Alles anzeigen27. Juli 2016, Fortsetzung:
Pianisten:
Wir beginnen hier mit einer besonderen Erinnerung:
Karl Klindworth, * 25. 9. 1830 - + 27. 7. 1916, war ein deutscher Pianist, Komponist, Dirigent und Musikpädagoge:
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Heute ist Karl Klindworths 100. Todestag.
Liebe Grüße
Willi
Für alle, die das Brettspiel "Scotland Yard" kennen, eine kleine Analogie: Mister X taucht heute anlässlich eines wirklich denkwürdigen Datums wieder auf - in bzw. wegen London, und stellt zugleich befriedigt fest: Die Detektive haben ihn während seiner längeren Abstinenz nicht geortet, vermutlich auch nicht allzu sehr vermisst.
Der 27. Juli 1916, inmitten des Ersten Weltkriegs, markiert nämlich zusätzlich zu den hier genannten Ereignissen den Tag, an dem eine gewisse Rosemary Brown, damals noch Dickeson, das Licht der Welt erblickte - in einem Londoner Vorort namens Stockwell. Ich müsste mir selbst untreu werden, würde ich nicht zumindest kurz und bündig ihren heutigen 100.* allen "transzendentalen" Taminoanern in Erinnerung rufen wollen.
Diese äußerlich und den Lebensumständen nach schlichte und unauffällige, aber charakterlich vorbildliche und mental selten tiefgründige englische Hausfrau und Mutter zweier Kinder, des 59-jährigen Thomas und der 63-jährigen Georgina, die beide die beispiellose Mission ihrer Mutter unbegreiflicherweise nicht fortsetzen (es lagern irgendwo in britischen Archiven noch zahlreiche unerforschte übermittelte Manuskripte, um die sich offenbar kein Mensch kümmert!!), obwohl jeder von ihnen in Rosemarys Büchern, zuvörderst dem Erstling "Musik aus dem Jenseits", als ebenfalls medial veranlagt und damals direkt involviert beschrieben wurde, eröffnet allen, die aus der charakterlichen Aufrichtigkeit und Integrität als Hauptindiz der Glaubwürdigkeit ihrer mündlichen wie schriftlichen Behauptungen und Schilderungen die richtigen Schlüsse ziehen wollen, zuvor ungeahnte Horizonte. Ich halte dieses Buch in vollem Ernst für eines der allgemein wichtigsten literarischen Werke, die im 20. Jahrhundert erschienen sind, nicht allein, aber in verstärktem Maß, deswegen, weil eine Vielzahl unserer großen Komponisten darin eine tragende Rolle spielen.
Hierkann man Rosemary Brown als special guest in einer - natürlich englischsprachigen - Fernsehshow des kultigen Kreskin von Anfang der 1970er Jahre erleben. Für mich zumindest eine TV-Sternstunde. (Der Auftritt von R. B. beginnt mit der Anmoderation ab min 8:55).
Mit dem zweiten, von mir warm empfohlenen Video , das man auch als VHS-Kassette erwerben kann, soll es aus diesem Anlass sein Bewenden haben - den Rest, die filigrane Feinarbeit, muss dann jeder ernsthaft Interessierte (Alfred: ) selber bewerkstelligen, indem er zumindest das erste, idealerweise alle drei Bücher der musikmedialen Autorin sich zu Gemüte führt (Nr.2 und 3 sind allerdings nur auf Englisch erhältlich).
Zu Karl Klindworth (s.o.) möchte ich Folgendes ergänzen:
Zu ihm, dem bedeutenden Liszt-Schüler und Wagner-Klavierauszügler, braucht man in Reichweite des Bayreuther Festspielhauses i.A. nicht viele Erklärungen abzugeben. Umso pikanter undabsurder mutet es deshalb an, wenn meiner heutigen Google-Recherche zufolge sein runder Gedenktag, bis auf Willis Würdigung hier, dem öffentlichen und insbesondere Bayreuther Vergessen anheimgefallen ist, und das bei laufendem Festspielbetrieb! Dieses richtig peinliche Malheur hätte zu Wolfgang Wagners Ära wohl kaum passieren können.
Denn das hatte dieser im doppelten Sinne große Mann wahrlich nicht verdient, und zwar gewiss nicht primär aus dem Grund, dass er als ihr Stiefvater für die Sozialisation von Winifred Williams, der für die gesamte Wagner-Familie quasi „überlebensnotwendigen“ Mutter des Siegfried-Stamms, überragende geistige Bedeutung besaß, die offenbar noch lange nach seinem Ableben prägend nachwirkte, aber dann durch einen sattsam bekannten Herrn aus Braunau stark und fatal überlagert wurde.
Karl Klindworths musikhistorischer Rang folgt nämlich bereits aus dem Umstand, dass gerade ihm vom Meister, R.W., persönlich die extrem ambitionierte, zentrale Funktion übertragen wurde, von sämtlichen seiner sechs stilistisch voll ausgereiften Opern ("Meistersinger" bis "Parsifal") Klavierauszüge anzufertigen. Es heißt, Wagner habe seinen Bearbeiter dann wegen der hohen klaviertechnischen Anforderungen getadelt, worauf der Gescholtene erleichterte Fassungen erstellte. Wenn das wahr ist, bestätigt es die "Klavierferne" Wagners, der sich nach allen Zeugnissen mehr schlecht als recht auf dieses indirekt ja auch für ihn so wichtige Instrument verstand. Man darf davon ausgehen, dass Schwiegervater Liszt an Klindworths schwereren und daher vermutlich wesentlich originalgetreueren Erstfassungen kein Jota hätte auszusetzen gehabt.
Anscheinend beruhten Klindworthsmit einiger zeitlichen Zäsur sich anschließenden Anfertigungen der Klavierauszüge der früheren Wagner-Opern ("Rienzi" bis "Tristan und Isolde") auf Eigeninitiative, da ihr Erstersteller Gustav Kogel gewesen war, aber sie waren wahrscheinlich mit Cosima und Siegfried Wagner abgestimmt.
Manch anderer an Klindworths Stelle wäre bereits beim bloßen Gedanken an diese unterhalb der Partiturkomposition selbst größte Herkulesaufgabe mutlos geworden und hätte vor der Länge der Werke und vor dem Dschungel der endlosen, klavieruntypischen Melodien kapituliert – nicht so jedoch er. Ein Held gewissermaßen im Stillen, abseits des großen Bühnenpublikums war geboren.
Sicher keiner, den man in der Wagnerstadt Bayreuth von offizieller Seite an seinem 100. Todestag hätte vergessen dürfen.