten und bezahlen. Un die machen von ihrer Möglichkeit, dem Regisseur Vorschriften zu machen, recht wenig Gebrauch...

    Eben darum meine ich, man sollte sich an das halten, was im Kunstwerk gegeben ist.

    Das klingt jetzt allerdings so, dass sich die Aufführung bzw. Interpretation irgendwie "logisch" ergibt, wenn man sich nur intensiv genug mit den Fakten (Noten und ggf. Libretto) auseinandersetzt. Dann könnte man allerdings die Musiker/Dirigenten/Regisseure demnächst durch eine KI ersetzen, weil diese früher oder später jedem menschlichen Gehirn überlegen ist und außerdem über mehr Daten (=Wissen=Erfahrung) verfügt.


    Ich gehe davon aus, dass du das nicht meinst. Meine Auffassung ist die, dass das "was im Kunstwerk gegeben ist", nur grobe Hinweise erlaubt auf das, was später im Konzertsaal oder auf der Bühne ablaufen wird. Anders ausgedrückt: Da sind Lücken, die es zu füllen gilt, und das geht nur mit Kreativität, das kann keine KI leisten.


    Oder genauer: Auch eine KI kann diese Lücken füllen. Aber das Ergebnis wird auf Dauer keinen hinter dem Ofen hervorlocken. Weil eine KI niemals kreativ sein kann.

    Ziemlich eindeutig ... H-Dur. 8-)


    g-moll :whistling:

    Vielen Dank für die Durchsicht. Das mit "H-Dur" hatte ich in meiner Excel-Tabelle schon korrigiert, nur leider in der Beschreibung nicht. Das mit dem g-Moll ist mir aber in der Tat entgangen. Ich war der irrigen Ansicht, die Reprise "muss" mit der Grundtonart beginnen. Wenn man aber richtig hinhört, klingen die ersten Akkorde nicht so wie am Anfang, und in den Noten sieht man es ja auch. Haydn hält sich mal wieder nicht an die Regeln.


    Oder würdest du die Reprise erst später lokalisieren? Und wenn ja, wo?

    Im Moment tendiere ich dazu, die Reprise bei Takt 114 zu belassen, nur halt in g-Moll beginnend. Dann müsste ich in meiner Excel-Tabelle aber angeben, an welcher Stelle endlich G-Dur erreicht ist. Mit Sicherheit beim 2. Thema (Takt 127). Aber in meinen Ohren klingt Takt 120 schon wie G-Dur.


    Aber wenn man das als Frage-Antwort-Spiel interpretiert, mit dem Hauptthema als "Frage", dann ist die Frage (in Forte) zwar schon recht früh bei G-Dur, die Antwort (in Piano) aber nicht. Also würde ich in meiner Excel-Tabelle bei Takt 114 (Beginn der Reprise) g-Moll notieren und in Takt 127 (2. Thema) G-Dur. Ich analysiere ja nicht jeden einzelnen Takt, sondern nur die Stellen, an denen eine Änderung passiert.


    Wie siehst du die Entwicklung von Takt 114 bis 127?

    Nr. 47 ist eine meiner Lieblingssinfonien von Haydn, nicht nur wegen des Palindroms im 3. Satz. Das Werk entstand im Frühjahr 1772 (in diesem Jahr entstanden auch die Sonnenquartette op. 20).


    Hörproben (komplette Sinfonie in 3 unterschiedlichen Aufnahmen): " https://www.joseph-haydn.art/de/sinfoniae/47" (dort auf "Medien" klicken)


    1. Satz: Allegro, 4/4-Takt, G-Dur (159 Takte)

    Das Hauptthema besteht aus einem aparten Hornsignal mit kurzer „Antwort“ der tiefen Streicher, was in diversen Tonhöhen wiederholt wird, gefolgt von einer längeren „Antwort“, die aber auch nach 3 Takten abbricht. Nach weiteren 4 Takten Hornsignal kommt ein kurzer Zwischengedanke (Takt 17-20). In Takt 21 erklingt erneut das Hornsignal, inzwischen sind wir in D-Dur. Nach einer Überleitung (ab Takt 25) erscheint in Takt 36 das 2. Thema, das ich hier wirklich als solches bezeichnen würde. Es handelt sich um Triolen-Läufe in der Streichern, teilweise unterlegt mit halben Noten der Oboe. Die Schlussgruppe beginnt in Takt 48. Die Exposition endet mit Takt 56 und wird wiederholt. In der Durchführung erscheint zunächst das „Hornsignal“, nun aber von den Streichern gespielt und in diverse Tonarten moduliert. Nach einer Zwischengruppe erklingt in Takt 82 wieder das Hauptthema, in E-Dur, falls ich mich nicht täusche, und in Takt 90 das 2. Thema in e-Moll (auch hier die Tonart ohne Gewähr), was mich fast an eine Scheinreprise erinnert. Es folgt ein „Ausbruch“ in Forte von 12 Takten, und in Takt 114 ist die Reprise erreicht (G-Dur). Das 2. Thema erscheint überraschend früh bereits in Takt 127. Die Schlussgruppe muss daher noch warten: Nach mehrmaligem Anspielen das Hornsignals kommt in Takt 151 der aus der Exposition bekannte Zwischengedanke, dieses Mal 5 Takte lang, da direkt auf die Schlussgruppe übergeleitet wird.


    2. Satz: Un poco adagio, 2/4-Takt, D-Dur (178 Takte)

    Hier handelt es sich um einen äußerst kunstvoll aufgebauten Variationensatz. Das Thema hat den Aufbau A (5+5 Takte) – B (4+6 Takte) – A’ (5+5 Takte). Teil A besteht aus Ober- und Unterstimme, gespielt von den hohen bzw. tiefen Streichern, und bei A’ sind einfach die Rollen vertauscht. Der B-Teil wird durch Bläser erweitert. Das Ganze dauert also 30 Takte, und davon gibt es 4 Variationen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass die Notenwerte der Oberstimme (bzw. bei A’ die der Unterstimme) geändert werden:


    Thema: Achtel+Viertel

    Variation 1: Sechzehntel

    Variation 2: Sextolen

    Variation 3: Zweiunddreißigstel

    Variation 4: Achtel+Viertel, aber gespielt von den Bläsern

    Die letzte Variation endet mit einem Trugschluss auf g, danach folgt noch eine 27-taktige Coda.


    3. Satz: Menuet e trio al roverso, 3/4-Takt, G-Dur (64 Takte)

    Das finde ich einfach genial. 10 Takte vorwärts, mit Wiederholung, und dann das Gleiche rückwärts, ebenfalls wiederholt, und schon haben wir das Menuett. Das Trio (ebenfalls G-Dur) läuft analog, nur dass die beiden Teile über je 12 Takte gehen. Genial wird die Sache auch dadurch, dass an ausgewählten Stellen bestimmte Instrumente einsetzen oder rhythmische Änderungen auftreten, was beim Rückwärtsspielen entsprechend anders klingt, wobei man teilweise überrascht ist, und teilweise meint, dass müsste genau so sein. Besonders apart wird das im Trio mit den eher solistisch auftretenden Instrumenten. Ich bin von diesem Satz immer wieder hingerissen.


    4. Satz: Finale. Presto assai, alla breve, G-Dur (283 Takte)

    Ein leises, rasches Hauptthema bekommt nach 18 Takten eine „Antwort“ (Motiv B) in Forte. In Takt 27 kommt erneut das Hauptthema, wobei gegen Ende die Tonart wechselt, und spätestens in Takt 45 ist D-Dur erreicht, hier beginnt nämlich eine Art Zwischensatz (bzw. 2. Thema). Es hat in meinen Ohren einen „türkischen“ Charakter. In Takt 70 erscheint erneut das Hauptthema (jetzt in D-Dur), gefolgt von einer Schlussgruppe ab Takt 98. Die Exposition endet in Takt 115. Deren letzten Schläge werden nach der Wiederholung in der Durchführung unvermittelt weitergeführt. Nach kurzem Anspielen von Motiv B kommt es in Takt 134 tatsächlich zu einer Scheinreprise, jedenfalls erklingt dort das Hauptthema in C-Dur. Wenn dann in Takt 154 das 2. Thema (bzw. der o.g. Zwischensatz) in e-Moll erscheint, wird klar, dass wir immer noch in der Durchführung sind. Eine weitere Variante von Motiv B leitet zur Reprise ab Takt 186 über. Diese hat den Aufbau: Hauptthema – Zwischensatz – Hauptthema – Schlussgruppe, wobei letzterer noch das Motiv B angehängt wird. Der Satz hat durch das häufige Auftreten des Hauptthemas auch eine rondoartigen Charakter, aber insgesamt ist er wohl doch in Sonatenhauptsatzform geschrieben.



    Thomas