In einer Liste der bedeutenderen Violinisten des Jazz müßte Grappelli unter den Älteren sicherlich genannt werden. Ihm gehört natürlich das Verdienst, die Zigeunergeigentradition in den Jazz eingebracht zu haben.
Ich würde aber auch unter den Älteren an erster Stelle Ray Nance nennen, der sein Leben lang in den Bands Duke Ellingtons gespielt hat, deswegen vielleicht individuell nicht so im Vordergrund stand, aber viele seiner Soli sind einfach unglaublich vom improvisatorischen Einfallsreichtum bei, verglichen mit den Jazz-Violinisten seiner Generation, herausragendem Können. (Unter denen, die sich ähnlich geäußert haben, sind Perlman, Gidon Kremer, Nigel Kennedy, Billy Bang, Gregor Hübner....)
Und dann war Ray Nance auch noch ein ebenso guter Trompeter, guter Vibraphonist und guter und witziger Sänger und Unterhalter.
In den 60er Jahren ist dann der herausragende Jazz-Violinist des freien Jazz Leroy Jenkins, der von der Blues-Fiddle kommt, aber auch eine beachtliche Könnerschaft erreicht und für unzählige wirklich herausragende Aufnahmen steht. Auch der Pole Zbiginiew Seifert muß hier unbedingt für diese Periode genannt werden. Ebenso Michal White, John Blake, Billy Bang, J. Burnham, die vor allem an Leroy Jenkins anknüpfen.
Im Jazz-Rock sind dann sehr gute Violinisten vor allem Jerry Goodman (The Flock, Mahavishnu Orchestra, Jan Hammer), Jean-Luc Ponty (spielte u.a. bei Frank Zappa; auch die frühen eigenen Platten sind noch sehr gut, danach wird es ziemlich belangloser Fusion, aber zweifellos auch ein brillianter Violinist, der viele beinflußt hat, z.B. Didier Lockwood, Michael Urbaniak).
Heute gibt es eine sehr goße Zahl brillianter Violinisten und Violinistinnen im Jazz in Nordamerika und Europa, aber auch in Israel und dem Libanon, die heute meist eine klassische Konzertsoloviolinisten-Ausbildung haben und häufig auch zweigleisig fahren (Jazz und Neue Musik) oder auch gleichzeitig im Jazz und der Alten Musik-Szene aktiv sind wie z.B. die Barock-Violinistin Maya Homburger.
Viele haben oder hatten heute auch feste Stellen in klassischen Orchestern und sind außerdem in Jazz-String-Trios oder String-Quarteten aktiv (z.B. die sehr guten Violinistinnen im String-Trio of New York, dem Uptown String Trio, dem Turtle Island String Quartet, Massada String Quartet, String Thing......- und es werden immer mehr)
(Auch gibt es heute Streichquartette, die moderne Klassik und Jazz spielen, wie z.B. das Mondrian String Quartet aus Holland.)
Die technische Könnerschaft ist dadurch sicherlich noch gewachsen. Unter den ganz herausragenden, auch hoch-originellen Jazz-ViolinistInnen muß man heute auf jeden Fall Mark Feldman, Jason Hwang, Clara Kihlstedt, Mat Manieri (spielt auch Viola), Dominique Pifarely aus Frankreich, Mads Tollin aus Dänemark und den Deutschen, Gregor Hübner rechnen. Aber es gibt heute wirklich enorm viele, enorm gute Jazz-ViolinistInnen. Wenn ich wieder mehr Zeit habe, kann ich dazu gerne einen Thread machen.
Zur aktuellen Entwicklung gehört übrigens auch, dass zu sehr vielen größeren Formationen wieder ViolinistInnen (und häufig auch CellistInnen) gehören, wie einstmals in der Vor- und Frühgeschichte des Jazz und noch in vielen Swing Big Bands, so heute z.B. im Vancouver Jazz Orchestra (dort vor allem auch eine geniale Bratschistin), im Italian Instabile Orchestra, vielen Big Bands von Giorgio Gaslini, den Formationen um Barry Guy, heute auch dem Willem Breuker Kollektiev und vielen anderen.
Matthias