Beiträge von Loge

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    Original von BigBerlinBear
    Daß Herr Theodor Ludwig Wiesengrund-Adorno auch als Komponist tätig war, hatte ich immer gewusst, daß sein Einfluss als DER Kritiker schlechthin meine Generation geprägt (und gewiss auch traumatisiert hat), bezweifelt keiner, der mit der Rezeptionsgeschichte der letzen 50 Jahre auch nur einigermassen vertraut ist.


    Ja, lieber BigBerlinBear, da kann ich Dich beunruhigen, das dürfte hier im Forum wirklich keiner mehr bezweifeln. Schließlich haben wir die daraus folgenden, traumatischen Fehlurteile dieser Sozialisationskohorte regelmäßig erheblich zu filtern.


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    Adorno war damals über die Medien allzeit präsent und sein Auftreten, das sicher nicht nur Kompetenz vortäuschte, wirkte auf viele einschüchternd, entmutigend und deprimierend. Alle Komponisten, die nicht den "schönbergschen Weg" gegangen waren, gehörten seiner Ansicht nach in den Mülleimer der Musikgeschichte. Schlimm daran war vor allem, daß sich damals niemand fand, der ihm auf gleichem Niveau hörbar widersprach.


    Das gab es durchaus. Karajan, Bernstein und Gould z. B. haben da widersprochen, wenn auch als Künstler.


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    Seine Fehlurteile über Sibelius, "die tausend Löcher in den Sinfonien aus dem Land der tausend Seen" prägten noch die Progrmamgestaltung bei den Berliner Philharmonikern zu Beginn der 80ger Jahre des letzten Jahrhunderts, wo wirklich ein beachtlicher Teil des Publikums in der Pause nicht an seine Plätze zurückkehrte, weil ein junger Dirigent namens Simon Rattle die 5. von Sibelius aufs Programm gesetzt hatte, denn laut Adorno war diese Sinfonie "Schrott".


    Herrlich! Die Geschichte vom jungen unangepassten Dirigenten, der auf den Kontinent kommend den angeblich in weihevoller, deutsch-romantischer Andacht erstarrten Berlinern zu Beginn der 80ger Jahre mal zeigt, was es hinter dem Tellerrand noch so an guter Sinfonik gibt. Wäre da nur nicht der allzu bekannte Umstand, dass die Berliner zu Beginn der 80ger Jahre bereits eine ganze Epoche einen phantastischen Dirigenten erlebt hatten, dessen besondere Beziehung zu Sibelius nicht zuletzt in mehreren Einspielungen der Sibelius-Sinfonien und einer ständigen Berücksichtigung dieses Sinfonikers in den Konzertprogrammen ihren Ausdruck gefunden hatte.


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    Wechen immensen Einfluss Adorno auf das Denken der jungen Generation von Intellektuellen in Deutschland hatte, kann sich heute niemand mehr vorstellen. Sein besonderes Talent bestand darin, hanebüchnene Absichten als "letzte, verbindliche Weisheiten" zu verkaufen und der spürbaren Macht seines Geistes, denn er WAR ein bedeutender Denker, beugten sich auch jene, dei es eigentlich hätten besserwissen müssen.


    Oh doch, sehr gut sogar. Und erst vor wenigen Tagen hatte ich diese Zeilen von Jürgen Kesting in einem anderen Thread zitiert:


    „…wie immer skeptisch sich etliche Kritiker über den „luxurierenden Wohlklang“ äußerten. Dass kein Vorwurf öfter gegen Herbert von Karajan gerichtet wurde, ist zum einen auf die damals sehr wirkungsmächtigen Schriften Theodor W. Adornos zurückzuführen, zum anderen auf die Ranküne einer politisierten jüngeren Generation, die sich gegen eine Hochkultur richtete, als deren Hauptvertreter Herbert von Karajan angesehen wurde. Das Gefühl gegen Karajan ließe sich auf die Formel bringen: „The conductor I love to hate.“


    ;)


    Loge

    Ich besitze eine allerliebste kleine Broschüre, eine Übersetzung aus dem Französischen, in der erzählt wird, wie vor nicht sehr langer Zeit, vielleicht vor fünf Jahren, in Genf ein Übeltäter und Mörder namens Richard hingerichtet worden ist, ein Bursche von etwa dreiundzwanzig Jahren, der kurz vor dem Schafott bereut und sich zum Christentum bekehrt hatte. Dieser Richard war ein uneheliches Kind, und seine Eltern hatten ihn, als er noch klein war, etwa sechs, an irgendwelche Schweizer Berghirten ›verschenkt‹. Diese zogen ihn groß, um ihn zur Arbeit zu verwenden. Er wuchs bei ihnen auf wie ein kleines wildes Tier. Die Hirten ließen ihn nichts lernen, sondern schickten ihn schon mit sieben Jahren auf die Weide, in Nässe und Kälte, fast ohne Kleidung und fast ohne ihm etwas zu essen zu geben. Und selbstverständlich machte sich keiner von ihnen Gedanken darüber, daß sie so handelten, keiner empfand Gewissensbisse. Sie glaubten völlig im Recht zu sein, da Richard ihnen wie eine Sache geschenkt war, und sie hielten es nicht einmal für nötig, ihn zu beköstigen. Richard selbst hat später ausgesagt, er habe in jenen Jahren wie der verlorene Sohn im Evangelium sehnlich gewünscht, wenigstens von dem Schweinefraß essen zu dürfen, aber auch das erlaubten sie nicht, sondern schlugen ihn, wenn er den Schweinen etwas davon stahl. So verbrachte er seine ganze Kindheit und seine ganze Jugend, bis er sich, groß und stark geworden, aufmachte, um sich mit Diebstählen durchzuschlagen. Er begann, sich in Genf als Tagelöhner Geld zu verdienen. Seinen Verdienst vertrank er, lebte wie ein Vieh und schlug schließlich einen alten Mann tot und raubte ihn aus. Er wurde vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Sentimental ist man dort ja nicht. Doch nun, wo er im Gefängnis saß, umringten ihn sogleich die Pastoren und die Mitglieder verschiedener christlicher Vereine, wohltätige Damen und so weiter. Sie lehrten ihn im Gefängnis Lesen und Schreiben, erklärten ihm das Evangelium, redeten ihm ins Gewissen, bemühten sich, ihn zu überzeugen, setzten ihm zu, drängten und quälten ihn – und siehe da, endlich bekannte er selbst in feierlicher Form sein Verbrechen. Er bekehrte sich und schrieb selbst an das Gericht, er sei ein Ungeheuer; Gott habe jedoch endlich auch ihn der Erleuchtung gewürdigt und ihm seine Gnade zuteil werden lassen. Ganz Genf geriet in Aufregung, das ganze wohltätige, gottesfürchtige Genf. Alles, was zu den höheren, gebildeten Ständen gehörte, stürzte zu ihm ins Gefängnis. Man küßte und umarmte Richard. ›Du bist unser Bruder, die Gnade ist auf dich herniedergekommen!‹ Richard selbst weinte nur so vor Rührung: ›Ja‹, sagte er, ›die Gnade ist auf mich herniedergekommen! Früher, in meiner Kindheit, war ich froh, wenn ich Schweinefutter essen durfte. Jetzt ist auch auf mich die Gnade herniedergekommen, ich sterbe im Herrn!‹ – ›Ja; ja, Richard, stirb im Herrn! Du hast Blut vergossen und mußt im Herrn sterben. Magst du auch nichts dafür können, daß du den Herrn gar nicht gekannt hast, als du die Schweine um ihr Futter beneidetest und man dich dafür schlug, daß du ihnen ihr Futter stahlst, was du tatest, ist sehr häßlich, denn Stehlen ist verboten – aber du hast Blut vergossen und mußt sterben ...‹ So brach der letzte Tag an. Richard, der ganz schwach geworden war, weinte und wiederholte alle Augenblicke: ›Das ist der schönste Tag meines Lebens, ich gehe zum Herrn!‹ – ›Ja‹, riefen die Pastoren, die Richter und die wohltätigen Damen, ›das ist dein glücklichster Tag, denn du gehst zum Herrn!‹ Der ganze Schwarm zog in Kutschen und zu Fuß hinter dem Schinderkarren her, auf dem Richard zum Schafott gefahren wurde. Nun hatte man das Schafott erreicht. ›Stirb, du unser Bruder!‹ riefen sie Richard zu. ›Stirb im Herrn, denn auch auf dich ist die Gnade herniedergekommen!‹ Und dann schleppte man unter Bruderküssen Bruder Richard aufs Schafott, legte ihn auf die Guillotine und hackte ihm brüderlich dafür den Kopf ab, daß auch auf ihn die Gnade herniedergekommen war ...


    (Fjodr Michailowitsch Dostojewski - Die Brüder Karamasow, Rebellion, in der grandiosen Übersetzung H. Röhls)


    Loge

    Ich meine zwar nicht, dass es sonderlich aussagekräftig ist, eine persönliche Ordnung der Pariser Sinfonien zu nennen, weil sie insgesamt einander dann doch zu ähnlich sind, aber sei's drum:


    83, 82, 86, 87, ..., 84, 85


    Damit liege ich wohl insgesamt im Trend. 82, 83, 86 scheinen sich allgemein in der Gunst absetzen zu können. 87 ist für mich unter Einbeziehung der Mittelsätze durchaus ebenbürtig. 84 ist das etwas unscheinbare "Mauerblümchen". 85 wirkt auch auf mich hier und da ein wenig uninspiriert.


    Eine hervorragende Gesamtaufnahme - meines Erachtens die beste "neusachliche" Interpretation - bieten übrigens Karajan/Berliner Philharmoniker (DG). Das Spiel ist virtuos, sinfonisch, dabei durchgehend gespannt und trotz des relativ großen Orchesterapparats sehr transparent, rhythmisch prägnant bzw. scharf akzentuiert. Der musikalische Aufbau erscheint mir überlegen organisiert. Entgegen mancher HIP Aufnahme wirkt das Spiel ausgewogen und entwickelt sich in großen Bögen ohne zwanghaft-originell anmutende Phrasierungen. Die Spiellaune - vor allem in den Ecksätzen - ist mitreißend.


    Zwar würde ich Karajan nicht als "Haydn-Spezialisten" bezeichnen, aber es sind ja am Ende auch nur kunstferne Seminaristen, die meinen, eine überzeugende Haydn-Interpretation bedürfe statt einer überragenden Musikalität und dirigentischen Könnerschaft vor allem einmal viel historisches Hintergrundwissen und Darmsaiten. Wer insoweit lieb gewonnene Ansichten überprüfen möchte, der sollte sich z. B. mal Haydns Sinfonie Nr. 94 ('Paukenschlag') unter Karajan/Berliner Philharmoniker (DG) und Harnoncourt/Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam (Teldec) im direkten Vergleich anhören und überprüfen, wessen Spiel hier organisch und mit subtiler Agogik gestaltet ist und dabei non-legato und transparent klingt und wer dagegen ohne zwingenden Gesamtplan und bei starrem, auf "1" akzentuiertem Metronom mit weniger Transparenz und mehr Legato spielen lässt.


    Loge

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    Original von Michael Schlechtriem


    Da mußt Du mir schon Deine persönliche Übersetzung des Begriffes "archaisch" übermitteln.


    Etwa so: urwüchsig, ursprünglich, naturverbunden, wild, einfach, nicht-urban u.s.w.


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    Bei Khatschaturian-den ich überhaupt nicht genannt habe :pfeif: - würde das für mich schon in Ordnung gehen, irgendwie.


    Das ist aber sehr großzügig von Dir, zumal Khatschaturians Musik maßgeblich von armenischen Volksweisen geprägt ist.


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    Aber bei Rachmaninoff (der sich in Deutschland immer noch mit ff und nicht mit v schreibt) bin ich anderer Meinung. Aber diese lege ich jetzt nicht dar, denn Du hast es auch nicht für nötig befunden, Deine Meinung zu erklären.


    Zunächst zur Schreibweise des Nachnamens dieses Komponisten: Könnte es sein, dass es genau solche - in musikalischer Hinsicht überdies vollkommen irrelevanten - Korintenkackereien sind, die manchen (nicht mich) veranlassen, hier nicht schreiben zu wollen?


    Bei Wikipedia findet sich zu dieser Frage Folgendes: Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow (..., wiss. Transliteration Sergej Vasil'evi Rachmaninov; er selbst benutzte als Umschrift seines Namens Rachmaninoff;... ).

    Wo Rachmaninov „archaisch“ klingt?


    Nun, weil er ein echter Russe ist, natürlich sehr oft. So wie auch Mussorgsky, Borodin, Chatschaturjan, Strawinski etc. (Wie haben wir denn übrigens diese Kollegen zu schreiben?)


    Nimm doch – um es Dir einfach zu machen – nur mal den Beginn des allerberühmtesten 3. Klavierkonzerts Rachmaninovs. Die große Ähnlichkeit dieses ausgesprochen einfachen und wehmütigen Themas, in Oktaven vom Klavier vorgetragen, und einem alten orthodoxen Kiewer Kirchengesang ist schon früh nachgewiesen worden. Daran ändert auch nichts, dass Rachmaninov jeden Verdacht einer bloßen Bearbeitung empört zurückgewiesen hat, zumal zur Zeit der Entstehung dieses Klavierkonzerts in Russland großes Interesse an archaischen, liturgischen Weisen bestand.


    Aber auch das ebenso allerberühmteste 2. Klavierkonzert des Meisters klingt für mich, man muss nicht mal die Umspielungen und hochromantischen Fülsel ausblenden, an vielen Stellen reichlich archaisch. Nimm nur mal wiederum gleich den Anfang des 1. Satzes. Das ist ausgesprochen nicht-urban!


    Und wenn Du die allerberühmteste „Toteninsel“ in den Player legst, also dann… - Ach ja, kennst Du eigentlich die wilden Bilder von Arnold Böcklin?


    Und hast Du mal in Rachmaninovs Chorwerke und vielen russischen Lieder reingehört?


    Und…


    Und…


    Und…


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    Ich habe extra nicht darauf hingewiesen, daß der Hauptgrund für HvK wohl war, daß er sich von der Gage sein erstes Flugzeug kaufen konnte.


    Du scheinst mir etwas überzogene Vorstellungen von der Höhe der damaligen (und heutigen) Gagen für eine einzelne Plattenaufnahme zu haben.


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    Wenn man so etwas schreibt, dann sollte man sich auch sicher sein.


    ;)


    Gleite!


    Loge


    Lars E. Laubhold / Jürg Stenzl (Hrsg.), Herbert von Karajan - Der Dirigent im Lichte einer Geschichte der musikalischen Interpretation


    Das vorstehende Buch ist kürzlich als Ergebnis eines Symposiums zum 100. Geburtstag Karajans mit Beiträgen von Martin Elste, Jens Malte Fischer, Michael Gielen, Detlef Giese, Peter Gülke, Hans Hirsch, Hans Klaus Jungheinrich, Reinhard Kapp, Jürgen Kesting, Gerhard R. Koch, Volker Scherliess, Julia Spinola, Jürg Stenzl und Barbara Zuber erschienen.


    Jürg Stenzl schreibt einleitend zu dem Buch:


    Fast jede neue Veröffentlichung über den Dirigenten Herbert von Karajan entfacht heftige Diskussionen. Ähnlich wie bei seinen um Jahrzehnte älteren Kollegen Arturo Toscanini und Wilhelm Furtwängler geschieht dies jedoch zumeist auf der Basis längst festliegender Urteile. Auffallend ist, dass die Frage nach einer musikalischen Interpretationsgeschichte und dem Platz, den diese Dirigenten darin einnehmen, kaum je gestellt wird. Geht man von den Unterschieden der Generationen und »nationalen Kulturen« aus, steht keineswegs fest, wo der Salzburger Herbert von Karajan einzuordnen ist. Steht er quer zur »Espressivo«-Richtung von Gustav Mahler und Mengelberg, und wie verhält er sich zur »Neuen Sachlichkeit «, die Igor Strawinsky gefordert und selbst praktiziert hat? Unbestritten ist, dass Herbert von Karajan eine zentrale Rolle innerhalb der wohl tiefgreifendsten Revolution der Musikkultur des 20. Jahrhunderts, der »technischen Reproduzierbarkeit « von Musik auf Ton- und Bildträgern, gespielt hat. Eine Geschichte der Aufnahmetechnik und der Klangvorstellungen, die diese geleitet haben und weiterhin leiten, fehlt jedoch. Es fehlt auch eine Geschichte der musikalischen Interpretation im 20. Jahrhundert. Der weltweite Ruhm des Dirigenten Herbert von Karajan steht, knapp 20 Jahre nach seinem Tod, außer Frage. Die geringe Kenntnis seines Musik- und Werkverständnisses bildet dazu einen eigenartigen Kontrast. Dem will dieses Buch entgegentreten.


    Dem Buch sind zwei CDs beigefügt, auf denen die in den Beiträgen angesprochenen Werkinterpretationen in Auszügen mitgehört werden können.


    Außerdem sind in dem Buch eine Reihe bisher unveröffentlichter Photos des Dirigenten im Rahmen der Internationalen Musikfestwochen Luzern der Fotografin Lisa Meyerlist abgedruckt.


    Das Buch dürfte in seiner detaillierten Behandlung des interpretatorischen Werkes eines einzigen Dirigenten beispiellos sein. Man lernt zugleich einiges über die Methoden der vergleichenden und historischen Musikinterpretationswissenschaft. Bemerkenswert ist der wissenschaftliche Anspruch der Beiträge, der nicht zuletzt in zahllosen sehr interessanten Fußnoten zum Ausdruck kommt. Nachfolgend ein paar Worte zu den einzelnen Beiträgen (die von Kapp und Scherliess habe ich noch nicht gelesen):


    Jürg Stenzl liefert einen sehr interessanten und detaillierten Beitrag, in dem er Karajan am Beispiel der „Szene am Bach“ aus Beethovens 6. Sinfonie als Interpret zwischen espressivo, neusachlicher und historischer Interpretation vorstellt und verortet. Behandelt werden u. a. die grundlegend unterschiedlichen Interpretationsmodi dieser Dirigierschulen und Tempofragen (dem Beitrag sind detaillierte Auflistungen verschiedener Aufnahmen von Weingartner (1927) bis Immerseel (2007) mit Tempoangaben und Formproportionen beigefügt).


    Der Beitrag von Julia Spinla „Der Unsterbliche“ ist weniger interessant, da feuilletonistisch gehalten und zudem bereits im April dieses Jahres in der FAZ erschienen.


    Hans-Klaus Jungheinrich beschreibt Karajan als Operndirektor und Operndirigent und lässt dabei auch kritische Töne anklingen, wenn er Karajan als Einmann-Opernbetrieb beschreibt, der eine Vielzahl von Kompetenzen und Fertigkeiten gleichermaßen in sich zu vereinigen glaubte.

    Jürgen Kesting beschreibt die Entwicklung des Operndirigenten Karajan in den 50er und 60er Jahren (mit Hörbeispielen). Er endet auf folgender, in mancher Hinsicht aufschlussreicher Feststellung: „…wie immer skeptisch sich etliche Kritiker über den „luxurierenden Wohlklang“ äußerten. Dass kein Vorwurf öfter gegen Herbert von Karajan gerichtet wurde, ist zum einen auf die damals sehr wirkungsmächtigen Schriften Theodor W. Adornos zurückzuführen, zum anderen auf die Ranküne einer politisierten jüngeren Generation, die sich gegen eine Hochkultur richtete, als deren Hauptvertreter Herbert von Karajan angesehen wurde. Das Gefühl gegen Karajan ließe sich auf die Formel bringen: „The conductor I love to hate.


    Jens Malte Fischer bespricht Karajan als einen der „ganz großen Wagner-Dirigenten“. Näheres dazu schon im Thread "Tristan und Isolde - Gibt es eine Idealaufnahme?". Es handelt sich um einen sehr lesenswerten Beitrag, in dem Fischer detailliert erklärt, was Karajan in so besonderem Maße zum Wagner-Dirigenten prädestinierte. (Mit Hörbeispielen)


    Martin Elste widmet sich in einem ebenfalls sehr fundierten und ausführlichen Beitrag dem Verhältnis Karajans zur „Alten Musik“. Dargestellt werden u. a. Karajans Konzertrepertoire der „Alten Musik“, sein Tonträgerrepertoire der „Alten Musik“, seine Verkaufszahlen in diesem Bereich, Karajans Aktivitäten in diesem Bereich um 1950, die Reaktionen der Schallplattenkritik auf Karajans Dirigate „Alter Musik“, seine erste Einspielung der h-Moll-Messe (mit Hörbeispiel) und Vergleiche seiner drei Einspielungen (1950, 1952/53, 1973/74) dieses Werkes, die Charakteristika seines Aufführungsstils in diesem Bereich und seine ästhetische Position im Verlauf der Jahre.

    Peter Gülke würdigt in einem nachdenklichen Beitrag mit zahlreichen Hörbeispielen „Karajans Beethoven“. Sehr interessant u. a. eine vergleichende Gegenüberstellung des Übergangs zur Coda im 1. Satz der 9. Sinfonie bei Furtwängler, Karajan und Harnoncourt. Sein Fazit: „Als dezidierter Pragmatiker kein Freund grundsätzlicher [Anm.: außermusikalischer] Fragen, hat er den Nachlebenden umso mehr Fragen hinterlassen.


    Gerhard R. Koch widmet sich dem Mahler-Dirigenten Karajan. Er spricht von einer vorübergehenden Affäre, dessen „strebendes Bemühen“ in diesem Bereich sich indessen „nicht ignorieren lässt“.


    Detlef Giese geht sehr ausführlich und detailliert auf Karajans Behandlung der Instrumentalwerke Richard Strauss’ ein. Im Zentrum der Besprechung steht dabei der Don Juan, den Karajan über seine gesamte Karriere hinweg immer wieder aufführte und einspielte. Anhand von Hörbeispielen werden in Auszügen sechs Einspielungen verglichen. Ein interpretationsgeschichtlich sehr lesenswerter Beitrag.


    Barbara Zuber vergleicht sehr detailliert und kompetent die Rosenkavalier-Dirigenten Karajan und Erich Kleiber, deren Einspielungen (Kleiber Decca 1954; Karajan EMI 1956) „bis auf den heutigen Tag von vielen Musikkritikern als die einzig gültigen Referenz-Einspielungen akzeptiert werden.“ (Mit Hörbeispielen)


    Jürg Stenzl wartet mit einem weiteren, sehr interessanten und kompetenten Beitrag über Karajan als Debussy-Dirigent auf. Im Zentrum steht La Mer, anhand dessen Karajans sich im Laufe der Zeit verändernde Interpretationsmodi mit Hörbeispielen dargestellt werden. Karajan war der erste deutschsprachige Dirigent, der La Mer einspielte. Sehr aufschlussreich hier u. a. die Gegenüberstellung der Interpretationen dieses Werkes durch Karajan und Boulez. Auch hier ein Anhang mit Dauern und Proportionen der Formteile in den Interpretationen verschiedener Dirigenten.


    Reinhard Kapp bespricht Karajan sehr ausführlich als Dirigent der Musik der Wiener Schule.


    Volker Scherliess widmet sich Karajans Strawinsky-Interpretationen. (Mit Hörbeispielen)


    Martin Elste („Ein Schallplattendirigent wird aufgebaut – Karajans EMI-Jahre“) teilt viele Zahlen (Verkaufszahlen) sowie sonstige Mechanismen und Details aus der Schallplattenindustrie mit. Spannend wird der Wechsel Karajans von EMI zur DGG beschrieben, den Legge mit mehreren Memoranda an die Geschäftsleitung der EMI noch zu verhindern versucht hatte. Karajan war mit der Bezahlung durch EMI unzufrieden gewesen. Die DGG bot ihm DM 600.000 und damit das doppelte von Fricsay! In einem Memorandum aus dem Jahr 1958 hatte Legge noch gleichermaßen beschwörend und zutreffend, aber auch vergeblich auf die EMI eingeredet: „If [Karajan] lives and retains his health nothing can stop him being – for the next twenty or more years – the best-selling conductor and the most powerful man in the world of music.” Der Beitrag macht u. a. deutlich, welche Bedeutung das Geld gestern wie heute für das „Ob“ und „Wie“ von Schallplattenproduktionen hat.


    Hans Hirsch schildert anekdotisch seine Erinnerungen an den von ihm bei der DGG produzierten Dirigenten Karajan. Auch hier gibt es einiges über das Label-interne Gerangel unter den Vertragskünstlern (z. B. Karajan vs. Bernstein; Karajan vs. Böhm) zu erfahren. So etwa, dass Böhm mit Paralleleinspielungen zu Karajan öfter mal auf das Parallellabel Philips „abgeschoben“ wurde (so z. B. mit dem „Ring“).


    Den Abschluss bildet ein Interview mit Michael Gielen, der aus kritischer Distanz seine Zeit und Erfahrungen mit dem Dirigenten Karajan schildert.

    Loge

    Kein Geringerer als Jens Malte Fischer ist der Auffassung, dass es zwar kein „ideale“ oder „vollkommene“ Tristan-Einspielung geben kann, dass es in der Schallplattengeschichte aber sehr wohl eine „eindrucksvollste“ Aufnahme des Werkes gibt.


    Und zwar diese hier:


    Jens Malte Fischer hat sich jüngst in seinem Beitrag Die Kunst des tönenden Schweigens – Herbert von Karajan und Richard Wagner, in: HERBERT VON KARAJAN – Der Dirigent im Lichte einer Geschichte der musikalischen Interpretation, 2008, eingehend zu dieser Aufnahme geäußert. Er erläutert darin u. a. und unter Bezugnahme auf Richard Wagners und Carl Dahlhaus’ Ausführungen zu diesem Werk ausführlich, dass diejenigen, die Karajans Tristan kritisierten, zumeist einem interpretatorischen Missverständnis aufsäßen, um sodann, nach der Feststellung, dass Karajan der "ideale" Tristan-Dirigent sei, resümierend zu erklären:


    „Von allen mir bekannten Tristan-Dirigenten ist es Herbert von Karajan, der die Anweisungen Wagners aufs Penibelste befolgt und damit die größten Wirkungen erzielt. Es ist anzunehmen, dass die Live-Aufführung (so ist auch meine Erinnerung) noch einen stärkeren Sog entwickelt hat als die Studioaufnahme mit ihren Schnitten. Das Beispiel Otello, wo eine Live-Aufnahme aus Salzburg zugänglich ist, legt das nahe.


    Wegen solcher Wunder [Anm.: Fischer hatte zuvor Karajans Interpretation des Vorspiels zum 3. Akt exemplarisch erläutert], von denen diese Aufnahme voll ist, und auch wenn es keine vollkommene Tristan-Aufnahme gibt, vielleicht auch gar nicht geben kann, vor allem, was die Besetzung der beiden Hauptrollen betrifft (wo das Ideal eher in historischen Aufnahmen annähernd erreicht wurde, wo aber wiederum die Orchesterleistung zu wünschen übrig lässt), stelle ich mich gegen das Votum aller Kritiker und Diskographen (soweit ich es überblicke) und behaupte, dass dies die eindrucksvollste Aufnahme des Werkes in der Schallplattengeschichte ist, wegen der Berliner Philharmoniker und wegen Jon Vickers, über den ein bekannter englischer Musikkritiker sagte: […] Sie ist es aber auch und nicht zuletzt wegen Herbert von Karajan. Von einem Mann, der nie ein Karajan-Anhänger, gar Karajan-Fan war, und es auch bis heute nicht geworden ist, der ansonsten ganz eindeutig zu Furtwängler, zu Carlos Kleiber, zu anderen Dirigenten sich hingezogen fühlt, möge der Leser das als eine Äußerung von einiger Überwindung und Überlegung entgegennehmen.“


    :faint:


    Wie er Mann sich windet, um die Wahrheit aus sich herauszupressen und ihr so Gerechtigkeit widerfahren zu lassen! Aber immerhin! Könnte sich mancher hier im Forum noch ein Beispiel daran nehmen... Allein der im Geiste so unabhängige wie reiche Graf Wetter hat sich getraut, diese Karajan-Einspielung im TMOO als „Geheimtipp“ vorzustellen. Und die Bekenntnisse zu diesem Dirigenten müssen ja nicht immer gleich so grandios ausfallen wie die kürzlich von Michael Gielen über Karajan getroffene Feststellung:


    :jubel: :jubel: :jubel:


    „Der beste Kapellmeister, den ich erlebt habe – ich bin seit über fünfzig Jahren dabei und hab’ sehr viele große Leute erlebt.“


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Loge

    Wie angekündigt setze ich die Besprechung der verbleibenden Teile von „Jeux“ in größeren Schritten fort, wobei ich - aus Zeitgründen - über viele Details (vor allem auch in der Weiterentwicklung der Motive, bei der man immer wieder neue Zusammenhänge entdecken kann) und manche Abschnittsziffer (AZ) hinweggehe.


    Wir sind bei AZ 6 [Rattle 1:44] im 3/8-Takt, der allerdings erst allmählich „aufklart“ (vgl. z. B. Englischhorn in T. 54 und T. 58 ). Gleich in der 2-Takt-Zelle T. 49/50 wird in der Klarinette in Reinform und nahezu unbegleitet ein „Zentralmotiv“ vorgestellt, das - außer im Mittelteil - im ganzen Werk immer wieder als Spannungsmoment erscheint (freilich auch in synthetisierten Formen). Es handelt sich um eine Motiventwicklung aus den Motiven A/B. Es wird gleich darauf (T.54/55), nun verteilt auf verschiedene Instrumente, weiterentwickelt (statt mit kleiner Sekunde nun mit kleiner Terz). Die Oktaven in T. 51 in den 1. Violinen (aufwärts als Motiv C aus T.15/16) werden ebenfalls sogleich ausgebaut und erscheinen so in T. 53 in der großen Flöte. Auch die 32tel Gänge in T. 52 entstammen dem 1. Teil.


    Diese Motive beherrschen nun das Geschehen. Dabei erscheinen die Motive zunächst in einer gewissen zeitlichen Unordnung zueinander: Korrespondierend zum Bühnengeschehen, bei dem die Protagonisten auch erst allmählich in Beziehung miteinander treten, erscheinen auch die hier verwendeten (weiterentwickelten) Motive bzw. die durch diese charakterisierten (meist 2-taktigen) Zellen in ungeordneter Abfolge. Auch herrscht hier zunächst wenig Balance, da sich die Motive in ihren Bewegungen hier kaum divergierend ausgleichen.


    In AZ 7 [Rattle 1:55] schafft Motive B bzw. seine schon erwähnte Fortentwicklung allmählich Ordnung. Motiv A/B erklingt hier wieder vollständig in einem jeweiligen Instrument (Englischhorn T. 57/58; Oboe T. 59/60).


    In AZ 8 [Rattle 2:05] erklingt in den Violinen (T. 67 – 69) eine Art Fortentwicklung aus der Summe der vorstehend für AZ 6 vorgestellten Motive. Es schafft ein großes, sich insgesamt abwärts bewegendes, verzögerndes Spannungsmoment (viele Tremoli), das den Auftritt des Tennisballs in T. 72 vorbereitet. Das Springen des Tennisballes wird in den Harfen-Glissandi (T. 75, 77) hörbar.


    In AZ 9 [Rattle 2:19] hüpft bzw. rollt sich das Bällchen allmählich aus.


    Zu Beginn der AZ 10 [Rattle 2:28] hören wir in den geteilten 1. Violinen eine weitere Fortentwicklung der eben erwähnten spannungsvollen Motivsynthese (T. 84 - 89). Der 3er Takt ist stabil.


    AZ 11 [Rattle 2:37].


    Die Motivik wird allmählich immer fließender, um in AZ 12 [Rattle 2:46] endgültig in eine 32teil-Auflösung zu münden (Debussy: „Die Mädchen wollen sich gegenseitig ihr Herz ausschütten“). Die Motiv-Spielchen („Jeux“) gehen jetzt richtig los.


    In AZ 13 [Rattle 3:00] fächert sich die Motivsynthese zunächst über weite Teile des Orchesters auf, um sich wird sodann ab T. 115 in Vorbereitung der Wiederkehr des Zentralmotivs in Reinform (T. 118, 119 in Oboe und Klarinette, also verdoppelt) zurückzuentwickeln


    AZ 14 [Rattle 3:15]: In T. 120, 121 hören wir die schon aus AZ 6 bekannte Motiventwicklung dieses Zentralmotivs (in T. 122, 123 und T. 126, 127 dann in Umkehrung in den Violinen).


    AZ 15 [Rattle 3:25]: Der einheitliche, stabile 3er erfährt eine leichte Erschütterung, wenn die Streicher in AZ 15 und 16 in sich „gerade“ anfühlende Rhythmen übergehen. Das 1. Mädchen beginnt zu tanzen.


    Bis zum Ende dieses 2. Teils herrschen ausgeprägte Motivspiele vor. Zu hören sind fast ausschließlich 2-taktige Zellen. Zahlreiche Divergenzen schaffen dabei eine klangliche und bewegungsmäßige Ausgewogenheit.


    AZ 16 [Rattle 3:34].


    In AZ 17 [Rattle 3:44] wird der Fagottklang von den Violinen eingebettet. Das Spiel der Fagotte (T. 142 – 145) bringt dabei erste Anklänge an die Polyrhythmik aus AZ 71 hinein. Diese Bewegung wird erstmals in T. 146 – 149 wiederholt.


    AZ 18 [Rattle 3:53].


    Vor dem Beginn des Tanzes des 2. Mädchens in AZ 19 [Rattle 4:03] erfährt die Musik eine Stauung durch die charakteristischen Tremoli (T. 155, 156). Und wieder wird damit eine weitere Passage mit dem polyrhythmischen Moment (nun im Englischhorn) eröffnet (T. 157 – 160).


    Das gleiche geschieht nochmals in AZ 20 [Rattle 4:10], nun in den Violinen (T. 168 – 171).


    AZ 21 [Rattle 4:27].


    Mit Beginn der AZ 22 [Rattle 4:41] erklingt im Holz wieder das Zentralmotiv in Reinform (der (Wieder-)Auftritt des jungen Mannes steht bevor!).


    In AZ 23 [Rattle 4:54] hören wir in Flöten und Oboen das bei der Besprechung des Prelude bereits erwähnte „Motiv des jungen Mannes“. Die Streicher begleiten in Sextolen-Figuren. Beide Elemente gehen letztlich auf das Motiv B zurück, wobei das Holz auf AZ 1 und die Streicher auf die Fortentwicklung in AZ 6 anknüpfen.


    AZ 24 [Rattle 5:07].


    In AZ 25 [Rattle 5:19] wird der junge Mann zum Tanz eingeladen - die Bratschen spielen sein Motiv dazu (T. 210, 211). Deutliche Divergenzen durch gegenläufige Bewegungen in den Instrumentengruppen erzeugen Balancen.


    AZ 26 [Rattle 5:31] stellt eine Überleitung zum ¾ Takt der ersten zwei Takte des langsamen Mittelteils (C) ab AZ 27 [Rattle 5:45] dar.


    Loge


    Gut möglich. Ich kann nicht mehr sagen, wodurch ich mich zu der Annahme verleiten ließ, dass das c-moll Klavierkonzert das 4. sei. Im Booklet der EMI-Box ist keine Nummerierung aufgeführt.


    R. Osborne nennt als mögliche Gründe, die Karajan zur Einspielung der beiden Klavierkonzerte Leimers bewogen haben könnten, das ausgesprochen virtuose Klavierspiel in Leimers Kompositionen sowie den Umstand, dass Leimer gut mit Walter Gieseking bekannt war, mit dem wiederum Karajan seinerzeit eng zusammenarbeitete.


    Unter die weniger bekannten Konzerte mediokrer Komponisten aus dem 19. und 20. Jahrhundert, wie die von Moscheles, Stenhammer, Raff, Rubinstein, Korngold, Delius u. a., lassen sich Leimers c-moll Konzert und das Konzert für die linke Hand - wer auch immer mitkomponiert hat - gut einreihen. Sie sind hörenswert und bereiten geradezu Freude. Das Finale des c-moll Konzerts etwa ist schwungvoll, ausgelassen und mitreissend wie wenige sonst.


    Und sehr wohl klingt da einiges nach Khatchaturian oder Korngold.


    Und sehr wohl - und an sich selbstverständlich - klingt vieles bei Rachmaninov oder bei Khatchaturian archaisch.


    Zitat


    Es wuselt und drischt und donnert in diesen Konzerten ohne jedweden Ansatz von Inspiration und Geschmack.


    Ja, gut möglich, dass über geheimnisvolle Wege auch ein wenig Mahler eingeflossen ist.


    Loge

    Auf CD 25 der Jubiläums-Box “Herbert von Karajan - The complete EMI recordings 1946-1984“ finden sich als wahre Raritäten zwei Klavierkonzerte des Pianisten und Komponisten Kurt Leimer (1920 – 1974), nämlich zunächst sein 4. Klavierkonzert in c-moll und sodann auch sein 3. Klavierkonzert für die linke Hand.


    Der Entstehungszeit durchaus nicht untypisch lassen sich die Werke am ehesten wohl einer epigonal-eklektischen Postmoderne mit persönlicher Einfärbung (ähnlich Korngold, Tippett, Britten, Khatchaturian) zuordnen. Es ist in beiden Werken zunächst einmal eine deutliche Orientierung an den Klängen der Klavier- bzw. Violinkonzerte Khatchaturians oder Korngolds zu erkennen. Sodann gibt es auch Prisen von Gershwin und Rachmaninov. Kurt Leimer war eben auch ein hochvirtuoser Pianist, und auch das merkt man seinem Komponierstil an. Es ist bemerkenswert in welchem Maße es Leimer in beiden Werken "krachen" lässt - aufgewühltes Passagenwerk, grelle dynamische, rhythmische und klangliche Kontraste.


    Neben Karajan hat sich auch Stokowski dem 4. Klavierkonzert angenommen und es in der Carnegie Hall zur Aufführung gebracht. Richard Strauss schätzte das 4. Klavierkonzert sehr und bezeichnete es als „hervorragend“.


    Wer es einmal einmalig motorisch-fetzig und mitreißend-rhythmisch haben möchte, der höre sich nur das „Allegro ritmico“ aus dem 4. Klavierkonzert an. Da geht die Post ab! Das dürfte die Allermeisten aus dem Ohrensessel reißen!


    Das Konzert für die linke Hand klingt zum einen wild und archaisch (-> Khatchaturian, Rachmaninov), zum anderen auch ein wenig nach Jazz und Hollywood (-> Gershwin, Korngold). Höchst erstaunlich, dass hier nur eine Hand spielt!


    Fazit: Wer auf der Suche nach spätromantisch-postmodernen Klavierkonzerten am Rande oder außerhalb des Repertoires ist und etwa das Violinkonzert von Korngold sowie das Klavierkonzert von Khatchaturian schätzt, dürfte auch von diesen Klavierkonzerten Kurt Leimers nicht enttäuscht werden.


    Loge

    Zitat

    Original von Sinfonie
    Meine persönlichen Schlüsselwerke in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (und im 21. Jahrhundert)
    Dimitrij Schostakowitsch: 10. Sinfonie, e-Moll, op. 93


    Objektiv ist in dieser Sinfonie indessen recht wenig Neue Musik zu finden, wenn sie auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts komponiert worden ist.


    Loge

    Das trifft mich hart und unerwartet. Am kommenden Wochenende sollte Kagel eigentlich an einem zweitägigen Symposium zu seinen Ehren hier in Frankfurt teilnehmen. Mit ihm ist der sicherlich originellste und witzigste Kopf am heutigen Komponistenhimmel gestorben. Sehr traurig ist das.


    Loge

    So, liebe Freunde der detailverliebten Werkanalyse,


    der 1. Teil ist geschafft!


    Mit Abschnittsziffer 6 beginnt der 2. Teil (B) des Werkes, der sich bis Abschnittsziffer 26 erstreckt. Aber wir haben ja – wenn sich nun der Vorhang hebt, erst ein Tennisbällchen auf die Bühne fällt und sodann ein triebgesteuerter Jüngling im Tennisdress und erhobenem Racket (ein Phallus?) über die Szene hüpft – immerhin schon 46 von insgesamt 709 Takten bzw. zeitlich 1:44 von 18:49 (Rattle) geschafft. Und ich hoffe, dass sich bis zum Frühjahr hier niemand etwas vorgenommen hat. Denn wie heißt es doch so schön nach Schiller: Wenn gute Reden sie begleiten, / Dann fließt die Arbeit munter fort.


    Nein, nein, war nur ein Spässle! - Ich werde ab hier nun etwas großzügiger durch die verbleibenden 76 Abschnittsziffern der Partitur schreiten, denn andere Projekte drängen nach! Es erschien mir aber wichtig, diesen 1. Teil besonders detailliert zu besprechen, weil er sich in seinem Verlauf und der Motiventwicklung bzw. -behandlung in gewisser Weise wie eine komprimierte Blaupause für das ganze Stück verstehen lässt.

    Loge

    Zu Abschnittsziffer 5 ergänze ich – um Wiederholungen zu vermeiden – nur noch folgendes:


    Die auffälligen 32tel Figuren in den Streichern, die in halbtönigen Bewegungen die zwischen Oktaven (jeweils auf 1) aufgehängte Terzenkette ausfüllen, haben Motivcharakter („Motiv E“). Sie werden später etwa die Abschnittsziffer 34 dominieren und auch in Abschnittsziffer 35 und 49 prominent (in 49 abgewandelt) auftreten.


    Abschnittsziffer 5 lässt sich als abschließende Sythese der vorangegangenen 5 Abschnitte interpretieren. Sein statisches Grundgerüst entstammt dem Prélude. Motiv E lässt sich im Hinblick auf seine Halbtöne aus dem Prélude und das daraus resultierende, von Halbtonschritten geprägte Motiv B und im Hinblick auf seine nähere figürliche Ausgestaltung in 32tel Auf- und Abwärtsbewegungen aus dem Scherzando bzw. dem Auftakt zu diesem ableiten (vor T. 9 (Auftakt), T. 18 und T. 25-33 (sie prägen in den hohen Streichern praktisch die gesamte Abschnittsziffer 3) und brechen dann, nachdem sie sich in Abschnittsziffer 4 quasi unterirdisch fortentwickelt haben, in Abschnittsziffer 5 - dann über alle Streicher (außer Bässe) ausgedehnt - wieder hervor.


    Interessant ist die Wellenbewegung, die hier parallel von allen Instrumentengruppen vollzogen wird.


    In T. 46 endet der 1. Teil (A) des Werkes [Rattle 1:44].


    Loge

    Zitat

    Original von Fairy Queen
    Ist das eher etwas zum Ab- oder zum Angewöhnen? ?(


    Da ich Mauricio Kagel am Wochenende in Frankfurt treffe, werde ich ihn das mal fragen. :hahahaha:


    Es handelt sich übrigens um ein Musiktheater mit instrumentalem Schwerpunkt. Es behandelt die Frage, wie es eigentlich geworden wäre, wenn nicht die Europäer Amerika, sondern die Ur-Amerikaner Europa "entdeckt" hätten. Zu hören sind viele orientalische und südamerikanische Instrumente.


    Da Kagel unangefochten die originellste (und nicht selten witzigste) Ideenmaschine am heutigen Komponistenhimmel ist, ist dieses Stück, wie ausnahmslos ALLES von Kagel, unbedingt zu empfehlen.


    Loge

    Abschnittsziffer 4 umfasst T. 35-42. Es handelt sich um eine rhythmisch mehrschichtige Übergangspassage, mit der dem zwischenzeitlich gefestigten 3er Takt in Vorbereitung des mit Abschnittsziffer 5 wiederkehrenden Prélude (4/4 Takt) allmählich 2 bzw. 4-taktige Strukturen untergeschoben werden, wodurch er instabil wird. Für ein Verständnis ist meines Erachtens Dreierlei wichtig: Erstens muss man die über die vorangehenden T. 29-33 gleichmäßigen Achteln (je 3 pro Takt) in den Celli und die schon einen Takt vor Abschnittsziffer 4 im Holz notierte Triolen/Achtel Figur (T.34), die sich über den Taktstrich hinweg in die Abschnittsziffer 4 hinein ausdehnt (T.35), beachten. Zweitens muss man beachten, dass die für diese Passage maßgeblichen Achteln der Streicher – dazu sogleich – ihren Anfang ebenfalls schon im Takt vor Abschnittsziffer 4 (also T. 34) nehmen und diese rhythmische Bewegung nicht schon in T. 38 (also im letzten Takt dieser Seite der Druckausgabe der Partitur), sondern erst in T. 39 ihr Ende hat. Und Drittens ist auf die Achtel-Generalpause auf 3 in T. 36 zu achten!


    Über alle Instrumentengruppen hinweg sind in Abschnittsziffer 4 Achteln im Staccato notiert, zum Teil mit Vorschlag (woraus sich Sekundschritte ergeben), in den großen Flöten in Oktaven (ebenfalls mit Vorschlag), in den 1. Violinen in kleinen Sexten (wie im Prélude, das sogleich in neuer Ausgestaltung wieder einsetzt).


    Die Erschütterung des bis dahin stabilen 3er Taktes beginnt mit T. 34 in Holz und den Streichern (außer Bässe). Auf T. 34 begrenzt betrachtet folgt die zweifach wiederholte, dynamisch anschwellende Triolen/Achtel Figur im Holz weiterhin einem 3er Takt. Allerdings findet sie ihren crescendo-Abschluss mit der 2. Achtelnote erst auf 1 in T. 35. Debussy zieht die Figur also über den Taktstrich, und was man vernimmt ist eine 4/8-Figur. Gleichzeitig spielen die Streicher, die auf 1 in T. 34 mit einem pizzicato - wie erwähnt - eine längere, chromatische, lupenreine 3/8 Bewegung abschließen, in T. 34 (auf 3), T. 35 (auf 2) und T. 36 auf 1), also je durch eine Achtel-Pause unterbrochen, weiterhin Achteln, die in ihrer Regelmäßigkeit als 4 Achteln gehört werden (direkt danach folgt die Generalpause) und so ebenfalls das Gefühl eines geraden Taktes vermitteln. Dies wiederholt sich in T. 37 (auf 1 und 3), T. 38 (auf 2) und T. 39 (auf 1). Beide Bewegungen sind dabei dynamisch subtil-gesteigert ausgestaltet, indem sie jeweils anschwellen und ihren Höhepunkt auf der 3. Achtelnote (in beiden Bewegungen auf 2) mit einem sforzato haben (das Anschwellen der 2. Bewegung setzt dabei auf höherem Niveau an). Holz und Xylophon begleiten - und kaschieren - diese Streicherbewegung, indem sie mit ihren Achteln jeweils (und dabei nur von der Generalpause unterbrochen) gleichmäßig in einem quasi 2/8 Takt die Achtel-Pausen der Streicher ausfüllen. Der „gerade“ gefühlte Takt der Streicher wird also im Ergebnis durch den versetzten, aber ebenfalls „gerade“ gefühlten Takt der übrigen Stimmen zu einem „ungeraden“ 3/8-taktigen Gesamtklang komplettiert, der so dem schon bald folgenden 4/4 Takt angenähert ist. Faszinierend - diese rhythmischen Spielchen des Achille de Bussy!


    Nach einem Doppelschlag von Baskentrommel und Becken (je forte) als Zeichen des Abschnittsendes sind ab T. 39 pianissimo nur noch Liegetöne (in den tiefen Streichern) und in der Pauke gar ein Tremolo notiert. Alles wieder auf h (wie im Prélude, das sogleich wieder einsetzt), und die Zeit steht förmlich.


    In T. 43 ist Abschnittsziffer 5 erreicht [Rattle 1:21].


    Loge

    Zu Beginn der Abschnittsziffer 3 sind 2x hintereinander 2-Takt-Zellen (also T. 25, 26 und T. 27, 28 ) zu hören, die eine Weiterentwicklung der Zellen A'' (Motive A/B) aus Abschnittsziffer 2 beinhalten. Wie schon T. 18, so brechen auch diese Zellen harmonisch aus.


    Dem folgt in T. 29 eine Reduzierung auf eine 1-Takt-Zelle mit Motiv B und Motiv D in den Celli. Diese unregelmäßige Reduzierung auf einen Takt ist ein subtiler Hinweis auf die nun auch „periodisch“ ausbrechende (weil sich enorm intensivierende) Entwicklung. Bis zum Ende der Abschnittsziffer 3 in T. 34 hören wir nur noch 1-Takt-Zellen.


    Motiv B wird in T. 30 in gestreckter Aufwärtsbewegung weiter fortentwickelt, die 32tel Figuren werden dagegen in den Violinen 2x hintereinander (T. 30, 31) abwärts geführt, damit wiederum divergierend die in den Celli ansteigende Achtelfigur (wie schon in T. 18 ). Einen zusätzlichen Vorwärtsdrang erhält die Bewegung durch das 16tel/8tel-Teilmotiv aus Motiv B, das in T. 18 abgetrennt worden war und sich nunmehr in Holz, Bläsern und Bratschen horizontal nach vorne ausrichtet.


    Das Mehr an Raum in den T. 30, 31 (trotz 1-Takt-Zellen) wird durch eine zunehmende Stauchung in den T. 32 – 34 wieder kompensiert (Spiel mit Formen und Zeiten!).


    Auch in T. 32, 33 haben wir subtile Balancen, indem Motiv B in den Bratschen durch chromatisch aufsteigende Motive D in den Celli ausgeglichen wird. Im Holz laufen Motiv B bzw. eine erneute, von den Klarinetten in Oktaven aufwärts geführte Weiterentwicklung dieses Motivs gegeneinander.


    T. 33 beinhaltet dann zwei 1/2-taktige-Zellen in einem Takt! Auch hier also wie in T. 29 eine erneute Unregelmäßigkeit, die wiederum ein subtiler Hinweis auf eine neue Entwicklung ist.


    Abschnittsziffer 3 erscheint somit also als konsequente Weiterentwicklung der Abschnittsziffer 2, jedoch mit erheblicher Spannungszunahme, bevor ab T. 35 in Abschnittsziffer 4 [Rattle 1:12] eine Beruhigung, eine Art Ausklang einsetzt.


    Loge

    In Abschnittsziffer 2 (ab T. 17) ist der 3er Takt nun gefestigt (nach dem Prélude mit geradem 4/4 Takt, der als 2er gefühlt wurde). In den nun zunächst anstehenden 2 Takten (T. 17, 18 ) hören wir – auf 3 Ebenen – in den Hörnern wieder die liegend oder versetzt abwärts geführten 16tel Motive A (leicht variiert) und B (nun auf verschiedene Instrumente zerfallend), darunter in den Violinen eine chromatisch aufsteigenden, dreiteilige 32tel Bewegung, die wie ein Klangfarben-Schweif im Raum wirkt (dabei wird das cis in T. 17 in T. 18 zu des; die Bewegung innerhalb eines jeden der drei Teile erfolgt in großen Sekunden, die von einem Teil zu anderen in unterschiedlichen Terzschritten, und darunter wiederum - diese unerwartete Bewegung gewissermaßen neutralisierend - die mittleren Streicher in gesetzten und dreifach parallel über eine kleine Terz absteigenden Achteln. Es ist dies ein Beispiel für die schon angesprochenen Balancen, mit denen Debussy seine Musik immer wieder in der Schwebe hält. Das Zerfallen des Motivs B führt bereits hier eines der für das gesamte Werk wesentlichen Gestaltungsmerkmale vor.


    In T. 19 dann ein Beckenschlag, der uns bedeutet, dass es nach den bisherigen 2-Takt-Zellen, die abwechselnd von den Motive A/B, mit einer Unterbrechung durch Motiv C, beherrscht waren, jetzt in einem 2. Unterabschnitt des Scherzandos zu einer neuen Entwicklung kommt.


    Zunächst herrschen weiter die Motive A/B vor (T. 19 – 29), begleitet von einem Motiv aus drei Achteln („Motiv D“), das in unterschiedlichen Sekundschritten in den Streichern auf- und absteigt. Das Motiv B, vornehmlich in den Bläsern, wird mit seinen unterschiedlichen Sekundschritten dabei von Klarinette und Fagott in Terzabständen parallel geführt (T. 20, 24).


    In 2- und 4-Takt-Zellen interpretiert, ergibt sich für Abschnittsziffer 2 (und in Fortführung des Schemas aus Abschnittsziffer 1) folgendes Schema: A'' (T. 17, 18 ), A (T. 19, 20), B' (T. 21, 22), A' (T. 23, 24). Bei T. 25 ist Abschnittsziffer 3 erreicht [Rattle 1:00].


    Die Takte in Abschnittsziffer 2 führen also gleich mehrere der im Hauptteil des Werkes vorherrschenden Gestaltungsprinzipien vor: Die unaufhörliche Motiventwicklung, die 2-taktigen Strukturen, das Zerbrechen von Motiven.


    Loge

    Das Scherzando-Zwischenspiel erstreckt sich über die Abschnittsziffern 1 – 4 (T. 9 – 42). Es steht als Kontrast zum Prélude im tänzerischen 3/8 Takt und im Grundtempo des gesamten Werkes (punktierte Viertel = 72).


    Den Anfang des Scherzando-Zwischenspiels [Rattle 0:45] macht in T. 9 ein Beckenschlag (pianissimo), der nach asiatischer Tradition den Beginn des Abschnitts markiert (sowie später auch Unterabschnitte bzw. das Abschnittsende).


    Das Zwischenspiel ist geprägt von Motiven, die sehr frei im Raum stehen; denn der Orchestersatz ist weiterhin ausgedünnt. Debussy gelingt hier ein wahrer Klangzauber!


    Das 1. Motiv erscheint in T. 9 und hat auftaktigen Charakter („Motiv A“). Diesem folgt in T. 10 in ein Motiv aus 3 chromatisch absteigenden Sekunden („Motiv B“). Aus dem Motiv B wird später in Abschnittsziffer 23 das „Motiv des jungen Mannes“ hervorgehen. Die Motive A und B bilden zusammen eine für Jeux typische 2-taktige Motivzelle. Mit Motiv B gehen die chromatischen Mittelstimmen aus dem Prélude in die Führung. Die T. 11, 12 bilden eine weitere 2-taktige Motivzelle nur mit Motiv A ergänzt um einen Beckenschlag. Dann wieder 2 Takte (T. 13, 14) die Motivzelle A/B. Alle diese bisherigen Motive sind von 1/16 Noten bestimmt. Darunter in den tiefen Streichern weiterhin noch Liegetöne auf a. In T. 15,16 tauchen 2 x 3 dynamisch aufwärts springende Achteln auf (pizzicato und mit crescendo) („Motiv C“) und beenden die Abschnittsziffer 1.


    Man kann diesen Abschnitt auch primär in 2- und 4-Takt-Zellen interpretieren. Dann ergäbe sich folgendes Schema: A (T. 9, 10), B (T. 11, 12), A' (T. 13, 14), C (T. 15, 16).


    Obwohl ab T. 9 ein 3/8 Takt steht, wird der Übergang vom 2er Takt des Prélude zum 3er Takt des Scherzando nur allmählich vollzogen. Die Passage T. 9 – 15 vermittelt noch Eindrücke eines 2er-Taktes; erst mit Motiv C und den Folgetakten festigt sich der 3er Takt. Derart fließende Übergange sind typisch für Jeux und lassen sich noch mehrfach feststellen.


    In T. 17 gelangen wir zu Abschnittsziffer 2 [Rattle 0:52].


    Loge

    Gerade gehört:



    Für mich eine sehr beeindruckende Aufnahme! Ein wahres Wunderwerk an Brillanz, Klarheit und differenziertester Anschlagskultur. Die technischen Möglichkeiten Perahias – nicht zuletzt seiner wirklich einmaligen linken Hand – scheinen schier grenzenlos. Das Spiel ist immer engagiert, hier lyrisch-zart, dann wieder kraftvoll. Alles perlt und fließt, dass es eine reine Freude ist und zuweilen einen Grad an Suggestion erreicht, der an Hypnose grenzt (etwa in der Chaconne in G). Hier und da (z. B. am Ende der Scarlatti Sonate K. 27 oder in der Mitte von K. 29) klingt das Spiel vielleicht schon eine Nuance zu gestochen scharf und perfekt, so dass es jemanden, der das nicht nur bewundern kann oder will, auch frösteln könnte.


    Loge

    Jeux beginnt mit einem kurzen Prélude (T. 1 – 8 ) im 4/4 Takt. Die Musik wirkt statisch, geheimnisvoll – alles im pianissimo! Die Streicher sind zunächst durch Sordinen gedämpft. Die Statik steht hier (und erneut am Ende des Werkes) in deutlichem Kontrast zum gesamten tänzerischen, fließenden Mittelteil. Ist es ein Naturklang? Ein wenig erinnert es an das Entstehen der Musik, wie wir es von Wagner und Bruckner kennen.


    Schon das Prélude ist motivisch von kleinen und großen Sekunden („2“) sowie von Terzen („3“) geprägt.


    In T. 1 hören wir zunächst über 3 Oktaven der mittleren Streicher verteilt h’s (Sekunde über a). Sie werden als Liegetöne (eine Seltenheit in diesem Werk!) über die ersten 4 Takte hinweg gehalten.


    Darüber die Hörner (in 2 chromatischen Bewegungen, jeweils g - as - a) und die Harfen (ebenfalls in 2 Bewegungen, jeweils his - cis - d). Die Bewegungen vollziehen sich also in großen und kleinen Sekunden. Dabei klingt alles wie ein Echo, wobei die T. 1 und 2 durch T. 3 und 4 wiederholt werden.


    Schon hier, obwohl sich das Prélude vor allem in der Bewegung deutlich vom Mittelteil des Werkes unterscheidet, ist die Komposition auf 2 : 3 Zusammenhängen aufgebaut. Und schon hier haben wir auch die für das gesamte Werk prägenden Zwei-Takt-Zellen.


    Ab T. 5 bilden sich 3 Instrumentengruppen heraus (1. Holz / 2. Hörner, Celesta, Harfen / 3. Streicher). Weiterhin vernimmt der Hörer einen dünnen Klang. Die Violinen spielen nur mit einzelnen Pulten. In der 1. Gruppe (Holz) erklingen akkordisch kleinen Sexten, die sich auch in je 3 große Sekunden unterteilen lassen. Die 2. Gruppe (Hörner, Celesta, Harfen) bewegt sich in kleinen Sekunden, die 3. Gruppe (Streicher) dagegen in akkordischen Oktaven.


    Die 3 Gruppen ab T. 5 erscheinen so wie eine instrumentale Vorwegnahme der später auftretenden 3 Protagonisten. Alle 3 sind in mehrfacher Hinsicht noch spannungsvoll voneinander separiert: Die 1. Gruppe spielt Halbe auf betonten Taktteilen, die in Terzen abwärts geführt werden. Die 2. Gruppe spielt Vierteln, synkopisch, die in Sekunden aufwärts geführt werden. Die 3. Gruppe spielt Primen. Gleichermaßen bedeutungsvoll für das spätere Geschehen lässt sich der Umstand deuten, dass diese in der Bewegung deutlich separierten Stimmen in der mittleren Lage (Hörner und Harfenklänge) klanglich miteinander verschmolzen werden.


    Mit einer Terz auf die Tonika a wird in T. 9 (bei der Abschnittsziffer 1) in den tiefen Streichern das Scherzando als Zwischenspiel des 1. Teils (A) eröffnet.


    Loge

    Lieber Wulf,


    es ist in der Tat schwierig und auch ein wenig müßig, allzu viel über diese Begrifflichkeiten zu streiten. Über die Frage, ob Debussy als „Impressionist“ zutreffend beschrieben ist, gibt es in der Wissenschaft einen traditionsreichen Streit, bei dem, wie in solchen Fragen üblich, trefflich aneinander vorbei geredet wird, weil jeder einen anderen Begriff des „Impressionismus“ bei sich führt. Hierzu folgender Auszug aus dem wikipedia.org Beitrag zu Debussy:


    The application of the term "impressionist" to Debussy and the music he influenced is a matter of intense debate within academic circles. One side argues that the term is a misnomer, an inappropriate label which Debussy himself opposed. In a letter of 1908, he wrote "I am trying to do 'something different'--an effect of reality...what the imbeciles call 'impressionism', a term which is as poorly used as possible, particularly by the critics, since they do not hesitate to apply it to Turner, the finest creator of mysterious effects in all the world of art." The opposing side argues that Debussy may have been reacting to unfavorable criticism at the time, and the negativity that critics associated with impressionism. It can be argued that he would have been pleased with application of the current definition of impressionism to his music.


    Wer sich in dieser Frage nun der ablehnenden Mindermeinung zuordnet, für den sind der ganze Debussy oder - je nach Begriffsverständnis - auch nur Teile seines Werkes natürlich nicht „impressionistisch“. Für die verbleibende Mehrheit aber gilt Jeux, das zugleich ein Spätwerk Debussys ist, als ein Hauptwerk des "musikalischen Impressionismus", wobei man sich auch hier im Klaren darüber ist, dass der Begriff am Ende nur ein Etikett ist. Damit sollen im übrigen auch die im Eröffnungsbeitrag von mir angesprochenen, enormen Anregungen dieses Werkes für die folgende Moderne gar nicht geschmälert werden.


    Loge

    Zitat

    Original von Wulf
    Da haben bei aller Unterschiedlichkeit der gute alte Ludwig van und Claude de Bussy etwas gemein: ihr Spätwerk stößt auf deutlich weniger Resonanz, die Ursache dürften bei beiden recht gleich sein: drastische Reduktion auf den Ausdruck, Weglassung ornamentalen Beiwerks, sozusagen existiert kaum noch Fleisch.
    Auch in Debussys ureigenster Gattung - der Klaviermusik - verhält es sich ähnlich. Die Etudesfallen in ihrer Popularität deutlich hinter den - von manchen Autoren sogar noch als DAS Klavierwerk Debussys gepriesenen - Préludes deutlich zurück, und auch ein Pianist wie Cortot äußerte sich nicht gerade schmeichelhaft über die [I]Etudes[I].


    Lieber Wulf,


    Deine vorstehende Erklärung ist aus meiner Sicht nicht zutreffend. Wir haben es bei Debussy - auch im Spätwerk - nicht mit Satie oder einem musikalischen "Expressionismus" zu tun, bei denen das Merkmal der Reduktion der Mittel im Interesse eines unverstellten Ausdrucks zutrifft. Debussy ist auch in Jeux wesentlich ein "Impressionist" (ohne hier jetzt die Diskussion über die Trefflichkeit dieses Begriffs in der Musik einsteigen zu wollen). Es ist in der Tat so, dass es daher auch in Jeux primär um flüchtige (und dabei aber äußerst komplexe) Farben und Bewegungen geht. Ganz wichtig ist dabei, dass die unzähligen Noten in Jeux mit einem gewissen "Understatement" vorzutragen sind, das jeden allzu direkten Ausdruck tunlichst vermeidet. Hierin wiederum dürfte ebenfalls ein Grund dafür zu sehen sein, dass das Werk manchen Hörer nicht sogleich packt, sondern eher irritiert zurücklässt, weil während der zurückliegenden 18 Minuten Musik eigentlich sehr viel und aber auch wieder gar nichts passierte.


    Loge

    Bevor der ganze Thread und mit ihm das schöne Werk unter einem großen Haufen Postings zu dem Begriff „ordinaire“ verloren geht, erkläre ich gerne meine Gedanken zu folgender Passage aus meinem Eröffnungsposting:


    "Dass Debussy dennoch zur Komposition schritt, lag wohl an den überaus reizvollen Konditionen (verdoppeltes Honorar), die ihm nach seiner ersten Absage offeriert wurden: Claude de Bussy, wie er sich selbst gerne nannte, konnte manchmal wirklich schrecklich ordinaire sein!"


    Debussy hatte ein starkes Differenzierungsbedürfnis. Er gab sich gerne einen aristokratischen Anstrich, umgab sich mit Luxus und verwendete gerne den Namen „Claude de Bussy“. Französisch ist die Sprache der Aristokraten. Und das Wort "schrecklich" sollte hier einen übertrieben vornehmen und damit ironischen Ton reinbringen. Der echte Aristokrat arbeitete nicht für Geld, er hatte es. Der Bürger arbeitet für Geld. Indem sich Debussy für mehr Geld zum künstlerischen Schaffen überreden ließ, gab er sich gewöhnlich (ordinaire). Mehr war eigentlich damit nicht gemeint. War eigentlich nur ein kleines Witzchen und sollte keinesfalls vom eigentlichen Thema des Threads ablenken.


    Loge

    Zitat

    Original von Walter Krause


    Lieber Amfortas,


    Also mir ist Scherchen bei der III. einfach zu schnellzughaft. Bin gespannt, was Du dazu sagst.


    Mir hat auch noch keiner erklärt, was an der Einspielung der 3. Sinfonie eigentlich so gut sein soll. Dass er die Wiederholungen spielen lässt? Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich schätze Scherchen, und seine Einspielung der 8. Sinfonie (Westminster) ist großartig. Seine Einspielung der 3. Sinfonie (Westminster) aber ist zu vernachlässigen, weil das (gleiche) Konzept hier nicht aufgeht und das Orchester schlecht spielt.


    Die Aufnahme der 3. Sinfonie wirkt in der Tat in allen Teilen gehetzt und man fragt sich, ob das eine Art Selbstzweck sei. Zum anderen gibt es in dieser Einspielung zuhauf spieltechnische Patzer. Einige Stellen sind so asynchron oder verwackelt bzw. verwischt, das man sich schon fast fragt, ob das ganze vielleicht als eine Art unverbindliches Einspielen oder ein Probemitschnitt gedacht war. Hinzu kommen unausgewogene Balancen, was aber auch durch die offenkundig minderwertige Tontechnik verschuldet sein kann. Auch die Bläser klingen oft seltsam dürr oder schrill.


    Loge

    J E U X


    Poème dansé


    MUSIQUE DE


    CLAUDE DEBUSSY



    „Musik besteht aus rhythmisierten Farben und Zeiten“ (C. Debussy)


    Nach einem sehr langsamen, sanften und träumerischen Vorspiel von wenigen Takten, in dem über der gehaltenen Tonika h der Violinen der Akkord aus allen Noten der Ganztonleiter in seinen verschiedenen Umkehrungen auftritt, erscheint ein erstes Motiv „scherzando“ im Dreivierteltakt. Sehr bald wird es unterbrochen durch die Rückkehr der Anfangstakte, dieses Mal vom Summen tiefer Streicher getragen; dann wird das Scherzando mit einem zweiten Motiv wieder aufgenommen. In diesem Augenblick beginnt die Handlung: der Ball fällt auf die Bühne; ein junger Mann im Tennisdress springt mit erhobenem Racket über die Szene. Er verschwindet… Dann kommen zwei junge Mädchen, furchtsam und neugierig. Sie scheinen nur einen geeigneten Platz für vertrauliche Mitteilungen zu suchen. Eine nach der anderen beginnt zu tanzen. Plötzlich halten sie inne, durch ein Blätterrascheln stutzig gemacht. Durch die Zweige sieht man den jungen Mann, der ihre Bewegungen mit den Blicken verfolgt. Sie wollen weglaufen. Aber er führt sie sanft zurück und überredet eine von ihnen, mit ihm zu tanzen, er küsst sie sogar. Unwille oder Eifersucht des anderen jungen Mädchens, die einen ironischen und spöttischen Tanz im Zweivierteltakt beginnt und dadurch die Aufmerksamkeit des jungen Mannes auf sich zieht: er fordert sie zu einem Walzer im Dreiachteltakt auf, in dem er die Schritte angibt; das junge Mädchen wiederholt sie zuerst wie zum Hohn, lässt sich dann aber vom Zauber des Tanzes mitreißen. Aber das erste, verlassene junge Mädchen will jetzt weglaufen. Die andere hält sie zärtlich immer wieder davon ab (3/4, sehr gemäßigt), und nun entwickelt sich ein Tanz zu Dreien (3/8 ), der immer lebhafter wird bis zu einem ekstatischen Höhepunkt (3/4, sehr gemäßigt); ihn unterbricht das Aufspringen eines neuen verirrten Tennisballs, das die drei jungen Leute weglaufen lässt; die Akkorde des Vorspiels kommen wieder, dann noch ein paar verstohlen gleitende Töne – und das ist alles.


    Dies ist der vollständige (nach Jean Barraqué, Rowohlt 1964) wiedergegebene Programmtext zu einer konzertanten Aufführung des Werkes am 1. März 1914. Nach Barraqué darf davon ausgegangen werden, dass Debussy den Text selber (mit-)verfasst hat.



    I. Entstehungsgeschichte


    Die Idee zu dem Werk hatten anlässlich eines gemeinsamen Mittagessens Diaghilev, Nijinsky und Jaques-Emile Blanche, ein französischer Maler, entwickelt. Blanche sollte die Handlung schreiben, Debussy mit der Komposition beauftragt werden. Auf eine entsprechende telegraphische Anfrage soll Debussy allerdings zurück telegraphiert haben: - handlung ballett jeux idiotisch - nicht interessiert -


    Dass Debussy dennoch zur Komposition schritt, lag wohl an den überaus reizvollen Konditionen (verdoppeltes Honorar), die ihm nach seiner ersten Absage offeriert wurden: Claude de Bussy, wie er sich selbst gerne nannte, konnte manchmal wirklich schrecklich ordinaire sein!


    Die Arbeit an der Komposition fand wohl zwischen Mitte August und Mitte September 1912 statt. Eine erstaunliche kurze Zeit für ein derart komplexes Werk! Man geht davon aus, dass Debussy während der Arbeit an Jeux von Strawinsky Einblick in dessen Partitur des „Le sacre du printemps“ erhalten hat. Die anfangs von Kritikerseite erhobene Behauptung einer schöpferischen Abhängigkeit Debussys vom Text des unvergleichlich wirkungsmächtigeren „Sacre“ – etwa auf der Ebene polytonaler Elemente – hat sich in der Literatur nicht gehalten. Beide Werke sind vom Charakter denn auch grundverschieden.



    II. Rezeption


    Die Premiere ging am 15. März 1913 im Théatre des Champs-Élysées über die Bühne, vierzehn Tage vor der tumultartigen Uraufführung des „Sacre“ am gleichen Ort. Die Aufnahme war lau, und nach dem als skandalös empfundenen „Sacre“ war ohne keine Rede mehr von Jeux. In den folgenden Jahrzehnten war es recht still um das Werk geworden. Allein im Jahr 1950 soll noch einmal in New York eine Aufführung des Werkes mit Ballett über die Bühne gegangen sein, die aber ebenso erfolg- und folgenlos blieb.


    Die Rezeption des Werkes änderte sich erst nach dem 2. Weltkrieg, und zwar zunächst auf der Ebene der musikwissenschaftlichen Diskussion: Wichtige Arbeiten zu Jeux stammen von Pierre Boulez (1956), Herbert Eimert (1959), Karlheinz Stockhausen (1963), Pierre Boulez (1966), Jean-Pierre Guézec (1968 ), Erwin Hardeck (1970), Claudia Maurer Zenck (1976), Albert Jakobik (1977), Markus Spies (1977), Jonathan D. Kramer (1978 ), Robin Holloway (1979), Lawrence Berman (1980), Jann Pasler (1982). Die Arbeiten von Ligeti sind derzeit wohl noch unveröffentlicht.


    Es fällt auf, dass die Beschäftigung mit Jeux also mit dem Aufkommen des französischen Serialismus eine Renaissance erlebte, die jedenfalls bis in die 80er Jahre anhielt. Ausgelöst wurde dies maßgeblich durch Pierre Boulez, von dem auch der gleichermaßen geistreiche wie amüsante Untertitel dieses Threads stammt: Dort ein unter der sizilianischen Sonne dösender Faun und zwei Nymphen, hier ein sportlicher Mann und zwei Mädchen auf einer Tennisanlage. Vor allem Komponisten der seriellen Schule wie Boulez, Stockhausen oder Eimert verwiesen auf Debussys Jeux als Quelle einzelner Aspekte ihrer Kompositionsweise. So etwa das Konzept einer irreversiblen Zeitkomposition, in der es keine Widerholungen gibt, sondern jeder Moment anders zu gestalten ist als die schon gewesenen. Die musikwissenschaftliche Literatur äußerte sich zu solchen Ansätzen dann skeptisch, wenn diese an Debussy als „Vater der Moderne“ ex post auch serielle Modernismen herantrugen. Einflüsse Debussys auf Webern werden indessen anerkannt.


    In den letzten Jahren ist es erneut still um das Werk geworden.



    III. Mögliche Gründe für den mäßigen Erfolg von Jeux


    Die Gründe für den mäßigen Erfolg der Jeux sich sicherlich vielschichtig:


    Ein Grund könnte das seltsam banal oder auch komödiantisch anmutende Bühnengeschehen sein. Während „Sacre“ dem Hörer am Höhepunkt die Möglichkeit des kalten Erschauderns über ein heidnisches Jungfrauen-Opfer anbietet, gibt es bei Jeux an entsprechender Stelle nur einigermaßen verdutzt einen Dreifach-Kuss zu gewärtigen, der selbst die Liebe am Ende zum Spiel werden lässt! Natürlich gibt es auch Stimmen, die dem Ausdruck einer vermeintlichen Banalität, einer modernen Leichtigkeit des Seins und dem Eindruck des „Happy End“ entschieden widersprechen, indem sie das szenische Ringelpiez mit variablem Anfassen und Küssen sowie offenem Ende in anthropologische oder philosophische Topoi wie „Trost der Idee vom ewigen Kreislauf und ewiger Wiederkehr“, „Neue Personen, gleiches Spiel“, „Wie der Anfang, so das Ende“, „Ohne Fleiß kein Preis“, „Das Schönen währt nur kurz“, „Gefühlsverwirrung des modernen Mannes“ u. ä. übersetzen. Dies aber läuft schnell Gefahr, bemüht zu wirken. Insofern ist auch interessant, dass Debussy das Ende derart offen (das Werk endet wieder auf a, womit es eigentlich begann!) im ersten Wurf gar nicht komponiert hatte, sondern erst auf Diaghilevs Insistieren, der über den von Debussy zunächst allzu geschlossen komponierten musikalischen Ausdruck enttäuscht war, zu diesem bedeutungsschwangeren Schluss kam.


    Ein anderer Grund dürfte in den enormen technischen Anforderungen liegen, die Jeux an Dirigent und Orchester stellt. Jeux ist sicherlich die anspruchsvollste und komplexeste Partitur, die Debussy geschaffen hat. Zunächst ist hier das für den Hörer ungewohnte Konzept einer stetigen Erneuerung der Musik zu nennen, die in jedem ihrer Momente anders und neu erscheint sowie die schwer nachvollziehbare klangliche Polytonalität infolge der über die gesamte Vertikale verteilten Motivteile. Vielfache Polyrhythmen und verschobene Metren scheinen jede motivisch fassliche Struktur verflüssigen zu wollen. Sodann vermittelt sich ein wesentlicher Teil der Wirkung des Stückes nur, wenn es den Ausführenden gelingt, dem Hörer das Gefühl einer über alle Wechsel und Entwicklungen in Tempo und Rhythmus hinweg einheitliche musikalische Totalentwicklung zu vermitteln. Dies wiederum erfordert zum einen ein unerbittlich gehaltenes (quasi unterirdisch fließendes) Grundtempo, das die vielfachen Tempozu- und -abnahmen saldiert, zum anderen aber auch einen über viele hundert Takte hinweg zu organisierenden Gesamtplan, der eine Grundspannung hält und in Richtung des musikalischen Höhepunkts hin gestaltet und entwickelt (die letzten 2/3 des Werkes lassen sich als riesiger Spannungsbogen über nahezu 400 Takte hinweg deuten!).


    Und schließlich kann man trotz aller Schönheiten, die dieses Werk für den Hörer bereithält, der Auffassung sein, dass Debussy für das Ballett die Mittel-Zweck-Relation etwas überspannt hat: Der Komposition haftet insgesamt eine seltsame Disparität zwischen Aufwand und – wie Klawirr vielleicht formulieren würde – „nicht anschlussfähigem“ Wirkungspotential an. Die Wirkungen, die Geniestreiche wie Prélude à l'après-midi d'un faune oder Le sacre du printemps aus ganz unterschiedlichen Gründen seit vielen Jahrzehnten bei Hörern auszulösen vermögen, erzielt Jeux regelmäßig wohl nicht. Manches erscheint zu konstruiert, zu bemüht erdacht. Pointiert: Zuviel Kopf, zuwenig Bauch. Dies jedenfalls für Zwecke eines Balletts, weshalb Jeux auch eher als reine Orchestermusik klassifiziert und aufgeführt wird.


    Eine nähere Bekanntschaft verdient Jeux als der Höhepunkt im Alterswerk Debussys und Bezugspunkt für die nachfolgende Moderne aber jedenfalls.



    IV. Sonstige generelle Hinweise zur musikalischen Organisation von Jeux


    Zwar lässt sich das Stück sehr gut hörend genießen (die Klänge spielen eine bedeutende Rolle!). Ein näheres Verständnis dürfte aber ohne Partitur kaum zu erlangen sein. Zu komplex und vielschichtig sind die Spiele (Jeux), die der große Claude de France - wie er als 1. Komponist Frankreichs zurecht genannt wird - hier unaufhörlich und immer neu auf der Vertikalen und Horizontalen treibt. Vorschlägen, das Werk „Park“ statt „Spiele“ zu nennen, trat Debussy denn auch vehement entgegen. Es ist ein fließendes Spiel aus Rhythmen, Metren, Motiven und Klängen. Dabei gibt es sogar Stimmen, die erklären, das Werk sei analytisch gar nicht sinnvoll auf den Punkt zu bringen.


    Die Tonart des Werkes ist A-Dur, wobei nur 42 der 709 Takte in A-Dur stehen. Dafür endet es, wie schon erwähnt, wieder auf a.


    Die 709 Takte sind in nicht weniger als 81 Abschnittsziffern unterteilt, die sich nahezu alle auf irgendeine Weise wesentlich voneinander unterscheiden und als Orientierungspunkte in diesem Strom von Musik sehr nützlich sind.


    Das ganze Werk mit seinen 81 Abschnittsziffern wiederum lässt sich in 5 Teile und das entsprechende Schema A, B, C, B’, A’ gliedern: 1. Teil bis Abschnittsziffer 5 (A); 2. Teil Abschnittsziffern 6 - 26 ("Vorstellung Tennisball und Protagonisten") (B); 3. Teil Abschnittsziffern 27 - 50 ("Tanz des Mannes mit dem 1. und sodann dem 2. Mädchen") (C); 4. Teil Abschnittsziffern 51 - 79 ("alle drei Tanzen zusammen und dreifacher Kuss") (B'); 5. Teil - Ende (A').


    Für die harmonische Organisation ist nicht a, sondern cis bzw. dessen enharmonisches Äquivalent des (vor allem im Schlussteil) als Bindeglied zu anderen Tonarten maßgeblich.


    Debussy erweist sich auch hier als großer Meister der Klangfarbe. Die Klänge verschiedener Instrumente werden kunstvoll ineinander verschmolzen. Oftmals dient dabei die Mittellage aus Blech und Harfen als verbindendes Element. Dann wieder sind exotische Klänge zu bewundern. Wunderbar etwa die Beckenschläge zu Beginn des Scherzando, die an Fernöstliches erinnern. Mit seiner Mischung aus Exotik, Tanz und Gewalt (die Vortragsbezeichnungen „Violent“ bei den Abschnittsziffern 74 und 75 dürften im gesamten Schaffen Debussys einmalig sein!) erinnert das Stück in seiner klanglichen Erscheinung stellenweise an die Scheherazade Rimsky-Korsakows.


    Wie schon angedeutet befindet sich die musikalische Entwicklung in ständiger Bewegung. Komplexe Motivstrukturen huschen in enormer Geschwindigkeit der Töne am Hörer vorbei. Liegetöne tauchen überhaupt nur im Prélude auf. Alles wirkt unbeständig, zerstückelt und kaum fassbar. Für jede Abschnittsziffer lassen sich bestimmte sie beherrschende Motive ausmachen. Ein gewisses Maß an (traditioneller) Vorhersehbarkeit der Musik bleibt dabei jedoch auch in Jeux gewahrt. Zu nennen wären hier zunächst die an vielen Stellen auftauchenden, beinahe klassisch anmutenden 2- und 4-Taktgruppen. Auch sind Motiventwicklungen und -wiederholungen über kurze Passagen durchaus stringent organisiert. Manches taucht an späteren Stellen nochmals auf. Vereinzelt wurde Jeux gar als Rondoform gedeutet, weil ein zentrales Motiv an wichtigen Stellen (z. B. einzelnen Abschnittsanfängen) immer wieder auftaucht. Auch über diesen Punkt gibt es allerdings, wie über beinahe alle Aspekte dieses Werkes, differierende Sichtweisen. Abschnittsweise fällt das Nebeneinander von neuen und sich weiter entwickelnden alten Motiven auf; eine Technik, die Debussy z. B. auch in den „Images“ angewandt hat. Für den Umstand, dass sich einzelne Motive wie im musikalischen Hintergrund zu entwickeln scheinen, um dann in veränderter Form wieder aufzutauchen, hat Barraqué als Alternative zur Diskontinuität den interessanten und treffenden Begriff der „alternativen Kontinuität“ geprägt.


    Es fällt auf, dass Debussy trotz aller Kontraste und Wechsel in Tempo (über 60 Tempoangaben in rund 18 Minuten Musik!), Takt, Metrum, Rhythmus und Motiven sehr darauf bedacht war, einen alles einigenden Fluss der Musik zu erzeugen, indem er all diese Elemente so in Beziehung zueinander setzt, dass sich in den einzelnen Takten sowie über das Gesamtwerk hinweg immer wieder Balancen ergeben, die die Musik auf subtile Weise in der Schwebe halten, wenn diese auch eine insgesamt ansteigende Richtung hat. Schnelle Passagen werden durch langsame saldiert und umgekehrt. Führt ein Instrument z. B. ein stark rhythmisiertes, diatonisch strukturiertes Motiv hinauf, so wird dieses zugleich durch eine hinab fahrende, chromatische Figur quasi neutralisiert. Dieses Prinzip lässt sich bis in einzelne Takte hinein verfolgen. Gibt es z. B. im ersten Drittel eines Taktes ein Tremolo (bleibt die Zeit also stehen!), machen die übrigen beiden Taktteile mit kurzen, vorwärts stürmenden Notenwerten diese Verzögerung in einem ganz bestimmten Verhältnis wieder wett. Bewegt sich eine Instrumentengruppe in einem tänzerischen Dreier-Takt, hemmt eine andere die Bewegung mit einem statischen Zweier-Takt. Über Taktwechsel hinweg wird der Fluss der Musik mehrfach durch nur allmählich sich verfestigende Taktwechsel ausbalanciert. u. s. w.

    Überaus interessant schließlich auch das 2 : 3 Verhältnis, von dem Jeux auf allen Ebenen der Handlung und der Musik geprägt zu sein scheint. Die Beziehungen scheinen auch hier schier grenzenlos zu sein. Nur ein paar Beispiele: Die Protagonisten und ihre Handlungen (Tänze, Küsse): überall 2 : 3. Die fünf Werkteile (Seitenteile, Tanzteile) lassen sich in ein sinnfälliges 2 : 3 Verhältnis bringen. Die Teile selbst lassen sich in Unterabschnitte von 2 : 3 untergliedern (z. B. 1. Teil Prélude, Scherzando, Prélude). Die Motive sind ihrer Gestalt nach oft von einem 2 : 3 Verhältnis geprägt. Zudem sind die Motive regelmäßig aus Sekunden (2) und Terzen (3) gebaut. Die Orchestergruppen lassen sich regelmäßig in ein 2 : 3 Verhältnis bringen. Die Takte sind Zweier und Dreier, über weite Strecken auch übereinander, auch hier 2 : 3 Verhältnisse.



    * * *


    Soweit die einführenden Anmerkungen zu Jeux. Vieles von dem Vorstehenden lässt sich diskutieren, ergänzen, modifizieren, präzisieren, wozu ich hiermit ausdrücklich einlade, denn - wie schon angedeutet – lassen sich auch in der oben aufgeführten Literatur durchaus unterschiedliche Auffassungen zu diesem Werk finden, mit dessen komplexen Geheimnissen uns Monsieur Croche doch ein wenig ratlos zurückgelassen hat.


    Gleiche Einladung gilt für die bescheidenen Anmerkungen, die ich – so mich nicht die Lust verlässt – zu den einzelnen Teilen des Werkes noch folgen lassen werde und die die vorstehend angesprochenen Gestaltungsmerkmale noch am Detail erhellen sollen.


    Die wohl maßgebliche Einspielung des Werkes stammt von Pierre Boulez und dem Cleveland Orchestra (DG). Ein anderer Dirigent, der sich mit Jeux hervorgetan hat, ist Simon Rattle mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra (EMI oder ARTHAUS (in der DVD Reihe „Leaving Home: Orchestral Music in the 20th Century“)). Bei der Beschreibung der einzelnen Werkabschnitte in folgenden Postings werde ich zu allen Abschnittsziffern die Zeitangaben dieser beiden Einspielungen angeben.


    Quellen: Die angegebenen Schriften, die Partitur und Loges flammendes Köpfchen.


    Loge

    Zitat

    Original von Wulf
    Jetzt hör aber auf mit dem Unsinn, Loge. Du hast Dich endgültig verraten. Hatte schon lange mit dem Gedanken gespielt, Du trätest hier wieder mit ganz neuem Kostüm auf. Eine Zeit lang gings gut, jetzt hat der Schabernack ein Ende. Enttarne Dich!!!


    :D
    Wulf


    Lieber Wulf


    Du bereitest mir Sorge. ?( Kann es sein, dass Du in letzter Zeit vielleicht ein wenig zu viel dieser überdimensionierten, von einer übergreifenden Dramaturgie und psychologischen Tiefe weitgehend unbelasteten und minderwertige Libretti vertonenden Ballett- bzw. deklamatorischen Sprechgesangs-Sinfonien eines durchaus fähigen und anfänglich in harmonisch und rhythmischer Hinsicht auch originellen, wenn auch zunehmend uninspirierten französischen Sonnenhof-Compositeurs zu Dir genommen hast, dessen Werke - genauer eine Handvoll aus seinen 6 guten Jahren aus über 80 -, die nun schon in der 3. Dekade in den Kulturzentren Europas auf der schon wieder brechenden Welle der historisch informiertesten aller denkbar historisch-informierten Aufführungspraxen rauf und runter zelebriert und - wie im Endstadium einer jeden Mode üblich - hochpreisig gehyped und ansprechend verpackt zwischenzeitlich sogar in breiteren Schichten von unerwarteten Klängen enthusiasmiert konsumiert werden, um am Ende – nach baldiger Ernüchterung ob der am Ende doch hohlen Kunstfertigkeit - wieder in der angestammten 2. Reihe des zeitlich Überlebten zu verstauben?


    Wie auch immer, wenn Du mich suchst oder gar brauchst, ich bin im Thread zur 5. Sinfonie Beethovens und wische dort auf, was Amfortas08 hier in einer dunklen Sackgasse des Diskurses - nicht der Moderne - über dem 2. Satz der heiligen 5. Sinfonie Beethovens versehentlich fallen ließ.


    Loge


    Wenngleich Amfortas08 seine nicht weiter begründete Kritik des 2. Satzes an nur 4 Takten festmacht und diese 4 Takte jeweils Überleitungs- bzw. Scharniertakte ohne entscheidendes Gewicht für die kompositorische Größe des Satzes darstellen, kann das so natürlich nicht stehen bleiben. Zumal der Gigant Beethoven gerade auch an Nahtstellen Überragendes zu bieten hat (siehe z. B. in der 5. Sinfonie die Überleitung zwischen 1. und 2. Thema im 1. Satz oder die Überleitung vom 3. Satz ins Finale).


    Zunächst einmal ist es wohl nicht zu gewagt, in dem 2. Satz der 5. Sinfonie im Vergleich - ja geradezu Kontrast - zu seinen unerbittlich jagenden bzw. springenden und spannungsvollen Nachbarsätzen (1. und 3. Satz) einen melodischen, überwiegend entspannten und betont (und gewollt!) einfacheren Satz zu sehen (das Thema erinnert durchaus an Haydn). Wenn der Satz zugleich auch von einer gewissen Grundspannung (con moto!) und ganz wesentlich von einer enorm ausdifferenzierten Dynamik (vielfach taktweise p - f Wechsel, mehrfach Wechsel von pp - ff innerhalb von 3 Takten!) geprägt ist, so erscheint es mir dennoch von vornherein verfehlt, hier mit Amfortas08 "Fetziges" erwarten zu wollen. Auch ein f kann zutreffend durchaus dolce (eine der Lieblingsvorgaben Beethovens!) auszuführen sein.



    Zu T. 29f.


    Motivisch ist der gesamte Satz zum einen von dem punktierten 16tel/32tel Motiv und dem dazu kontrastierenden Triolenmotiv geprägt. Das punktierte Motiv beherrscht den Satz dabei buchstäblich vom Auftakt vor dem 1. Takt bis zum Schlussakkord. Bereits in T. 7, 9 und 11 notiert Beethoven - durchaus überraschend - auf der Dominante Es (jeweils erreicht über das punktierte Motiv) ein forte. In T. 7 und 9 folgt darauf schon im Folgetakt, also T. 8 bzw. T. 10, die Vorgabe p. T. 9 fließt quasi in T. 10 aus, T. 7 und T. 11 sehen ein f mit diminuendo vor. (Eine Entsprechung findet dies nochmals am Ende in den T. 242f. und T. 245f.) Die T. 28-29 sind so gesehen eine erste dramatisch-dynamische Steigerung der T. 6-7, 8-9 und 10-11, bei Materialidentität, als Abschluss eines 1. Abschnitts. T. 30-31 bilden sodann die Überleitungstakte nach C-Dur. T. 30 komprimiert dabei die in den T. 22-25 in Holz und hohen Streichern auftretenden Motive (teilweise in Umkehrung) in einem Takt. Das punktierte Motiv findet sich in dieser Abwärtsbewegung schon in den Anfangstakten T. 2-4, nur dass es dort in einen stauenden, punktierten Wert mündet, während es sich in T. 30 in zwei 8teln fortsetzt und damit in eine fließende Bewegung mündet, was wiederum höchst sinnfällig erscheint, weil es sich hier eben um eine Überleitung handelt. Zugleich stellt T. 31 so eine zusammengefasste Vorwegnahme der Elemente der rhythmischen Bewegung des Holzes in den folgenden T. 32 - 37 dar. Ich jedenfalls kann mir das besser nicht vorstellen.



    Zu T. 79f.


    Da die Passagen T. 11-38 und T. 60-87 parallel gestaltet sind, erübrigt sich eine erneute eingehende Erläuterung zu T. 79. Es kommen hier die 32tel hinzu, die als Variation in T. 72-75 an die Stelle der 16tel Triolen getreten sind.



    Zu T. 185f.


    Eine wunderbare Scharnierstelle, die gleichermaßen zurück wie voraus blickt. Die aufsteigenden, fließenden 32tel variieren zum einen die in gebrochenen Akkorden begleitenden 32tel aus der unmittelbar vorausgehenden Variation. Zugleich bereiten sie den Übergang in die nachfolgende majestätische Variation vor, die fließenden Charakter hat, weil sie im Gegensatz zur vorausgehenden Variation nicht mit zahllosen Pausen und Staccati durchsetzt und damit rhythmisch weitaus weniger akzentuiert ist. Die Variation läuft dann auch in eben diesen fließenden 32tel aus. Auch diese Nahtstelle erscheint mir daher höchst sinnfällig und gelungen.



    Zu T. 213f.


    Auch dieser Takt kann bei einer analytischen Bewertung selbstverständlich nicht separiert werden. Vielmehr ist er als Teil einer Passage von T. 213-219 zu sehen. (Wenn überhaupt, könnte man also eigentlich nur behaupten, die gesamte Passage T. 213-219 sei schwach – was sie nicht ist.) Im Ganzen handelt es sich um einen dreifachen in Triolen aufgehenden Aufstieg mit dynamischem Höhepunkt (ähnlich den schon erwähnten T. 7, 9, 11 und 29). So gesehen handelt es sich um eine rhythmisierte und das Ausgangsmaterial des Satzes wieder stärker in den Vordergrund stellende Variation auf die T. 191-195, mit jeweils gleichem Ausklang (T. 196-198 und T. 219-221). Richtet man den Blick auf den Satzschluss, stellt man fest, dass Beethoven schon an dieser Stelle das Ende des Satzes vorbereitet. Die Triolen, die zwischenzeitlich zurückgedrängt waren, tauchen wieder auf. Am Ende stehen wieder Triolen und punktiertes Motiv bzw. deren Gegensatz im Vordergrund. Auch T. 213 erscheint als Teil einer zugleich variierend zurück- und vorausblickenden Passage für mich höchst sinnfällig und gelungen.


    Loge

    Zitat

    Original von Klawirr
    :jubel: :jubel: :jubel:


    Endlich mal etwas, das ich GUT kenne...


    Mensch, lieber Klawirr, das ist ja wie ein Lottogewinn


    quasi 1 : 543.786 (Gesamtverzeichnis klassischer Musik)


    :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    Zitat

    Einspielungen gibt's ja zuhauf und in jeder Preisklasse, mit Stardirigenten (auch HvK hat's eingespielt - somit kann jeder mitmachen... ;) Ich besitze sogar eine Karajan-Aufnahme von Bartoks MfSSC: eine alte DGG-Resonance Vinyl-Scheibe) und Underdogs...


    Sehr richtig. Und sowohl Christa Ludwig als auch Eleonore Büning haben diese Einspielung kürzlich spontan und übereinstimmend als die Karajan-Einspielung genannt, die sie auf die einsame Insel mitnehmen würden. Mehr kann ich dazu aber nicht sagen, denn ich habe sie (noch) nicht.


    Loge