Ballett -- nur was für weltferne Romantiker, Musik für Frauen?
Da ich nicht genau weiss, wie ich den Faden anfangen soll, versuche ich es mal mit dieser provokanten Frage. In letzter Zeit interessiere ich mich wieder mehr für Ballett(musik). Blicke ich zurück, so fällt mir auf, dass Ballettmusik schon seit Beginn meiner Klassikhörerzeit eine sehr wichtige Rolle eingenommen hat, teilweise sicherlich in Form von Suiten.
Es fing an mit Tschaikowsky, und da kommt man fast zwangsläufig auf seine Ballette Schwanensee, Dornröschen und Nussknacker. Gerade für einen Klassikanfänger ist dies doch recht dankbare Kost. Mir fällt jetzt so richtig auf, dass viele Lieblingsstücke von mir Ballettmusik sind (war mir nicht immer bewusst). Hier eine kleine Aufzählung:
Strawinsky (Petruschka; Le Sacre du Printemps)
Bartok (Die hölzerne Prinz; der wunderbare Mandarin)
Ravel (Ma Mere l'Oye; Daphnis et Chloe; ich kann auch Bolero und La Valse mitrechnen)
Prokofjew (Romeo und Julia; Cinderella)
Schostakowitsch (Das Goldene Zeitalter; der Bolzen; der helle Bach)
Ich habe bisher nur von Musik gesprochen. Aber wie ist es mit dem Tanz? Der hat mich bisher nicht interessiert. Und doch gehört es doch zum Gesamtkunstwerk dazu.
Ich erinnere mich, so um Weihnachten 2003 im TV (vermutlich Arte) eine Aufführung von Prokofjews Cinderella (teilweise) gesehen zu haben. Ich fand das schon beeindruckend. Insbesondere gefiel mir natürlich die Musik. Aber erst vor kurzer Zeit habe ich mir spontan eine Ballett-DVD gekauft:
Und ich muss sagen, dass diese DVD mich doch sehr beeindruckt. Nicht nur, dass Musik und Klang fantastisch sind (noch besser als bei Roshdestvensky (Chandos)), auch die Leistungen des Bolshoi-Balletts sind beeindruckend. Die Perfektion ist teilweise atemberaubend. Nun muss man sagen, dass gerade "Der Bolzen" nun so garnicht dem Klischee eines Balletts entspricht. Das Libretto ist zwar ziemlich banal, aber immerhin ist es ein moderner Stoff, kein Märchen etc., es ist voller Ironie (auch wenn es gegenüber der Originalversion deutlich "entschärft" wurde), und die Tänze sind nicht so, wie ich mir Ballett gemeinhin vorgestellt habe. Meine oberflächliche Vorstellung war wohl so nach dem Muster, dass eine Primaballerina auf Zehenspitzen über die Bühne trippelt, alles in allem ein eher albernes Bild. Ich übertreibe jetzt ein wenig. Vermutlich ist dies auch so das typische Schwanensee-Klischee. Ich bin sicher, dass nicht nur ich hier eine verfälschte Sichtweise auf das Ballett hatte, ich denke dass dies ein weitverbreitetes Klischee ist.
(Historisch ist an dieser DVD noch bemerkenswert, dass es sich dabei um die erste Aufführung des Ballettes seit der Uraufführung im Jahre 1931 handelt, nach fast 75 Jahren!)
Durch diese positive Erfahrung ermutigt habe ich mir eine weitere Ballett-DVD gekauft, von der ich glaube, dass es sich dabei um die Aufführung handelt, die ich 2003 im TV gesehen habe:
Auch diese musikalisch/klanglich fantastisch. Musik und Stoff unterscheiden sich natürlich drastisch vom "Bolzen". Die Musik ist gefälliger, aber immer mit diesem prokofjewschen ironisch-dissonanten Unterton (herrlich der Walzer). Der Stoff ist ein Märchen, eher nicht so meine Welt, aber es ist teilweise mit Witz inszeniert. Die Tänze hier wirken klassischer und traditioneller als bei der zuvor genannten DVD, aber meisterhaft durch das Zürcher Ballett vorgetragen. Es ist alles etwas beschaulicher als beim "Bolzen". Aber meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht.
Meine Vorurteile gegenüber Ballett sind daher ziemlich gewichen, allerdings würde ich mir wohl keine Tschaikowsky-Ballett-DVD o. ä. kaufen, es sollte schon moderner sein. Ich würde aber, wenn sich die Gelegenheit bietet, dem Besuch einer Live-Aufführung offen gegenüberstehen.
Meine Fragen an andere:
Wie geht es Euch mit Ballett? Kennt Ihr diese Vorurteile/Klischees? Pflegt Ihr sie selbst?
Könnt Ihr weitere Ballett-DVDs empfehlen? (20. Jahrhundert.)
maticus