Liebe Taminos, 
hier Theodora, und ich möchte mit Euch meine Eindrücke teilen - von der „Tosca“-Aufführung, die ich gestern ( 03.09.2008 ) bei Städtischen Bühnen Frankfurt (Neue Oper) erlebt habe. Dabei möchte ich nur nach bestem Gewissen meine Eindrücke schildern, und auf gar keinen Fall etwa einen Opernprofi oder gar – Opernkenner spielen, deswegen seid gnädig in der Beurteilung und verzeiht mir, dass ich nur sehr wenig zur Leistung des Orchesters und des Dirigats beitragen kann, außer dass die Klänge Puccinis wunderschön herauskamen und in keinem Fall die Stimmen überlagerten oder die Handlung störten. *verlegen lach* 
Der Saal war komplett voll, als die Lichter endlich ausgingen und der Orchester einsetzte. Es fiel mir sofort auf, dass die Akustik in diesem Haus sehr gut war, der Ton erklang mächtig und weich zugleich und kam gut auch bei meinem Platz in der hintersten Reihe an. Der Vorhang ging auf, und man sah ein sehr schön gestaltetes Bühnenbild – im Hintergrund eine vergrößerte Abbildung einer römischen Basilika, im Vordergrund eine Gerüst-Konstruktion aus drei übereinander liegenden Ebenen. Das Gemälde und die Farben Cavaradossis schwebten in der luftigen Höhe, eine kleine Madonna stand auf der mittleren Ebene, und unten sah man die düstere Unterwelt des Kirchenkellers - dies alles im Querschnitt.
Als erstes erschien auf der Bühne der ganz in Weiß gekleidete Angelotti (Florian Plock), der sich erschöpft und verängstigt über die Bühne schleppte und sich als Erstes übergeben musste – da hatte man sofort den Eindruck von einer Person, die bis aufs Äußerste getrieben ist und Panik verspürt. Danach erschien der Mesner (Franz Mayer), der in eine Art Nachthemd gekleidet, sich schimpfend und ungeschickt durch die Szenerie bewegte, und das Publikum mit seinem Gemurre über die „Voltairianer“ und der angemehmen, geübten Stimme durchaus zu amüsieren vermochte, indem er in die schwere, drückende Atmosphäre des Bühnengeschehens etwas Komik und damit Entspannung einbrachte. Schließlich betrat der Maler Cavaradossi (Carlo Ventre) die Bünhe. Doch leider muss man zu seiner ersten Arie über die Schönheit und die Kunst sagen, seine Stimme klang etwas unbeweglich und brüchig und vermochte es nicht, den Saal richtig auszufüllen.
Um so furioser und beeindruckender fiel der erste Auftritt von Tosca aus, die von Barbara Haveman verkörpert wurde: Ihre charmante, leichte Art, auf der Bühne zu agieren, die leicht selbstironische Interpretation der Rolle einer übermäßig eifersüchtigen Geliebten, aber vor allem ihre Stimme – mächtig den Saal ausfüllend, strahlend und schillernd in den Höhen, aber auch bei Piani deutlich hörbar und sehr melodisch, mit wunderbarem dunklen Timbre – Haveman zog das Publikum sofort in ihre Bann und füllte die Bühne für die Zeit ihres Auftritts souverän aus. Sofort entstand vor dem Zuschauer und Zuhörer die Gestalt einer Frau, die einerseits sehr stark und selbstbewußt, andererseits verletzlich, von Leidenschaften geplagt und auf die Liebe Cavaradossis bedingungslos angewiesen ist – eine Gestalt, die überzeugend und glaubhaft war und einen schnell für sich einnahm.
Der andere Höhepunkt des Bühnengeschehens war sicherlich der Auftritt von Scarpia mit seinen Schergen, der von Peter Sidhom gemimt wurde. Die gepflegte Barintonstimme Sidhoms, sein überzeugendes Schauspiel und die Bühnenpräsenz zauberten im Nu einen herrlich gemeinen und lüsternen Scarpia auf die Bühne. Angenehm aufgefallen ist mir dabei die Kostümierung von Scarpia und seiner Spione – ohne lästige militärische Aufmachung oder sonstige schauerlich anmutende Attribute ihres Standes, schlicht und klassisch gekleidet, waren sie doch durch die Regie und die Art, sich zu bewegen, sofort als Bösewichte erkennbar. Scarpia selbst setzte in der Interpretation seiner Gestalt deutliche Akzente – er zeigte sich rücksichtslos und durchtrieben bei der Durchsuchung der Kirche, lüstern und sich selbst über Gott erhebend, indem er die Madonna demonstrativ auf den Mund küsste und ihren Kopf tätschelte. Ohne einen kleinen selbstironischen Wink kam auch Sidhom nicht aus – bei den Worten „Ach, Tosca, Du lässt mich Gott vergessen“, oben auf dem Gemälde-Gerüst ausgestreckt liegend, fasste er sich das Herz, als würde er vor Wollust gleich einem Herzinfarkt erliegen. 
Kurzum, verstanden es die beiden Protagonisten – Tosca und Scarpia, von sich sofort musikalisch zu überzeugen, die Regie erwies sich als ausdrucksstark, aber geschmackvoll, geistreich, aber nicht übertrieben, Kostüme und Bühnenbild fanden meinem Empfinden nach das fast unmögliche Gleichgewicht, das nötig ist, um gleichzeitig einen Fan der modernen Aufführungen zu erfreuen, ohne dabei einen „Staubi“ zu beleidigen – also ging man in die Pause mit einem sicheren Gefühl, man wird im Laufe des abends noch häufig auf seine Kosten kommen, und mit großer Vorfreude auf das Finale. Fazit: Genauso muss ein richtiger Opernabend beginnen!
Nach der Pause fühlte man sich sofort in die dunklen Zimmern der Engelsburg versetzt, die mit zwei auf beiden Seiten der Bühne stehenden Regalen mit Büchern und Treppchen, mit Fenstern in der Mitte geschmackvoll, aber auch modern angedeutet waren, mit etwas kitschigem Hintergrund, welcher Wandmalereien im Stil Botticellis nachbildete und meiner Meinung nach eine Stilverbindung mit dem Hintergrund zum Bühnenbild des ersten Aktes herstellte, und gleichzeitig leicht ironisch das Pompöse und Bombastische der römischen Palazzi aufgriff. Ein besonders schöner Lichteffekt kam zum Vorschein, wenn man die Fenster öffnete – daraus strömte das helle warme Licht, welches eine vollkommene Illusion eines Sonnenscheines an einem schwülen römischen Abend auf die Bühne zauberte. Vor so einer Kulisse konnte die Handlung nun beginnen – ein wiederholtes Lob an Karl Kneidl (Bühnenbild) und Margit Koppendorfer (Kostüme)!
Die Folterszene kam langsam, aber um so schöner in Fahrt: Tosca mit einem langen schwarzen Schleppenkleid, Scarpia mit bewußt gelockertem Outfit fingen ihren Kampf an – Tosca verängstigt, Scarpia gewalttätig, Stühle über die Bühne werfend, lachend, teuflisch böshaftig – überzeugender Gesang, schöne Aktion! Langsam steigerte sich die Handlung – Scarpia handgreiflich, höhnisch, grausam Folterbefehle für Cavaradossi erteilend, Tosca zunehmend verzweifelt, gebrochen. In dem Moment, wo sie begreift, dass der Maler nebenan gefoltert wird, stößt sie einen solchen Schrei aus, der nicht anders als markerschütternd beschrieben werden kann und bei mir wirklich einen kalten Schauer über den Rücken jagte – kurzum, spannungsgeladene, plastische Darstellung. Als Cavaradossi seine „Vittoria“ ankündigte, wurde auch er zunehmend präsenter, seine Stimme gewann an Kraft, er selbst an Ausstrahlung. Haveman gab anschließend ihre „Vissi d´arte“ so leidenschaftlich und technisch virtuos zum Besten, dass das gesamte Publikum mit einer Ovation reagierte. Die Szene, wo Tosca Scarpia ersticht, war sehr rasant dargeboten, Scarpia ist auch sehr schön, mit viel Qualen und Geschrei gestorben, doch war es ein bisschen schade, dass das Getue mit den Kerzen, der Suche nach dem Umhang bzw. Handschuhen und das Herausholen des Freibriefes aus der toten Hand durch Tosca ein bisschen zu schnell ausfiel bzw. aufgrund der modernen Aufführung ausbleiben musste – man hat ja (leider Gottes!) dabei natürlich die brillant gemimte fiebrig erregte, fast schlafwandlerische Tosca der großen Callas vor Augen, die in ihrer unruhigen Bewegung über die Bühne ein ganzes Psychogramm der Gefühle der schönen Mörderin zeichnet. Aber man muss ja wirklich auf dem Teppich bleiben und sagen, die Szene war gut gespielt, auch wenn ihr vielleicht ein klitzekleines bisschen Länge und somit Dramatisches fehlte. Oder ist man so blutrünstig Scarpia gegenüber, dass er einem nicht lange genug sterben kann? *lach*
Die Grundlage für den dritten Akt wurde in Form einer nackten, grauen, schiefen Ebene durch die (wiederum diskret kostümierte) Soldaten auf die Bühne gerollt, nachdem der kleine blonde Junge (Solist des Frankfurter Opernchors) sein Trauerlied singend und die Blumen werfend auf der Bühne erschien. Seine helle, sehr junge Stimme, die so natürlich und herzerwärmend erklang, das Erhabene und Dramatische der Musik, das Strenge und Karge der Umgebung machten zusammen einen Eindruck der Hoffnungslosigkeit, einer grausamen Welt, Kälte, was durch die Musik mit dem Trauerglocken-Geläut vorgezeichnet wurde. Dadurch bekam die berühmte Arie Cavaradossis – „E lucevan le stelle“ einen sehr passenden Rahmen. Auch die Darbietung Carlo Ventres, der sich zum Ende der Vorstellung deutlich gesteigert hatte, enttäuschte nicht – sie hatte die nötige Dramatik und seine Stimme Höhe und Kraftzuwachs aufgewiesen, auch wenn Havemans Stimme im anschließenden Duett deutlich überragender war: Das Wichtigste in der Oper sollte doch sein, dass der Sänger sich selbst in die Darbietung voll einbringt und sein Bestes tut, und das hatte Carlo Ventre an dem Abschluss des Abends zweifelsohne geleistet und damit seine Portion Applaus wohlverdient. Die Finalszene mit der ohrenbetäubenden Erschießung, die alle zusammenfahren ließ und der Tosca, die neben ihrem toten Geliebten ebenfalls tot umfällt, wobei das gesamte Bühnenbild in sich zusammenstürzt – eine sehr beeindruckende Finalszene, Applaus, fünf Mal kamen die Darsteller vor den Vorhang, bravo! Im Ergebnis muss man sagen, die Frankfurter Oper hatte bei mir für einen vollen Operngenuss gesorgt. Man ging in die Skyline-Kulisse hinaus, vergnügt, beflügelt und mit Puccinis Klängen im Ohr – genauso wie es sein soll. 
Alles Liebe,
Eure
Theodora