Beiträge von Dreamhunter

    Die opernfreie Zeit (ich liebe es in Vorstellungen zu gehen, kann mich aber nach wie vor nicht wirklich mit DVDs oder Plattenaufnahmen anfreunden) habe ich dafür genutzt, mich in ein Genre einzuhören, das ich bis vor relativ kurzer Zeit ignoriert habe - Jazz...


    Zu sehr war ich in meiner Jugend (1970er-Jahre) von Free Jazz und Fusion abgeschreckt, auch die Big Bands haben mir damals nicht all zu viel gegeben.


    Und dann fand ich einen YouTube-Kanal - (8) The Jazz Shepherd - YouTube


    Nun, ca. 300 neue CDs/LPs später kann ich wohl sagen, dass ich mich in das Genre eingehört habe! Und meine Bewunderung für die Musiker ist immens gestiegen!!


    Ich kann nur jedem empfehlen sich einige Videos von Dan (dem Jazz-Schafhirten) anzusehen. Sie dauern so zwischen 10 und 50 Minuten. Er stellt nicht nur Musiker, sondern auch Labels for (immer mit Hörbeispielen) und dadurch kam ich zum ersten Mal mit Musikern in Kontakt, die mir bisher nie was gesagt haben - z.B. Kenny Dorham, Illinois Jacquet, Hank Mobley.


    Schwerpunkt liegt auf den Jazz zwischen 1945 (Beginn BeBop) und 1970 (bis später - für mich unhörbarer - John Coltrane). Im Rahmen meiner Suche nach bestimmten Platten stieß ich dann per Zufall (besser gesagt über willhaben.at) auf den Sohn des legendären Wiener Saxophonisten Hans Koller! Hans Koller spielte mit allen Größen des Jazz zusammen, u.a. mit Chet Baker. Wir treffen uns jetzt regelmäßig und ich lerne so viel von den Erzählungen!


    Für alle Jazz-Liebhaber - ich kann diesen Kanal nur empfehlen (bis dato 386 Folgen) - allerdings eine Warnung -> SUCHTPOTENTIAL !!!


    Kurt

    Lieber Dreamhunter, ich glaube, Du hast hier den ersten Opernbericht nach der langen Phase der erzwungenen Abstinenz verfaßt! Schön, wieder von Dir zu lesen! Es grüßt Hans

    Lieber Hans, vielen Dank für die netten Worte. Ja, es hat lange gedauert - aber heute bin ich in der Biexto-Carmen in der Staatsoper und dann noch bis Ende Juni die Neuproduktion von Macbeth, Elektra und vielleicht auch noch Lohengrin..

    Rigoletto_1RIGOLETTO

    Wiener Volksoper, 8.6.2021

    Wiederaufnahme der Produktion aus 2009


    Wer ein gelungenes Beispiel einer Regiearbeit, die einen Opernstoff in die nicht ganz so ferne Vergangenheit transponiert, sehen möchte, dazu solide bis hervorragende Sänger, dem sei ein Besuch des „Rigoletto“ an der Volksoper ans Herz gelegt. Die Premiere dieses Verdi-Klassikers fand vor 12 Jahren statt, für die Produktion zeichneten Regisseur Stephen Langridge, Bühnenbildner Richard Hudson und Lichtdesigner Fabrice Kebour verantwortlich.


    Die Geschichte wurde aus der Renaissancezeit/Mantua in das Rom der frühen 1960er-Jahre transponiert (genauer gesagt in die Cinecittá und Umgebung). Die Inspiration dazu fand man in Federico Fellinis „La Dolce Vita“. Der Duca ist ein Filmstar, Rigoletto sein Garderobier, die „Cortigiani“ Schauspieler und Leute, die am Filmset arbeiten. Es macht alles Sinn und – warum sollte die Hauptperson nicht den Künstlernamen „Duca“ haben (im Jazz gab es ja auch „Duke“ Ellington, „Count“ Basie oder „Lady Day“)?


    Am eindrucksvollsten agierte an diesem Abend Stefan Cerny, der den Sparafucile überzeugend darstellte und einen wirklich schwarzen Bass hat! Er hinterließ einen viel besseren Eindruck als die Sänger, die ich in den letzten Jahren an der Staatsoper in dieser Rolle gehört habe! Chapeau!


    Pavel Valuzhin sang den Duca und hinterließ einen zwiespältigen Eindruck. Er hat eine gut geführte Mittellage, allerdings kämpfte er hörbar mit den Höhen und neigte da zum Falsettieren. Bei diesen Stellen veränderte auch sein Timbre – seine Stimme wurde da wirklich „weiß“. Da ist sicherlich Luft nach oben. Darstellerisch ist ihm nichts anzukreiden.


    Der staatsopernerprobte Boaz Daniel, einer der vielen Rollendebütanten an der VOP an diesem Abend, spielte und sang überzeugend – manchmal erschien seine Stimme fast schon zu groß für das Haus. Gegen Ende der „Cortigiani“ schien es, dass er eine kleine Schwächephase hatte, allerdings war diese dann im darauffolgenden Duett mit Gilda wieder vergessen. Ich bin gespannt, ob sich bei den kommenden Vorstellungen (eine werde ich sicherlich besuchen) mein Eindruck ändern wird.


    Auch Rebecca Nelsen gelang ein mehr als erfolgreiches Rollendebüt als Gilda. Nelsen ist im Juni im Dauereinsatz (am Tag davor sang sie noch die Pamina) und konnte überzeugend die Entwicklung des naiven Mädchens hin zur Liebenden, die trotz ihrer Erkenntnis, dass der Duca ein frauenverachtender Lüstling ist, ihr Leben für ihn gibt, auf der Bühne umsetzen. „Caro nome“ gelang ihr sehr gut – damit war ja auch schon die halbe Miete eingefahren.


    Ich hätte mir von Martina Mikelic in der Rolle der Maddalena etwas mehr Tiefe gewünscht, sowohl was die Darstellung als auch den gesanglichen Ausdruck betrifft. Die Gesangstechnik ist gut, aber unter einer „Figlia dell‘amore“ stelle ich mir schon etwas anderes vor – es kann aber auch damit zusammenhängen, dass Mikelic im Vergleich zu den anderen Sängern extrem groß ist – und sich daher das Zusammenspiel mit Pavel Valuzhin etwas schwierig gestaltete. Trotzdem – unter dem Strich ergab sich eine selten unerotische Darstellung.


    Andreas Mitschke als Graf Monterone hätte bedrohlicher wirken können, Alexandre Beuchat, Kirlianit Cortés und Marco Di Sapia rollendeckende Höflinge. Auch Elvira Soukop als Giovanna machte ihre Sache gut.


    Holger Kristen war für die Einstudierung des Volksopernchors zuständig. Aus dem Orchestergraben klang es teilweise sehr rustikal (was aber unter Umständen auch meinem Sitzplatz zuzuschreiben ist – auch da bin ich auf einen zweiten Eindruck gespannt) – Dirigent Lorenz C. Aichner legte da keinen so großen Wert darauf die lyrischeren Teile der Partitur zu erkunden.


    Alles in allem war es ein Abend, der einen sehr guten Eindruck hinterließ (es sei auch noch erwähnt, dass in der Originalsprache gesungen wurde!) und Lust machte, eine der Folgeaufführungen zu besuchen – in der Hoffnung, dass sich das eine oder andere dann „eingeschliffen“ hat.

    Liebe Taminos,


    ich weiß nicht ob das der richtige Thread ist - aber lässt Euch nicht die Streamings aus der Staatsoper für die nächsten Tage entgehern - sie sind für alle kostenlos..


    Ich selbst war Ende Oktober noch in einer Vorstellung von "Eugen Onegin" - wäre letzten Dienstag noch einmal gegangen und hätte dann einen Bericht schreiben wollen, aber einerseits kam dann der Lockdown in Wien und andererseits der feige Anschlag in Wien dazwischen.


    Nur ganz kurz - er ereignete sich keine 50 Meter von meiner Wohnung und wir haben alles genau mitbekommen. Anfangs dachte ich an ein verfrühtes Sylvester-Feuerwerk, aber dann merkte ich, dass es was anderes sein muss. Ich schaute aus dem Fenster (4.Stock) und sah schon, wie Leute flüchteten. Die Polizei war auch gleich da. Lange Rede kurzer Sinn - vor dem Haus in dem ich wohne war ein enormes Polizeiaufgebot. Gegenüber schrien ein junger Mann und auch ich den Leuten, die in Richtung "Bermudadreieck" gehen wollten, zu, dass sie einen anderen Weg nehmen müssen, weg vom Schwedenplatz (natürlich wussten wir nicht, dass es nur ein Täter war). Ich konnte bis in der Früh nicht einschlafen und nahm mir einen Urlaubstag, hatte dann drei Stunden lang Weinkrämpfe. Besuchte Donnerstag die Stellen, wo die 4 Opfer zu Tode kamen. Sehr bedrückend, viele Kerzen und Blumen, Menschen, die dort auch von anderen gestützt werden mussten. Es ist jetzt ein ganz seltsames Gefühl aus der Wohnung zu gehen und bei jeder Sirene (Rettung, Polizei, Feuerwehr) schrecke ich auf. Meine buddhistische Gruppe findet sich über Zoom-Meeting seit Dienstag zu gemeinsamen Meditationen zusammen - das hilft....


    Entschuldigt bitte, dass ich meine Empfindungen mit Euch teile ..


    Nun die Info zum Staatsopern-Stream ->


    Sehr geehrtes Publikum,


    Wir freuen uns sehr, Ihnen nun weitere Termine unseres Streaming-Spielplans ankündigen zu können. Mit großer Sorgfalt haben wir ganz aktuelle Produktionen wie Eugen Onegin oder Cavalleria Rusticana/Pagliacci mit wahren Schätzen aus unserem Archiven zusammengeführt.

    So gibt es unter anderem ein Wiedersehen mit Publikumslieblingen wie Anna Netrebko oder Elina Garanca in Anna Bolena (vom 2. April 2011), Piotr Beczala und Thomas Hampson in Tosca (vom 17. Februar 2019), Juan Diego Flórez in Roméo et Juliette (vom 1. Februar 2017) sowie in Manon (vom 9. Juni 2019) oder mit unserer spektakulären Produktion von The Tempest aus dem Jahr 2015.

    Die Streams sind in Österreich wie auch international kostenlos auf play.wiener-staatsoper.at verfügbar. Beginn ist jeweils um 19.00 Uhr, die Übertragungen sind in Folge 24 Stunden lang abzurufen.

    Das Programm bis einschließlich 16. November 2020:

    Samstag, 7. November 2020, 19.00 Uhr

    Olga Neuwirth

    ORLANDO (Vorstellung vom 18. Dezember 2019)

    Musikalische Leitung: Matthias Pintscher

    Inszenierung: Polly Graham

    Mit u.a.: Kate Lindsey, Anna Clementi, Eric Jurenas, Constance Hauman, Agneta Eichenholz, Leigh Melrose, Justian Vivian Bond

    Sonntag, 8. November 2020, 19.00 Uhr

    Charles Gounod

    ROMÉO ET JULIETTE (Vorstellung vom 1. Februar 2017)

    Musikalische Leitung: Plácido Domingo

    Inszenierung: Jürgen Flimm

    Lichtarchitektur: Patrick Woodroffe

    Mit u.a.: Juan Diego Flórez, Aida Garifullina, Rachel Frenkel, Carlos Osuna, Gabriel Bermúdez, Dan Paul Dumitrescu

    Montag, 9. November 2020, 19.00 Uhr

    Giacomo Puccini

    TOSCA (Vorstellung vom 17. Februar 2019)

    Musikalische Leitung: Marco Armiliato

    Inszenierung: Margarethe Wallmann

    Mit u.a.: Sondra Radvanovsky, Piotr Beczala, Thomas Hampson, Ryan Speedo Green, Alexandru Moisiuc

    Dienstag, 10. November 2020, 19.00 Uhr

    Péter Eötvös

    TRI SESTRI (Vorstellung vom 18. März 2016)

    Musikalische Leitung: Péter Eötvös / Jonathan Stockhammer

    Inszenierung: Yuval Sharon

    Mit u.a.: Aida Garifullina, Margarita Gritskova, Ilseyar Khayrullova, Eric Jurenas, Boaz Daniel, Clemens Unterreiner

    Mittwoch, 11. November 2020, 19.00 Uhr

    Jacques Offenbach

    LES CONTES D’HOFFMANN (Vorstellung vom 15. September 2019)

    Musikalische Leitung: Frédéric Chaslin

    Inszenierung: Andrei Serban

    Mit u.a.: Olga Peretyatko, Gaëlle Arquez, Dmitry Korchak, Luca Pisaroni, Michael Laurenz

    Donnerstag, 12. November 2020, 19.00 Uhr

    Pietro Mascagni, Ruggero Leoncavallo

    CAVALLERIA RUSTICANA / PAGLIACCI (Vorstellung vom 2. November 2020)

    Musikalische Leitung: Marco Armiliato

    Inszenierung, Bühne & Kostüme: Jean-Pierre Ponnelle

    Mit u.a.: Eva-Maria Westbroek, Brian Jagde, Ambrogio Maestri, Zoryana Kushpler, Isabel Signoret

    Roberto Alagna, Aleksandra Kurzak, Ambrogio Maestri, Andrea Giovannini, Sergey Kaydalov

    Freitag, 13. November 2020, 19.00 Uhr

    Thomas Adès

    THE TEMPEST (Vorstellung vom 24. Juni 2015)

    Musikalische Leitung: Thomas Adès

    Inszenierung: Robert Lepage

    Mit u.a.: Adrian Eröd, Audrey Luna, Thomas Ebenstein, Stephanie Houtzeel

    Samstag, 14. November 2020, 19.00 Uhr

    Jules Massenet

    MANON (Vorstellung vom 09. Juni 2019)

    Musikalische Leitung: Frédéric Chaslin

    Inszenierung: Andrei Serban

    Mit u.a.: Nino Machaidze, Juan Diego Flórez, Dan Paul Dumitrescu, Adrian Eröd

    Sonntag, 15. November 2020, 19.00 Uhr

    Richard Strauss

    ARIADNE AUF NAXOS (Vorstellung vom 23. Oktober 2014)

    Musikalische Leitung: Christian Thielemann

    Inszenierung: Sven-Eric Bechtolf

    Mit u.a.: Soile Isokoski, Johan Botha, Peter Matic, Jochen Schmeckenbecher, Sophie Koch,, Daniela Fally


    Montag, 16. November 2020, 19.00 Uhr

    Gaetano Donizetti

    ANNA BOLENA (Vorstellung vom 2. April 2011)

    Musikalische Leitung: Evelino Pidò

    Inszenierung: Eric Génovèse

    Mit u.a.: Anna Netrebko, Elina Garanca, Ildebrando D’Arcangelo, Francesco Meli, Elisabeth Kulman

    Alle Informationen dazu finden Sie auch regelmäßig auf unserer Website wiener-staatsoper.at

    Kommen Sie gut und sicher durch die nächsten Tage, wir freuen uns auf ein „analoges Wiedersehen“ in unserem Haus.

    Ihr Team der Wiener Staatsoper

    Cabaret


    … wenn es passiert, dass die Intensität des Stückes so groß ist, dass man nicht dazu kommt, die Darbietungen wirklich zu genießen…


    Volksoper Wien, 22.10.2020


    Die Volksoper ist,wie ich schon des öfteren geschrieben habe, das wichtigste Haus in Wien für „klassische“ Musicals. „Cabaret“ fällt, wie auch das parallel gespielte „Sweet Charity“, gerade noch in diese Periode. Schon ein paar Jahre später, beginnend mit „Godspell“ oder „Hair“, änderte sich dann die Instrumentierung – weg vom klassischen Big-Band-Sound hin zu rockigeren Tönen.


    Trotz der Musical-Tradition der Volksoper feierte das Stück erst im Vorjahr seine Wiener Erstaufführung – und dem Leading Team ist da ein großer Wurf gelungen! Regisseur Gil Mehmert, Choreographin Melissa King erweckten das Berlin zu Ende der 20er-Jahre zum Leben, die Kostüme von Falk Bauer sind der Periode entsprechend. Die Bühnenbildnerin Heike Meixner setzte klug die Drehbühne ein, sodass die Szenenwechsel vom Kit-Kat Club zur Pension der Frau Schneider harmonisch und rasch ausgeführt werden können.


    In unseren Breiten wurde das Stück besonders durch die grandiose Verfilmung aus 1972 bekannt – Liza Minelli als Sally Bowles setzte da einen Meilenstein und Joel Grey ist als Conférencier noch immer unübertroffen. Interessant ist, dass für die Verfilmung das Autorenteam John Kander und Fred Ebb noch drei Songs hinzufügten, die in der Bühnenversion nicht vorhanden waren. Die Volksoper entschied sich für eine Produktion in deutscher und englischer Sprache und übernahm vom Film auch das bekannte Lied „Mein Herr“.


    Der viel zitierte „Tanz auf dem Vulkan“ beschreibt die letzten Jahre der Weimarer Republik, in denen, bedingt auch durch die Weltwirtschaftskrise, die Bevölkerung sich dem ganz linken und ganz rechten politischen Lager zuwendete (was man aktuell auch in den USA sehen kann, obwohl es ja dort nicht wirklich ein „linkes“ Lager gibt), gleichzeitig aber nicht daran glaubte, dass die braunen Horden tatsächlich so extrem agierten wie sie sich gebärdeten. Als Beispiel dafür sei in diesem Stück der Gemüsehändler Schulz genannt (unaufdringlich gespielt vom Volksopernboss himself, Robert Meyer), der ja bis zum Schluss die Angriffe auf sein Geschäft verharmlost – so lange, bis es für ihn zu spät ist. Das erinnert auch sehr auf eine Szene des „Ship of Fools“, in der Heinz Rühmann in der Rolle des Julius Löwenthal sinngemäß meint „Was können sie schon mit uns machen? Alle töten?“.


    Oliver Liebl als Ernst Ludwig, ein höherrangiges SA-Mitglied, überzeugte sehr in seiner Darstellung – er beherrschte das Ende des 1.Aktes – die ersten Zeichen der Nazi-Herrschaft schlugen sich auch auf die Applausfreudigkeit des Publikums nieder – die Stimmung war da wirklich gedrückt.


    Die Rolle des Conférenciers ist in diesem Musical eine ganz wichtige, und auch eingedenk des fast übergroßen Schattens von Joel Grey ist es besonders wichtig, hier eine ausdrucksstarke und überzeugende Persönlichkeit zu finden. Dies gelang in dieser Produktion – Ruth Brauer-Kvam ist ein androgyner Marionettenspieler, schauspielerisch und gesanglich herausragend und schwebte de facto als Todesengel über allen anderen Mitwirkenden.



    Die weibliche Hauptrolle der Sally Bowles war bei Bettina Mönch bestens aufgehoben. Sally ist ja nicht wirklich eine Sympathieträgerin, sondern im Prinzip recht rücksichtslos. Das konnte Frau Mönch gut rüberbringen. Gesanglich ließ sie keine Wünsche offen – sie beherrscht die Technik bestens und hat eine echte „Rockröhre“. Der Clifford Bradshow wurde von Jörn-Felix Alt fast etwas zu brav verkörpert, allerdings passte diese Darstellung für einen Schriftsteller recht gut. Dagmar Hellberg setzte als Fräulein Schneider all ihre Routine ein und sorgte auch für die „Berliner Schnauze“ – sie ist die einzige, die nicht hochdeutsch sprechen musste. Sehr gut auch Johanna Arrouas als Fräulein Kost.


    Für die kleineren Rollen sei hier ein Pauschallob ausgesprochen, ebenso für das Orchester der Volksoper Wien unter der Leitung von Lorenz C. Aichner.


    Der Abend war sehr intensiv und machte sehr betroffen. Es ist ein wichtiges Stück in einer großartigen Produktion.

    Das klingt ja wirklich interessant. Ich werde Michael Spyres in einem Monat in Wien als "Roméo" sehen/hören. Was Lawrence Brownlee angeht - er hatte vor Jahren einen Auftritt in Wien im Barbiere - und er hat mich seinerzeit nicht wirklich angesprochen. Allerdings war er in der Met-Übertragung ein paar Jahre später schon viel besser (das war die Cenerentola mit Garanca) - daher werde ich auf jeden FAll in diese Aufnahmen reinhören!


    Danke auf jeden Fall für's aufmerksam Machen !

    Seit vielen Jahrzehnten macht sich die Volksoper um die Akzeptanz der „klassischen“ amerikanischen Musicals verdient. Damit meine ich Werke, die zwischen 1930 und bis Ende der 1960er-Jahre entstanden sind (es war danach ein fließender Übergang zu Musicals und Rock-Opern wie Hair oder Jesus Christ Superstar, auch die späteren Werke von Andrew Lloyd Webber und Konsorten haben ja kein Big-Band-Orchester mehr). Als erste Neuproduktion der Saison stellt die Direktion mit „Sweet Charity“ ein Werk der zweiten Reihe vor, dass der breiteren Masse nur durch den Song „Big Spender“ bekannt sein dürfte.


    Aber auch ohne weitere musikalischen Highlights (vielleicht noch ausgenommen den „Rich Man’s Frug – der allerdings nur zur vollkommenen Entfaltung kommt, wenn man dazu auch tanzt) ist das Werk durchaus interessant. Der Komponist Seymour Kaufmann a.k.a. Cy Coleman verstand es, verschiedenste US-amerikanische und lateinamerikanische Musikstile in diesem Werk unterzubringen. Coleman hatte zwar eine klassische Ausbildung (unter anderem debütierte er als 6-jähriger in der altehrwürdigen Carnegie-Hall), etablierte sich aber später als „Jazzer“ und arrangierte unter anderem auch Werke von Duke Ellington. Von Ragtime über Paso Doble bis hin zu Liedern, deren Instrumentation man eindeutig in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre verorten kann, gelang ihm ein interessanter Querschnitt über eine fünfzigjährige amerikanische Musikgeschichte.


    Speziell die Choreographie des „Rich Man’s Frug“ (Damian Czarnecky) spiegelte den Geist der „Swinging Sixties“ wider – man fühlte sich ins London der Hippie-Ära versetzt (obwohl das Stück in New York spielt – aber diese Art der Hippie-Kultur wird man wohl für immer mit London verbinden). Ein typischer Sound mit leicht psychodelischen Einflüssen, getragen durch das Cordovox (das ist ein elektronisch verstärktes Akkordeon – dieses Instrument gilt als Vorgängerin der berühmten Hammond-Orgel, die dann in den 1970ern unabdingbar für Rockbands wie Deep Purple, Yes oder ELP war, später dann als „Hemmungsorgel“ in der Band von Dr.Kurt Ostbahn im Einsatz) in Verbindung mit Glitzerkostümen (Tanja Liebermann) aus dieser Epoche ergab eine Szene, die man 1:1 in die Austin Powers - Filmreihe übernehmen hätte können.


    Überhaupt nahm der Regisseur Johannes von Matuschka (bewusst oder unbewusst) viele Anleihen aus Produktion der frühen 1970er in sein Konzept mit hinein. So erinnerte eine der ersten Szenen des Abends sehr stark an den Sketch „Ministry of Silly Walks“ von Monty Python.. Der Auftritt des „Daddy Brubeck“ – sehr überzeugend in dieser Rolle Drew Sarich – war der Verfilmung von „Jesus Christ Superstar“ abgekupfert, und zwar eine Mischung aus den Kostümen von „King Herod’s Song“ und Kostümen/Choregraphie von „Superstar“. Daddy Brubeck selbst erschien wie eine Kopie des Frank’n’Furter aus der „Rocky Horror Picture Show“, es wurden ebenfalls Ideen aus „Sweet Transvestite“ und dem „Time Warp“ eingearbeitet.


    Das Bühnenbild und die Videos wurden von fettfilm entworfen. Hinter diesem Namen verbergen sich Momme Hinrichs und Torgen Meller. Sie sind in Wien keine Unbekannten, da sie auch für visuelle Effekte in der aktuellen Walküre-Produktion der Staatsoper zuständig waren. Ich persönlich mag es, wenn das Bühnenbild stark reduziert ist (in diesem Fall war es zum Großteil ein schwarzer Hintergrund, dazu wurden Buchstaben als Möbelstücke integriert, die immer wieder neu angeordnet wurden und verschiedene Wortkombinationen zeigten, die zum jeweiligen Song passten.


    Zum ersten Mal wurde das Stück in deutscher Sprache in 1970 aufgeführt. Für diese Produktion entschloss man sich zu einer Neuübersetzung (Alexander Kochinka). Die Liedtexte sind gut gelungen. Wie auch bei anderen Musicals entschloss man sich aber, den „Signature Song“ – „Big Spender“ – in der Originalsprache zu lassen. Weniger glücklich war ich mit den Prosa-Stellen, die für meinen Geschmack ein wenig zu „Deutsch“ waren – Österreich und Deutschland unterscheiden sich doch ein wenig durch die „gleiche“ Sprache 😉 Es täte außerdem der Aufführung gut, wenn man gewissen Szenen kürzen würde – besonders der 1.Akt zog sich teilweise wie ein Strudelteig…


    Musikalisch lag die Aufführung bei Lorenz C. Aichner in den besten Händen, das Orchester der Wiener Volksoper setzte diverse Anforderungen, die die verschiedenen Musikstile mit sich brachten, bestens um.


    Lisa Habermann in der Titelrolle der Charity Hope Valentine war fast die gesamte Zeit auf der Bühne anwesend und spielte sich die Seele aus dem Leib. Gesanglich war nichts auszusetzen (es ist schwer ein endgültiges Urteil abzugeben – durch das Mikrophon gibt es doch technische Möglichkeiten, eventuelle Mängel auszugleichen). Habermann spielt sympathisch, ihre „Charity“ war teilweise sehr aufgekratzt. Die verletzliche Seite dieser Figur kam aber etwas zu kurz.


    Den gesanglich besten Eindruck hinterließ Julia Koci als Nickie, auch Caroline Frank fiel sehr positiv auf. Peter Lesiak war ein sympathischer Oscar, der auch gesanglich seiner Rolle gerecht wurde. Axel Herrig spielte den Vittorio Vidal „rollendeckend“. Jakob Semotan, der Papageno der Neuproduktion der Zauberflöte, die in den nächsten Tagen Premiere feiert, hatte auch einen Auftritt in einer kleineren Rolle. Alle anderen Darsteller sollen gesamthaft gelobt werden.


    In einem zweiten Durchlauf sollten sich die Verantwortlichen überlegen, die Texte zwischen den Musiknummern zu kürzen – es würde der Produktion guttun. Nichtsdestotrotz war es ein interessanter (und das ist positiv gemeint!) Abend, den man mit etwas Hintergrundwissen der Kultur der 60er/70er-Jahre sogar noch mehr genießen kann.

    Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich dieses Musikdrama derartig packend und immer vorwärtsstrebend musiziert gehört habe wie an diesem Abend. Alexander Soddy setzte immer wieder ganz klare Akzente und das Orchester der Wiener Staatsoper folgte ihm willig. Die Umsetzung aus dem Orchestergraben ließ keine Wünsche übrig und riss das Publikum mit. Besonders beeindruckend (da sich das Reinklatschen in die letzten Takte eines Werkes leider immer mehr breit macht) war die Tatsache, dass nach dem letzten Akkord der Oper einmal einige Sekunden totale Still herrschte, ehe mit „Bravo“-Rufen durchgemischt der Applaus einsetzte.


    Der große Erfolg des Abends war sicherlich zu 80% dem Dirigenten und dem Orchester zu verdanken, allerdings waren auch die Gesangsleistungen (mit ein paar Einschränkungen) durchaus zufriedenstellend.


    Eine kleine Enttäuschung war der Auftritt von Carlos Osuna als Narraboth, dem es einfach an Durchschlagskraft fehlte (obwohl Soddy sehr sängerfreundlich dirigierte) und auch schauspielerisch nicht überzeugte. Margaret Plummer konnte als Page den Selbstmord desselben nicht verhindern, fiel aber positiv – sowohl schauspielerisch als auch vom Gesang her – auf.


    Die meines Erachtens nach beste sängerische Gesamtleistung erbrachte Tomasz Konieczny in der Rolle des Jochanaan. Mit donnernder Stimme und wunderbar wortdeutlich konnte er sich gegen die Orchesterwogen durchsetzen. Sein Timbre ist nicht jedermanns Sache – was ja kein Geheimnis ist, allerdings kann ich mich nicht erinnern, dass an der Staatsoper ein Sänger in dieser Rolle derartig beeindruckend war. Leichte Defizite waren allerdings erkennbar, als er seine Stimme zurücknahm.


    Vincent Wolfsteiner erhielt – zu Recht – bei seinem Solovorhang viel Zuspruch. Es ist interessant in der Rolle des Herodes nicht immer nur Charaktertenöre zu hören, sondern an und ab auch jemanden, der als Heldentenor tätig ist beziehungsweise war. Während in dieser, schon klassischen Inszenierung von Boleslaw Barlog und dem Bühnenbild von Jürgen Rose die meisten Protagonisten die Rolle eher statisch anlegen und sich kaum bewegen, war Wolfsteiner ein extrem agiler Tetrarch, was die Dynamik des Gesehenen unterstützte. Seine Gemahlin Herodias wurde von Marina Prudenskaya dargestellt, die erstmals in Wien auftritt. Auch sie gehörte zu den Positiva des Abends. Die Proben für diese Serie dürften sehr intensiv ausgefallen sein, da ich bei der Personenführung der Herodias viele Kleinigkeiten entdeckte, die bei den letzten Serien nicht zu sehen war. Prudenskaya hat eine technisch sehr sauber geführte Stimme – interessant auch, dass sie immer wieder zu stimmlichen Ausbrüchen neigte, die ich mehr im Verismo verorten würde, allerdings perfekt zu dieser Oper passten.


    Diese Oper kann auch zeigen, wie es um das männliche Ensemble bestellt ist – es gibt insgesamt elf kleinere Rollen, die besetzt werden müssen – und anscheinende ist es die Politik der neuen Direktion, auch ein wirklich kleinen Rollen aktuell erfolgreiche Ensemblemitglieder einzusetzen (im Gegensatz von früheren Besetzungen, wo oftmals „verdiente“ Mitglieder des Ensembles zu hören waren). In einer Woche vom „Belcore“ zum „Zweiten Soldaten“ – so schnell kann es gehen! Clemens Unterreiner hatte naturgemäß damit kein Problem! Einen sehr guten Auftritt hatte Wolfgang Bankl, der als „Erster Soldat“ beeindruckte. Als 1.Jude blieb mir Thomas Ebenstein und als 5.Jude Evgeny Solodovnikov positiv im Gedächtnis haften. Alle anderen Darsteller seien an dieser Stelle pauschal gelobt.


    Last but not least zur Titelfigur – Vida Mikneviciuté. Die Litauerin, ebenfalls eine Debütantin an der Staatsoper hat eine schöne Mittellage. Bei den tieferen Tönen fehlt es noch an Durchschlagskraft und in der Höhe neigt sie schon dazu, die Stimmer unstet erscheinen zu lassen. Figürlich ist sie eine Idealbesetzung für die Rolle (obwohl ich natürlich annehme, dass die historische Salome nicht der Typ der kühlen Blonden war). Der „Tanz der sieben Schleier“ war insgesamt unspektakulär (obwohl da durchaus gut gelungene Interaktionen zwischen Salome und Herodes zu sehen waren) und ist für die Zukunft ausbaufähig. Allerdings wurde das durch die Klänge aus dem Orchestergraben mehr als wettgemacht.


    Es war die dritte Vorstellung in dieser Saison, der ich beiwohnte – und ich war jedes Mal sehr, sehr angetan vom Niveau. Ich hoffe, dass dieses (obwohl natürlich noch Luft nach oben ist) zumindest gehalten werden kann.

    Cari soci,


    vielen Dank für Euer Feedback und besonders an Rüdiger für den interessanten Link zum Artikel über die Carmen-Fassungen! Vieles davon war mir unbekannt.


    @ greghauser2002 - an diesem Abend war das Publikum gut durchgemischt. Zwei Drittel waren sicherlich 60+, allerdings sah ich auch etliche (geschätzte) Mit-40er mit ihren Kindern (bis Ende September hat die Volksoper ein Angebot für Kinder - nur EUR 1,- !! pro Karte), aber auch viele Menschen in ihren 20ern.


    Zur Originalsprache - bei Opern, die auch Sprachpassagen beinhalten, kann ich mir durchaus vorstellen, diese auf Deutsch zu präsentieren, den gesungenen Part aber in Originalsprache zu behalten. Insofern ist die VOP auch (und ich muss sagen Gott Sei Dank!) inkonsequent - bei den Vorstellungen von "Carousel" wurde fast alles auf deutsch gesprochen und gesungen, allerdings "You'll Never Walk Alone" sehr wohl auf Englisch.


    Was die Textverständlichkeit angeht, die auch als Grund für eine Übersetzung angegeben wurde... Nun, ich habe bewusst bei einigen Stellen der Oper die Augen zugemacht, damit ich nicht von den Übertiteln abgelenkt werde und versuchte, das Gesungene zu erfassen. Ich muss sagen, dass ich da vom Text genau nichts mitbekommen habe.. Insofern bleibe ich dabei, dass in diesem Fall die Originalsprache besser gewesen wäre.


    Natürlich gibt es Opern, die man durchaus auf Deutsch spielen kann. Mir fallen hier spontan Werke in tschechischer Sprache ein. Es gibt in unseren Landen nicht so viele Muttersprachler - und ich erinnere mich wie sehr z.B. José Cura mit der Sprache in der Produktion der "Le Villi" zu kämpfen hatte...


    Kurt

    Mein Programm für die nächste Zeit bis Ende Oktober -


    27.09. Konzerthaus Jean Rondeau(Cembalo) - Werke von J.S. Bach und Domenico Scarlatti

    29.09. Staatsoper Liederabend Jonas Kaufmann mit seinem Programm "Selige Stunde"

    06.10. Staatsoper Salome

    07.10 Staatsoper Don Carlos (franz. Fassung in der Konwitschny-Inszenierung)

    12.10 Volksoper Sweet Charity

    21.10 Staatsoper Don Pasquale

    22.10. Volksoper Cabaret

    26.10 Staatsoper Die Entfühung aus dem Serail

    28.10. Staatsoper Eugen Onegin

    Die Produktion „nach“ Guy Joosten (Inszenierung) im Bühnenbild von Johannes Leiacker ist konventionell, die Geschichte wird erzählt (warum ein Kind des Chores mit einem Skateboard herumläuft und sich zum Ende des 1.Aktes Carmen von Moralés anstatt von Don José losreißt kann ich zwar nicht nachvollziehen, aber das ist nur eine Randbemerkung). Alles ist etwas düster, kein Vergleich zur Zeffirelli-Inszenierung an der Staatsoper. Trotzdem ist es dem Regieteam sehr gut gelungen, die Massenszene zum Beginn des 4.Aktes gut umzusetzen, ohne die Bühne zu bevölkern. Weniger Stühle wären auch ein Plus gewesen, das Hin- und Hergerücke im 1.Akt störte doch sehr (aber so war zumindest der Chor beschäftigt). Dass die Requisiten von Männern, die einen Mund-Nasen-Schutz trugen, bewegt wurden – das war wahrscheinlich ein dem Covid 19 – Virus verschuldeter Gag. Im Vergleich zu Staatsoper wurden auch einige Stellen gestrichen (zum Beispiel im 2.Akt die Ballettszene), das fällt aber nicht ins Gewicht.


    Mit der Entscheidung der Verantwortlichen diese Produktion nicht in der Originalsprache, sondern auch Deutsch aufführen zu lassen, hat man niemanden etwas Gutes getan, am wenigsten den ausführenden Künstlern. Die französische Sprache hat eine ganz andere Sprachmelodie also das doch etwas harte Deutsch – und schmerzlich merkte man, dass Musik und Sprache überhaupt nicht zusammenpassten. Alles Sänger taten sich schwer damit und so ist es auch schwierig ein objektives Urteil über die Leistungen zu fällen. Es war so, als ob ein Sprinter beim 100m – Lauf mit einer Betonmanschette auf einem Fuß antreten musste. Dadurch wurde auch der Hörgenuss des Publikums beeinträchtigt, und dass es schwer ist, für solche solitären Produktionen Gäste zu gewinnen, steht auch außer Frage. Wer möchte sich schon die Arbeit antun, für vielleicht 4-5 Auftritte einen komplett neuen Text zu lernen? Durch die Übertitel ist es jedem möglich, den Text zu verfolgen – und von einem Opernbesucher kann man doch annehmen, dass er/sie in der Lage ist zu Lesen… Und wenn wir schon dabei sind – da könnte man auch den ORIGINALTEXT miterleben anstatt einer deutschen Übersetzung (in diesem Fall von Walter Felsenstein), die oft gar nichts mit dem Original zu tun hat. Ein Beispiel – in Carmens Auftrittsarie „L'amour est un oiseau rebelle“ wird das Wort „Zigeuner“ nie erwähnt (wenn man jetzt auch vergisst, dass dieser Ausdruck in Zeiten wie diesen politisch unkorrekt ist). Also – cui bono ?!???


    Ich entschuldige mich bei den Lesern für mein Abschweifen, aber ich denke, es sollte einmal gesagt sein.


    Die Vorstellung wurde von Anja Bihlmaier am Pult geleitet. Subtilität war ihre Sache nicht – das Orchester der Wiener Volksoper folgte ihren Anweisungen folgsam. Entzückend sang und spielte der Jugendchor und Kinderchor der Volksoper Wien, der übrigens nach Ende der Vorstellung den größten Applaus erhielt. Ein Lob auch an den Chor der Volksoper Wien.


    Als Carmen konnte Zoryana Kushpler, langjähriges Ensemblemitglied im Haus am Ring, darstellerisch absolut überzeugen. Es gelang ihr, die laszive und selbstbewusste Frau sehr gut zu verkörpern. Ihr slawisch klingender Mezzo hat ihre Stärken in der Mittellage und in den unteren Registern – ansonsten kann ich nicht wirklich ein endgültiges Urteil fällen, zu sehr hindert der deutsche Text die Entfaltung der Melodiebögen. Für die Künstlerin ist es sicherlich ein Genuss einmal im Mittelpunkt einer Aufführung zu stehen – was man ihr eindeutig anmerkte!


    Don José – nun, da gibt es zu berichten, dass es schön wäre, wenn man sich auf eine gemeinsame Aussprache des Namens einigen könnte. Micaela sprach über ihn als „Don Schosé“, andere benutzten „Don Chosé“ – das ist vielleicht eine Kleinigkeit, ich empfand das aber doch als störend – vielleicht findet man eine Lösung für die nächsten Vorstellungen. Für Mehrzad Montazeri ist der José stimmlich eine Grenzpartie – vielleicht hatte der Künstler nicht den besten Abend, doch es fiel auf, dass er bei den exponierten Stellen seine Stimme immer mehr zumachte – die Anstrengung fiel auf. Eine sehr schöne Mittellage zählt zu den positiven Seiten. Darstellerisch überzeugte er in den Eifersuchtsszenen, aber im 1.Akt hielt er sich sehr zurück, er wirkte wie ein schüchterner Bub. Dass er plötzlich für Carmen entflammt war eher unglaubwürdig.


    Eine der dankbarsten Rollen im Repertoire eines lyrischen Soprans ist die der Micaela – das junge Mädchen ist eine absolute Sympathieträgerin, der Bizet im 3.Akt eine wunderschöne Arie geschrieben hat – der an diesem Abend durch die deutsche Übersetzung (und ja, ich weiß, dass ich mich wiederhole) viel an Wirkung genommen wurde. Anja-Nina Bahrmann stellte die Micaela sehr glaubhaft dar.


    Alik Abdukayumov gastiert sei 10 Jahren immer wieder an der Volksoper und verkörperte wieder den Escamillo. Er sang ihn zufriedenstellend (entre nous – gab es seit Samuel Ramey einen Sänger, der in dieser Rolle mehr als zufriedenstellend war) und war auch ein Opfer der fürchterlichen Übersetzung.


    Als Schmuggler agierten rollendeckend Elisabeth Schwarz (Frasquita), Manuela Leonhartsberger (Mercédès), Karl-Michael Ebner (Remendado) und Marco di Sapia (Dancairo). Alexandre Beuchat als Moralès legte eine Talentprobe ab und verblüffte mit einem gelungenen Sprung über einen Stuhl. Positiv fielen auch Maximilan Klakow als Zuniga und in der im Vergleich zur Staatsopernproduktion aufgewerteten Rolles des Lillas Pastia Georg Wacks auf.


    Es war ein interessanter Abend, das Publikum war zufrieden – und ich möchte auch betonen, dass wir in Österreich uns glücklich schätzen können, dass die Theater (wenn auch eingeschränkt) wieder offen sind.

    Die aktuelle Produktion der „Regimentstochter“ ist seit 2007 im Repertoire und hat seitdem nichts an Charme verloren. Laurent Pelly (Inszenierung und Kostüme) und Chantal Thomas (Bühnenbild) erarbeiteten gemeinsam mit den drei Hauptdarstellern der Premiere, Juan Diego Flórez, Nathalie Dessay und Carlos Álvarez, eine vergnügliche Interpretation des Meisterwerkes von Gaetano Donizetti, die sich selbst nicht immer ganz ernst nahm und eben dadurch für viel Schmunzeln im Publikum sorgte.


    Von der Premierenbesetzung war an diesem Abend Carlos Álvarez dabei, der als Sulpice nicht nur in Wien, sondern auch an anderen Häusern für viel Lachen sorgt. Er war an diesem Abend in hervorragender Verfassung, ich denke sogar, dass ich ihn in dieser Rolle noch nie so überzeugend gehört habe.


    Meine letzte Begegnung mit der Darstellerin der Titelrolle, Jane Archibald, war am Tag genau vor 11 Jahren, als sie noch, als Ensemblemitglied engagiert, die Aminta in der „Schweigsamen Frau“ spielte. Seither hat sie eine beachtliche internationale Karriere hingelegt. Ihre Stimme ist gewachsen, sie war eine überzeugende Marie (die erste, die auch schauspielerisch an Dessay herankam). Mein Einwand ist der, dass sie (besonders im ersten Akt) ein wenig zum Tremolieren neigt.


    Was das Schauspielerische angeht wäre noch zu bemerken, dass offensichtlich sehr genau geprobt wurde – es waren kaum Änderungen im Vergleich zur Premierenserie zu bemerken. Die Inszenierung war ja auf Dessay und Flórez zugeschnitten – Archibald und (besonders) Camarena sind vom Körperlichen nicht mit dem Ursprungspaar zu vergleichen, kamen aber fast an diese heran.


    Der „Star“ des Abends war aber sicherlich Javier Camarena, dem das begeisterte Publikum sogar eine Wiederholung von „Ah mes amis“ abgerungen hat. Er hat eine bombensichere Höhe, ein wunderbares Timbre und eine grundsympathische Ausstrahlung. Die technisch viel anspruchsvollere Arie im 2.Akt sang er mit viel Einfühlungsvermögen – eine ganz kleine Unsicherheit sei verziehen. Er ist wahrlich einer der beiden Top-Sänger im Belcanto-Fach. Dass man schon leicht metallische Anklänge in seiner Stimme findet, sei auch bemerkt.


    In der Rolle der „Marquise de Berkenfield“ findet Donna Ellen, eine der „Überlebenden“ des Kahlschlages des vorigen Ensembles, ihre aktuell beste Rolle, in der sie die Erfahrung ihrer Karriere ausspielen und -singen kann. Eine hervorragende Diktion und ein akzentfreies Französisch gesellten sich zu einer charmanten und liebenswürdigen Darstellung. Ihr armer Hortensius lag bei einem anderen langjährigen Ensemblemitglied, Marcus Pelz, in bewährten Händen.


    Ein besonderes Lob ist auch an den Dirigenten Evelino Pidó auszusprechen – wie kaum ein anderer gelingt es ihm, das Orchester der Wiener Staatsoper dazu zu bewegen, auch in Belcanto-Opern sein Bestes zu geben. Richtigerweise wurde er beim Schlussapplaus auch mit „Bravo“-Rufen bedacht (man soll ja nicht „Bravo“ rufen, aber die Leistung – auch die von Archibald und Camarena, forderten diese Rufe heraus!!!). Der Chor der Wiener Staatsoper, hervorragend einstudiert von Martin Schebesta, ist ebenfalls auf der Habenseite zu verbuchen.


    Leider muss aber auch von einem veritablen „Flop“ berichtet werden. Warum man Maria Happel als „Herzogin von Crakentorp“ verpflichtete, das weiß höchstwahrscheinlich nur das Besetzungsbüro. Schon früher waren die Auftritte dieser Herzogin leider immer ein „Showstopper“ im negativen Sinne und unterbrachen den Fluss der Aufführung, auch wenn man da Weltstars wie Kiri Te Kanawa oder Montserrat Caballé im Spätherbst ihrer Karrieren noch einmal auf der Bühne erleben durfte. Aber warum eine Schauspielerin, die sich an einem Chanson von Edith Piaf (Milord) versuchen durfte? Noch dazu mikrofonverstärkt?? Wenn man sich auch ein wenig mit dem Ausdruck einer Piaf oder der am Tag der Vorstellung verstorbenen Juliette Greco beschäftigt hat weiß man, wie viele Lichtjahre in der Qualität der Interpretation von Happel und diesen Legenden liegen. Obwohl das Publikum doch viel Applaus spendete – ich fand dieses Intermezzo störend (war irgendwie wie der Überraschungsgast bei der Sylvester-Fledermaus).


    Von dieser Dissonanz aber abgesehen war es ein vergnüglicher Abend auf sehr hohem Niveau. Wer dieses Werk noch nicht gesehen hat oder noch einmal sehen möchte – es steht bis Ende September noch zwei Mal am Programm (und es sollte kein Problem sein zumindest einen Stehplatz zu bekommen – gestern befanden sich gezählte 15 Stehplatzbesucher auf der Galerie…)

    Eine neue Saison, eine neue Direktion, viele neue Stimmen (an die man sich in Zukunft gewöhnen muss) und eine „neue Altproduktion“.


    An diesem Abend also die 4.Aufführung der neuen „Madama Butterfly“, die die Produktion von 1957 ablöste. Und vorweg – wenn die weiteren neun angekündigten Neuproduktionen szenisch das gleiche Niveau mit sich bringen, dann können alle unheimlich froh sein!


    Der schon verstorbene Anthony Minghella bracht schon vor mehr als einem Jahrzehnt diese Inszenierung in London, New York und Vilnius heraus – und ich kann jetzt schon sagen – möge diese Sicht auf das Schicksal der Cio-Cio-San“ ein ähnlich langes Leben haben wie diejenige, mit dem das Wiener Opernpublikum über 60 Jahre lang glücklich und zufrieden war.


    Han Feng ist für die farbenprächtige Kostüme verantwortlich, die japanisch angehaucht sind (jetzt auf Details einzugehen, was nicht ganz 100%ig stimmt ist meines Erachtens nicht angebracht). Nicht ganz einverstanden bin ich mit der Phantasieuniform des Herrn Pinkerton…


    Die Witwe von Minghella, Carolyn Choa, hat auch in Wien Regie geführt. Ein extrem zurückgenommenes Bühnenbild (Michael Levine), das vor allem aus einem schwarzen Raum besteht (an der Bühnendecke ist ein Spiegel fixiert, der dem Publikum im Parkett eine ungewöhnliche Perspektive ermöglicht – leider von der Galerie nicht einsehbar…) ermöglicht die Fokussierung auf die Darsteller. Shoji-Türen werden immer dazu verwendet um den An- und Abtransport der wenigen Requisiten zu verdecken. „Bunraku“-Elemente waren schon in der aktuellen Produktion des „Tristan“ im Einsatz – es ist ein Puppentheater, wo die Puppen von schwarz gekleideten Menschen geführt werden (und die für den Besucher daher als unsichtbar zu gelten haben. Ein ähnliches Phänomen gab es ja auch im europäischen Theater des 18.Jahrhunderts – eine Verkleidung auf der Bühne, auch wenn sie nur ganz dezent angedeutet wird, muss sowohl für den Besucher als auch für den zu täuschenden Bühnencharakter als perfekt angesehen werden – als Beispiel dafür möchte ich „Cosi Fan Tutte“ erwähnen).


    Die Geschichte der Butterfly wird auf dankenswerter Weise so erzählt, wie sie geschrieben wurde – ergänzt um Tanzeinlagen zu Beginn des ersten und dritten Aktes (SolotänzerInnen – Tom Yang und Hsin-Ping Chang). Besonders die Tanzeinlage im dritten Akt kann so aufgefasst werden, dass Cio-Cio-San einen Wachtraum hat und ihr zukünftiges Schicksal, das sich ja am gleichen Tag erfüllen wird, vorhersieht. Eine wunderbare Ästhetik der Bewegungen und der Einbeziehung der Cio-Cio-San – Puppe…


    Ich bin bei meiner Rezension vom Februar 2020 ein wenig auf die historischen Hintergründe und ihren noch immer aktuellen Bezug der Handlung eingegangen – aber jedes Mal macht mich der Beginn der Oper, als Pinkterton und Sharpless plaudern, derartig zornig, dass für die nächsten Minuten die Musik fast nebensächlich ist. Dieses menschenverachtende Gehabe der beiden Amerikaner ist leider in weiten Teilen auch im 21.Jahrhundert noch gegeben. Natürlich nicht alle, aber wenn man an den aktuellen POTUS und seine Anhänger denkt, muss das einem schon bewusst sein. Ich bin 100% sicher – Pinkerton würde Trump wählen.


    Wie sah es musikalisch aus? Ich schätze Philippe Jordan sehr, gelingt es ihm doch bei seinen Einstudierungen immer wieder auf zu viel sentimentale Klänge aus dem Bühnengraben, der wie immer vom Orchester der Wiener Staatsoper besetzt war, zu verzichten. Positiv in Erinnerung bleibt bei mir in Erinnerung die Produktion von „Werther“. An diesem Abend hat er es aber für meinen Geschmack ein wenig übertrieben – es klang ein wenig distanziert. Diesen Eindruck hatte ich auch von der Darstellerin der Hauptrolle, von Asmik Grigorian. Sie war vor ein paar Jahren DIE gefeierte Salome in Salzburg und ist eher ein dramatischer Sopran. Man nahm ihr das Alter von 15 Jahren, die die Bühnenfigur hat, eigentlich nie wirklich ab, auch die Naivität wurde durch das doch selbstbewusste Auftreten konterkariert.


    Allerdings spielte und sang sie absolut glaubwürdig, wenn es um das Schicksal ihres Kindes ging.


    Das waren auch die stärksten und berührendsten Momente des Abends – und mit ein Grund die perfekt umgesetzte Idee, dieses Kind nicht in „Echt“ auf die Bühne zu stellen, sondern de facto zu abstrahieren und als Puppe von drei Puppenspielern (Eugenijus Slavinskas, Valentin Alfery, Emil Kohlmayr) zum Leben zu erwecken. Was diese drei Künstler an Emotion und Magie produzieren konnten – unglaublich. Die Puppenregie & Puppendesign stammen vom Blind Summit Theatre / Mark Down & Nick Barnes. Ein genialer Entwurf, perfekt durchgeführt bis zum Schlussvorhang. Schwer zu beschreiben – das muss man selbst vor Ort erlebt haben!


    Virginie Verrez blieb im Vergleich zu anderen Interpretinnen der Suzuki der letzten Jahre relativ blass (vor 13 Jahren konnte da Elisabeth Kulman eindeutig mehr Akzente setzen). Freddie De Tommaso hat eine sichere Höhe und gut geführte Stimme, dass er ein wenig hölzern wirkte ist vielleicht der Personenregie zu verdanken. Auch er ist neu im Ensemble – ein ungeschliffener Edelstein, der noch einiges zu lernen hat und an Ausstrahlung gewinnen muss.


    Einige Mitglieder des Opernstudios dürfen in dieser Produktion auch Bühnenluft schnuppern – die interessanteste Stimme für mich ist die des Stefan Astakhov (Yamadori), des weiteren fungierten Patricia Nolz (Kate Pinkerton) und Michael Rakotoarivony (Kaiserlicher Kommisär) als Stichwortgeber.


    Andrea Giovannini hatte besonders im 1.Akt als Goro die Möglichkeit, sein vorhandenes Potential anzudeuten, Evgeny Solodovnikov (Bonze) hinterließ keinen besonderen Eindruck (das Kostüm ja…).


    Unterstützt wurde die Aufführung vom Chor der Wiener Staatsoper unter Martin Schebesta , dem Bühnenorchester der Staatsoper und dem Europaballett St.Pölten.


    Insgesamt kann man von einem sehr gelungenen Abend sprechen, der Lust auf mehr machte.

    Liebe Mit-Taminos - ich habe kein entsprechendes Forum für Musical-Rezensionen gefunden, daher habe ich "Gestern in der Oper" (was ja sowieso stimmt) gewählt....


    Mit über 400 Vorstellungen ist dieses Musical von Cole Porter nach dem Buch von Samuel und Bella Spewack eines der meistgespielten Stücke dieses Genres an der Wiener Volksoper. Die zu rezensierende Vorstellung war die 49. der aktuellen Inszenierung, die 2012 ihre Premiere feierte. Wie in diesem Haus üblich, wird nicht in der Originalsprache gesungen, sondern es wurde die Übersetzung von Günter Neumann aus den 1950er-Jahren herangezogen – allerdings in einer Neufassung von Peter Lund.


    Cole Porter war nicht nur für die Musik, sondern auch für die Gesangstexte zuständig – und diese Text sind ein Kind der Entstehungszeit dieses Stückes, das in den späten 1940er-Jahren seine Premiere feierte. Ob in der heutigen Zeit, die von den Hohepriestern der Political Corectness geprägt ist, die eine oder andere Textzeile überhaupt noch möglich wäre – das wage ich fast zu bezweifeln – ein Beispiel des Originaltextes (in der Übersetzung noch einmal eindeutig zweideutiger..) aus „Where is the life that I lead? „


    “And lovely Lisa, where are you, Lisa?

    You gave a new meaning to the leaning tow’r of Pisa”


    Überhaupt erscheint die Handlung in Zeiten wie diesen unglaublich sexistisch (und nichtsdestotrotz erfreue ich mich immer wieder an dem Zeffirelli-Film der Widerspenstigen Zähmung mit Liz Taylor und Richard Burton immer wieder auf’s Neue – Bad Me !!!)


    Zum besseren Verständnis des Stückes hilft es, wenn „The Taming of the Shrew“ von Shakespeare geläufig ist (ansonsten wird es vielleicht schwer verständlich sein, wenn in der letzten Szene Katharina ihre Schwester insofern maßregelt, dass sie ihrem Gatten gefälligst untertänig zu dienen hat).


    Immer wieder kommt in dieser Bearbeitung auch das „Wienerische“ nicht zu kurz, was beim Publikum sehr gut ankam. Durch Covid-19 wurden naturgemäß starke Sicherheitsvorkehrungen getroffen, die Besucher hielten sich vorbildlich daran. Es bleibt zu hoffen, dass man zumindest ab 2021 wieder in den Genuss eines vollen Hauses kommen kann.


    Die Produktion ist schwungvoll, die Kostüme von Sue Blane sehr bunt, das Bühnenbild von Friedrich Eggert zeigt ein stilisiertes Padua und kostet die Möglichkeiten der Drehbühne voll aus, auch die Choreographie von Alonso Barros ist sehr gut gelungen. Bernd Mottl hat – im Gegensatz zur ziemlich misslungenen Vorgängerproduktion eine zeitgemäße Interpretation des Stückes geschaffen.

    Ursula Pfitzner überzeugte einmal mehr als temperamentvolle Lilli Vanessi/Kate, bombensichere Höhen und sie hat auch die Technik für den Musicalgesang. Ihr Fred/Petruchio wurde von Andreas Lichtenberger dargestellt, der mit einem wohltimbrierten Bariton überzeugte und nur beim allerletzten, etwas hohen Ton bei „Wo ist der Mann, der einst ich war“ zu kämpfen hatte, diesen Kampf aber schlussendlich doch gewinnen konnte. Man glaubte diesem Fred auf jeden Fall, dass er auch anderen Frauen durchaus nicht abgeneigt ist.


    Als Buffo-Paar erlebte man die in diesem Fach immer wieder erfolgreiche Juliette Khalil (Bianca/Lois Lane), die ihr Talent wieder zur Geltung brachte, und Peter Lesiak als Bill Calhoun/Lucentio . Wolfgang Gratschmaier war ein spielfreudiger Harry Trevor/Baptista und Thomas Sigwald ein überzeugender Harrison Howell.


    Einer der vielen Evergreens von „Kiss Me Kate“ ist auf jeden Fall „Es ist viel zu heiß“ – ein Stück, das komplett außerhalb der Handlung stattfindet, aber ein toller Beginn nach der Pause ist. Martin Bermoser hatte hier seinen großen Moment, auch ansonsten spielte er den Garderobier Paul mit viel Einsatz und Humor. Elvira Soukop gab als Hattie ihr Rollendebüt.


    Für viel Heiterkeit im Publikum (auch dank des wienerischen Zungenschlags) sorgten die beiden Ganoven Christian Graf und Jakob Semotan, die zusätzlich noch das Gustostückerl „Schlag nach bei Shakespeare“ performen konnten. Viel Applaus zum Schluss für beide Darsteller.


    Oliver Liebl und Jeffrey Terganza waren als als die zwei Freier besetzt und Georg Wacks komplettierte die Besetzung als Inspizient. Orchester, Chor und Komparserie der Volksoper und das Wiener Staatsballett trugen ihren Teil zum großen Erfolg des Abends bei, ebenso Dirigent Guido Mancusi. Man ist schon gespannt auf weitere Musical-Abende im Haus!


    Anbei noch ein Photo vom Schlussapplaus


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    Bereits zum 52. Mal stand die Produktion von Andrei Serban und Peter Pabst am Spielplan und hat sich recht gut gehalten – wenn man es mit den Videoaufnahmen der Premierenserie vergleicht, in der seinerzeit Anna Netrebko die Titelrolle gesungen hat. Aber auch nach 10+ Jahren muss man feststellen, dass dem Regisseur in punkto Choreographie des Chors absolut nichts eingefallen ist (und diesen – immerhin war er da konsequent – in den Orchestergraben gepfercht hat). Das sinnbefreite Herumgehopse zu Beginn des ersten Aktes erzürnt mich noch immer. Ich halte aber der Produktion zu Gute, dass die Geschichte erzählt wird und die Verlagerung des Geschehens in die 1930er Jahre gut gelungen ist.


    Das Staatsopernorchester war in den bewährten Händen von Frédéric Chaslin, der ja schon etliche Serien dieser Oper in Wien dirigiert hat. Das französische Fach – welch Wunder ? – liegt ihm und er war ein sensibler Begleiter der Sänger.


    Vor sechs Jahren sprang Jean-Francois Borras als Chevalier Des Grieux erfolgreich ein (seine Partner war damals Patricia Petibon), dieses Mal war er „gesetzt“ und seine Vorstellung war auf jeden Fall der Glanzpunkt des Abends. Neben einer klaren Diktion bringt er auch die Technik mit, die das französische Fach so „besonders“ macht. Sowohl bei den Stellen, die viel Gefühl verlangen, als auch dann, wenn er entsprechend in Richtung „spinto“ gehen musste, war er absolut sicher. Unüberhörbar hatte sich seine Stimme in den letzten Jahren weiterentwickelt und er gehört nach meiner Ansicht aktuell sicherlich zu den führenden Tenören in dieser Rolle.


    Zum ersten Mal tritt in dieser Vorstellungsserie die Amerikanerin Ailyn Pérez auf, die schon auf eine erfolgreiche internationale Karriere zurückblickt. Ihre Stärke liegt eher im dramatischen Bereich, bei den lyrischeren Passagen irritiere ein etwas nasaler Ton. Vom schauspielerischen her war sie absolut top. Was etwas verwundert ist, dass – egal welcher Typ eine Darstellerin nun ist – die Sänger in die Kleider der Darstellerinnen der Premierenserie gesteckt werden, ob sie jetzt vom Typ her dafür geeignet sind oder nicht. Die Perücke, die in den Akten vier und fünf von der Manon getragen werden müssen, passt sehr gut zu Anna Netrebko, allerdings so nicht zu Ailyn Pérez… Ebenfalls ein „Opfer“ war auch Svetlina Stoyanova, deren Kleid farblich zu ihrem Typ furchtbar unpassend war. (Ja, ich weiß, das mögen Kleinigkeiten sein, aber wenn man die Produktion schon oft gesehen hat, kann man sich auf sowas auch konzentrieren…)


    Bleiben wir gleich bei Svetlina Stoyanova (Javotte). Gemeinsam mit der immer jugendlichen Ileana Tonca (Poussette) und der Rollendebütantin Szilvia Vörös (Rosette) war sie ein Teil des liderlichen Frauentrios. Alle sangen und spielten tadellos – und an diesem Abend mussten sie auch nicht alle Blödheiten mitmachen, die ursprünglich von der Regie vorgesehen waren.


    Ein eingespieltes Team in dieser Produktion sind Thomas Ebenstein (Guillot de Morfontaine) und Clemens Unterreiner (Brétigny). Sie verstehen sich blind auf der Bühne, haben in all den Jahren die Rollen geprägt und waren ein großes Plus an diesem Abend. Orhan Yildiz als Lescaut war vom Schauspielerischen ebenfalls sehr präsent. Im ersten Akt wirkte er aber überzeugender als gegen Ende des Abends – da fehlte es etwas an Durchschlagskraft.


    Sehr überzeugend als Graf Des Grieux empfand ich Jongmin Park. Vielleicht möge ich voreingenommen sein, aber ich mag sein Timbre sehr. Im Vergleich zu seinem Rollenvorgänger Dan Paul Dumitrescu empfinde ich die Stimme ähnlich samtig, allerdings besitzt er mehr Durchschlagskraft.


    Thomas Lang hatte den Chor wie gehabt gut vorbereitet.


    Der Schlussapplaus war kurz und freundlich, der meiste Beifall ging mit Recht an Jean-Francois Borras, aber auch Ailyn Pérez und Jongmin Park wurden überdurchschnittlich akklamiert.


    Eine Anmerkung zum Schluss -

    In den letzten 15 Jahren habe ich den Galeriestehplatz noch nie so leer erlebt – von Anfang an schütter besetzt zählte ich nach der zweiten Pause insgesamt 12 Personen (viele Stehplatzbesucher hatten aber schon zuvor die Gelegenheit ergriffen, die vielen freigebliebenen Sitzplätze auf der Galerie zu belegen). Zum Schluss waren die Sitzplätze auf der Galerie Ganzseite leer. Und auch im Parkett taten sich viele Lücken auf (bemerkenswerter Weise war die Vorstellung auch nicht ausverkauft, im mittleren und hochpreisigen Segment konnte man immer noch Karten an der Kassa erwerben). Da dürfte die Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus zugeschlagen haben – mir war das nicht unrecht, ich hatte viel, viel Platz….

    Es ist die älteste Inszenierung, die wir an der Staatsoper haben! Die Premiere war am 19.9.1957 !!! Also schon 63 Jahre alt !!!!!


    Und das war die Premierenbesetzung -


    Cio Cio San - Sena Jurinac

    Pinkerton - Giuseppe Zampieri

    Suzuki - Hilde Rössel-Majdan

    Sharpless - Rolando Panerai

    Dirigent - Dimitri Mitropoulos


    Es war gestern die 391. Aufführung in dieser Inszenierung!

    Nach etlichen Jahren besuchte ich wieder einmal eine Vorstellung dieser Puccini-Oper, die im Jahre 1904 ihre Uraufführung erlebte. Sie war zu jener Zeit eine zeitgenössische Oper, sowohl was den Inhalt, aber auch den Musikstil betrifft.


    Es hat mich überrascht, wie zeitgemäß und noch immer gültig dieses Stück, das man ja fast – was die Handlung betrifft – als Kammerspiel bezeichnen kann, ist. Es ist hochpolitisch und anti-imperialistisch, zeigt die teils menschenverachtende Einstellung der Personen auf, die Großmächte repräsentieren, und den Versuch von Menschen, die nicht von der westlichen Kultur geprägt sind, sich den neuen Herrschern / der neuen Zeit anzupassen und dabei ihre eigenen Wurzeln verlieren beziehungsweise versuchen zu verleugnen. Ich gebe zu, dass ich durch den Hintergrund des japanischen Teils meiner Familie da sehr sensibilisiert bin – andererseits denke ich, dass ich dadurch etwas mehr Einblick in diese, für Europäer noch immer sehr fremdartige, Kultur besitze.


    Das Stück spielt in der Meiji-Ära. 1853 wurde die, während der Zeit der Shogune der Edo-Ära ausgerufene Isolation gewaltsam durch amerikanische Schiffe durchbrochen, das Shogunat in Folge davon aufgelöst und schlussendlich die Meiji-Restauration begonnen. Tenno Mutsuhito erhielt etwas mehr politisches Gewicht als vorher (während der Shogun-Herrschaft hatten die Kaiser mehr repräsentative Aufgaben, wie auch heute sind sie ein wichtiger Teil der Shinto-Religion).


    Die Samurais wurden entmachtet, der Satsuma-Aufstand, in dem feudalistische Kreise versuchten, das vorherige Machtgefüge wieder zu etablieren, scheiterte. Das Land erhielt eine neue Verfassung, Handelsverträge mit westlichen Mächten wurden abgeschlossen und Botschaften installiert. Viele Samurai-Familien verarmten und wurden im wahrsten Sinne des Wortes „herrenlos“.


    Und hier setzt die Handlung dieser „Tragedia Giapponose“ mit dem Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica (die interessanter am Abendzettel nicht erwähnt werden) an. Cio Cio San wurde in einer wohlhabende Familie geboren, die danach verarmte (man kann davon ausgehen, dass es eine Samurai-Familie war), ihre Mutter musste sich dann als Geisha verdingen – es wird auch davon gesprochen, dass sie selbst als Geisha tätig war. Im Westen denken viele, dass – wenn man von Geishas spricht – es sich da um japanische Prostituierte handelt(e). Dem ist nicht so (obwohl die eine oder andere sehr wohl auch reiche Geliebte hatte), sie waren als Unterhalterinnen ausgebildet. Der Beruf wurde übrigens zu Beginn von Männern ausgeübt! Während der Meiji-Ära waren Geishas schon mehr „Bewahrerinnen der traditionellen Künste“. Zu jener Zeit begann die Ausbildung zu einer Geisha im Alter von ca. 6 Jahren, sechs Monaten und 6 Tagen (heutzutage erst ab dem 17.Lebenjahr!) und man lernt als sogenannte „Meiko“ (tanzendes Mädchen) Kalligraphie, Konversation, Tanz, mehrere Instrumente und die Teezeremonie. Auf Basis all dieser Tatsachen kann man den Zeitpunkt der Oper auf das Ende der 1880er-Jahre verorten.


    Nach diesem etwas lang geratenen Exkurs zurück zur Aufführung. Seit über 60 Jahren hält sich die Inszenierung von Josef Gielen im Repertoire, die Ausstattung wurde von Tsugouharu Foujita erstellt. Sie ist praktikabel, erzählt das Stück und kann mit diversen Kleinigkeiten aufwarten, die auch auf die korrekte Zeit, in der das Stück spielt, hinweist. Was von der ursprünglichen Personenregie übriggeblieben ist – das kann ich nicht sagen (ich weiß nicht, ob es von früheren Aufführungen Filmdokumente gibt). Was mir auffiel war, dass zum Beispiel das Schuhwerk der Frauen im 1.Akt zwar für die Bühne sehr praktikabel, aber eher „japanisiert“ als dem Original entsprechend, ist. Ebenso würde absolut niemand (gut, den B.F. Pinkerton und seine Kate nehme ich einmal davon aus, weil dieser „Herr“ sowieso einer der für mich widerlichsten Gestalten der Operngeschichte ist) in ein japanisches Haus mit Straßenschuhen gehen – zumindest Konsul Sharpless hätte das wissen müssen.


    So, jetzt einmal genug von diesen Kleinigkeiten, wenden wir uns dem musikalischen zu.


    Einen wirklich guten Abend konnte Fabio Sartori für sich beanspruchen. Er war der bei weitem überzeugendste Protagonist, hatte Kraft, sichere Höhen. Darstellerisch war in dieser Produktion nicht wirklich was von ihm verlangt, er konnte sich komplett auf den Gesang konzentrieren, was für ihn hilfreich war.


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    Gabriel Bermudez, Fabio Sartori. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn


    Der Rest der Herrenriege war ziemlich durchwachsen. Gabriel Bermúdez konnte sich nach der Pause steigern, davor war er schwer hörbar. Er stellte einen soignierten Gentleman dar (fast mehr Brite als Amerikaner), insgesamt hatte ich in dieser Rolle schon beeindruckendere Sänger erlebt. Michael Laurenz als Goro (ein weiterer mieser Charakter) wirkte stellenweise überfordert, über den Rest der Herrenriege breite ich lieber den Mantel des Schweigens.


    Valeriia Savinskaia, eine junge Russin, die aktuell als Stipendiatin von Novomatic im Ensemble mitwirkt, debütierte als Kate Pinkerton. Sie hat ein interessantes Timbre, es wäre interessant, sie einmal in einer Rolle zu hören, wo sie mehr als nur eine Stichwortgeberin ist. Figürlich entspricht sie vielen jungen Sängerinnen, die in der Meyer-Ära engagiert wurden.


    Ich habe Bonigwe Nakani schon in etlichen Rollen erlebt, überzeugen konnte sie mich nur ein einziges Mal – und das war an der Volksoper als Annie in Porgy & Bess. Ob es am Dirigat von Graeme Jenkins lag, der wie schon zu oft viel zu laut spielen ließ und so die Sänger oft zum Forcieren bewogen hat, oder an der Tatsache, dass die Staatsoper einfach ein zu großes Haus für sie ist, kann ich nicht mit absoluter Sicherheit sagen. Ihre Suzuki hinterließ keinen bleibenden Eindruck.


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    Bongiwe Nakani. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

    Zum Abschluss noch einige Worte über Sae Kyung Rim, die seit über 10 Jahren die Rolle der „kleinen Frau Schmetterling“ interpretiert. Sie ist besonders in den dramatischen Stellen sehr überzeugend, wenn es um lyrischere Teile geht, ging ein wenig der puccinische Schmelz ab. Sie war aber – neben Sartori – ein gesangliches Highlight des Abends.

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    Sae Kyung Rim, Valeriia Savinskaia . Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

    Wieder einmal musste ich feststellen, dass neben wirklich guten Sängern der Hauptrollen immer wieder die Comprimarii derart stark abfallen, dass einem das Hörvergnügen auch bei sehr kurzen Rollen regelmäßig verdorben wird.


    Das Publikum zeigtes sich nichtsdestotrotz applausfreudig, die beiden Hauptdarsteller wurden entsprechend akklamiert.

    Nach einer überaus durchwachsenen Aufführung von „Leonore“ am Vortag, zu der meine Vorrezensenten alles gesagt haben, was es zu sagen gibt <X<X:cursing:, - https://onlinemerker.com/wien-…idelio-urfassung-leonore/ - konnte die erste Aufführung der aktuellen Elektra-Serie wieder versöhnen.


    Eines hat diese Produktion mit der vorher erwähnten aber gemeinsam – das, was Regisseur Uwe Eric Laufenberg gemeinsam mit Bühnenbildner Rolf Glittenberg und Kostümbildnerin Marianne Glittenberg auf die Bühne stellen, ist – um es mit den Worten des Philosophen Edwin Neugebauer zu sagen (und bitte die Lautsprecher einschalten) –


    https://www.youtube.com/watch?v=B2DQ651FtK0


    Weitere Worte dafür zu verlieren wäre verlorene Liebesmüh, daher gleich zum Musikalischen, und das entschädigte für das, was auf der Bühne geboten wurde.


    Michael Volle, der sein Rollendebüt an der Wiener Staatsoper feierte, gilt zu Recht als einer der aktuell hervorragendsten Vertreter seines Faches. Ich kann mich nicht erinnern in den letzten 15 Jahren einen derart überzeugenden Darsteller des Orest erlebt zu haben. Eine perfekte Diktion, toll geführte Stimme – er ließ an diesem Abend keinen Wunsch offen.


    An zweiter Stelle der „Hall of Fame“ möchte ich ex aequo das Orchester der Wiener Staatsoper und deren Dirigenten Semyon Bychkov nennen. 105 Minuten lang war Dramatik pur aus dem Orchestergraben zu hören – es gelang Bychkov aber auch, die kleinen Zwischentöne, die man in der Partitur auch findet, zum Erklingen zu bringen. Das war Spielkultur vom Feinsten!


    Simone Schneider (ebenfalls zum ersten Mal am Ring als Chrysothemis zu erleben) war ebenfalls umwerfend – da fand man eine der Elektra gleichwertige und starke Tochter des Agamemnon auf der Bühne, die allerdings – im Gegensatz zu der ihr verbliebenen Schwester – andere Vorstellungen von ihrer Zukunft hat. Schneider legte die Rolle dramatischer als viele ihrer Rollenvorgängerinnen an und überzeugte mit sicheren Höhen und präziser Aussprache. Auch sie erhielt den ihr zustehenden Applaus (den meisten heimste zu Recht Michael Volle ein).


    Ihr Debüt an der Staatsoper feierte die amerikanische Sopranistin Christine Goerke – und das mit einer durchaus beeindruckenden Leistung. Sie hat genug Kraft für die Rolle (immerhin steht sie fast ununterbrochen auf der Bühne) und überzeugte besonders in den tiefer gelegenen Passagen, während sie manchmal in der Höhe ein wenig schrill klang – ob gewollt oder ungewollt sei jetzt dahingestellt.

    Was soll man zur Leistung von Waltraud Meier sagen? Die Wagner-Ikone erinnerte zu Beginn ihres Auftrittes an vergangene Zeiten, aber mit Fortlauf der Aufführung konnte sie die Tatsache, dass ihre Karriere schon sehr lang dauert, nicht verleugnen. Aber wieder – für die Klytämnestra ist das absolut akzeptabel.


    Etwas enttäuscht war ich vom Aegisth des Abends, Norbert Ernst. Ich habe von ihm schon bessere Abende erlebt, an denen seine Stimme in der Höhe nicht flackerte.


    Die Comprimarii seien auch genannt – Thomas Ebenstein ließ als junger Diener aufhorchen, unauffällig Simina Ivan (Vertraute), Zoryana Kuspler (Schleppträgerin), Dan Paul Dumitrescu (alter Diener), Donna Ellen (Aufseherin), die Dienerinnen (Jung Won Han, Maria Isabel Segarra, Kaya Maria Last, Jozefina Monarcha, Sabine Kogler, Zsuzsanna Szabó). Die Mägde (die aktuell viel beschäftigte Monika Bohinec, Martrita Gritskova, Ulrike Helzel, Lydia Rathkolb und Ildikó Raimondi) konnten sängerisch und schauspielerisch überzeugen, von ihnen stach – dank ihrer Rolle als 5.Magd – Raimondi hervor.


    Nach dem Leonore-Desaster des Vortags versöhnte diese Vorstellung – ich hoffe, dass die Gerüchte stimmen und diese Laufenberg-Produktion gekübelt wird und die Vorproduktion wieder auf die Bühne kommt.

    Es war 2005 als ich Peter Schreier zum ersten und gleichzeitig zum letzten Mal live gehört habe. Es waren seine beiden Abschiedsvorstellungen im Musikvereinssaal - ein Abend "Winterreise" und ein oder zwei Tage später dann noch "Die schöne Müllerin". Seine allerletzte Zugabe beim zweiten Abend war das "Ständchen" - ich war sehr bewegt... R.I.P.

    Zum 18.Mal wurde die bekannteste Humperdinck-Oper in der aktuellen Produktion von Adrian Noble aufgeführt. Sie hatte im November 2015 Premiere und mauserte sich seitdem zu einem fixen Bestandteil des vorweihnachtlichen Repertoires. Und mit was? Mit Recht!!! Noble gelang eine wunderbar atmosphärische Inszenierung, erzählt das Stück (und interpretiert es nicht als ein Drama einer „poor white trash“-Familie – obwohl das durchaus möglich wäre – das Libretto von Adelheid Wette (übrigens die Schwester von Humperdinck) gibt durchaus diese Interpretationsmöglichkeit her) und irritiert niemanden. Was man vielleicht ankreiden muss – es ist alles ein wenig zu brav geworden. Ausdrücklich möchte ich Andrzej Goulding erwähnen, dessen Videos zum Erfolg der Aufführung beitrugen.

    An diesem Abend gab es einige Rollendebüts und kleinere (technische) Hoppalas. Zuerst zu den letzteren – der Krug im ersten Akt zersprang nicht (was dann etwas komisch anmutete, wenn darüber gejammert wurde, dass ebendieser in Scherben lag), und dann konnte die Tür zur elterlichen Hütte nicht verschlossen werden, was zu einigen Irritationen bei den Sängern beitrug, diese aber routiniert umschifft wurden.


    Boaz Daniel war ein sehr solider, sprachdeutlicher Peter Besenbinder, der sehr gut mit seiner zänkischen Frau Gertrud harmonierte. Diese wurde von der Rollendebütantin Stephanie Houtzeel überzeugend interpretiert. Durch die Tatsache, dass Houtzeel nicht ganz fit war, sprach ihre Stimme bei den tiefer gelegenen Tönen nicht so gut an, wie man es von ihr gewohnt ist. Das obere Register war makellos.


    Ein weiteres Rollendebüt bestritt Ileana Tonca – sie ist dem Haus schon seit einer gefühlten Ewigkeit verbunden und als Sandmännchen und Taumännchen kann sie in ihrer Biographie Rollen Nummer 64 und 65 an der Staatsoper verbuchen, wobei sie eine soliden, aber keine außergewöhnlichen Eindruck hinterließ. Als Sandmännchen war sie überzeugender.


    Monika Bohinec scheint aktuell als „Hexe von Dienst“ zu fungieren und ist daher sehr beschäftigt. Neben der Knusperhexe tritt sie auch in Persinette auf. Auch sie erweckte den Eindruck, nicht ganz gesund zu sein, trotzdem erhielt sie nach ihrem „Hexenritt“ Beifall (bis zum Schlussapplaus hielt sich das Publikum bei den anderen Künstlern zurück). Es gab im Auditorium auch viele Kinder, die, nachdem die Hexe in den Ofen gestoßen wurde (es wäre dabei interessant ob die Justiz die Tat der Kinder als Mord, Notwehr oder Notwehrüberschreitung abhandeln würde.) heftig akklamierten!


    Andrea Carroll (Rollendebüt als Gretel) und Margaret Plummer als Hänsel spielten, tanzten und sangen sich durch den Abend. Im Zusammenspiel merkte man, wie gut geprobt worden war, da passte alles sehr gut. Was auffiel war, dass beide stimmlich sehr ähnlich liegen und es oft schwer zu unterscheiden war, wer gerade sang. Insgesamt beide sehr solide, wobei Carroll einen nachhaltigeren Eindruck hinterließ.


    Nach einer Rusalka-Serie vor zwei Jahren kehrte Tomás Hanus wieder an die Staatsoper zurück. Ihm ist es zu verdanken, dass an diesem Abend das Staatsopernorchester den insgesamt besten Eindruck hinterließ. Die Zwischenspiele zeigten, wie nahe Engelbert Humperdinck an der Musik Richard Wagners ist – nicht einmal hatte ich das Gefühl, immer wieder Sequenzen zu hören, die ohne Problem in Opern des RW passen. Zudem unterstützte er die Sänger perfekt, nahm das Orchester zurück wenn notwendig, scheute sich aber auch nicht einen spätromantischen Klangteppich weben zu lassen, wenn es adäquat zu sein schien.


    Der Kinderchor der Wiener Staatsoper (Leitung Johannes Mertl) war bezaubernd und trug seinen Teil zum Gelingen des Abends bei. Der Schlussapplaus war sehr freundlich, aber sehr, sehr kurz.