Beiträge von thdeck


    Hey Leute, jetzt bleibt mal locker, ich hab doch bloß den Grundtenor etwas überspitzt zusammengefasst. Was *ich* als nächstes von Dvorak anschaffe, ist noch lange nicht klar. Hängt ja schließlich davon ab, was ich schon habe *und* in welcher Stimmung ich gerade bin. Z.B. bin ich derzeit eher in Klavier- als in Cello- (oder auch Violine-)Stimmung.


    Von Dvorak habe ich bisher nur:
    Sinfonien Nr. 2, 7, 8, 9
    Streichquartette op. 96+106
    Stabat Mater


    Gemäß meiner aktuellen Stimmung müsste ich ins Auge fassen:
    - Sinfonie Nr. 6
    - weitere Streichquartette (in SQ-Stimmung bin ich immer)
    - Klavier solo oder mit Orchester


    Mit Tendenz zum Klavier. Wobei das auch *die* Gelegenheit wäre, endlich auch meine rudimentären Brahms-Bestände (Klavier: derzeit nichts vorhanden) zu vergrößern.


    Welche Klaviermusik von Dvorak müsste man sich näher ansehen? Kann das dann mit Brahms konkurrieren?


    Ggf. könnte ich mit Dvorak nämlich warten, bis ich in Cello-Stimmung komme. Das kann sich nur um Jahre handeln :D


    Kauft ihr eigenlich auch nach Stimmung?



    Thomas Deck

    Zitat

    Original von GiselherHH
    es ist kein Wunder, dass sich die Aufführung von der Ozawa-Aufnahme unterscheidet. Denn Ozawa bedient sich der veralteten Choudens-Fassung von 1907, die einiges an Material enthält, das nicht von Offenbach stammt. Die Aufführung des Theaters in Dortmund orientiert sich wahrscheinlich an der Fassung des amerikanischen Musikforschers Michael Kaye von 1999. Der hat in jahrzehntelanger Detektivarbeit verschollen geglaubte Skizzen Offenbachs in Archiven und auf Dachböden ausfindig gemacht und in einer Edition zusammengestellt. Wenn man die Kaye-Fassung ungekürzt spielt, dauert eine Aufführung nun etwa 3 Stunden.


    Musikalisch überzeugt mich die Kaye-Fassung am meisten, allerdings halte ich sie in ihrer ungekürzten Form für nicht wirklich bühnentauglich, da der Giulietta-Akt darin zuviel Gewicht bekommt. Offenbach war ja Theaterpraktiker und hätte wohl, wenn er länger gelebt hätte, das eine oder andere noch geändert bzw. wohl auch gekürzt (Komponisten sehen ihre Partituren oftmals als weniger sakrosankt an als Musikwissenschaftler). Und die "Scintille. diamant" ist einfach zu gut (und besser als "Tourne, tourne, miroir"), um in die Archive verbannt zu werden.


    Hallo,


    die Dortmunder Fassung (das Programm gibt leider keine nähere Auskunft dazu) erschien mir in der Tat länger als die von der Ozawa-Aufnahme, speziell der Giulietta-Akt. Die "Diamantenarie" war aber auch in Dortmund dabei. Insgesamt erschien mir der Akt aber zu lang. Oder liegt es nur an der Gewöhnung? Ich habe halt den Eindruck, dass der Inhalt dieses Aktes dramaturgisch nicht so viel hergibt wie der des Olympia- und vor allem des Antonia-Aktes und daher die Länge entsprechend angepasst werden sollte. In der Praxis würde ich mich mit Streichungen aber auch schwer tun...



    Thomas Deck


    Dieses ist auch "meine" Aufnahme. Heute Abend sah ich die Oper das erste mal live:
    Kurznotizen aus den Opernhäusern
    ("Contes d'Hoffmann in Dortmund")


    Interessant war die Reihenfolge der Bilder: Antonia - Olympia - Giulietta.
    Hat aber durchaus gepasst. Beim Giulietta-Bild fehlte mir etwas der rote Faden, das ist auf der CD besser gelöst.


    Es gab viele Passagen, die auf der CD nicht vorkommen (u.a. mehr Gesang für die Muse). Zwischendurch auch gesprochenen Text.


    Die Aufführung war eine der beiden besten meiner "Opernkarriere" (bisher 31 Opernbesuche).



    Thomas Deck

    Letztens hatte ich kurz über den Figaro in Gelsenkirchen berichtet:
    Oper - Original oder Übersetzung
    (Beitrag: "Mozart: Italienisch vs. deutsch")


    Heute Abend gab's in Dortmund die Premiere von den Contes d'Hoffmann. Mein 31. Opernbesuch, aber die erste Premiere. Lag's etwa daran? Jedenfalls muss ich feststellen, dass Dortmund in einer ganz anderen Liga spielt als Gelsenkirchen. Zu den im o.g. Beitrag erwähnten Mängeln in Gelsenkirchen:


    Akustik: In Dortmund um Klassen besser.


    Niveau der Sänger: Sowohl stimmlich als auch darstellerisch eine ganz andere Liga. Da war überhaupt keine Schwachstelle.


    Chor: Überhaupt kein Vergleich. Dortmund 2 Klassen besser.


    Zusammenspiel Chor/Sänger mit Orchester: dito.


    Das ist jetzt eher als Lob für Dortmund zu sehen, man erwartet in der "Provinz" ja keine perfekte Vorstellung. Aber das heute Abend war schon genial. Das fing schon mit der Muse (Maria Hilmes) an. Sie hatte übrigens viel mehr zu singen als auf meiner CD-Aufnahme (Orchestre National de France, Seiji Ozawa; Gruberova, Eder - Domingo, Schmidt). Und sie sang und spielte genial. Die Krönung war aber Antonia (Sylvia Koke). Da stimmte alles, Kraft, Technik, Balance. Ist halt auch eine tolle Rolle. Heike Susanne Daum als Olympia hat gleich viel Applaus bekommen, aber die Rolle ist etwas eindimensionaler. Elena Nebera als Giulietta war wohl gleich gut, aber die Rolle gibt m.M. nach nicht so viel her, zumal mir bei Dortmunder Variante des Giulietta-Bildes irgendwie der rote Faden fehlte (falls es bei diesem Bild überhaupt einen gibt). Auch bei den männlichen Rollen gab es nicht den geringsten Schwachpunkt. Timothy Richards als Hoffmann kommt vielleicht nicht an die Strahlkraft eines Placido Domingo ran, aber was er stimmlich und schauspielerisch geleistet hat, war schon Extraklasse. Er, Sylvia Koke und Heike Susanne Daum bekamen den meisten Applaus, dicht gefolgt von Maria Hilmes (für mich war sie die Nr. 2 nach Sylvia Koke).


    Das Antonia-Bild war - zusammen mit einer Parsifal-Inszenierung vor ein paar Jahren (ebenfalls in Dortmund) - überhaupt das Beste, was ich bisher live in einer Oper gesehen habe. Das Olympia-Bild (es kam *nach* Antonia) war auch toll gemacht. Nur das Giulietta-Bild fand ich etwas konfus.


    Überhaupt kamen einige Passagen, die ich von der CD gar nicht kannte. Zwischendurch gab's auch gesprochenen Text (alles französisch), was aber durchaus passte.


    Das Publikum - mich eingeschlossen - war begeistert. Ich werde wohl öfter zu Premieren nach Dortmund fahren müssen...



    Thomas Deck


    Jetzt, wo du es sagst: Der Kerl hatte tatsächlich *zwei* Bengel in der Hand und auch zwei Pauken vor sich.


    Ich habe übrigens darauf geachtet, ob der Dirigent auch dem Pauker die gebührende Beachtung schenkte. Er tat es nicht. Er wusste wohl, dass er sich auf den Pauker (Optik: alter Hase) verlassen konnte. Ich fand das toll, wie er immer zur rechten Zeit aktiv wurde. Präzise, voll bei der Sache, aber ohne irgendwelche Theatralik. In meinem nächsten Leben werde ich Pauker.


    Letztes Jahr in Palermo hatte ich einen gesehen, der las zwischendurch in einem Buch, weil er so wenig zu tun hatte. Beim Nussknacker. Fand ich unprofessionell.



    Gruß
    Thomas

    Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Ich "weiß" ebenso, dass eine ganze Reihe Haydnscher Sinfonien unübertroffen sind. Inwiefern überträfe Mozarts #39 Haydns #99 (oder #103) oder umgekehrt? Daher gebe ich nicht zu, dass Mozarts Sinfonien in der Spitze besser wären, besonders nicht, bevor mir jemand etwas detaillierter schildert, warum das so sein sollte. Eine Diskussion über "besser" oder "schlechter", ohne auf konkrete Merkmale bestimmter Stücke einzugehen, halte ich für sinnlos...


    Ich wollte damit nicht eine Diskussion über "besser" oder "schlechter" anfangen. Es kommt mir halt so vor (das hat nichts mit irgendwelchen Büchern zu tun). Nimm von mir aus Beethovens Eroica. 90 % der Leute werden sagen, sie ist "besser" als jede Haydn-Sinfonie. Sie ist es natürlich bei einem entsprechenden Bewertungskriterium. Ich höre aber auch die Eroica nicht so oft, wie es ihrem Ruf "gebühren" würde. Als ob Haydn schneller "auf den Punkt" kommen würde.


    Vielleicht ist das einfach der Kern der "Klassik" im engeren Sinne: Ausgewogen und in sich perfekt. So dass man das betreffende Werk fast beliebig oft genießen kann, ohne dass sich ein Abnutzungseffekt einstellt.


    Die anderen Kunststile haben andere Vorzüge...



    Thomas Deck

    Schnell berichten, so lange es noch frisch ist. Bin gerade von Dortmund zurückgekommen, da spielte ein gewisses „Amadeus Kammerorchester“ im Konzerthaus. Als ich kurz vor der Hinfahrt noch mal ins Programm sah, fragte ich mich, weshalb ich wegen einer so unbekannten Truppe montagabends 140 km fahren wollte. Es lag am Programm: Haydn Sinfonie Nr. 47, Mozart Jeunehomme-Konzert und Linzer Sinfonie.


    Der ziemlich junge Dirigent Felix Reimann trat schwungvoll ans Pult. Und die Haydn-Sinfonie war eine echte Offenbarung. Vollkommen transparent gespielt, Dirigent und Musiker „durchlebten“ die kleinsten Details. Viele Haydn-typische schwierige Horn-Passagen, die größtenteils perfekt gemeistert wurden, herrliche Oboen-Stellen, differenziertes Spiel der Streicher. Diese meines Wissens nicht sehr bekannte Sinfonie wurde richtiggehend „durchleuchtet“, und das von gerade mal 19 Musikern. Lag natürlich auch am großen Meister selbst, wobei ich mir vorstellte, wie er damals auf Esterháza ein ähnlich kleines Orchester sicherlich ähnlich gut im Griff hatte wie heute Abend Felix Reimann. Auf seine Hornisten muss er jedenfalls große Stücke gehalten haben.


    Der Solist beim Jeunehomme-Konzert hieß Stefan Irmer. Ich bin nicht kompetent genug, um sein Spiel zu bewerten, es gab jedenfalls von meiner Seite nichts auszusetzen. Interessant war, wie bei Mozart bei gleicher Besetzung (bis aufs Klavier) das Ganze viel „voller“ (aber nicht besser!) klang als vorher bei Haydn. Dass das Mozart-Konzert von der Anlage her großartiger ist als die Haydn-Sinfonie, steht natürlich außer Frage. Die Interpretation der letzteren hat mich aber mehr beeindruckt.


    Der sehr sympathische Pianist brachte aufgrund des großen Beifalls (das will bei dem zurückhaltenden Dortmunder Publikum was heißen) gleich eine hübsche Zugabe, ein Tango von einem gewissen Piazzolla, wenn ich den Namen richtig in Erinnerung habe. Kennt den jemand?


    Für die Linzer Sinfonie wurde das Orchester um 5 Instrumente (eine Pauke und je zwei Trompeten und Fagotte) aufgestockt. Das klang dann wirklich „sinfonisch“, manchmal vielleicht nicht ganz so differenziert wie bei einem Weltklasse-Orchester, aber auch hier war ich begeistert, wie Dirigent *und* Musiker die einzelnen Passagen mit Leben füllten. Im Übrigen zeigte sich einmal mehr, dass man bei einem Live-Konzert (gute Interpreten vorausgesetzt!) ein Werk besser durchdringt als beim Hören einer CD. So habe ich z.B. bei der Linzer endlich erkannt, wie der 4. Satz schon auf die letzten Sätze seiner späten Sinfonien hinweist.


    Alles in allem war das eines meiner besten Kozerterlebnisse der letzten zwei Jahre. Der ganze Spaß hat übrigens gerade mal 15,50 Euro (auf dem besten Platz) gekostet. Es gibt im Dortmunder Konzerthaus natürlich auch wesentlich teurere Konzerte, ich wage aber dennoch, diesen Veranstaltungsort als Geheimtipp zu bezeichnen. Nervend ist allenfalls ein Teil des Publikums, der am Ende Hals über Kopf hinauseilt, wenn der Applaus nicht mal ansatzweise beendet ist. Die haben wahrscheinlich Angst, ihre Currywurst wird kalt.



    Thomas Deck

    Mir geht es ähnlich wie einem meiner Vorredner: Haydn höre ich lieber. Obwohl ich zugeben muss, dass Mozart in der Spitze "besser" ist, aber was heißt das schon.


    Es ist echt verrückt: Ich "weiß" das Mozarts letzte Sinfonien unübertroffen sind, aber (fast) immer, wenn es darum geht, zu entscheiden, was ich gleich anhören werde, sage ich mir: "Mozarts KV 551 ist zu wertvoll für den Moment, sehen wir lieber mal nach, was Haydn zu bieten hat." Und dann lande ich bei Haydn.


    Ähnliches passiert mir übrigens (in abgeschwächter Form) auch bei den Streichquartetten...



    Thomas Deck

    Vielen Dank für die Auskunft!
    Dann werde ich den Dürr wohl beschaffen. Aber ich muss anschließend immer noch selber denken. Das ist brutal.


    Zum Glück gibt's Tamino. Letztens habe ich übrigens geschummelt: Ich wollte wg. Ausgewogenhait nach Gardiner und Rilling auch noch etwas von Koopman haben. Was nimmt man da, wenn man keine Ahnung hat: BWV 147 ist laut Google populär. Also nahm ich Koopman Vol. 7 (BWV 24, 25, 67, 95, 105, 136, 144, 147, 148, 173, 181, 184), es scheint eine gute Wahl gewesen zu sein.


    Damit's nicht ganz off topic wird: Ich werde bei Gelegenheit schreiben, wie mir der Dürr zusagt...



    Gruß
    Thomas Deck

    Irgendwo gelesen:
    "Alfred Dürr: Die Kantaten von Johann Sebastian Bach"
    sei das Standardwerk.


    Bei Amazon finde ich ein gleichnamiges Buch zu 17 Euro (DTV, 1985), außerdem eins zu 28 Euro mit dem Titel "Johann Sebastian Bach. Die Kantaten" (Bärenreiter Verlag, 1999). Beide haben stark 1000 Seiten, so dass ich auf den gleichen Inhalt tippe.


    Käufer 1 meint zu dem 28-Euro-Exemplar:
    "Liste der Sätze - Text - Beziehung zum Predigttext? - Exegese des Textes - 3 Sätze zur Musik der einzelnen Sätze - "Mit einem schlichten vierstimmigen Choralsatz endet dieses Werk" - Nächste Kantate ... Nach diesem Schema werden die Kantaten Bachs abgehandelt. Sicher alles gründlich recherchiert, aber es fehlt die Inspiration, die Höhepunkte einer Kantate herauszuarbeiten. Als Nachschlagewerk und für den raschen Überblick geeignet, aber nicht, um daraus (die Musik lieben) zu lernen."


    Käufer 2:
    "Diese Monographie über Bachs weitgehend unbekanntes Hauptwerk gibt klare Auskunft über Entstehungszeit, Besetzung und Aufbau seiner Kantaten. Sie enthält viele Notenbeispiele. Bibliographie, Namens- und Sachregister ermöglichen eine weitergehende Recherche. Ein besonders empfehlenswertes Buch für jeden Liebhaber des Bachschen Vokalwerks!"


    Ist das wirklich das "Standardwerk"?


    Es gibt auch "Die Kantaten von Johann Sebastian Bach. In zwei Bänden. (1975)"


    Ist das nur eine frühere Ausgabe?


    Wer kennt diese Bücher bzw. kann bessere Vorschläge bzgl. der Bachkantaten machen?



    Viele Grüße
    Thomas Deck

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Ich glaube, das ist jetzt der Moment, da man zeigen muss, wieso man(n) von Anu Tali schwärmt:


    Aber - wie gesagt: Sie sieht nicht nur toll aus, sie ist wirklich eine fabelhafte Dirigentin!


    Aber genau das ist das Problem der Frauen: Dass es immer wieder welche gibt, die mit ihrem (zugegebenermaßen guten) Aussehen zusätzlich punkten wollen. Einerseits verständlich, andererseits müssen sie sich dann nicht wundern, wenn man sie in fachlicher Hinsicht etwas genauer beobachtet.


    Das gilt auch für Solistinnen. Viele von ihnen zeigen ziemlich viel Haut. Nicht dass ich - als Mann - etwas dagegen hätte. Aber Männer tun das nicht. Frau Merkel tut's auch nicht. Was genau will uns Frau Tali nun mitteilen?



    Thomas Deck


    Diesen Thread hatte ich nicht gefunden. Ist mir egal, wo das weiterdiskutiert wird. Wobei ich es als Haydn-Fan natürlich angemessen fände, wenn jede seiner Opern einen eigenen Thread bekommen würde ;)


    Man muss das aber realistisch sehen, das hat nur Sinn, wenn auch Inhalte kommen. Vielleicht kannst du, Ulli, ein paar Anmerkungen zu meinen Aussagen machen, nachdem du deine Aufnahme gehört hast, ist ja immerhin eine andere als meine.


    Bzgl. der Bartoli habe ich schon einiges Gutes gelesen. Haydns Orfeo werde ich mir wohl mit ihr besorgen...



    Gruß
    Thomas

    Eben diskutierten wir über "magische Momente". Was ebenfalls genial sein kann: "Atemberaubende Szenen". Also ein längerer Handlungsablauf, der so spannend geschildert wird (musikalisch *und* szenisch), dass man die ganze Zeit wie gebannt zuhört, egal in welcher Stimmung man ist. Im Film wären das irgendwelche Verfolgungsjagden, Showdowns, etc. Also Szenen, die den Hörer fesseln, selbst wenn er eigentlich gar nicht konzentriert ist. Mir geht es jetzt nicht um besonders schöne oder ergreifende Szenen (die fesseln auch), sondern um Schnelligkeit, Spannung, "Atemlosigkeit", und das möglichst lange. Szenen, die auch den Laien mitreißen.


    Im Moment fällt mir der Anfang von Don Giovanni ein. Im engeren Sinne bis zum Ende der dritten Szene (Duett Anna/Ottavio), im weiteren Sinne bis zum Ende der neunten ("Là ci darem la mano"). Ich hab da mal nebenbei zu Abend gegessen, da wurde das Essen kalt.


    Wer kennt weitere?



    Thomas Deck

    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Meistersinger d'accord :jubel: ein grandioser Effekt, aber geht beim Figaro die Ouverture in cinque, dieci usw. über? Das habe ich anders in Erinnerung.


    Ok, man muss da wohl unterscheiden: Wagner hat den Effekt vermutlich bewusst so gestaltet, sprich, er wollte genau diesen Effekt erreichen, der Effekt ist "wirklich" da.


    Bei Mozart entsteht der Effekt in meinem Kopf. Die Ouvertüre ist bekanntermaßen genial, und wenn dann das Duett kommt, habe ich den Eindruck, fast übergangslos in Mozart geradezu "einzutauchen", und das mit dem Wissen, dass die ganze Oper noch vor mir liegt.


    Das war jetzt wohl nicht verständlich, dann anders: Das Duett bringt einen (vorbereitet durch die Ouvertüre) sofort mitten ins Geschehen, d.h. man hat das Gefühl, nach schon nach wenigen Takten mittendrin zu sein. Das wollen Komponisten (und auch Dramatiker) oft (immer?), aber beim Figaro ist das besonders gut gelungen.



    Thomas Deck

    Ihr habt jetzt so ziemlich alles genannt, aber was ganz Wichtiges scheint ihr zu ignorieren:


    Der geniale Übergang von einer genialen Ouvertüre zum eigentlichen Geschehen.


    Wenn wir "magischer Moment" definieren als "kann in der passenden Stimmung die Tränen in die Augen bringen", dann passiert mir das nicht nur bei einigen der bereits genannten Stellen, sondern auch bei:


    - Meistersinger, Übergang Ouvertüre zur ersten Szene
    - Figaro, Übergang Ouvertüre zur ersten Szene


    Kann das jemand nachvollziehen? Evtl. gar vergleichbare Beispiele bringen?



    Thomas Deck

    Nach mittlerweile 77 Beiträgen wird man das hier wohl auch noch verkraften:



    Jechtingen vs. Beaune vs. Matthäus


    Das müsst ihr mir jetzt echt glauben: Ich wollte dieses Mal wirklich keine Wein-Musik-Notiz schreiben, aber dann kam ein gewisser Helmut Müller-Brühl, was soll man da machen. Ursprünglich ging es nur um die folgenden Kandidaten:


    2000 Jechtinger Eichert Spätburgunder Spätlese tr., Bercher (Burkheim/Kaiserstuhl)
    13 % Alk., 14 Euro


    2000 Beaune 1er Cru Montrevenots, Dubreuil-Fontaine (Pernand-Vergelesses/Burgund)
    13 % Alk., 13,50 Euro


    Matthäus-Passion, Johann Sebastian Bach
    Gächinger Kantorei Stuttgart, Helmuth Rilling


    Zur Motivation:
    Die 2000er waren beide fällig. Es ist ein eher schwieriger Jahrgang, der nicht ewig lagerfähig ist. Der Beaune war vor 1 1/2 Jahren aber überraschend gut, so dass ich als Kaiserstuhl-Fan fast ein schlechtes Gewissen hatte, den Jechtinger dagegen zu stellen, aber man muss das sportlich sehen, mal gewinnt der eine, mal der andere, und in 1 1/2 Jahren kann sich viel ändern. Die Matthäus-Passion war bisher eines meiner „Problemkinder“, ich überblickte das Werk einfach nicht richtig, die beiden letzten Anläufe hatte ich sogar nach wenigen Minuten abgebrochen, weil die Konzentrationsfähigkeit fehlte. Hier sieht man übrigens wieder, wie die Symbiose „Weinvergleich und Musikgenuss“ die Sache erleichtert: Durch die Beschäftigung mit den Weinen werden die Sinne geschärft, man ist insgesamt viel aufnahmefähiger für Sinneseindrücke.


    Phase 1:
    Der Jechtinger hat eine „mega-offene Nase“ (so steht’s auf meinem Zettel), sprich: er ist sehr aromatisch, Richtung Walderdbeere, und man denkt sofort an „Spätburgunder, badische Art“. Im Mund sehr dicht, süßlich, Leder, Walderdbeere, Hauch Mineralität, der Wein hat Biss, die Süße stört ein klein wenig; 87 Punkte. Der Beaune präsentiert sich in der Nase etwas zurückhaltender, es geht in Richtung Himbeere. Im Mund dann ganz klar Himbeere, die Frucht ist klar und eindringlich, der Wein wirkt fein, elegant; 90 Punkte. „Kommt ihr Töchter, helft mir klagen“. Da geht’s gleich voll ab. Die Aufnahme ist mit Helmuth Rilling und der Gächinger Kantorei Stuttgart. Den Dialog der beiden Chöre erkenne ich mit Hilfe des Textbuches. „Blute nur, du liebes Herz“: sehr schöne Sopranarie.


    Phase 2:
    Der Jechtinger bleibt unverändert. „Warum gibt es im badischen Spätburgunder keine Himbeere?“ (Steht so auf meinem Zettel). Die 87 Punkte bleiben. Der Beaune scheint jetzt auch einen Hauch Süße zu haben, ist aber insgesamt einfach feiner (u.a. wegen der Himbeere) als der Jechtinger. 89 Punkte (zu 90 fehlt der letzte Tick an Konzentration). „Ich will bei meinem Jesu wachen“: Tenor mit Chor, mit Oboe, sehr stark. „So ist mein Jesus nun gefangen“: Sopran-Alt-Duett mit Chor, genial. Man sieht aber, dass es eigentlich nicht lohnt, solche Primitiveindrücke öffentlich zu diskutieren. So beendete ich die Matthäus-Passion am ersten Abend mit der ersten Teil und trank die Weine an den beiden anderen Abenden mit anderer Musik (die hier nicht weiter diskutiert werden soll, ich meine, es wäre einmal Liszt und einmal Haydn gewesen).


    Phase 3:
    Am 2. Tag präsentierte sich der Jechtinger kräftig, sehr reif, dicht und erinnerte etwas an Hegers 99er Mimus, ohne allerdings dessen Eleganz zu haben. 87 Punkte. Die Farbe ging übrigens in Richtung Rotbraun, was ebenfalls auf fortgeschrittene Reife schließen lässt, im Gegensatz zum Beaune, dessen Farbe man als Kirschrot bezeichnen könnte. Der Beaune wirkte einfach jünger und feiner, mit einer sehr schönen Himbeerfrucht. Am 3. Tag hatten beide Weine etwas nachgelassen, wenngleich die Charakteristik der beiden ersten Tage blieb, so dass die Gesamtwertung von 87 (Jechtinger) bzw. 89 Punkte (Beaune) beibehalten wurde.


    Kritiker könnten jetzt sagen, dass der Abstand aufgrund der Beschreibung eigentlich größer sein müsste, aber im Moment hat der Jechtinger trotz der hohen Reife halt doch viel Spaß gemacht und mit seiner Dichte und Opulenz durchaus beeindruckt. Ein Burgund-Freak, der die badischen Weine nicht kennt, wird damit allerdings seine Probleme haben. Interessant ist übrigens, dass Berchers Spätburgunder vom Jechtinger Eichert tendenziell etwas mehr Restzucker zu haben scheinen als jene vom Burkheimer Feuerberg, vielleicht kam daher auch der Eindruck von Süße (mit der ein Burgund-Freak Probleme haben wird). Die Beobachtung gründet sich allerdings nur auf 3 unterschiedliche Jahrgänge und muss daher noch durch weitere Infos verifiziert werden. Interessant ist die Schwankungsbreite in der Qualität der 2000er roten Burgunder. Ich hatte schon doppelt so teure von wesentlich renommierteren Erzeugern als Dubreuil-Fontaine, die gerade mal auf 86 Punkte kamen. Und der doppelt so teure 2000er Corton Grand Cru desselben Erzeugers ist zwar konzentrierter, aber nicht annähernd so elegant wie der Beaune. Die Burgunder würden jetzt sagen: „C’est le terroir.“


    So, das wär’s eigentlich gewesen, wenn ich zu Ostern nicht in meine badische Heimat gefahren wäre. Dies war nämlich mit einer routinemäßigen Überprüfung der Spielpläne des Badischen Staatstheaters Karlsruhe und des Festspielhauses in Baden-Baden verbunden. Und was sah ich da: Matthäus-Passion am Karfreitag im Festspielhaus, mit Helmut Müller-Brühl, Kölner Kammerorchester, Dresdner Kammerchor. Da musste ich hin.


    Schon beim Eingangschor war klar, dass die Entscheidung richtig war. Chor und Orchester sangen bzw. spielten verhaltener als in der Rilling-Aufnahme, aber dafür wirkte das Ganze sehr transparent. Und es war natürlich toll, von der 3. Reihe (seitlich) aus zu sehen, wie dezent und doch klar Müller-Brühl die einzelnen Instrumente und Chorgruppen dirigierte. Endlich nahm ich auch die Struktur des Werkes auf: Der Evangelist schildert die Handlung, Solisten und Chor kommentieren, die Gemeinde (in Form eines Chorals) meditiert über das Geschehen. Bachs Instrumentation ist unheimlich abwechslungsreich, einmal spielen nur 2 Flöten, dann nur 2 Oboen, dann nur die Streicher, 2 mal auch mit herrlichem Violinsolo (speziell das erste wurde genial gespielt, von der Chefgeigerin des linken Orchesters, während ich beim 2. Solo das Spiel die Chefgeigerin des rechten Orchesters etwas zu affektiert fand). Direkt vor mir auf der Bühne saßen 2 Herren mit Blockflöten. Der eine hatte nur ein zerknittertes DIN-A5-Papier auf dem Pult liegen. Lange Zeit dachte ich, dass die beiden sich nur mit einem hübschen Trick einen besonders guten Platz für das Konzert ergattert hätten. Aber irgendwann waren sie dran (die genaue Stelle hab ich nicht im Kopf) und spielten so perfekt und schön, dass man meinen könnte, das wäre so geplant gewesen, sie hätten es vorher gar geübt. Im 2. Teil waren sie nicht mehr gesehen. Im Übrigen kam an keiner Stelle der 3 1/2 Stunden irgendwelche Langeweile auf, und das will bei mir was heißen. Kurz zu den Sängern:
    Evangelist (Markus Schäfer): schnitt Grimassen, erzählte sehr lebendig, der war damals mit Sicherheit dabei, anders kann ich mir das nicht vorstellen. Man verstand jedes Wort, der Mann ist klasse, er war mein Favorit an dem Abend.
    Jesus (Reimund Nolte): auch sehr gut, hatte bei mir aber einen schweren Stand gegenüber dem Evangelisten
    Marianne Beate Kielland (Alt): für mich die beste Sängerin des Abends, sehr gefühlvoll
    Johanette Zomer (Sopran): gut, kam aber an die Kielland nicht ran (subjektive Sicht meinerseits)
    Markus Brutscher (Tenor): interessante Stimme, „wie Mann von der Straße“, wirkte sympathisch, bei den technisch schwierigen Stellen hatte ich den Eindruck, dass es auch souveräner gehen könnte
    Thomas E. Bauer (Bass): sang spannend, mitreißend, sehr gut, erinnerte somit stilistisch an den Evangelisten, ohne dessen Gesamtleistung zu erreichen.


    Insgesamt hatte ich den Eindruck dass die Interpretation der Matthäus-Passion von Helmut Müller-Brühl (gibt es auch auf CD von Naxos, mit fast der gleichen Besetzung wie am Karfreitag in Baden-Baden) von hohem künstlerischen Wert ist, auch wenn ich das fachlich natürlich nicht wirklich beurteilen kann. Der Abend war jedenfalls subjektiv genial, und ich fände es interessant, wenn jemand seine Meinung zu den genannten Künstlern bzw. der CD-Einspielung kund tun würde.



    Thomas Deck

    Dazu eine Frage. Was haltet ihr von dieser Aufnahme:



    Diese beiden Klavierkonzerte fehlen mir nämlich noch...



    Thomas Deck


    PS: Eine Zusammenstellung genau dieser beide Konzerte gibt's auch von einer gewissen Annerose Schmidt zusammen mit Kurt Masur...

    Hier meine Wertung:


    Mozart: Figaro (10)
    Mozart: Don Giovanni (9)
    Wagner: Walküre (8 )
    Wagner: Parsifal (8 )
    Wagner: Rheingold (7)
    Wagner: Meistersinger (7)
    Rossini: Barbier (6)
    Puccini: La Bohème (6)
    Bizet: Carmen (5)
    Verdi: Aida (5)
    Verdi: Otello (4)
    Humperdinck: Hänsel und Gretel (3)


    Zauberflöte, Freischütz, Così fan tutte, Die lustigen Weiber von Windsor müssten auch rein, aber ich eh nicht den totalen Überblick habe, kommt's auf diese Ungenauigkeit auch nicht mehr an...



    Thomas Deck

    Meine Aufnahme:


    Orchestre de Chambre de Lausanne unter Antal Dorati
    Jessye Norman (Armida), Norma Burrowes (Zelmira)
    Claes H. Ahnsjö (Rinaldo), Samuel Ramey (Idreno), Robin Leggate (Ubaldo), Anthony R. Johnson (Clotarco)


    Ich vergleiche die Besprechung von Ulrich Schreiber (Opernführer für Fortgeschrittene, Band 1) mit meinen Eindrücken.


    Schreiber schreibt, die Oper entbehre des dramaturgischen Fadens:
    - umständliche und psychologisch unscharfe Rezitative
    - Rinaldo wird am Ende verkündet ("Moral von der Geschicht"), dass niemand seinem Schicksal entgehen könne, wobei aber leider nur Rinaldos Schicksal bekannt sei, das der anderen bleibe im Dunkeln.


    Das kann ich nicht nachvollziehen. Ich finde die Rezitative relativ klar verständlich und ganz sicher nicht umständlich. Der sollte mal Verdi lesen. Die "psychologische Unschärfe" sollte an Beispielen erklärt werden. Mir sind die Beweggründe der einzelnen Personen relativ klar.


    Die von Schreiber zitierte "Moral von der Geschicht" kann ich nirgends entdecken. Wovon redet er??? Dass in einer Oper das Schicksal der beteiligten Personen klar sein muss, ist mir neu. Wo ist denn diese Forderung erfüllt, außer wenn die betreffende Person zufälligerweise am Ende stirbt?


    Der Inhalt dieser Oper ist doch wohl ganz klar der Zwiespalt bei Rinaldo zwischen Pflichterfüllung/Ehre/Ruhm und der Liebe zu einer Frau bzw. der Hingabe zur körperlichen Liebe allgemein (man kennt das auch von Tannhäuser), und das kommt in der Oper relativ klar rüber, wenn auch nicht so spannungsgeladen und formvollendet wie bei Mozart.


    Im zweiten Abschnitt (von leider nur dreien) weist Schreiber auf einige Schönheiten hin. Die Aufzählung ist leider sehr unvollständig (man könnte auch sagen: lieblos). Warum wird z.B. das Schlussduett des ersten Aktes, bei dem selbst ein Laie wie ich 8 unterschiedliche Teile erkennt, nicht analysiert, nicht mal erwähnt? Wenn Schreiber fachlich Ahnung hat, dann erwartet man doch gerade solche Dinge von ihm. Pahlen macht das jedenfalls. Unverzeihlich ist auch, dass nirgends auf die vielen Haydn-typischen Lautmalereien hingewiesen wird (außer in Form von Kritik, das sei nicht "dramatisch"). Überhaupt ist der letzte Akt ein kleines Meisterwerk, fast komplett durchkomponiert. Das einzige Secco-Rezitativ (kurz vor dem Finale) könnte man sogar als dramaturgischen Effekt gelten lassen, da nach dem Höhepunkt (Fällen des Myrtenbaums) erst mal wieder Ruhe einkehren muss.


    Im letzten Abschnitt kritisiert Schreiber nochmal dramaturgische Mängel:


    (1) Idreno hat den Unterhändlern einen Hinterhalt gelegt. Zelmira kritisiert dies. Aber man erfährt nicht, wie die Sache ausgeht, d.h. die Christen kommen trotzdem unbeschadet ins Lager, man würde gern wissen, warum. Hat Zelmira sie tatsächlich gewarnt, wie vorher von ihr angekündigt? Das ist auch in meinen Augen eine kleine Schwäche.


    (2) Man erfahre nichts über die "ideologische Zugehörigkeit" von Zelmira.


    Zu (2): Lieber Herr Schreiber, Sie haben wohl noch keine Vorlesungen am Institut für Frauenforschung der Fachhochschule Kiel gehört, und ein VHS-Kurs "Frauen verstehen für Anfänger" ist unter Ihrer Würde. Daher ein kurzer Crashkurs von mir:
    Für Frauen ist die "ideologische Zugehörigkeit" nicht nicht so wahnsinnig wichtig. Sie streben auch nicht so sehr nach militärischem oder sonstigem Ruhm. Manche, wie z.B. die besagte Zelmira, hängen gar an so altmodischen Tugenden wie Liebe und Mitleid. Zu deutsch: Sie findet es uncool, Leute hinterrücks zu ermorden, selbst wenn es Feinde sind. Mit Frauen kann man echt nicht vernüftig Krieg führen.


    Die letzte Aussage (mit Anführungszeichen umschlossen, der Autor bleibt leider ungenannt) kann ich wiederum akzeptieren:
    Haydn beschreibe mit seiner Musik die aktuelle Situation (ähnlich wie in seinen späten Oratorien), erzeuge aber keine dramatische Spannung.


    Ich werde daher überprüfen müssen, inwiefern z.B. Gluck das besser macht. Nichtsdestotrotz werden zu meinen bisherigen Haydn-Opern ("Lo speziale", "Il mondo della luna", "L'incontro improvviso", "Armida") mindestens noch "Orlando paladino" und "Orfeo ed Euridice" kommen.


    Mit der Aufnahme (siehe ganz oben) bin ich sehr zufrieden, nicht nur die beiden Hauptrollen (Jessye Norman, Claes H. Ahnsjö), sondern auch die restlichen Figuren werden sehr gut interpretiert.


    Überhaupt würde ich mir wünschen, dass auch die Haydn-Opern hin und wieder auf dem Spielplan der Opernhäuser auftauchen. Dabei könnte man die Secco-Rezitative übersetzen, den Gesang aber auf Italienisch belassen. Außerdem sollte man die Zuschauer auf der Homepage des Theaters und im Booklet mit dem Stoff vertraut machen (hier: eine in Musik und Malerei (Bsp.: http://www.artchive.com/artchi…oussin/rinaldo_armida.jpg) vielfach interpretierte Episode aus Tassos "Gerusalemme liberata"). Gegen moderne Interpretationen wäre auch nichts einzuwenden: http://www.operapiccola.de/kritiken.htm



    Thomas Deck

    Weil's gerade zum Thema passt:


    In den letzten Wochen sah ich Don Giovanni auf deutsch und Figaro auf italienisch. Ich bevorzuge zwar immer noch die Originalsprache mit deutschen Übertiteln, habe nun aber festgestellt, dass auch eine deutsche Fassung Vorteile hat und dass bei Aufführungen (egal in welcher Sprache) einige Dinge ohnehin wichtiger sind.



    Don Giovanni, deutsche Fassung, in Hamm (Landestheater Detmold):


    Die deutschen Rezitative klangen nach kurzer Eingewöhnungsphase nicht mehr störend. Sie hatten den Vorteil, dass man wesentlich mehr verstand als bei der italienischen Fassung. Bei den Gesangsstücken sah ich diesen Vorteil nicht mehr: Erstens versteht man da auch im Deutschen nicht viel, zweitens kennt man beim Gesang tendenziell mehr vom Inhalt (wenn auch bei weitem nicht genügend viel), drittens wird beim Gesang tendenziell die Handlung nicht so vorangetrieben wie bei den Rezitativen. Echte Probleme sah ich bei den Stellen, in denen sehr schnell gesungen wird (Champagner-Arie, Leporello hat auch so eine Stelle), da waren die Sänger echt überfordert. Das liegt wahrscheinlich an der Sprache, zumal diese Probleme bei der Aufführung in Gelsenkirchen (s.u.) nicht auftraten, und da waren die Sänger keineswegs besser. Das Finale des letzten Aktes fand ich bei den Detmoldern in Hamm sehr gelungen, trotz der "falschen" Sprache und trotz einigen Kleinigkeiten, die mich vorher gestört hatten.



    Le nozze di Figaro, Originalfassung, MIR Gelsenkirchen:


    Erst mal zu den Mängeln: Im ersten Akt hatte ich - vermeintlich - den perfekten Platz seitlich im Balkon, weit vorne, mit direktem Blick ins Orchester. Die Musik konnte ich so richtig genießen, man sah jedes einzelne Instrument, war übrigens auch gut gespielt (Neue Philharmonie Westfalen, mit weiblichem Dirigent, Cosima Sophia Osthoff). Leider wurden die Sänger oft vom Orchester überdeckt. Also nahm ich nach der Pause einen Platz im Parkett, ich erwischte so ziemlich den besten, den es gab. Das Orchester sah ich dann nicht mehr, aber der Gesang kam etwas besser durch. Leider nur "etwas", weil manche Sänger stimmlich zu schwach waren und/oder zu weit hinten auf der Bühne agierten. Wahrscheinlich muss man da noch an der Akustik feilen, so krass ist mir das nämlich noch nie aufgefallen. Die Übertitel waren hilfreich, wenngleich man sich eine Halsstarre holte, wenn man zu oft mitlas. Es wäre zu überlegen, eine tiefer gelegene Projektionsfläche zu suchen. Manche Sänger artikulierten nicht gut. Susanna (Selma Harkink) war klasse, meine Heldin des Abends. Die Gräfin (Mary Ann Kruger) sang "Dove sono" mit offenem o, das störte. Bei Figaro (Joachim Gabriel Maaß) hatte ich manchmal den Eindruck, er wüsste nicht, was er singt, weil er manchmal die "falschen" Stellen betonte. Ich will jetzt aber nicht ausschließen, dass man nach eingehender Analyse auch seinen Betonungen etwas abgewinnen kann. Insgesamt hatte ich aber schon den Eindruck, dass der/die eine oder andere sich noch etwas eingehender mit der Sprache auseinandersetzen sollte.


    Insgesamt hat mir die Aufführung dennoch gut gefallen. Modern, mit einigen ganz guten Einfällen. In der Schrank-Szene rückt der Graf mit Elektroschrauber und Kettensäge an. Er versucht sie sogar anzuwerfen, aber ohne Erfolg. In Berlin hätte er sie anbekommen, in London hätte er die halbe Bühnenausstattung zersägt, ein mutiger Regisseur hätte ihn auch auf einen der Kontrabässe losgelassen. Der Graf (Günter Papendell) war übrigens stimmlich etwas schwach, dafür aber der beste Schauspieler des Abends. Bei Marcellina und Bartolo hatte ich den Eindruck, sie würden der Musik leicht hinterhersingen. Überhaupt war bei den großen Ensemble-Stellen das Zusammenspiel mit der Orchester nicht gut. Das Gleiche gilt für den Chor. Man hatte den Eindruck, das Orchester sei bestens vorbereitet, es wären aber zu wenige Probestunden zusammen mit Sängern und Chor abgehalten worden. Interessant: Basilio fiel im 2. Akt wegen Fiebers aus. Also wurde die Rolle von einem stummen Schauspieler gespielt und von einem Sänger am Rand der Bühne vom Blatt gesungen. Das klappte! Und machte die Sache zusätzlich sympathisch. Der Beifall am Ende war hochverdient.



    Zusammenfassung:


    Deutsche Rezitative: Möglich, hat Vor- und Nachteile.
    Deutscher Gesang: Hat mehr Nach- als Vorteile. Am Italienischen muss tw. aber noch gearbeitet werden.
    Übertitel: Haben mehr Vor- als Nachteile, sollten aber nicht so weit oben erscheinen.
    Akustik, Orchester vs. Sänger: hier besteht noch Optimerungspotenzial.



    Thomas Deck

    Zitat

    Original von Ulli
    "Laci darem la mano" --> "Reich' mir die Hand, mein Leben"


    Mano heißt "Hand", nicht "Leben". Der italienische Text beginnt mit "Reich" und endet mit "Hand": Das ist eine Versinnbildlichung des ausgestreckten Armes [mit Anfang und Ende], das geht im Deutschen völlig verloren. Im Italienischen wird der Vorgang bzw. die Absicht und der Wunsch herausgestellt,
    :hello:


    Die Frage kommt etwas spät, aber trotzdem:


    Der italienische Text lautet korrekt: "Là ci darem la mano"
    Das heißt wörtlich übersetzt: "Dort uns wir werden geben die Hand"
    Was meinst du jetzt mit "Versinnbildlichung des ausgestreckten Armes"???
    Das "Reich" (bzw. "geben") steht im italienischen Text jedenfalls in der Mitte, nicht am Anfang.


    Davon abgesehen, gefällt mir der italienische Text hier auch bessser. Weiteres siehe im Folgebeitrag.



    Thomas Deck

    Der erste Abend startete mit Verspätung: Erst kurz vor neun kam ich von einer 110-km-Tour zurück. Die Brokkoli-Lachs-Quiche war um halb zehn im Ofen und eine Stunde später fertig. Sie musste aber erst auskühlen, außerdem stand noch die allabendliche Besprechung mit einer wichtigen Persönlichkeit der Berliner Opernszene auf dem Plan. Um 23.45 Uhr war es endlich so weit. Das erste Klavierkonzert von Chopin sollte es sein, die Melodie summte ich beim Einlegen der CD vor mich hin ... hoppla, das ist es ja gar nicht ... vorspulen ... ja, genau, dann eben das zweite:


    Chopin: Klavierkonzert Nr. 2 f-moll
    Krystian Zimerman, Los Angeles Philharmonic Orchestra unter Giulini


    Mit ebendiesem Konzert erlebte ich Zimerman vor ein paar Jahren live in Köln. Genial von A bis Z. Hier die Weine:


    2000 Pernand-Vergelesses 1er Cru Clos Berthet, Dubreuil-Fontaine (Burgund)
    13 % Alk., 15 Euro


    2000 Burkheim Feuerberg Grauer Burgunder Spätlese tr. "SE", Bercher (Kaiserstuhl)
    13 % Alk., ca. 17 Euro


    Der Clos Berthet war wie üblich knochentrocken, leicht mineralisch, auch mit dezenten Kaffeenoten (vermutlich vom Holz) und hatte eine klare Frucht in Richtung getrocknete Ananas. Da stimmte zunächst alles, der Feuerberg sollte es schwer haben. Zum Glück war er von Bercher. Aromatische Nase, Honig, Botrytis (Edelfäule). Im Mund außer den genannten Aromen vor allem Birne. Kräftige Säure, ein Wein mit Biss und Rückgrat und natürlich ohne den geringsten Alterston. Überraschenderweise auch ohne Holz.


    Inzwischen war Zimerman beim 2. Satz, und der ist überhaupt das Größte. Wie kann man sich nur so herrliche Musik ausdenken. Jaja, sicherlich auch „romantisch“, aber wer hier das Wort „Kitsch“ ins Spiel bringt, darf sich auf Post von meinem Anwalt gefasst machen. Den Blasphemie-Paragrafen gibt es immer noch. Zurecht.


    Der Feuerberg kam immer besser in Form, während dem Clos Berthet mit der Zeit die geringe Säure zum Nachteil gereichte. Der Abend ging mit dem 3. Satz von Chopin glücklich zu Ende.


    Für den nächsten Abend hatte ich mich mit Radu Lupu verabredet. Er ist Klavierspieler. Leider passte sein Instrument nicht durch die Haustür meiner Wohnung, also verlegten wir die Sache nach Dortmund ins Konzerthaus. Das Thema Wein musste daher gesplittet werden. Zunächst zwei schöne Gläser Clos Berthet und Feuerberg, dazu ein Viertel der Quiche (die Hälfte vom Vortag war noch da). Der Clos Berthet erschien zunächst bitter, was sich zwar bald legte, aber er wirkte von seiner Art her irgendwie einfacher als der Feuerberg, der sich nach wie vor in guter Form präsentierte.


    Dann also ab nach Dortmund. Schumann stand auf dem Programm, zunächst die Waldszenen. Radu Lupu spielte das völlig abgeklärt. Die Waldszenen kannte ich, das war daher der ideale Einstieg zu den beiden anderen, mir bis dahin noch unbekannten Stücken. Erst die Humoreske. Die klang gar nicht so leicht und harmlos, wie der Titel erwarten läßt, das Stück ist ziemlich lang, und es werden alle möglichen Stimmungen durchlaufen. Muss angeschafft werden. Der Höhepunkt war dann aber die erste Klaviersonate in fis-moll. Das ist ein ganz anderer Schumann, als ich ihn bisher von den Kinderszenen & Co. kannte. Weit ausholend und doch mit Rotem Faden. Vermutlich ein Meilenstein in der Geschichte der Klaviersonaten. Die „Sonatenhauptsatzform“ erkannte ich zwar nicht, aber was soll’s. Radu Lupu spielte abgeklärt, kräftig und gefühlvoll gleichzeitig. Ein Star. Als Zugabe kam die Nr. 1 der Fantasiestücke op. 12. Und dann das Unfassbare: Wir sind noch voll am Klatschen, da machen die einfach das Hauptlicht an, wodurch der Applaus gnadenlos abgewürgt wird. Wollte da ein demotivierter Mitarbeiter 5 Minuten früher zu Hause sein? Welcher Wein war da wohl geplant? Jedenfalls war das eine absolute Respektlosigkeit dem Künstler gegenüber und eine Schande für das Dortmunder Konzerthaus.


    Dennoch fuhr ich beschwingt nach Hause, zumal noch das letzte Viertel der Quiche und zwei schöne Weine warteten. Die Frucht des Clos Berthet manifestierte sich inzwischen als Mirabelle. Der Feuerberg hatte aber nach wie vor die Nase vorn, da war sogar etwas Mineralität wahrnehmbar. „Der bessere Tokay Pinot Gris“ notierte ich. Tokay Pinot Gris ist nämlich die Grauburgunder-Variante im benachbarten Elsass, mir aber meistens zu süß. Der hat dort sogar Grand-Cru-Status, aber da kann das Bercher-Exemplar ganz locker mithalten. Beim Grauburgunder täten die Elsässer gut daran, mal auf die andere Rheinseite zu schauen (natürlich nur bei ausgewählten Erzeugern), was sie z.B. beim Riesling nicht nötig haben.


    Am dritten Tag wollte ich das Klavierthema weiterführen und wählte das von mir bisher unverstandene Klavierkonzert von Schumann (wiederum Krystian Zimerman, dieses Mal mit Karajan). Leider wurde ich immer noch nicht warm damit. Aber man muss nicht alles verstehen, zumal hier das letzte Wort sicher noch nicht gesprochen ist. Der Clos Berthet ging mittlerweile in Richtung Pflaume und zeigte sich am letzten Tag sogar balancierter als der Feuerberg. Alles in allem erscheint folgende Wertung angemessen: Clos Berthet 87 Punkte, Feuerberg 89 Punkte. Sieg für Baden!


    Fazit:


    Der Weinvergleich war zum wiederholten Mal „Äpfel mit Birnen“. Ich bin jetzt endgültig der Meinung, dass Grauburgunder eine eigene Kategorie ist und die badischen Burgund-Herausforderer eher aus Weißburgunder und Chardonnay gemacht werden sollten. Man sollte also den Grauburgunder nach wie vor als Rebsortenwein vermarkten, den „Burgund-Rivalen“ aber als Cuvée ohne Angabe der Rebsorten, damit die Weinlisten nicht so überfrachtet sind.


    Bei der Klaviermusik war es eine hochinteressante Reise von Bekanntem über Neuentdeckungen bis hin zu etwas schwierigerem Terrain. Dargeboten von absoluten Topleuten, teilweise sogar live, was will man mehr...




    Thomas Deck