Lieber Orfeo,
vielen Dank für Deinen interessanten Beitrag - es ist doch zur Abwechslung nett, wenn jemand, der das Buch auch tatsächlich gelesen hat, darüber schreibt :-=)
Lieber Orfeo,
vielen Dank für Deinen interessanten Beitrag - es ist doch zur Abwechslung nett, wenn jemand, der das Buch auch tatsächlich gelesen hat, darüber schreibt :-=)
Ich denke, dass man nicht unbedingt mit aller Gewalt Handlungen in die Gegenwart umdeuten muss - ich denke, es sollte jedem Besucher zugestanden werden, seine eigenen Schlüsse daraus zu ziehen. Einer Holzhammermethode, wie einige - nicht alle ! - moderne Inszenierungen sich bedienen, ist nicht notwendig.
Mein Beispiel - Tosca. Die Handlung ist zeitlich genau definiert, allerdings sind die im Libretto angesprochenen Grundprobleme auch "heutig". Das kann man (wenn man will) selbst rausfinden, Belehrungen sind da nicht notwendig...
Just my 2 cents
"Thanks for the Dance" ist seit ein paar Tagen bei mir auf Dauerrotation - hat mich zu Tränen gerührt... Aber er war - zumindest dem offiziellen Titel nach - kein "Sir".
Ich hatte seinerzeit vergessen, meine Rezension auch hier zu veröffentlichen - ich will sie aber Euch nicht vorenthalten...
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Leider musste ich schon zur Pause gehen, da ich gesundheitlich leider etwas angeschlagen bin und die Vorstellung nicht „zerhusten“ wollte. Daher nur die Eindrücke bis zur Pause –
Rachel Frenkel, Rafael Fingerlos. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM
Wiener Staatsoper, 9.10.2019
Obwohl ich aus gesundheitlichen Gründen nur bis zur Pause anwesende war kann ich trotz allem sagen, dass diese Produktion eine der schönsten und besten der letzten 10 Jahre ist – Irina Brook die für die Bühne verantwortliche Noelle Ginefri-Corbel haben es geschafft, die Geschichte in der Gegenwart spielen zu lassen (ersichtlich an den Kostümen von Magali Castellan). Dadurch, dass die Bewohner der Elfenwelt aber „klassisch“ angezogen waren (ja, ein König mit Krone, Tytania so, wie es sich ein Fantasy-Fan vorstellt) ergab alles einen Sinn und war wunderbar anzusehen. Auch das Einheitsbühnenbild gefiel und durch klug inszenierte „Ortswechsel“ wurde der „Flow“ der Geschichte aufrecht erhalten. Eine wichitige Rolle dabei spielte die (im Libretto nicht vorgesehene) Schlange, die von zwei in schwarz gekleideten Gestalten (das erinnerte mich an die japanische Bühnenästhetik, die ja auch schon im aktuellen „Tristan“ gezeigt wird) getragen und bewegt wird.
Für den Kinderchor der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Johannes Mertl ist diese Produktion sicherlich eine große Aufgabe, die auch die Solisten (Emil Lang, Niklas Rudner, Mihaili Savenkov, Fabio Ringer) und das Blockflötenensemble (Zhang Kann, Linus Kölpl, Laurenz Zoglauer, Anna Barnas, Fabian Lucas Holzer, Florian Brosch) gut bewältigen.
In den Berichten über die Premiere war zu lesen, dass Théo Touvet in der Rolle des Puck den größten Publikumszuspruch erhielt – es würde mich nicht wundern, wenn es auch an diesem Abend nicht anders gewesen ist. Touvet, der gemeinsam mit Martin Buczko für die Choreographie verantwortlich zeichnet, zeigte unglaubliche Körperbeherrschung und konnte Akrobatik mit kleinen, sehr ausdrucksvollen Gesten kombinieren. Dass sein Englisch nicht das Beste ist war auch schon anderswo zu lesen – obwohl man ihm das als Robin Goodfellow durchaus nachsehen kann. Diese Figur ist nun einmal nicht so „edel“ wie Oberon und die anderen Elfen, sondern auf seine Art und Weise ein Außenseiter, der mehr „bellt“ als spricht. Ob er in weiteren Serien (die hoffentlich kommen werden) zu ersetzen ist wage ich zu bezweifeln – zu sehr ist in einer Neuinszenierung eine Rolle wieder auf eine einzige Person zugeschnitten, was dann später nicht mehr funktioniert wenn andere Personen später übernehmen (als Beispiel kommt mir da die Mielitz-Inszenierung von Parsifal mit Thomas Quasthoff als Amfortas spontan in den Sinn).
Nun zum Musikalischen – Simone Young und das Staatsopernorchester bringen die Partitur fast kammermusikalisch, jedes Instrument bekommt genügend Platz, um sich entfalten zu können. Teilweise erinnerte mich das alles an die Subtilität, die man in Capriccio vorfindet. Wäre auf der Bühne nicht so viel zu sehen könnte man geneigt sein, sich einfach zurückzulehnen, die Augen zu schließen und in die Klangwelt Brittens gänzlich einzutauchen.
Josh Lovell, Rachel Frenkel. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Mit Lawrence Zazzo begegnet man einem Countertenor, der seiner Biographie zu Folge als Oberon schon einige Erfahrung hat. Er hat kein Problem das Haus mit seiner Stimmer zu füllen, doch hätte ich mir ein virileres Timbre (ja, das gibt es auch bei Countertenören) gewünscht. Erin Morley als Tytania hinterließ bis zur Pause keinen besonderen Eindruck. Die beiden Liebespaare spielten sehr gut (die Helena war vielleicht eine Spur zu exaltiert) und taten das ihre, den ersten Teil der Oper zu einem Erfolg werden zu lassen. Josh Lovell (Lysander), Rafael Fingerlos (Demetrius), Rachel Frenkel (die als Hermia den besten Eindruck von allen hinterließ) und Valentina Nafornita (Helena) wurden den Ansprüchen, die Britten an die Sänger stellt, überaus gerecht.
Peter Rose (Bottom) zeigte wieder einmal seine komödiantischen und vokalen Fähigkeiten und war neben Touvet sicherlich die spielbestimmendste Figur bis zur Pause (um einen Ausdruck aus dem Fußball zu verwenden), kräftig unterstützt von Wolfgang Bankl (Quince), Benjamin Hulet (Flute), Thomas Ebenstein (Snout), William Thomas (Snug) und Clemens Unterreiner (Starveling).
Es war ein vergnüglicher, aber ebenso auch nachdenklicher und poetischer Abend, dem hoffentlich viele in dieser Produktion nachfolgen werden.
Der ORF ändert sein Programm in Fernsehen und Radio
In memoriam Mariss Jansons bringt der „Kulturmontag“ , heute am 2. Dezember ab 22.30 Uhr in ORF 2 einen Nachruf auf Mariss Jansons, die „matinee“ zeigt am Sonntag, dem 8. Dezember, Robert Neumüllers Porträt „Mariss Jansons – Musik ist die Sprache von Herz und Seele“ (9.05 Uhr). ORF III plant unter anderem für heute Montag, dem 2. Dezember, eine „Kultur Heute“-Spezialsendung um 19.45 Uhr. Ö1 erinnert heute (2. Dezember) im „Pasticcio“ (8.20 Uhr) und in „Des Cis“ (11.30 Uhr) an Mariss Jansons. Am Samstag, dem 7. Dezember, steht „Apropos Klassik“ (15.05 Uhr) ganz im Zeichen des Dirigenten.
Für Dezember erwarte ich interessante Abende -
04.12. Don Giovanni / Staatsoper
09.12. Brigadoon / Volksoper
10.12. Weihnachtsoratorium 1-3 / Konzerthaus - Koopmans
11.12. Weihnachtsoratorium 4-6 / Konzerthaus - Koopmans
17.12. Don Giovanni / Volksoper
25.12. La Boheme / Staatsoper
27.12. Hänsel und Gretel / Staatsoper
31.12. Die Fledermaus / Staatsoper
Lieber Siegfried - danke für die Blumen
Aber -
1) habe ich seinerzeit in der Schule etwas russisch gelernt
2) hatte ich einige Zeit lang eine Freundin aus Moskau..
3) war ich schon 70+ Mal in Russland und da bekommt man auch ein Gefühl für den "Gesang" der Sprache
4) war gemeinsam mit mir eine kirgisische Kollegin mit, deren Muttersprach russisch ist -> das half natürlich auch bei der Bewertung. Sie meinte, dass Breslik wirklich gut russisch sang und man nur bei ein paar Wortendungen merkte, das es nicht seine Muttersprache sei... Bei Bohinec und Twarowska musste sie den Text mitlesen, sie hat da so überhaupt nichts verstanden. Auch das russisch von Furlanetto war grauenhaft ihrer Ansicht nach...
Die ganz und gar missglückte Inszenierung von Falk Richter erzürnt auch bei der schon 53.Aufführung. Diese Produktion ist eine verzichtbare und es wäre an der Zeit, sie zu entsorgen. Ohne näher darauf eingehen zu wollen sei nur gesagt – eine Mischung zwischen Stehtheater und Herumgetolle, eine absolut sängerfeindliche Bühnengestatlung, eine Karikatur eines Triquet. Grau-en-haft!
Die Kälte der Bühne spiegelte sich (gewollt oder ungewollt) anfangs auch im Dirigat von Michael Güttler wider. Das Staatsopernorchester klang etwas „trocken“, das Schwelgerische und Schwermütige ging etwas verloren. Dies änderte sich aber ab dem vierten Bild und der Abschluss gelang emotional und furios. Der Staatsopernchor unter Martin Schebesta holte sich beim Schlussvorhang den verdienten Soloapplaus ab.
Zum ersten Mal begegnete ich Boris Pinkhasovich in der Titelrolle. Der Russe hat eine fast „klassische“ St.Petersburger Ausbildung genossen – von Chorschule „Glinka“ über das Rimski-Korsakov Konservatorium, wo er Chordirigieren studierte und dann in die Gesangsabteilung überwechselte. Seit 2011 im Mikhailovsky Theater in St.Petersburg fix engagiert konnte er aber auch internationale Engagements annehmen. Sein Repertoire ist weit gestreut und geht von Rossini bis Britten. Seine Leistung war bei seinem Rollendebüt letzte Woche unterschiedlich beurteilt worden – meine Eindrücke waren wie folgt. Pinkhasovich hat eine wirklich schöne Stimme, die auch dem Typus eines Onegin absolut entspricht. Er ist noch jung und wir mit fortschreitendem Alter voraussichtlich noch besser werden. Nach Hvorostovsky und Mattei war er der Sänger, der mich in den letzten Jahren als Onegin stimmlich am meisten überzeugte. Sein „Problem“ ist das sehr jugendlich Äußere (was ja wiederum mit Puschkin übereinstimmt..), was ihn in Verbindung mit seinem sehr zurückhaltenden Schauspiel bis zur Duellszene wie eine Sphinx ohne Rätsel erscheinen ließ. In der Schlussszene war Pinkhasovich viel temperamentvoller, was dazu beitrug, das diese zum krönenden Höhepunkt des Abends wurde. Gesamtheitlich habe ich von diesem Sänger einen sehr guten Eindruck und seine Entwicklung sollte man auf jeden Fall mitverfolgen.
Marina Rebeka ließ mich zwiespältig zurück – ich nahm ihr das schwärmerische junge Mädchen, das man irgendwie erwartet, nie ab (aber wiederum entsprach ihre Interpretation der Tatjana mehr der Novelle von Puschkin). In den beiden letzten Bildern war sie aber eine durch und durch überzeugende Gräfin. Sie glänze durch perfektes, akzentfreies russisch (was man leider von den Interpretinnen der Larina und Filipjwena nicht behaupten konnte), erhielt viel Applaus nach der Briefszene (die nach meinem Empfinden emotioneller ausfallen hätte können) und war anscheinend in einer besseren Verfassung als am Anfang dieser Serie.
Dieses Mal wirkte der Lenski viel reifer als sein „Todfreund“ Onegin. Pavol Breslik wäre von der Ausstrahlung her viel eher als Onegin durchgegangen… Trotz einer ganz kleinen Unsicherheit bei „Kuda kuda“ muss man ihm eine wirklich gute Leistung zugestehen – auf jeden Fall war er einer der Highlights des Abends.
Leider ist die große Zeit des Ferrucio Furlanetto nun auch schon etliche Jahre vorbei. Nach der Vorstellung erhielt er genauso viel Zustimmung wie Rebeka und Pinkhasovich – das war aber mit Sicherheit seiner 34-jährigen Karriere an der Staatsoper und nicht der Leistung an diesem Abend zu verdanken. Nach wie vor kann er mit einer profunden Tiefe überzeugen, aber sonst war da nicht mehr viel da. Es tat mir weh diesen verdienten Sänger in dieser Verfassung erleben zu müssen. Dass sein russisch schwer verständlich war kam auch noch dazu. Einfach Schade…
Apropos russisch – die Figur des „Monsieur Triquet“ ist ja die eines Franzosen, der auch teilweise russisch spricht. In dieser Serie ist mit Pavel Kolgatin ein Russe, der auch teilweise französisch spricht, eingesetzt. Er lieferte zufriedenstellend ab – dass er als „Lagerfeld-Verschnitt“ auftreten muss, sollte der Direktion ein Extra-Schmerzensgeld wert sein…
Von dem starken Akzent abgesehen war ich mit den Leistungen von Monika Bohinec (Larina) und Aura Twarowska (Filipjewna) sehr zufrieden. Besonders Bohinec überzeugte durch ihre Persönlichkeit und beherrschte die erste Szene! Schlussendlich sei auch noch Margarita Gritskova erwähnt, die zufriedenstellend (aber auch nicht mehr) die Olga sang, deren Bühnenwirkung aber in den gemeinsamen Szenen von Pavol Breslik und Monika Bohinec in den Schatten gestellt wurde.
Egal in welcher Rolle ich Igor Onishchenko (dieses Mal als Hauptmann/Saretzki) sehe und höre – er kann mich nicht überzeugen und ich bemerke auch keine Entwicklung bei ihm.
Alles in allem ein guter Repertoireabend mit einer interessanten Neubegegnung und dem Abgesang eines verdienten Künstlers.
Ich vergaß meinen Bericht auch hier reinzustellen - daher mit Verspätung...
Mit dieser „Familienoper“ ist dem Haus am Währinger Gürtel wieder einmal ein großer Wurf gelungen – so viel sei schon einmal verraten.
Basis dieser zweiaktigen Oper ist eine Erzählung von Oscar Wilde, dem die Opernwelt ja auch die Grundlage zu „Salome“ zu verdanken hat. Am Tag zuvor besuchte ich eine Vorstellung der „Weiden“ an der Staatsoper (von der ich ziemlich verkarpft nach Hause ging…) – und insofern war es ein Genuss, ein Libretto (verantwortlich dafür Michael Frowin) mitzuerleben, dem es gelang, die heutige „ Umgangssprache einzubeziehen, ohne auf Platitüden zurückgreifen zu müssen. Ob diese „heutige“ Sprache wirklich mit dem Genre der Oper zu vereinbaren ist, sollte vielleicht anderswo diskutiert werden.
Was wirklich gut gelungen war – die beiden Zwillinge „Leon“ und „Noel“ (an sich schon ein nettes Wortspiel) nur in Reimen sprechen bzw. singen zu lassen, was zur Auflockerung der Szenen ungemein beigetragen hat.
Der Komponist Marius Felix Lange beschäftigt sich schon einige Jahre mit Filmmusik, wie dem überaus gelungenem Programmheft, das auf eine jüngere Zielgruppe zugeschnitten ist, zu entnehmen ist. Dies merkte man besonders zu beginn, als die von Roman Hansi zu verantworteten Videos des Waldes perfekt musikalisch untermalt wurden. Ansonsten beschränkt sich Lange auf eine moderat moderne Musiksprache, die zwischen kammermusikalischen Momenten, musikalischen Gags (z.B. der Radetzkymarsch als Handy-Klingelton) bis hin zu dramatischen Ausbrüchen reicht. Er wird niemals atonal, obwohl die eine oder andere Passage auch für die Sänger ziemlich fordernd schien. Besonders im ersten Akt musste Ursula Pfitzner in der Rolle der Haushälterin immer wieder von hohen gleich zu extrem tief notierten Noten hin- und her“jonglieren“ – dies gelang ihr ausgezeichnet und sie wurde vom überwiegend jugendlichen Publikum entsprechend mit Applaus honoriert.
Chapeau auch für die Regie (Philipp M. Krenn) und den für das Bühnenbild und die Kostüme verantwortlichen Walter Schütze. Die Kostüme waren den einzelnen Charakteren entsprechend – von den zwölfjährigen Zwillingen über die „Zicke“, Frau Hansen bis hin zu Sir Simon (der ohne seine Perücke, die ihm im Laufe des Geschehens immer wieder abhandenkommt, wie Gollum aus „Lord of the Rings“ aussieht) – alles perfekt. Besonders der Chor, der ja die Opfer des Gespenstes, die seinem Erscheinen über etliche Jahrhunderte zum Opfer fielen, war großartig eingekleidet – man fand da Kostüme, die der Mode aus verschiedenen Jahrhunderten nachempfunden war, vor! Großartig! Ein Sonderlob auch den im Programmheft leider ungenannten Maskenbildnern.
Regisseur Krenn wiederum zeigte eine gute Hand bei der Personenführung – überaus glaubhaft das Herumtollen der beiden Youngster – der Übermut wirkt niemals aufgesetzt. Ein besonderes Gustostück sind auch die „bewegten“ Bilder – man sollte sich diese Produktion zumindest zwei Mal ansehen, weil das, was sich im Hintergrund, sprich in den Bildern, abspielt, bleibt durch das nie langweilig werdende Geschehen auf der Bühne, fast zu sehr überdeckt. Da findet man viel subtilen Humor versteckt!
Das alles klingt wahrscheinlich sehr enthusiastisch – aber ich ließ einen ganzen Tag vergehen, bevor ich diese Besprechung verfasst habe – und noch immer finde ich diese unterhaltsamen zwei Stunden ausgesprochen „cool“ !!!
Zum Musikalischen – Ben Connor war an diesem Abend angesetzt – vom sängerischen Standpunkt her konnte er die Rolle ohne Probleme bewältigen, insgesamt hätte ich mir vielleicht mehr darstellerischen Ausdruck erhofft. Dies hängt aber vielleicht auch mit seinem sehr jugendlichen Aussehen und seinen Bewegungen zusammen. Die Verzweiflung und das Verlangen nach Erlösung konnte er nicht wirklich über die Bühne bringen. Trotzdem (und auf der anderen Seite auch nicht ganz unverdient) zeigten sich die Kids im Publikum begeistert – es war wirklich schön mitzuerleben, dass gejubelt und gepfiffen (NICHT AUSGEPFIFFEN) wurde!
Eine überaus überzeugende Leistung zeigte Athanasia Zöhrer, die nicht nur das Idealaussehen für die Virginia mit sich bringt, sondern auch eine sehr deutliche Aussprache hat – und auch bei dramatischen Ausbrüchen problemlos agierte. Ich bin gespannt, wie sie in einer „klassischen“ Opernrolle über die Bühne kommt. Ihre beiden Brüder wurden von Lukas Karzel und Stefan Bleibersching mit viel Energie zum Leben erweckt, allen Dreien war ein positiver Publikumszuspruch gewiss.
Die Figur des Immobilien-Unternehmers König war mit dem Rollendebütanten Daniel Ohlenschläger rollendeckend besetzt, ebenso überzeugend als seine Assistentin für alle Fälle Marie-Pierre Roy. Ein kleiner Nachtrag zur Regie – die „Spielchen“ und Anspielungen zwischen den beiden Figuren – ob diese wirklich „familientauglich“ sind, das lasse ich jetzt einmal dahingestellt…
Einen etwas zwiespältigen Eindruck machte auf mich Paul Schweinester als David Umney – sein lyrischer Tenor war auch in diesem mittleren Haus nicht wirklich durchschlagskräftig, aber wie schon weiter oben bemerkt – es ist schwer bei einem solchen Werk, wo Gesang und Sprechpassagen sich einander relativ schnell abwechseln, zu einem endgütigen Urteil zu kommen. In ihrer kurzen Sequenz als „Stimme der toten Mutter“ beeindruckte Birgid Steinberger.
Das Volksopernorchester und der Dirigent Gerrit Prießnitz waren mit viel Einsatz und auch sichtlichem Spaß bei der Sache, der Volksopernchor war von Thomas Böttcher auf seine Aufgabe exzellent vorbereitet worden.
Ein vergnüglicher Abend – und diese Produktion ist wirklich jedermann zu empfehlen. Ich hoffe, dass dieses Werk auch während der nächsten Spielzeiten am Programm steht und sich – neben „Hänsel und Gretel“ – als Kinder-/Jugendoper sich am Spielplan etablierten kann.
Der November bringt in der Staatsoper nicht nur die
Wiederaufnahme von „Die Weiden“ und „Ariodante“, sondern auch die zweite Serie
von „Orest“, einer von Manfred Trojahn komponierten und auch getexteten
Oper, die im Gegensatz zum vorher genannten Stück schon auf mehrere
Inszenierungen zurückblicken kann. Wobei der Begriff „Oper“ nicht ganz richtig
ist – Trojahn nennt das Stück selbst ein „Musiktheater in sechs Szenen“ – die
allerdings durchgängig sind. Es ist ein kurz(weilig)er Abend, der nur 80
Minuten dauert und das Geschehen kompakt und geradlinig erzählt wird.
Die Handlung setzt dort ein, wo „Elektra“ endet – nach dem
Mord des Orest an seiner Mutter Klytämnestra und erzählt das Geschehen der
nächsten Tage. Um es kurz zu machen – Elektras Rachedurst ist noch nicht
gestillt und sie stiftet ihren Bruder dazu an auch Helene, die aus Troja
zurückgekehrt ist, zu töten. Menelaos hält sich aus machtpolitischen Gründen
aus allem raus, der Gott Apollo (der sich auch als Dionysos ausgibt) möchte
auch weiterhin den Orest als Werkzeug der Rache benutzen, ohne aber selbst
Verantwortung zu tragen. Schlussendlich gelingt es Hermione, der Tochter
Helenas, mittels eines Blicks in die Augen Orests, der sie eigentlich auch
töten sollte, von dieser Tat abzuhalten. Sie, die als einzige keine Schuld auf
sich geladen hat, vermag es den Orest zu erleuchten, indem er den Göttern
abschwört und für die Zukunft sein Schicksal selbst in die Hand nimmt und zu
seiner Schuld steht. Beide gehen ab – Ende des Stücks.
Das Stück ist sowohl für die Sänger als auch für das Orchester sehr schwierig, wie man allenthalben hört. Derjenige, der alles zusammenhält, ist Michael Boder, dessen Ruf als Spezialist für zeitgenössische Musik zu Recht besteht. Das Staatsopernorchester musizierte ungemein konzentriert (besonders hervorzuheben was an diesem Tag der Mann an den Pauken!) und erzeugte eine sehr düstere Stimmung, die dem Geschehen auf der Bühne entsprach. Ungefähr 100 Jahre nach der Straussschen Elektra fand Trojahn eine Tonsprache, die durchaus als eine Weiterentwicklung des Garmischer Meisters angesehen werden kann. Es wäre sehr spannend, an EINEM Abend beide Werke nacheinander zu hören – gemeinsam sind sie drei Stunden lang, eine Pause dazwischen – bei gutem Willen geht sich das aus!!!
Was allerdings bei zeitgenössischen Werken auffällt ist die
Tendenz der Komponisten oft sehr extreme Höhen zu benutzen, die Sängerinnen und
Sänger an die Grenzen ihrer Fähigkeiten bringen – mir ist noch nicht
klargeworden, was damit bezweckt wird. Wie schon beim „Tempest“ hat Audrey
Luna (Hermione) damit keine Probleme und ist, wie das gesamte Ensemble,
ungemein wortdeutlich dabei. Obwohl vier der sechs Hauptprotagonisten „deutsch“
nicht als Muttersprache haben, konnte man überhaupt keinen Akzent hören! Ich
hoffe, Audrey Luna einmal in einer Rolle zu hören, die aus dem
„Standardrepertoire“ kommt…
Laura Aikin als Helena spielte und sang überzeugend, Ruxandra
Donose (Elektra) war manchmal gegen die Orchesterklänge nur zweite
Siegerin. Michael Laurenz in der Rolle des Menelaos gab eine Talentprobe
ab – da entwickelt sich ein vielversprechender Charaktertenor. Ähnlich wie Luna
hatte Daniel Johansson (Apollo/Dionysos) einen sehr schwierigen Part zu
singen, den er allerdings ähnlich bravourös meisterte.
Ein Sonderlob muss man dem Sänger der Titelpartie, Georg
Nigl, aussprechen. Extrem Wortdeutlich (was bei einigen Stellen, wo man
eher von Sprechgesang schreiben muss, sehr wichtig war), mit vollem Einsatz als
Schauspieler und mit volltönendem Bariton konnte er den Orest überzeugend
darstellen – eine ganz tolle Leistung, die mit vielen Bravo-Rufen beim
Schlussvorhang belohnt wurde.
Der Haus- und Hofregisseur der Holender-Ära, Marco
Arturo Marelli, der auf für Bühne und Licht zuständig ist, schuf (wie
meistens) ein Einheitsbühnenbild. Die Kostüme sind modern (bis auf Apollo und
sein Gefolge), die Bühne ist leer – somit kann man sich auf die ausgezeichnete
Personenführung konzentrieren.
„Orest“ ist ein Stück, das durchaus das Potential hat, länger in einem Repertoirehaus wie der Staatsoper zu überleben (wie gesagt – eine Kombination mit Elektra bietet sich an). Die Vorstellung war zwar ausverkauft, allerdings (besonders am Balkon) haben es viele Abonnenten vorgezogen, nicht zu erscheinen. Sie haben einen interessanten Abend versäumt.
So, bin jetzt aus meiner Klassik-Sommerpause zurück, die ich mit dem Hören von sehr viel Jazz verbracht habe. Gestern habe ich meine Opernsaison mit einer sehr schönen Traviata-Vorstellung begonnen.
Meine Termine der nächsten zwei Monate, auf die ich mich alle schon sehr freue -
Heute - Hoffmanns Erzählungen / STOP
17.09. - Soloabend Elisabeth Kulman / STOP
24.09. - Cabaret / VOP
25.09. - Der fliegende Holländer / VOP
01.10. - Salome / STOPO
02.10. - A Midsummer's Night Dream / STOP - Premiere
06.10. - Bruckner 8 / Wr.Philharmoniker / Thielemann
09.10. - A Midsummer's Night Dream / STOP
10.10. - Frau ohne Schatten / STOP
24.10. - Il Barbiere di Siviglia / STOP
28.10. - Macbeth / STOP
Da wird es viel zu berichten geben
Ande Anderson, ein früherer Produzent am Londoner Covent Garden, sagte einmal, dass während die meisten Soprane das Publikum im letzten Akt der Traviata zum Weinen bringen, Maria Callas es zu Stande brachte, auch im zweiten Akt zu Tränen zu rühren. An diesem Abend fand sie diesbezüglich eine würdige Nachfolgerin…
Es war bereits die 65.Aufführung der Inszenierung von Jean-Francois Sivadier, die nicht zu den gelungensten und beliebtesten Produktionen am Ring gehört. Angeblich soll sie durch die Vorgängerin wieder ersetzt werden – da bleibt zu hoffen, dass diese aber ordentlich entstaubt wird und jemand an der Personenregie arbeiten wird – ich erinnere mich noch an unerträgliches Stehtheater und war froh, als man seinerzeit ankündigte, sie zu ersetzen. Niemand konnte wissen, dass Sivadier den – schon zu diesem Zeitpunkt altbackenen – Ansatz der „Bühne auf der Bühne“ bringen wird, ohne irgendwelche neuen „Erkenntnisse“ und Denkanstöße dem Publikum anzubieten. Bei einem Repertoirehaus ist es außerdem immer gefährlich, eine Neuproduktion auf die Fähigkeiten/Persönlichkeit/körperlichen Eigenschaften einer Person auszurichten (man denke an die Probleme, als plötzlich ein Thomas Hampson die Bahre zugewiesen wurde, die ursprünglich für Thomas Quasthoff produziert wurde…). Mit Natalie Dessay hatte der Regisseur eine der spielfreudigsten Sängerinnen zur Verfügung, die auch körperlich im Stande war mehr als Stehtheater und Allerweltsgesten zu produzieren. Diese Vorgaben konnten nicht alle Rollennachfolgerinnen aufbieten, was sich auch auf die Qualität der Aufführungen niedergeschlagen hat.
Irina Lungu hat die Violetta schon 2015 und 2018 verkörpert, musste aber gesundheitsbedingt die beiden ersten Vorstellungen der aktuellen Serie absagen. Dementsprechend vorsichtig begann sie, hatte bei „E strano“ eine ganz kleine Unsauberkeit, doch ab „Sempre libera“ überzeugte sie in allen Belangen. Eine überzeugende schauspielerische Leistung und ein gutes Zusammenspiel mit Castronovo und Hampson komplettierten die für mich beste Leistung in dieser Rolle, die ich seit einiger Zeit hier gesehen habe.
Charles Castronovo als Germont jr. war ebenfalls schauspielerisch überzeugend, ein strahlender Tenor wäre aber wünschenswert gewesen. Stimmlich ist er von seinen „Nemorino“- Tagen schon entfernt, die Stimme ist dunkler geworden. Ein- oder zweimal war der Übergang von Brust- zu Kopfstimme nicht ganz sauber. Eine alles in allem durchschnittliche Leistung.
Für Thomas Hampson ist der Giorgio Germont eine Rolle, die er schon seit über 15 Jahren erfolgreich singt, allerdings sind auch bei ihm die Jahre (stimmlich) nicht spurlos vorübergegangen. Er verfügt nach wie vor über ein sehr angenehmes Timbre, doch ein- oder zweimal wackelte er in der höheren Lage bedenklich. Dies sieht man ihm aber gerne nach – er besitzt eine tolle Ausstrahlung und ist daher, unabhängig von seiner Größe, bühnenbestimmend. Den Pére Germont legt er als stocksteifen, konservativen, in altem Denken gefangenen Menschen an, die für den „Anschein“ seiner Familie im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht. Sein „Piangi, Piangi, o misera“ war so distanziert gesungen, dass es wie eine Verhöhnung der jungen Frau klang, der er gerade zuvor den Boden unter den Füßen weggezogen hatte. Sehr gespenstisch…
Die Annina ist an der Staatsoper die „Leibrolle“ von Donna Ellen. Schon 54 Mal war sie angesetzt und ist auch in dieser Produktion seit der Premiere dabei. In keiner anderen Rolle war sie so oft besetzt – und naturgemäß bringt sie alles mit, um in dieser wichtigen, mittelgroßen, Rolle zu glänzen. Margaret Plummer als Flora Bervoix fiel weder positiv noch negativ auf – man kann also von „rollendeckend“ sprechen. Das gleiche gilt für Carlos Osuna (Gaston), Has Peter Kammerer (Marchese dÒbigny) und Ayk Martirossian (Dottore Grenvil). Sorin Coliban war ein beeindruckender, stimmgewaltiger Duphol.
Es seien auch die Sänger die kleineren Rollen genannt – Dritan Luca, Wataru Sano, Roman Lauder und als Faktotum Christoph Nechvatal. Der Chor der Wiener Staatsoper war von Thomas Lang sehr gut vorbereitet, sehr präzise spielte auch das Bühnenorchester.
Giampaolo Bisanti dirigierte das Staatsopernorchester mit viel Einsatz – die Interpretation war gut, aber nicht außergewöhnlich. Man merkte dem Dirigenten aber an, dass er mit viel Freude am Werken war.
Der Schlussapplaus war zu kurz für die erbrachten Leistungen, mit Bravo-Rufen für Hampson und Lungu und einer kurzen Missfallenskundgebung für Castronovo.
Es kommt nicht so oft vor, dass man die Gelegenheit hat
eine Sängerin, die an der Wiener Staatsoper erfolgreich den Octavian in ihrem
Repertoire hat, am zweiten Wiener Opernhaus, der Volksoper, in einer
Musicalrolle zu sehen und zu hören. Stephanie Houtzeel hatte die Gelegenheit,
die Nettie Fowler zu singen und zu spielen – und sie hat auch im (klassischen)
Musicalbereich ihre Chance mehr als wahrgenommen. Mehr dazu noch später.
Es ist der Volksoperndirektion nicht hoch genug anzurechnen, dass sie die Pflege der amerikanischen Musicals auch weiterhin betreibt und somit den Weg, der seinerzeit von Marcel Prawy begonnen wurde, fortsetzt. In den letzten Jahren wurde ein sehr erfolgreiches Musical-Ensemble herangezogen und immer wieder durch junge, vielversprechende Talente ergänzt. Carousel, eines der genialen Stücke aus der Feder von Rodgers & Hammerstein, war 1945 ein bahnbrechendes Werk, das die Stellung der Kunstart „Musical“ in höhere Sphären brachte. Wie meistens wird an der VOP eine deutsche Version gespielt, für die auch der Regisseur der Stückers, Henry Mason, verantwortlich zeigte. Allerdings wird DIE Signature-Tune von Carousel, „You’ll Never Walk Alone“, in der Originalsprache gesungen – und man kann dem Team nur zu dieser Entscheidung gratulieren. Es gibt kaum jemanden, der diese Lied noch nicht gehört hat – wahrscheinlich im Rahmen einer Fußballübertragung mit dem FC Liverpool, Celtic oder den gelb-schwarzen „Zecken“ aus dem Ruhrpott. Diese Hymne auf Deutsch umzutexten -sorry, das ginge überhaupt nicht – auch bei „Wizard of Oz“ hat man „Over the Rainbow“ in der Originalsprache belassen.. Ebenso hat man die Namen der Protagonisten nicht eingedeutscht – ein Enoch Snow wurde nicht zum Enoch Schnee…
Für das Bühnenbild und die Kostüme zeichnet Jan Meier
verantwortlich und er versteht es, das Neuengland des 19.Jahrhunderts,
inklusive des Clambakes, glaubwürdig auf die Bühne zu bringen.
David Charles Abell ist
einer der weltweit bedeutendsten Dirigenten für „klassische Musicals“ und auch
ein geachteter Musikwissenschaftler. Unter anderem dirigierte er auch in der
Londoner O2-Arena in 2010 die Aufführung zum 25-Jahre-Jubiläum von Les
Miserables und später arbeitete er mit Bryn Terfel für eine Aufführungsserie
von Sweeney Todd zusammen. Dass unter diesem erfahrenen Dirigenten das
Orchester der Wiener Volksoper die von Richard Rodgers geschriebenen,
wunderbaren Melodien in den besten Händen lag, war vorauszusehen – und man
wurde nicht enttäuscht.
Es war interessant, den Unterschied der Stimmen der
„gelernten“ Opernsänger im Vergleich zu den Protagonisten, die von der
Musical-Ausbildung herkommen, zu hören. Alle Sängerinnen und Sänger waren mit
eine Mikrophon ausgestattet, damit Unterschiede im Sound vermieden wurden. Daniel
Schmutzhard spielte und sang einen sehr glaubwürdigen Billy Bigelow (..
oder den Liliom, wenn man das zu Grunde liegende Werk Molnars in Betracht
zieht). Souverän gespielt, gut aussehend verkörperte er den
„Hutschenschleuderer“, um im Wiener Idiom zu bleiben, sehr überzeugend. Kein
Wunder, dass ihm die Mädels nachlaufen und sich Julie in ihm verliebt.
Überzeugend brachte er immer wieder die der Figur innewohnende
Brutalität/Unsicherheit zum Ausdruck. Gesanglich war er überzeugend, keinerlei
Probleme mit der Tessitura – sein fast 8-minütiges Solo zum Ende des ersten
Aktes gehörte sicherlich zu den Höhepunkten des Abends.
Als Julie war an diesem Abend Johanna Arrouas besetzt,
die die nächsten beiden Vorstellung als Carrie Pipperidge auf der Bühne stehen
wird. Arrouas, die schon etliche Jahre zu den Stützen der Volksoper zählt und
vom Musical über Operette bis zur Frasquita (Carmen) ein breites Spektrum
abdeckt, war sowohl als Frischverliebte glaubwürdig – sowie später auch als
frustrierte und – einmal – geohrfeigte Ehefrau. Vom Gesang her entsprach sie
den Anforderungen der Rolle.
Das Buffo-Paar war an diesem Abend mit Juliette Khalil (Carrie)
und Jeffrey Treganza (Enoch Snow) besetzt, wobei insgesamt Khalil den
besseren Gesamteindruck machte – und nicht nur, weil ihre Rolle dankbarer ist.
Sie ist eine sehr dominante Person und weiß, wenn sie auftritt, die
Aufmerksamkeit auf sich zu lenken – wie schon in der Wonderful Town –
Produktion. Treganza machte das beste aus seiner Rolle, allerdings zeigte er
leichte Probleme in den höheren Tönen.
Christian Graf
schaffte es (nach seiner überzeugenden Leistung in der Vorwoche beim „Orpheus
in der Unterwelt“) wieder einmal, sein außergewöhnliches Talent perfekt
einzusetzen. Jigger Craigin ist eine wahrlich unsympathische Figur, die ja
schlussendlich auch für den Tod von Billy verantwortlich ist. Allerdings
gestaltete der diesen Verbrecher mit einem nahezu unverschämten Charme aus, der
die zugrunde liegende Gefährlichkeit in den Hintergrund drängte.
Regula Rosin (Mrs. Mullin) und Wolfgang
Gratschmaier (Sternwart/Dr.Seldon), beide langjährige Ensemblemitglieder
des Hauses, waren rollendeckend besetzt.
Last but definitely not
least wieder zu Stephanie Houtzeel. Es ist ihrer langjährigen Bekanntschaft
mit Henry Mason zu verdanken, dass sie an der VOP debütieren konnte – und wenn
ich mich nicht täusche, waren die drei Auftritte hier auch ihre ersten
Erfahrungen auf der Musicalbühne. Es war wunderbar zu sehen, wie
bühnenbeherrschend sie war. Gesanglich war nichts auszusetzen, ihr Version
„You’ll Never Walk Alone“ rührte zu Tränen. Nach der Vorstellung war sie auch
voll des Lobes über ihre Kollegen – „You guys can sing, act and dance – we can
only sing..“.
Ein Pauschallob geht an alle weiteren Mitwirkenden,
namentlich sei noch Astrid Renner erwähnt, die als Louise Bigelow ihre
eigene Lebensgeschichte eindrucksvoll in der Choreographie von Francesc Abós
tanzte.
In dieser Saison steht „Carousel“ noch zwei Mal am Spielplan – es zahlt sich auf jeden Fall aus, diese Produktion anzusehen!
@ Accuphan - Bill Evans machte großartige Musik - es vergeht kaum eine Woche wo nicht eine Scheibe von ihm bei mir läuft - ich mag sehr seine Zusammenarbeit mit Chet Baker...
In der leider auf den oberen Rängen nur schütter besetzten Staatsoper stellte sich das von Emmanuelle Haim im Jahr 2000 gegründete Barockensemble Le Concert d’Astree zum ersten Mal in diesem Rahmen mit Werken von Georg Friedrich Händel vor. Ob das große Haus dafür die richtige Umgebung war sei nun einmal dahingestellt, aber der fast 2 ½ stündige Abend (inklusive von drei Zugaben) wurde zu einem sehr großen Erfolg.
Seit 15 Jahren ist das Orchester an der Opéra de Lille quasi zu Hause und arbeitet vor allem in Frankreich. Es ist der Staatsoperndirektion zu danken, dass es gelungen ist, ein Konzert der „Desperate Lovers“-Tournee auch nach Wien zu bringen. Emmanuelle Haim, die auch schon unter anderem mit den Wiener Philharmonikern zusammengearbeitet hat, erstellte ein Programm, das neben einigen Ouvertüren aus Händel-Opern auch Arien und Duette für Countertenor und Sopran beinhaltete.
Der Oboist Benoit Laurent stach aus diesem Ensemble hervor, besonders beim Largo des Concerto grosso Nr. 2 op.3 bezauberte er das Publikum mit verinnerlichten Tönen, auch bei anderen Instrumentalstücken konnte er seine Virtuosität zeigen. Ebenso wunderbar das Continuo – Benoit Hartoin (Cembalo), Lynda Sayce (Laute) und Nicola Dal Maso (Kontrabass). Der Sound dieses Originalklang-Orchesters passt perfekt zu den Werken Händels.
Tim Mead, ein 38jähriger Brite, trat zum ersten Mal an der Staatsoper auf und brauchte erst eine Arie, um sich an die Akustik der Staatsoper zu gewöhnen. Er war auf der Galerie relativ schlecht zu hören. Das besserte sich aber danach und er konnte mit stupender Technik überzeugen. Sein Repertoire reicht über Monteverdi über Barock bis hin zu Britten und Glass – ein vielseitiger Künstler, der aber trotz seiner Leistung an diesem Abend im Schatten stand.
Der Grund dafür heißt Patricia Petibon. Ich hatte sie seit ihren Auftritten in „Manon“ nicht mehr live gehört und war sehr gespannt wie sich ihre Stimme entwickelt hatte. Nun, von einem Triumph für sie an diesem Abend zu sprechen ist untertrieben. Nach wie vor ist die Stimme intakt, sie hat überhaupt keine Probleme in den Höhen, die Tiefen sind auch akzeptabel. Was aber Petibon ausmacht ist diese energiegeladene Persönlichkeit und die Fähigkeit, total in ihren Rollen aufzugehen. Während Tim Mead relativ steif wirkte, war Petibon mit Leib und Seele bei der Sache. „Lascia ch’io Pianga“ aus Rinaldo wurde zu einer Seelenstriptease – und sie hätte gar nicht singen müssen, das Publikum hätte auf Grund ihrer Bewegungen den Inhalt der Arie auch verstanden. Ehrlich gesagt, das war genau das, was ich mir erhofft hatte, eingedenk des letzten Recitals im Konzerthaus. Ein weiterer Höhepunkt des Abends war die Arie der Alcina „Ah, mio cor“ – unglaublich innig vorgetragen – und Haim und ihr Orchester trugen sie quasi auf Händen – eine perfekte Interpretation.
Das Duett Almirena-Rinaldo aus „Rinaldo“ beendete den offiziellen Teil des Abends, bei einer Zugabe – bei der es einmal nicht um Liebeschmerz, sondern um ein streitendes Liebespaar ging – zeigt die Französin auch ihre humorvolle Seite (ich konnte leider nicht verstehen um welches Stück es sich da handelte).
Ein alles in allem großartiger Abend, der wieder einmal bewies, dass Barockmusik, auf diesem Niveau aufgeführt, zu den schönsten Epochen der Musikgeschichte zählt.
Frau ohne Schatten bis jetzt einfach gewaltig !!!!!!
Ich höre die Premiere mit - bin unglaublich begeistert. Leider funktioniert der Staatsopern-Live-Stream bei mir nicht so toll, aber was ich bis jetzt gesehen habe, ist die Inszenierung auch wunderbar!!!! Das wird ein Riesenerfolg werden !!!! Ich bin glücklich, dass ich für den 30.5 und 10.6 Karten bekommen habe...
Es war einer dieser Abende, an denen man wahrscheinlich noch in Jahren ins Schwärmen gerät wenn man daran zurückdenkt – und das ist vor allem Juan Diego Flórez zu verdanken. Seit 1966 haben die bedeutendsten Tenöre in der „unverzichtbaren“ Inszenierung von Günther Rennert (jetzt nur noch „Nach einer Regie von“) die Rolle des Conte d’Almaviva gesungen, begonnen mit dem unvergesslichen Fritz Wunderlich, aber ist kaum vorstellbar, dass diese Rolle derartig perfekt interpretiert wurde wie an diesem Abend – sowohl vom Schauspielerischen als auch vom Gesanglichen her.
Flórez war an diesem Abend in Hochform und zeigte, dass er in all den Jahren, in dem er der ungekrönte König des Belcanto ist, nichts von der Flexibilität seiner Stimmer verloren hat. Im Vergleich zu früher ist seine Stimme zusätzlich noch voller geworden. Bombensichere Höhen, eine außergewöhnliche Musikalität, sein nach wie vor jugendliches Aussehen machten ihn – wieder einmal – zum umjubelten Star des Abends. Er hat sich in den letzten 15 Jahren auch schauspielerisch sehr entwickelt und genoss es sichtlich auf der Bühne herumblödeln zu können. Wie schon die Rezensenten der letzten Vorstellung schrieben sang er auch diesmal die normalerweise gestrichene Arie im 2.Akt und erntete dabei langanhaltende Begeisterungsstürme, sodass man schon hoffte, dass er vielleicht die Arie wiederholt. Meinem Gefühl nach dauerte dieser Applaus sogar länger als der am Ende der Vorstellung.
Der zweite „Star“ der Vorstellung war Evelino Pidó am Dirigentenpult, der interessanterweise die Oper etwas langsamer gestaltete als was man normalerweise gewohnt war – auf der anderen Seite ging er auf die Sänger perfekt ein und besonders bei der Ouvertüre hörte ich Einzelheiten der Partitur, die mir bis dato nicht so bewusst wurden. Pidó hat seinen Ruf als Spezialist für dieses Fach mehr als gerechtfertigt. Das Staatsopernorchester folgte ihm willig, ein Sonderlob geht auch an Luisella Germano am Hammerklavier.
Margarita Gritskova hat sich seit ihrem Hausdebüt 2012 stimmlich sehr weiterentwickelt und war eine Rosina, der man die „Vipera“ unumschränkt abnehmen konnte. Sie hat sehr gute Tiefen, die Koloraturen waren auch in Ordnung. Ihre schauspielerische Leistung stand der von Flórez um nichts nach.
Als Alfio total fehlbesetzt beweist Paolo Rumetz in seinem angestammten Fach immer wieder, was für ein Gewinn er für das Ensemble ist. Dass ich als Bartolo im Geiste noch immer „unseren“ Alfred Sramek vor mir sehe – dafür kann er nichts…
Sorin Coliban war ein stimmgewaltiger Basilio, der seine Arie (mit einem kleinen Ausrutscher) überzeugend sang und auch schauspielerisch zum Erfolg des Abends beitrug.
Rafael Fingerlos, das junge Ensemblemitglied aus Salzburg, muss erst in die Rolle reinwachsen. Ich rechne ihm aber hoch an, dass er nach seiner eher verunglückten Auftrittsarie (zuerst lagen er und Orchester im Tempo auseinander, dann passierten ihm in der Höhe ein gröberes und ein kleineres Hoppala) die Nerven besaß, den Rest der Partie problemlos zu Ende zu bringen. Natürlich kann man ihm nicht mit etwa einem Leo Nucci oder Adrian Eröd vergleichen, die viel mehr Persönlichkeit auf die Bühne mitbrachten – doch an diesem Abend neben Flórez zu bestehen, das wäre wahrscheinlich zu viel verlangt. Ich bin aber überzeugt, dass er in der Zukunft – sollte man ihm die Chance dazu geben – die Rolle auszufüllen vermag.
Als Marzellina erbrachte Lydia Rathkolb eine gute, als Fiorello Igor Onishchenko eine leider sehr durchwachsene Leistung. Dominik Rieger (Ambrogio) und Alejandro Pizarro-Enriquez als Offizier ergänzten die Besetzung.
Die 430. Aufführung des Wiener Barbieres konnte die hoch gesteckten Erwartungen erfüllen – ich kann nur hoffen, Juan Diego Flórez noch einmal in dieser Produktion zu sehen und zu hören. Es wäre mir eine Ehre…
alle Photos (c) Wr.Staatsoper / M.Pöhn
Meine nächsten Vorstellungen an der Staatsoper in Wien -
24.4. Parsifal - Gergiev; Thomas Johannes Majer, Rene Pape, Simon O'Neill, Boaz Daniel, Elena Zhidkova
14.5. Macbeth - Conlon; Petean, Furlanetto, Serjan
16.5. Rigoletto - Bisanti; Calleja, Maltman, Garifullina
20.5. Andrea Chenier - Armiliato; Eyvazov, Vratogna, Netrebko
21.5. Il Barbiere di Siviglia - Pido; Florez, Rumetz, Gritskova, Fingerlos
26.5. Dantons Tod - Boder; Konieczny, Bruns, Laurenz, Ebenstein, Beszmertna
30.5. Frau ohne Schatten - Thielemann; Gould; Nylund, Herlitzius, Holecek, Koch, Stemme
Ich freu mich schon, speziell auf "Frosch" und den Barbiere
Marco Arturo Marelli war in den letzten Jahren so was wie der Hausregisseur, wurde auch Ehrenmitglied der Staatsoper. Nun, an dieser Produktion wird es sicherlich nicht gelegen haben. Die quasi Übernahme von den Bregenzer Festspielen wurde auf die Größe der Staatsoper zusammengestutzt – dies ist zwar gelungen, allerdings inszenierte Marelli oft gegen das Libretto, was wirklich sehr ärgerlich ist.
Beispiele gefällig?
Turandot wird vom Chor als eine in weiß gekleidete Prinzessin geschildert. Hier tritt sie abwechselnd in blau, rot und schwarz aus. Weiß ist in fernöstlichen Kulturen die Farbe des Todes – da haben sich die Librettisten sicherlich was dabei gedacht! Calaf tritt wiederum in weiß auf…
Im dritten Akt sitzt Calaf gefesselt auf einem Bett während Turandot singt, dass er sie nicht berühren soll… Das mach überhaupt keinen Sinn.
Weiters fällt auf, dass Liu vor der Pause eine Art Hose anhat, danach allerdings in einem Kleid auftritt (mit den Zöpfen wirkt sie dann wie eine Version der Dorothy aus „Wizard of Oz“).
… und braucht man wirklich Figuren, die im Libretto nicht vorkommen – wie zum Beispiel den weißen Clown (übrigens sehr gut dargestellt von Josef Borbely) ?
Aber nun genug über die Produktion gemotzt – kommen wir zum musikalischen Teil des Abends. Domingo Hindoyan stammt aus Venezuela. Sein Werdegang führte ihn über die Schweiz nach Deutschland, wo er Assistent bei Daniel Barenboim war. An diesem Abend schien es, als ob Hindoyan nur eine einzige Lautstärke kennt – Fortissimo. Er zwang dadurch alle Sänger zum Forcieren – was besonders bei den lyrischeren Stellen (ja, die gibt es in diesem Werk auch) enorm störte.
Als Turandot war Anna Smirnova zu hören – warum sie, die eine ausgezeichnete Mezzosopranistin ist, ins dramatische Sopranfach wechselt, bleibt wahrscheinlich ihr Geheimnis. Während sie naturgemäß in den tieferen Registern keine Probleme hatte, tremolierte sie in der Höhe – allerdings in einem noch erträglichen Ausmaß. Die Frage ist halt, wer (neben Nina Stemme) heutzutage diese Rolle überzeugend bewältigen kann. Eine neue Birgit Nilsson ist leider weit und breit nicht in Sicht.
Alfred Kim verkörperte den tatarischen Prinzen. Sein Timbre ist nichts Besonderes, allerdings hat er die Kraft, über drei Akte hinweg über das Orchester hinweg zu singen – was bei der oben angesprochenen Lautstärke eine Kunst war. Er begann etwas verhalten und wirkte bei den tieferen Tönen viel angestrengter als in der Höhe. „Nessun Dorma“ klang als wie von zwei verschiedenen Sängern interpretiert – während er beim ersten Teil der Arie verkrampft wirkte, konnte er zum Schluss mit klaren Spitzentönen überzeugen. Was an diesem Abend angenehm war – die Vorstellung wurde danach nicht durch Applaus unterbrochen!
Überzeugend an diesem Abend war Dinara Alieva in der Rolle der Liu. Die – meiner Meinung nach – einzige Sympathieträgerin der ganzen Oper wurde von Alieva ausdrucksvoll dargestellt. Das Timbre ist zwar nicht so mädchenhaft, wie man es sich vielleicht wünschen kann, sie trotzte aber auch erfolgreich den vom Dirigenten herbeigeschworenen Klangmassen des Orchesters.
Samuel Hasselhorn, Carlos Osuna und Leonardo Navarro waren sehr gute und spielfreudige Minister, Paolo Rumetz ein Mandarin, der nicht weiters auffiel. Ich kann mich vielleicht irren, aber begeht im Originallibretto Timur Selbstmord? Nicht nur, dass er im letzten Akt plötzlich sehen kann (vielleicht eine Spontanheilung, nachdem sein Sohn die drei Fragen erfolgreich beantworten konnte?) und den Dolch, mit dem sich Liu entleibte, von Boden aufhob, schnitt sich der wie immer sehr verlässliche Dan Paul Dumitrescu beim Abgehen noch die Pulsadern auf.
Apropos Dolch uns Liu-Selbstmord. Da dürfte ein kleines Hoppala passiert sein. Ich nehme mal an, dass der Farbbeutel für das Blut schon früher geplatzt war und so musste die Liu schon ihre Schlussarie mit blutendem Herzen singen. Konsequenterweise hat sie sich dann den Dolch in den Unterleib gerammt und war sofort tot.
Benedikt Kobel als Altoum sah nicht nur sehr gebrechlich aus, er klang auch so. Ob gewollt oder ungewollt – wer kann das schon sagen?
Die Leistung der beiden Mägde Younghee Ko und Irena Krsteska war tadellos.
Beim Schlussapplaus erhielt Dinara Alieva die größte Zustimmung, gefolgt von Alfred Kim und Anna Smirnova. Es war insgesamt ein solider Repertoireabend, der aber durch diverse Regieeinfälle getrübt war.
Vor der Pause war der Stehplatz voll, nach der Pause nur noch zur Hälfe – das sieht man leider immer wieder und ist schade. Insofern ist es gut, dass ab nächster Saison die Preise für die Stehplätze angehoben werden. Heutzutage kostet eine reguläre Führung durch die Staatsoper für Erwachsene 9 Euro, für Studenten 4 Euro. Da ist eine Stehplatzkarte für Balkon und Galerie billiger, man sieht die Räume der Oper und nimmt quasi im Vorübergehen auch noch einen Akt einer Aufführung mit…
Alle Photos (c) Wr. Staatsoper / Michael Pöhn
Dass diese Kammeroper von Thomas Adés eher nicht dafür geeignet ist, einen jungen Menschen an die Kunstform „Oper“ heranzuführen, ergibt sich alleine schon aus der Tatsache, dass hier ein Alterslimit von 16 Jahren angegeben ist. Da es am musikalischen nicht liegen kann, hat es naturgemäß mit der Handlung und dem Libretto zu tun (und im weiteren Sinne auch mit der Inszenierung).
Thomas Adés ist dem Wiener Publikum spätestens seit den beiden Aufführungsserien von „The Tempest“ an der Wiener Staatsoper bekannt – das Werk wurde umjubelt und von der Kritik auch sehr gelobt – wer erinnert sich nicht an die Vokalakrobatik der Audrey Luna? Nun, „Powder Her Face“ ist das Erstlingswerk des damals 24-jährigen Adès und war eine Auftragsarbeit des Londoners Almeida Theaters. Vorgaben waren – kleines Sängerensemble und kleines Orchester. Das Thema konnte sich der Komponist aussuchen. Adés kannte den Romanschriftsteller Philip Hensher, der den Einfall hatte, eine Oper auf der Basis der Lebensgeschichte der Margaret Campbell, Herzogin von Argyll, zu schaffen.
Den meisten Personen heutzutage (mir eingeschlossen) sagt wahrscheinlich der Name nichts, allerdings war zu Beginn der 1960er Jahre in London ihr Rosenkrieg mit ihrem damaligen Mann ein ganz großer Skandal. Da wurde vor Gericht wirklich Schmutzwäsche gewaschen – quasi als Höhe(oder doch Tief-)punkt wurde dem Gericht als Beweis der unmoralischen Lebensweise der Herzogin ein Polaroid-Foto vorgelegt, die sie bei der Fellatio zeigte. Pikanterweise war der Kopf des Mannes abgeschnitten, daher konnte der Boulevard sich in Mutmaßungen ergehen. Dass der Herzog selbst auch ein Verhältnis hatte wurde nicht erwähnt – so weit zu Moral dieser Zeit…
Die Oper wurde 1995 uraufgeführt und hält sich nun schon seit fast einem Vierteljahrhundert auf den Spielplänen – natürlich geht ihr der Ruf voraus, dass erstmals auf der Opernbühne eine Fellatio auskomponiert wurde. Beim Einführungsvortrag nannte die Dramaturgin der Volksoper dieses Werk mehrmals die „Blowjob-Oper“.
Die Handlung laut Wikipedia –
Szene 1. 1990: In Abwesenheit der Herzogin machen sich in ihrem Hotelzimmer das Zimmermädchen und ein Elektriker über sie und ihre Kleidung lustig. Die Herzogin betritt das Zimmer und überrascht die beiden. In Anbetracht der Demütigungen erinnert sie sich an ihre glanzvolle Vergangenheit.
Szene 2. 1934: In einem Landhaus wartet die junge Adlige und vormalige „Debütantin“ des Jahres“ gemeinsam mit ihrer Vertrauten und einem Salonlöwen auf den Herzog. Sie unterhalten sich über ihre jüngst erfolgte Scheidung von Baron Freeling. Seitdem ist sie in der Öffentlichkeit im Gespräch, und es wurden sogar Lieder über sie geschrieben. Sie lästern über den Ruf des Herzogs als Frauenheld. Er erscheint schließlich.
Szene 3. 1936: Die ehemalige Mrs Freeling und der Herzog haben geheiratet. Eine Kellnerin beschreibt die Hochzeit und das sittenlose Verhalten der Reichen.
Szene 4. 1953: In einem Hotelzimmer Londons verführt die Herzogin den Zimmerkellner und gibt ihm ein großzügiges Trinkgeld. Der Kellner lässt durchblicken, dass ihn ihr Verhalten nicht überrascht hat. Sie hat bereits einen einschlägigen Ruf unter den Angestellten.
Szene 5. 1953: Nach einer Party vergnügt sich der Herzog zuhause mit einer Geliebten. Diese erzählt ihm von den stadtbekannten Liebesabenteuern der Herzogin. Der Herzog ist fassungslos.
Szene 6. 1955: Nach dem Skandal ist es zu einem Gerichtsprozess gekommen, und das Urteil wird erwartet. Die Sensationspresse berichtet unterdessen gierig über die Herzogin. Der Richter verurteilt ihren Lebenswandel. Die Herzogin akzeptiert das Urteil gelassen.
Szene 7. 1970: Die Herzogin gibt ein abschließendes Interview. Nachdem zunächst von Mode, Gesundheit und ähnlichen Themen die Rede ist, wird schließlich doch ihr Lebenswandel angesprochen. Die Herzogin ist ungehalten darüber und bringt ihre Verachtung zum Ausdruck. Sie erhält eine hohe Rechnung vom Hotel, in dem sie lange Zeit gelebt hatte.
Szene 8. 1990: Der Hotelmanager fordert die Herzogin auf, das Hotel zu verlassen, da sie die Rechnungen nicht bezahlt hat. Sie versucht vergeblich, ihn zu verführen und reist schließlich ab.
Epilog: Der Elektriker und das Zimmermädchen vandalieren im verlassenen Hotelzimmer.
Zur musikalischen Seite – Adés schrieb für insgesamt 16 Instrumente (2 Violinen, Viola, Cello, Kontrabass, Klarinette, Saxophon, Horn, Trompete, Posaune, Akkordeon, Klavier und Schlagwerk) und für 4 Sänger ( 2 x Sopran, Tenor und Bass). Eingerahmt ist das Werk durch einen Tango (da findet man Anklänge an Astor Piazzola), der das Stück eröffnet und auch wieder beendet. Zu diesem Tango wird von den Darstellern eine Art Performance verlangt, die starke sexuelle Anspielungen (nun, eigentlich waren das keine Anspielungen mehr) zeigte.
Die Musik von Adés ist niemals atonal, man findet immer wieder Anspielungen – neben Piazzola – auf Strauss, Berg und Shostakovich, allerdings findet er auch eine eigene Tonsprache, die auf ihre Art sehr einnehmend ist. Von den Sängern verlangt er große Registersprünge (was besonders beim Part des Basses hörbare Schwierigkeiten mit sich bringt) und es zeigt sich, dass die ganz extreme Tessitura, die man aus „The Tempest“ kennt, ein Markenzeichen des Komponisten zu sein scheint – schon bei diesem Erstlingswerk muss eine der Sängerinnen an ihre oberen Grenzen gehen, zwar nicht so extrem wie im „Sturm“, aber doch.
Die Inszenierung von Martin G. Berger im Bühnenbild von Sarah-Katharina Karl ist niemals langweilig und passt sich den Gegebenheiten des Kasinos perfekt an (normalerweise wird das Kasino ja vom Burgtheater bespielt). Die Videoeinspielungen von Anna Hirschmann passen auch wunderbar und helfen dem Publikum die jeweiligen Szenen besser zu verstehen, in dem immer wieder die Jahreszahl der aktuellen Begebenheit auf der Bühne eingespielt wird. Es wird den vier Sängern (aber auch den Statisten) körperlich viel abverlangt, manchmal knapp zur Grenze zur Pornographie (ohne jemals geschmacklos zu wirken). Die Gesamtspielzeit von über 2 Stunden geht wie im Flug vorbei – ein Kompliment nicht nur an das Orchester der Volksoper Wien, das von Wolfram-Maria Härtig mit viel Übersicht geleitet wurde.
Ursula Pfitzner spielte und sang die Rolle der Herzogin mit vollem Einsatz, hatte überhaupt keine Probleme mit Höhen und konnte auch schauspielerisch punkten – immerhin musste sie während des Abends um knapp 60 Jahre „altern“.
Den extremsten Part hatte Morgane Heyse zu bewältigen. Nicht nur, dass ihrer Stimme „Wuthering Heights“ abverlangt wurden, wurde sie auch mit Öl überschüttet etc. Das bedeutete, dass sie sich zwischen zwei Szenen duschen musste, um dann eine weitere Rolle zu verkörpern. Bis auf Ursula Pfitzner hatte jeder Sänger verschiedenste Charaktere zu spielen – im Falle von Heyse waren das – Zimmermädchen, Vertraute, Kellnerin, Geliebte, Gafferin und Gesellschaftsjournalistin….
Bei den beiden Männern machte David Sitka auf mich einen sehr guten Eindruck – stimmsicher und schauspielerisch großartig war er für die Darstellung des Elektrikers, Salonlöwens, Kellners, Gaffers und Lieferjungen zuständig. Bart Driessen hatte seinen großen Auftritt in der Gerichtsszene, als Bass hatte er ein- oder zweimal mit extrem hohen Tönen zu kämpfen.
Das Publikum zeigte sich wirklich begeistert und ich kann diese Produktion wirklich jedem empfehlen – ein kurzweiliger Abend, man bekommt was für sein Eintrittsgeld geboten – und ich befürchte, dass man „Powder Her Face“ in den nächsten Jahren in Wien nicht mehr zu sehen oder hören bekommen wird. Ich selbst werde mir das Werk noch einmal anhören – es gibt noch einige Vorstellungen im April!
Es gibt nicht viele Sänger, die es im Laufe ihrer Karriere auf 4000 Vorstellungen, hauptsächlich in Hauptrollen, kommen. Ein derart ungewöhnliches Ereignis wurde nach der Vorstellung gefeiert. Placido Domingo erhielt als Geschenk von Direktor Meyer die Originalunterlagen der Bewertung seines Vorsingens – ja, auch Domingo musste einmal vorsingen! Es wurde auch die Gesamtbeurteilung vorgelesen – „ein vielversprechender junger Sänger“. Nun, man kann diesem Urteil rückblickend nicht widersprechen…
Seine Fans belagerten ihn nicht nur nach der Vorstellung beim Bühneneingang, wo er geduldig bis knapp vor Mitternacht noch Autogramme schrieb und für Selfies posierte, auch beim Schlussvorhang regnete es Blumen und auch ein Transparent zu seinen Ehren wurde in die Höhe gehalten.
Kann man unter diesen Umständen ein objektives Urteil fällen? Man kann es zumindest versuchen. Ich selbst hatte bis an diesem Abend den „Bariton“ Domingo standhaft verweigert, sprang für einen Merker-Kollegen relativ kurzfristig ein. Nun, ich bemühe mich jetzt für die nächste Saison Karten für seine Auftritte in Nabucco und Macbeth zu bekommen.. Es geht da – und da sind sich wohl alle einig – nicht um die Leistungen als Bariton, sondern um die Ausstrahlung, die von diesem rund 80-jährigen Künstler ausgeht. Es war interessant, wie jugendlich er zu Beginn des Abends bei seiner ersten Szene wirkte – da war tatsächlich die Körpersprache eines jüngeren Mannes vorhanden. Später passte er diese dem Alter der Figur an (und ehrlich gesagt, auch seinem wirklichen Alter). Ja, er hatte gewisse Ermüdungserscheinungen vor der Pause, erfing sich aber. Ja, er ist kein wirklicher Bariton – ABER! Noch immer weiß er wunderbar zu phrasieren, er weiß im richtigen Moment Akzente zu setzen und das Publikum zu berühren. Das Phänomen „Domingo“ steht irgendwie außerhalb jeder Kritik – man muss es so hinnehmen, wie es ist. Der Sänger kreiert noch immer ergreifende und intime Momente, das Publikum liebt ihn noch immer, auch der kaufmännische Direktor der Oper – darum ist es (und zu diesem Schluss komme ich, obwohl ich nie ein Domingo-Fan war) würdig und recht ihn noch immer anzusetzen.
Die sängerisch beste Leistung an diesem Abend lieferte Francesco Meli ab. Sichere Höhen, viel Kraft (ohne dass er forcieren musste) und ein angenehmes Timbre zeichnen ihn aus. Er hat sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt und mit Freude vernahm ich, dass er einer der Premierensänger des neuen „Ballo“ sein wird. Zum ersten Mal in dieser Serie stellte sich Eleonora Buratto dem Wiener Publikum als Amelia Grimaldi vor. Sie war ein Gewinn und es bleibt zu hoffen, dass sie auch in der Zukunft in Wien auftreten wird. Meiner Meinung nach gibt es nicht so viele „Verdi“-Sängerinnen, die aktuell ihr Niveau erreichen.
Etwas ausgesungen klang Kwanchul Youn als Fiesco. Sehr beeindruckend auf der anderen Seite wieder Marco Caria, der als Paolo sicherlich eine seiner überzeugendsten Rollen gefunden hat. Verlässlich Dan Paul Dumitrescu als Pietro, unauffällig Lydia Rathkolb als Dienerin. Wie schon in der Lucia gelang es leider Lukhanyo Moyake auch an diesem Abend in einer kleineren Rolle unangenehm aufzufallen.
Ein Pauschallob and Dirigent Philippe Augin, dem Staatsopernorchester und –chor. Die Inszenierung von Peter Stein hält sich nun schon seit fast 20 Jahren am Spielplan und ist absolut praktikabel.
Nachdem ich Placido Domingo in seinen Bariton-Rollen bis jetzt erfolgreich negiert habe werde ich ihn am Montag jetzt in "Simon Boccanegra" hören. Ein "Merker"-Kollege ist ausgefallen und ich springe ein. Ich bin schon gespannt darauf und weiß noch nicht, ob ich mich da vorfreuen oder fürchten soll...
Peter Rose musste die letzte Vorstellung krankheitsbedingt absagen, versuchte sich an diesem Abend aber wieder in der Rolle des Ochs, ließ sich aber ansagen. Nach dem ersten Akt gab er schlussendlich w.o. und musste ersetzt werden. In weiser Voraussicht wurde schon am Nachmittag Wolfgang Bankl darüber verständigt, dass er sich für den Fall der Fälle bereithalten sollte – und nachdem das Worst Case Scenario tatsächlich eingetreten war, übernahm er ab dem 2.Akt und rettete somit die Vorstellung. Bankl, der ja schon am Sonntag aufgetreten war, gab einen ziemlich ruppigen und derben Baron Lerchenau, der – samt seiner Bagagi – nicht dazu beitrug, auch ein irgendwie geartetes Mitleid mit ihm zu empfinden.
Clemens Unterreiner war ursprünglich auch nicht für diese Serie angesetzt. Seine Charakterstudie des Emporkömmlings Faninal war ausgezeichnet und wie üblich wirkte durch die Persönlichkeit des Sängers die Rolle größer als sie tatsächlich ist. Besonders gelungen fand ich auch das Zusammenspiel mit Caroline Wenborne – es war schön sie wieder in als Marianne Leitmetzerin auf der Bühne zu sehen.
Ein weiterer Pluspunkt des Abends war das italienische Intrigantenpaar – Ulrike Helzel als attraktive Annina verdrehte dem Ochs den Kopf und auch ihr Partner Michael Laurenz (Valzacchi) holte alles aus der Rolle raus. Beide spielten sehr glaubwürdig und waren eine hervorragende Ergänzung zu den Hauptrollen. Um gleich bei den kleineren Rollen zu bleiben – Jörg Schneider als Wirt gefiel mir wieder sehr (auch sein Auftritt in Pagliacci war einer der Höhepunkte der Abends) und ich kann mich nicht erinnern Alexandru Moisiuc derartig bühnenpräsent in Erinnerung zu haben (Wachtmeister) und Mariam Battistelli spielte und sang sich als Modistin in den Vordergrund. Einzig Benjamin Bruns war etwas enttäuschend, zu sehr flackerten seine Höhen. Aber zu seiner Ehrenrettung muss ich sagen, dass „mein“ Sänger auf immer und ewig Johan Botha bleiben wird – er hat im Mai 2005 ein einziges Mal diesen Part übernommen und seit dem messe ich alle Sänger in dieser Rolle an ihm…
Die Sophie war bei Chen Reiss in besten Händen – man nahm ihr das junge, gerade aus dem Kloster gekommene, Mädel sofort ab. „Schultern wie ein Hendel“ hat sie ja und entsprach der von Hofmannsthal geschilderten Figur perfekt. In einer sonst eher emotionslosen Vorstellung berührte einzig und allein die perfekt gesungene und gespielte Szene der Überreichung der Rose – sie und Stephanie Houtzeel kennen sich ja bestens (schon 2015 war dieses Duo gemeinsam angesetzt gewesen). Figürlich ist der Octavian bei Houtzeel bestens aufgehoben, sie spielte auch den 17 Jahre (und 2 Monate) alten Heißsporn mit allen Facetten, die die Rolle zu bieten hat. Ihren nach wie vor hellen Mezzo brachte sie am besten bei der oben angeführten Szene zur Geltung, aber auch als Mariandl war sie entzückend.
Leichte Einwände habe ich gegen die Adrianne Pieczonka als Marschallin. Sie hat diese Rolle zwar schon seit einiger Zeit im Repertoire, allerdings vermisste ich beim Zeitmonolog die Intensität (und vielleicht auch die Erfahrung), die ich bei anderen Interpretinnen dieser Rolle gespürt habe.
Was jetzt mit diesem Abend nicht wirklich was zu tun hat, aber ich frage mich ob Hofmannsthal – als er der Marschallin die Bemerkungen über die Männer im Allgemeinen in den Mund gelegt hat – sich vielleicht eine Anleihe bei Shakespeare genommen hat? In „Much Ado About Nothing“ (Akt 2, Szene 3) heißt es nämlich –
Sigh no more, ladies, sigh no more,
Men were deceivers ever,
One foot in sea and one on shore,
To one thing constant never.
Then sigh not so, but let them go,
And be you blithe and bonny,
Converting all your sounds of woe
Into Hey, nonny nonny.
Sing no more ditties, sing no more
Of dumps so dull and heavy.
The fraud of men was ever so,
Since summer first was leavy.
Then sigh not so, but let them go
And be you blithe and bonny,
Converting all your sounds of woe
Into Hey, nonny nonny.
Die Inszenierung von Otto Schenk ist eine der “Unverzichtbaren” dieses Hauses – viele Worte darüber zu verschwenden ist müßig. An diesem Abend sehr störend waren aber die im 3.Akt herumtobenden Kinder (es waren auch mehr als die vier, die im Libretto vorkommen), die für extrem viel Unruhe sorgten.
Adam Fischer und das Staatsopernorchester kennen das Stück natürlich in- und auswendig. Es wurde korrekt musiziert (von den drei Horn-Kieksern einmal abgesehen). Insgesamt fügten sich aber an diesem Abend die Einzelbausteine nicht zu einem Ganzen – der Funke sprang nicht ins Publikum über (und nach dem ersten und zweiten Aufzug leerten sich nicht nur die Galeriestehplätze, sondern es blieben danach auch viele Plätze auf der Galerie und Balkonseite frei) – deswegen war es eine gediegene Repertoire-Vorstellung, aber nicht mehr.
@ Rodolfo39 - meistens wird bei der Cavalleria während der Aufführung nicht applaudiert (ich finde auch, dass das irgendwie den Ablauf stören würde..)
@ Gerhard Wischniewski - es zahlt sich immer aus nach Wien zu kommen ! Schöne, "klassische" Inszenierungen bei uns sind - La Boheme, Rosenkavalier, Elisir d'amore, Tosca, Cavalleria Rusticana, Pagliacci, L'Italiana in Algeria, Adriana Lecouvreur, Andrea Chénier, Carmen, Fledermaus, Meistersinger, Fidelio, Il Barbiere di Siviglia. Dazu noch einige, die durchaus anzuschauen sind! Wenn Dich ein Werk interessiert kannst Du ja auch auf die Homepage der Staatsoper gehen, da kannst Du immer Auszüge aus der jeweiligen Inzenierung sehen!
@ Operus - ich komme zwar erst einen Tag voher aus Tokyo zurück, kann aber den Abend wahrnehmen! Ich habe mir den Termin eingetragen. Ich kenne Renate Wollf auch, sie ist - so wie ich - Mitglied beim "Ordo Equestris Vini Europae" ! Ich gehe dort immer gerne hin!
LG an alle,
Kurt (der gerade Charlie Parker, Chet Baker etc. hört)
Nach langer Zeit besuchte ich wieder einmal drei Vorstellungen der gleichen Aufführungsserie. Vor knapp 15 Jahren war eine „Cavalleria“ mit Agnes Baltsa de facto mein „Erweckungserlebnis“, das meine Liebe zu der Kunstform „Oper“ entfacht hat. Seitdem ist diese Oper eine, zu der ich ein besonderes Verhältnis habe.
Nach fünf Jahren wurden wieder einmal beide Verismo-Klassiker in den wunderbaren Bühnenbildern von Jean-Pierre Ponnelle auf den Spielplan gesetzt. Diese Produktion MUSS auf jeden Fall zu denen gehören, die niemand verändern darf. Alleine die Beleuchtung, die eine mediterrane Stimmung aufkommen lässt, ist um so viel besser und stimmungsvoller als diejenige, die man heutzutage bei Neuinszenierungen vorgesetzt bekommt. Eine ähnlich stimmungsvolle Kulisse fand man in den letzten Jahren eigentlich nur noch bei „Les Troyens“.
„Suche Karte“-Schilder bei einer Repertoire-Vorstellung wiesen schon darauf hin, dass ein Superstar an diesem Abend sang – und Elina Garanca rechtfertigte die in sie gesetzten Erwartungen. Ihr fehlt zwar noch die Ausstrahlung, die zum Beispiel eine Baltsa oder eine Dolora Zajick in dieser Rolle hatten, aber das machte sie mit einer überragenden schauspielerischen Leistung mehr als wett. In dieser Inszenierung muss die Santuzza ununterbrochen auf der Bühne stehen, und Garanca erfüllte jede Sekunde mit kleinen und großen Gesten, die auf ihren Seelenzustand schlossen. Wut, Verzweiflung, Hoffnung, Rache – das alles war fast körperlich spürbar. In dieser Rolle hat Elina Garanca eine weitere Paraderolle gefunden – und meiner Meinung nach wirkt sie da überzeugender als in der letzten Produktion, in der sie in Wien zu sehen war. Diese Santuzza ist nicht nur ein Opfer, sondern in gewisser Weise auch eine Täterin. Man hat das Gefühl, dass sie von Anfang an ihre Rache plant (obwohl ihr schlussendlicher Verrat doch eher „passiert“).
Garancas Stimme ist etwas dunkler geworden, sie hat eine großartige Mittellage, eine tolle Höhe. Dass die tiefer gelegenen Passagen nicht unbedingt zu ihrer Stärke zählen ist bekannt, aber diese kleine Einschränkung soll nicht die überragende Leistung schmälern.
tamino-klassikforum.at/core/index.php?attachment/257/
Um sie herum fand man leider hauptsächlich Mittelmaß – was aber teilweise nicht unbedingt den Sängern anzulasten ist. Ein Opfer des Besetzungsbüros ist sicherlich Paolo Rumetz, der zwar ein guter Bartolo ist, aber in dieser Produktion total fehlbesetzt ist. Ich habe noch nie so einen „gemütlichen“ Alfio erlebt. Da war keine Durchschlagskraft – und seine Auftrittsarie war leider total verschenkt. Sorry, aber kein Wunder, dass sich Lola wieder ihrem ehemaligen Liebhaber zuwendet.
Vor fünf Jahren noch als Lola auf der Bühne fand sich in dieser Serie Zoryana Kushpler plötzlich als Lucia wieder. Am besten hat sie mir noch bei der dritten Aufführung gefallen – es scheint, dass ihr Mezzo für diese Rolle bereits zu tief ist.
So überzeugend Svetlina Stoyanova im Jänner in der Cenerentola war, so blass wirkte sie als Lola. Sie hat eine hübsche Stimme, allerdings verglichen mit Rollenvorgängerinnen (Garanca, Kushpler oder Roxana Constantinescu) fehlte ihr noch das gewisse „Etwas“, das Turridu wieder zu ihr zurückkehren ließ. Sie wirkte einfach zu „brav“.
Was die Gestaltung des Turridu von Yonghoon Lee angeht, so hatte ich das Gefühl in einer Wagneroper mit vollem Orchester zu sein. An allen Abenden agierte er mit eine Einheitslautstärke ohne jedwede Nuancierung. Er spielte gut und überzeugend, aber um warum, um Gottes Willen, musste er die „Siciliana“ so plärren? Und er sang diese nicht hinter der Bühne (wie man es normal sieht), sondern stellte sich noch dazu mitten auf den Marktplatz?!? Man muss Lee aber zu Gute halten, dass er bombensichere Höhen hat und keinerlei Ermüdungserscheinungen hatte.
Graeme Jenkins ließ das Staatsopernorchester extrem laut spielen (besser wurde es bei den Pagliacci) – auch Verismo-Opern können mit mehr Gefühl dirigiert werden.
Das Publikum bejubelte Elina Garanca zu Recht – ich hoffe, sie noch oft in dieser Rolle zu hören und zu sehen.
Nach der Pause dann die Pagliacci. Auch hier überzeugte eine Lettin. Marina Rebeka sang und spielte die Nedda überzeugend, auch wenn ihr schon die gewisse Leichtigkeit in der Stimme fehlt, die man meistens in dieser Rolle gewohnt ist. Das soll ihre Leistung aber nicht schmälern.
Der Canio wurde von einem Routinier, Fabio Sartori, gesungen. Wie auch bei Yonghoon Lee hatte man niemals das Gefühl, dass er Probleme mit seinen Höhen bekommt. Schauspielerisch etwas beschränkt konnte er auch nicht die Rage des gehörnten Liebhabers so intensiv auf die Bühne bringen, die man von Rollenvorgängern gewohnt ist. „Vesti la giubba“ sang er korrekt, mit einem Schluchzer zum Schluss – aber irgendwie ließ die Arie das Publikum kalt. Insgesamt solide, aber nicht außergewöhnlich.
George Petean sang einen überzeugenden Prolog und stellte den Tonio sehr glaubwürdig dar, Von allen männlichen Protagonisten überzeugte er mich an allen drei Abenden am meisten.
Als Gewinn muss man auch Jörg Schneider als Beppo sehen. Gerüchteweise soll er in der nächsten Saison den Herodes singen – da kann man positiv gespannt darauf sein!
Sehr blass wirkte Orhan Yildiz als Silvio. Die höheren Passagen bereiteten ihm Mühe, insgesamt wirkte er ein wenig zu leichtgewichtig.
Das Zusammenspiel zwischen Orchester und dem von Thomas Lang einstudierten Chor der Wiener Staatsoper wurde von Abend zu Abend besser – und die Damen und Herren überzeugten mit präzisen Einsätzen.
Eine kleine Bemerkung – die Übersetzung des Ausdrucks „ventitre ore“ ist mit 18:00 angegeben – wahrscheinlich eine „Hilfsübersetzung“, da dies ein Ausdruck ist, der eigentlich „eine Stunde vor Sonnenuntergang“ bedeutet.
Schlussendlich hoffe ich, wie schon oben bemerkt, dass es nicht wieder 5 Jahre dauern wird, bis man diese „unverzichtbare Inszenierung“ im Haus am Ring sehen wird.
Die Photos von den Sängern sind alle © Wiener Staatsoper, Michael Pöhn