Lieber Michael,
Na, jetzt habe ich die Schymberg-Björling-Aufnahme auch gehört, sogar zwei Mal hintereinander (habe in der Zeit was gemalt, da passt so etwas ideal) und muss erstmal sagen, dass ich Dein Urteil zumindest ein wenig übereilt, und schlimmstenfalls doch wirklich ziemlich ein Produkt schlechter Laune/unglücklicher Umstände finde.
Ich fand nämlich, abegsehen von dem wirklich alles andere als schwungvollen Dirigat, keines von Dir bemängelten Zustände wieder, im Gegenteil! :beatnik:
Fru Schymberg ist im ersten Akt (wie das bei der Oper doch eigentlich regelmäßig der Fall ist, habe gehört, die Opernsänger dürfen vor der Vorstellung gar kein Stimmtraining mehr machen, stimmt das??) einfach noch nicht ganz da und klingt zum Teil wirklich ziemlich steif und flach, in der "É strano"-Arie verliert sie tatsächlich einige Male den roten Faden und die Verbindung zum Orchester, was natürlich sehr ärgerlich ist, weil das (nach dem ersten Duett der beiden bei dem Schwächeanfall Violettas) meine absolute Lieblingsstelle ist. 
Doch dann, muss man sagen, fängt sich die schwedische Diva wieder und kommt im zweiten Akt sehr schön mit nötiger Dramatik und wunderbaren Piani (habe selten so sanften Klang bei einer so hohen Stimme gehört
) zur Geltung.
Vater Germont fand ich im Vergleich zu den anderen von mir gehörten Vätern nicht unbedingt abgrundtief schlechter, ich fand seine Stimme angenehm und seine Darbietung sicher. Ich weiß gar nicht, worauf Dein Urteil gründet? Wäre gespannt zu erfahren, was ich so Schlimmes mit meinem laienhaften Ohr überhört habe! 
Was schwedische Sprache angeht, so hat mich das eigentlich nicht wirklich gestört. Vermutlich hat das damit zu tun, dass ich seit meiner Kindheit alle Opern auf Russisch gehört habe - Traviata, Carmen, Orfeo at Eurydice, einfach alles - deswegen ist das okey für mich. :beatnik: Viel witziger finde ich es, wenn zwei verschiedene Sprachen in derselben Aufführung benutzt werden, dazu habe ich ja sogar einen eigenen Thread eröffnet. Aber dies ist ja bei dieser Aufnahme nicht der Fall, also hab ich mich gar nich weiter mit der Sprache aufgehalten.
Und das Beste natürlich zu Schluss - oder das Schlimmste??

Björling hat sich für meine Begriffe als DER ultimative Alfredo entpuppt!!!

Unglaublich, er macht genau das, was ich mir schon immer bei jeder anderen Darbietung gewünscht habe, und nur er hat das genauso hinbekommen - verhalten, wo es nötig ist, richtig pathetisch, wo es hingehört, leidenschaftlich, dass eine Frau gleich merkt, ob sie nah am Wasser gebaut ist, jugendlich-schüchtern und mit dem so typischen für einen jungen verliebten Romantiker Überschwang.
Die riesige Stimme Björlings ließ natürlich die Kollegen regelmäßig etwas blass aussehen, aber seine Absicht war es nicht - man höre sich den ersten Duett nach Violettas Schwächeanfall an - er dämpft seine Stimme, um den kleinen Sopran besser zu Geltung kommen zu lassen: Man kann es damit vergleichen, dass ein Diamant neben dem Kristallglas trotzdem besser glitzert, auch wenn es nur am Rand der Fassung platziert ist... 
Die richtige Tragödie und Drama an der ganzen Sache ist es, dass das wirklich die einzige Aufnahme Börlings Alfredo ist, und sie ist wohlgemerkt aus dem Anno domini 1939! Mann! Wie konnte er das der Nachwelt antun???

Jetzt genug lamentiert! Ich kann die anderen verehrten Taminos nur darum bitten, den Schiedsrichter in unserer Diskussion zu spielen und mit dem eigenen Urteil mich oder Michael Recht zu geben - oder keinem von uns. Bin schon gespannt!
Alles Liebe, 
Eure
Theodora