Ernst Reijseger gibt relativ häufig Solokonzerte. Barbirollis Empfehlung schließ ich mich gerne an. Sie sind immer wieder ein Erlebnis von größter musikalischer Qualität und äußerst unterhaltsam und humorvoll. Reijseger improvisiert in ihnen in der Regel weitgehend frei quer durch alle Jazzstile, aber auch mit Bezügen zur Barock- und zu neuer und zeitgenössischer Musik und zu vielen traditionellen und Weltmusiken. Da kann es auch schon mal passieren, dass er nach atemberaubenden quasi mehrstimmigen Spiel con arco und mit Barrégriffen anschließend das Cello auf den Schoß nimmt und die groovige "Funkgitarre" gibt. Das klingt bei ihm jedoch alles kein bischen nach ekklektizistischem Nebeneinander und Gewaltcrossover, sondern vielmehr ganz organisch.
Kein Wunder, das seine Projekte weitgespannt sind, er mit unzähligen Jazzgrößen zusammengespielt hat und seine Diskographie endlos lang ist. Das meiste ist jedoch bei kleinen Labels herausgekommen und leider nur zu einem winzigen Bruchteil noch zu bekommen.
Seit der Schüler von Anner Bylsma in den 70ern in die Kreise von Misha Mengelberg und Han Bennink geriet, liegt sein Fokus dabei in der Sorte von überwiegend frei improvisiertem Jazz, der die Grundlage der Jazztradition und von kompositorischen Vorgaben nie aufgegeben hat, wenn er auch mit Leuten aus der freien Improvisationsszene ebenfalls viel zusammengespielt hat. In Mengelbergs und Benninks IOC Orchestra hat er viel gespielt und mit beiden zahlreiche weitere geglückte Projeke zum Laufen gebracht.
Die obere von Barbirollis CD-Empfehlung kenne ich noch gar nicht, aber das Duo mit dem von mir überaus geschätzten italienischen Pianisten Franco D´Andrea gehört für mich zu seinen schönsten Aufnahmen. Mit D´Andrea hatte er übrigens auch früher schon häufiger zusammengespielt und es entstanden auch einige weitere schöne Aufnahmen mit mit den beiden und zumeist weiteren italienischen Musikern.
Aber zurück zu seinem Solospiel. Hierfür möchte ich zunächst diese empfehen, auf der auch die Herkunft von Anner Bylsma deutlich herauszuhören ist:
Das Spiel mit u.a. Barockmusikformen zeigt sich hier schon an den Titel. Aber es wird auch hier deutlich, wie weitgespannt seine musikaischen interessen und Vorlieben sind. So könnte das Stück "Cello di Buddha" auch eine Komposition von Scelsi sein, wie er sie etwa für die Bassistin Joel Leandre geschrieben hat. Wohl kein Zufall, dass Reijseger und die französische Grenzgängerin zwischen zeitgenössischer komponierter Musik und freier Improvisation auch häufig zusammengespielt haben.
Nach und nach werde ich weiteres vorstellen.
Matthias