Beiträge von maticus

    Hallo Johannes,


    die Aufnahmen mit Roshdestvensky und den Stockholmer Philharmonikern bei Chandos sind so gut, dass ich nie nach anderen gesucht habe. Ich weiss nicht einmal, ob es andere Einspielungen der vollständigen Werke gibt.



    Die beiden erstgenannten sind Doppel-CDs. Häufig findet man ja die Suiten auf CD (als Zugabe), aber es gibt viele wunderbare Passagen, die in den Suiten nicht auftauchen. Andererseits muss man zugeben, dass es auch ein paar wenige schwächere Stücke gibt (was nicht weiter schlimm ist) und dass das Hören am Stück etwas ermüdend sein kann.


    Interessant ist die (Aufführungs-) Historie der Ballette, die mal einen eigenen Thread wert wäre... Ich denke, dass Roshdestvensky wenn nicht als einziger dann als erster die vollständigen Werke eingespielt hat. Auch diese CDs bestätigen, dass er m. E. einer der allerbesten und wichtigsten Schostakowitsch-Interpreten ist. Dazu muss ich sagen, dass ich die oben von mir genannte DVD-Einspielung des "Bolzen" (gekürzt; Bolschoi-Orchester unter Pavel Sorokin) musikalisch/technisch noch ein klein wenig besser finde, was an erster Linie an der extremen Transparenz der Musik liegt und an dem viel direkterem Schlagzeug (insbesondere Militärtrommel). Aber das soll die hohe Qualität der CDs nicht schmälern.


    :hello:
    maticus

    Wenn die Hustenpastillen ein Erfolg werden (und da habe ich keinen Zweifel), kann man auch an eine Markterweiterung mit weiteren Sorten denken, etwa Presto (mit patentierter Sofortwirkung) und Con Brio (mit Chilli-Geschmack und hörbarer Wirkung auf die Darmtätigkeit), und die milde Sorte Andante für Allergiker...


    :baeh01:
    maticus

    Hallo Johannes,


    eine beeindruckende Liste! Ich kenne nur das wenigste davon.


    Die Choreographie, also die Tanzaufführung, hat mich bisher auch nicht interessiert. Ähnlich war es bei Opern. Ich war nie so der Opernfan. Aber das wenige, was mir gefällt, hat durch die Bilder, durch die Handlung, eine weitere Verstärkung für mich bewirkt, so dass ich jetzt lieber die DVD einlege, als nur die Musik zu hören. Und auch beim Ballett ist neuerdings dadurch für mich eine weitere Dimension hinzugekommen, auch wenn ich sicherlich nie ein großer Tanzfreak werden werde. Es ist halt eine weitere Facette des Werkes.


    Zusätzlich ist es so, dass ich mit meinen DVDs großes Glück gehabt habe, denn ich finde bei einigen auch die Musik unschlagbar gut. Beispiele habe ich genannt.


    Was hältst Du eigentlich von den Schostakowitsch Balletten? Kennst Du sie nicht oder gefallen sie Dir nicht? Im Vergleich zu den den eher braven Prokofjew-Balletten (ich kenne nur Romeo und Julia, und Cinderella; bei den älteren mag es anders sein) sind sie satirischer und frecher, was meinem Geschmack (auch bei der Choreographie) sehr entgegenkommt.


    :hello:
    maticus

    Dank an die Admins, durch die Verschiebung auf den alten Thread aufmerksam zu machen. Habe meinen eigenen Thread nur über die Suchfunktion gefunden... Der Titel des Threads ist vielleicht etwas lang...


    Die Eröffnung eines Ballett-Threads neulich von mir im allgemeinen Forum war nicht sonderlich erfolgreich. Nur recht wenig Leute, die ihn überhaupt angeklickt haben. Das und einige Beiträge in dem alten Thread zeigen mir doch, dass Ballett allgemein nicht besonders beliebt zu sein scheint. Insofern frage ich mich, ob das von mir geschilderte Klischee von Ballett bei den meisten tatsächlich verankert ist. Ich kenne es auch ein wenig aus dem Bekanntenkreis, wo der Vorschlag, sich (auf DVD) ein Ballett anzusehen, auf ein mildes Lächeln stößt.


    Hallo Guercoeur,


    gerne würde ich die Liste Deiner Favoriten sehen. Schön wären auch konkrete DVD-Empfehlungen.


    :hello:
    maticus

    Ballett -- nur was für weltferne Romantiker, Musik für Frauen?


    Da ich nicht genau weiss, wie ich den Faden anfangen soll, versuche ich es mal mit dieser provokanten Frage. In letzter Zeit interessiere ich mich wieder mehr für Ballett(musik). Blicke ich zurück, so fällt mir auf, dass Ballettmusik schon seit Beginn meiner Klassikhörerzeit eine sehr wichtige Rolle eingenommen hat, teilweise sicherlich in Form von Suiten.


    Es fing an mit Tschaikowsky, und da kommt man fast zwangsläufig auf seine Ballette Schwanensee, Dornröschen und Nussknacker. Gerade für einen Klassikanfänger ist dies doch recht dankbare Kost. Mir fällt jetzt so richtig auf, dass viele Lieblingsstücke von mir Ballettmusik sind (war mir nicht immer bewusst). Hier eine kleine Aufzählung:


    Strawinsky (Petruschka; Le Sacre du Printemps)
    Bartok (Die hölzerne Prinz; der wunderbare Mandarin)
    Ravel (Ma Mere l'Oye; Daphnis et Chloe; ich kann auch Bolero und La Valse mitrechnen)
    Prokofjew (Romeo und Julia; Cinderella)
    Schostakowitsch (Das Goldene Zeitalter; der Bolzen; der helle Bach)


    Ich habe bisher nur von Musik gesprochen. Aber wie ist es mit dem Tanz? Der hat mich bisher nicht interessiert. Und doch gehört es doch zum Gesamtkunstwerk dazu.


    Ich erinnere mich, so um Weihnachten 2003 im TV (vermutlich Arte) eine Aufführung von Prokofjews Cinderella (teilweise) gesehen zu haben. Ich fand das schon beeindruckend. Insbesondere gefiel mir natürlich die Musik. Aber erst vor kurzer Zeit habe ich mir spontan eine Ballett-DVD gekauft:



    Und ich muss sagen, dass diese DVD mich doch sehr beeindruckt. Nicht nur, dass Musik und Klang fantastisch sind (noch besser als bei Roshdestvensky (Chandos)), auch die Leistungen des Bolshoi-Balletts sind beeindruckend. Die Perfektion ist teilweise atemberaubend. Nun muss man sagen, dass gerade "Der Bolzen" nun so garnicht dem Klischee eines Balletts entspricht. Das Libretto ist zwar ziemlich banal, aber immerhin ist es ein moderner Stoff, kein Märchen etc., es ist voller Ironie (auch wenn es gegenüber der Originalversion deutlich "entschärft" wurde), und die Tänze sind nicht so, wie ich mir Ballett gemeinhin vorgestellt habe. Meine oberflächliche Vorstellung war wohl so nach dem Muster, dass eine Primaballerina auf Zehenspitzen über die Bühne trippelt, alles in allem ein eher albernes Bild. Ich übertreibe jetzt ein wenig. Vermutlich ist dies auch so das typische Schwanensee-Klischee. Ich bin sicher, dass nicht nur ich hier eine verfälschte Sichtweise auf das Ballett hatte, ich denke dass dies ein weitverbreitetes Klischee ist.


    (Historisch ist an dieser DVD noch bemerkenswert, dass es sich dabei um die erste Aufführung des Ballettes seit der Uraufführung im Jahre 1931 handelt, nach fast 75 Jahren!)


    Durch diese positive Erfahrung ermutigt habe ich mir eine weitere Ballett-DVD gekauft, von der ich glaube, dass es sich dabei um die Aufführung handelt, die ich 2003 im TV gesehen habe:



    Auch diese musikalisch/klanglich fantastisch. Musik und Stoff unterscheiden sich natürlich drastisch vom "Bolzen". Die Musik ist gefälliger, aber immer mit diesem prokofjewschen ironisch-dissonanten Unterton (herrlich der Walzer). Der Stoff ist ein Märchen, eher nicht so meine Welt, aber es ist teilweise mit Witz inszeniert. Die Tänze hier wirken klassischer und traditioneller als bei der zuvor genannten DVD, aber meisterhaft durch das Zürcher Ballett vorgetragen. Es ist alles etwas beschaulicher als beim "Bolzen". Aber meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht.


    Meine Vorurteile gegenüber Ballett sind daher ziemlich gewichen, allerdings würde ich mir wohl keine Tschaikowsky-Ballett-DVD o. ä. kaufen, es sollte schon moderner sein. Ich würde aber, wenn sich die Gelegenheit bietet, dem Besuch einer Live-Aufführung offen gegenüberstehen.


    Meine Fragen an andere:


    Wie geht es Euch mit Ballett? Kennt Ihr diese Vorurteile/Klischees? Pflegt Ihr sie selbst?


    Könnt Ihr weitere Ballett-DVDs empfehlen? (20. Jahrhundert.)


    :hello:
    maticus

    Lieber Thomas,


    ich habe natürlich nicht ganz ohne Hintergedanken nach Deiner Meinung zu AKM gefragt. Ich selbst habe (nur, wie mir jetzt auffällt) 4 Einspielungen, und davon ist sie diejenige, die mir mit Abstand am wenigsten gefällt. (Die anderen 3, die ich alle sehr gut finde, sind: Leonskaja/Borodin, Beaux Arts (die "neuere"), und Gutman-Kagan-Richter (GKR).)


    Ich habe AKM heute nochmal gehört. Gleich danach GKR. Welch ein Unterschied! Ist doch GKR (und auch die anderen beiden sind es) viel feiner, empfindsamer gespielt, deutlich emotionaler.


    Bei AKM dominieren volle, satte, warme, "schöne" Klänge, eine teilweise ins süßliche gehende Stimmung. Besonders das Finale ist m. E. besonders vermurkst bei AKM. Keine Spannung, fragwürdige lokale Tempiwechsel, rhythmische Unfeinheiten (besonders Argerich), und man hat den Eindruck, jeder der drei will sich ins rechte Licht rücken. Das Spiel dreier Solisten. Sicherlich eine herbe Enttäuschung, da ich die drei Künstler einzeln doch sehr schätze.


    Über den Booklettext sage ich mal nichts...


    :hello:
    maticus

    Lieber Thomas,


    die von Dir erwähnte Leonskaja/Borodin Einspielung gehört für mich mit zu den besten (die ich kenne), obwohl ich auch ein paar kleine Schwachpunkte sehe (ähnlich wie Du). Daher steht sie bei mir "nur" an zweiter Stelle (vielleicht neben Kagan/Gutman/Richter, die ich noch nicht lange kenne), nach der m. E. hervorragenden Einspielung des Beaux Arts Trio (s. oben).


    Was sagst Du denn zu der AKM-Einspielung?


    :hello:
    maticus


    P.S. Was meinst Du mit "älterer" Einspielung? DIe sind beide identisch vom April 1995.

    Inzwischen habe ich das 5. Quartett ein paar mal gehört, und es gefällt mir auch sehr gut, immer besser. Die ruhige, nachdenkliche Stimmung im zweiten Satz, eine beeindruckende Klangwelt. Die Steigerung und der Höhepunkt im dritten Satz :jubel: (leider nur zu kurz; wie so oft bei Schostakowitsch scheint auch dieser Höhepunkt zu nichts zu führen, es verrennt sich irgendwie).


    Nochmal zum Thema aus dem Ustvolskaja-Trio für Klarinette, Violine und Klavier (Takte 60-65). Das oben von mir genannte Buch gibt in einem anderen Kapitel noch weitere Informationen dazu, die genaue Taktangabe:


    1. Satz: Takte 261-282, 421-464
    3. Satz: Takte 283-288, 321-343


    In der Michelangelo-Suite kommt es im Lied "Nacht" vor (der Bass singt es gleich zu Beginn).


    maticus

    Lieber Peter,


    Zitat

    wären Hitler oder Stalin große Künstler gewesen, wären sie nicht Hitler und Stalin gewesen, wie wir sie kennen. [...]


    Wenn jemand, welche Verbrechen er auch begangen hätte, einen solchen inneren Wandel vollzöge, dass er wirklich ein großer Künstler würde, [...]


    natürlich meinte ich bei dem Gedankenspiel schon, dass diese Personen dennoch dieselben Verbrechen begangen hätten, also dann halt nur so nebenbei Kunst produziert hätten. Kategorisch wäre ein solch scheinbar nicht vereinbares Nebeneinander wohl nicht auszuschließen, wie das ja weiter oben auch schon eindrucksvoll belegt wurde. Zumindestens ist das ja gerade die Frage im Sinne des Fadenerstellers.


    Der zweite Teil im obigen Zitat deutet an, dass Du -- wie ich befürchtet habe -- den Tätern gnädiger gegenüber wärest, wenn sie sich vom Verbrecher zum Künstler "wandeln" würden. Da wäre zu fragen, ob erstens ein solcher Wandel realistisch ist, und zweitens, ob ein solcher Wandel die Verbrechen quasi ungeschehen machen könnte. Ich würde das in beiden Fällen verneinen, allerdings habe ich ja auch (bewusst) extreme (fiktive) Beispiele ins Spiel gebracht.


    maticus

    Ich finde Herberts Frage


    Zitat

    Ich höre sehr gerne die Madrigale von Carlo Gesualdo.


    Darf ich das, obwohl er ein dreifacher Mörder war?


    durchaus interessant. Die folgende zugespitzte (theoretische) Frage hat mich früher schonmal beschäftigt:


    Wenn Hitler oder Stalin oder ... gute Komponisten (Dichter, ...) gewesen wären, dürfte mir dann deren Musik gefallen?


    Im juristischen Sinne sicherlich, keine Frage. Das meine ich natürlich nicht. Die Frage ist eher ethischer Natur. Was, wenn mir die Musik "eigentlich" gefallen würde? Bekäme ich dann nicht Gewissenskonflikte? Ich stelle es mir jedenfalls so vor, oder ich würde von vornherein rationalisieren und pauschal sagen, die Musik gefällt mir nicht, ohne sie an mich heranzulassen.


    In der Tat. Wenn mich erst einmal die Musik eines Komponisten gepackt hat, dann interessiert mich auch der Komponist selbst, sein Leben, seine Umstände. Da würde es mir schwer fallen, dies rein formal zu trennen. Mindestens tendentiell möchte ich (mit der Musik) auch den Menschen dahinter symphatisch finden. Geht das nur mir so? Oder umgekehrt gefragt: Bestünde bei Zuneigung zu deren Werken nicht die Gefahr, auch deren Gräueltaten tendentiell zu verharmlosen?


    Nebenbei: Ich habe mich nie für die Musik Wagners interessiert, habe es nicht einmal versucht. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass er mir menschlich/politisch wenig symphatisch erschien.


    maticus

    Hallo Uwe und Pius,


    ich stoße gerade auf diesen alten Thread, weil er "fortgesetzt werden will". Ich habe ihn mir zum Anlass genommen, dieses Quartett zum ersten mal richtig zu hören.


    Die Frage bzgl. des Themas des Trios von Ustvolskaja (welches ich nicht kenne) kann ich beantworten, mit Hilfe meiner Literatur, in der beide Themen als Notenbeispiele angegeben sind. Zentraler Bestandteil dieses Themas, an dem man es gut erkennen kann, sind 6 aufeinanderfolgende hohe Viertelnoten der Violinen (schnell gespielt). (Bei Ustvolskaja sind es nur 5 Töne, insgesamt ist das Originalthema leicht modifiziert.) In meiner Aufnahme mit dem Borodin-Quartett (der späteren von 1983) erkenne ich es an folgenden Stellen (keine Garantie auf Vollständigkeit).


    1. Satz: ca. 7:20 (fff) und nochmal in der Coda ab ca. 10:30 und 10:40 (piano).
    3. Satz: ab ca. 4:50 (hier im Cello; aber hier scheinen es 7 statt 6 Töne zu sein), ab ca. 5:00 in den Violinen. ...
    Auch im 2. Satz soll es Anspielungen auf das Thema geben. Die Stelle ab 4:39 könnte eine Variation davon sein, mit den 6 Tönen als ein langer Ton gespielt, ich bin aber nicht sicher.


    Meine genannte Quelle ist übrigens der sehr empfehlenswerte The Cambridge Companion to Shostakovich, herausgegeben von Pauline Fairclough und David Fanning, Cambridge University Press 2008. (Ich wollte eigentlich immer schonmal ausführlicher über das Buch schreiben...)


    Das 5. Quartett selbst gefällt mir nach dem ersten Hören sehr gut, ich werde es bald nochmal hören.


    maticus

    Zitat


    wie gibt man am besten im mp3-Format auf SD-Karten gespeicherte Musik über die HiFi-Anlage wider? Über den Kopfhörerausgang eines mp3-Players ist das natürlich nix.


    Wieso ist das nix? Vorausgesetzt, Du überspielst die Daten auf den MP3-Player, sehe ich da kein Problem. Ich selbst tue das zwar selten, aber manchmal doch und kann mich nicht über die Qualität beklagen.


    Zitat

    Via PC/Laptop möchte ich aus verschiedenen Gründen nicht.


    Hmm, es scheint ja einige Restriktionen zu geben, die es schwierig machen... Oder sollte der Schreibfehler "wider" doch einen tieferen Sinn haben? ;)


    :hello:
    maticus

    Zitat

    Zitat von Cassiodor
    Ich postuliere hier einfach mal, dass es für mich bei KEINER anderen Musik als der Mahlers so evident ist, dass man sie einfach live im Konzertsaal erleben muß, um sie richtig verstehen und genießen zu können.


    Sicherlich gehören Mahlers Sinfonien zu den Werken, die im Konzert einen viel stärkeren Effekt erzielen als zuhause auf der heimischen Anlage. Ich habe selbst einige seiner Sinfonien live erlebt (mir fallen gerade die Nummern 5, 6 und 7 ein). Ich würde ihn ihn in dieser Hinsicht aber nicht als Einzelfall sehen. Ich finde den Effekt eher noch größer bei einigen Sinfonien von Schostakowitsch.


    Jedenfalls glaube ich auch, wer solche Werke nie live im Konzertsaal erlebt hat, der kann sich deren "eigentliche" Wirkung nur bedingt vorstellen. Umgekehrt, wenn man ein solches Stück schon live gehört hat, kann man sich die entsprechende Effekte beim Hören einer CD auch mitdenken.


    Generell möchte ich aber sagen, dass viele CD-Aufnahmen der letzten Jahre doch schon sehr gut geworden sind.


    maticus

    Zitat

    Zitat von Ulli
    und das dann in Kombination mit äußerst merkwürdigen Meinungen (darf ich das anmerken?) von maticus und Philhellene - frei nach dem Motto "Ich mag eigentlich keine Oper, daraus folgt: Oper ist doof." - da steig ich dann wirklich aus.


    Das habe ich so nie gesagt. Bitte keine Unterstellungen. Und was soll daran merkwürdig sein, wenn für mich bei einer Oper die Musik der wichtigste Faktor ist?


    Eigentlich ging es mir auch um das eigentliche (fragwürdige) Thema dieses Fadens, nämlich Unterhaltung vs. Kunst. Daraus hat sich aber anscheinend ein zweites Thema entwickelt, das eigentlich off-topic ist.


    maticus

    Zitat

    Zitat von Philhellene
    Ich kann den Gesang leider nicht vom Gesungenen trennen (besonders nicht, wenn ich die Sprache verstehe). Es nützt mir auch nichts, wenn ich die Oper auf CD anhöre. Wenn ich den Text schrecklich finde (siehe Euryanthe), kann ich auch die Musik nicht genießen.


    Da ist es manchmal sicherlich von Vorteil, wenn man den Text nicht versteht. ;) Zudem: Für mich ist der Gesang nur ein Teil der Musik. Der für mich wichtigere ist das Orchester. (--> kein Operntyp!) Was aber nicht umgekehrt heißen soll, dass der Gesang (und Text etc.) beliebig schlecht sein darf.


    maticus

    Zitat

    Zitat von Philhellene
    Das sehe ich nicht so. Eine Oper ist für mich Musiktheater und die Voraussetzungen guten Theaters müssen für mich auch bei einer guten Oper erfüllt sein.


    Ich muss dazu sagen, dass mir eh' nur ganz wenige Opern gefallen. Ich bin kein Operntyp. Zugegeben, wenn ich denn in die Oper gehe oder mir eine Opern-DVD kaufe, dann sollte natürlich auch die Handlung und Inszenierung ansprechend sein. Sonst sollte man es sich lieber nur auf CD anhören. Aber wenn mich die Musik nicht interessiert, dann wird die Handlung es auch nicht rausreißen. Dann lieber Theater ohne Musik.


    maticus

    Ich verstehe nicht so ganz, wo zwischen Unterhaltung und Kunst der Unterscheid sein soll, bzw. wo das eine das andere ausschließen soll. Das ist genauso abwegig wie die E- und U-Musik Unterscheidung. Es gibt nur gute und schlechte Musik, und selbst da ist die Beurteilung subjektiv.


    Was ist Kunst? Ein sehr abstrakter Begriff. Was ist Unterhaltung? Ich habe den Eindruck, Unterhaltung gilt als minderwertig, Kunst als höherwertig. Ich aber finde, Musik (ob Oper oder andere Musik), die nicht unterhält, ist es nicht wert, gehört zu werden.


    Ich höre natürlich Musik, um mich zu unterhalten, mich zu erfreuen, etc. Dazu gehört auch, dass der Geist angeregt wird. Das gehört für mich zum Begriff der Unterhaltung dazu. Es darf dabei also durchaus auch um "Probleme" gehen, nicht nur schöne, heile Welt. Genauso, wie auch gute, intelligente Filme im Fernsehen laufen können, und nicht nur die Sendungen und Filme, bei denen man nur auf dümmliche Weise berieselt wird. Aber "Unterhaltung" ist doch beides, nur auf unterschiedlichen Niveaus. Zugegeben, die meisten wollen vermutlich bei Unterhaltung nur berieselt werden. Aber das gilt nicht für jeden. Ich sehe den Begriff "Unterhaltung" sehr allgemein und mache ihn nicht vom "Niveau" abhängig.


    Nebenbei: Für mich steht bei einer Oper immer die Musik im Vordergrund, nicht Text oder Handlung. Wenn das neben der Musik auch gut ist, umso besser.


    maticus

    Der Text könnte eine Verklärung sein -- oder nur Wunschdenken? Denn der Tonfall ist eher klagend, fast flehend. Dieser Satz könnte auch das Ende der Sinfonie sein, der manchen Hörer mit einer kleinen Hoffnung zurücklassen könnte. Das Thema dieses Satzes hat Schostakowitsch sehr nahe gestanden. Der verbannte, unterdrückte Künstler. Die Hoffnung (oder sollte man sagen: Illusion?), durch seine Kunst unsterblich zu werden. Daran kann man sich klammern.


    Doch Schostakowitsch beendet die Sinfonie hier nicht. Stattdessen wird der nächste Satz die Sinfonie mit dem Dies-Irae-Motiv scheinbar noch einmal beginnen lassen, die Rilke-Texte werden einen voller Beklemmung zurücklassen. Aber darüber werden wir ja noch sprechen.


    Hat Schostakowitsch selbst an diese Art von Hoffnung geglaubt? Hoffnungsvoll klingt die Musik für mich nicht. Man vergleiche dazu auch, wie banal er musikalisch die "Unsterblichkeit" in seiner Michelangelo-Suite darstellt. Und doch scheint mir "O Delwig" musikalisch ein kleiner Ruhepunkt in der Sinfonie zu sein, der z. T. auch süßliche Töne anschlägt. Der Satz verklingt friedlich -- müde.


    maticus

    Kannte ich bisher nur Suiten aus Schostakowitschs Ballett "Der Bolzen", habe ich mir nun folgende DVD des Balletts zugelegt:



    Und ich bin restlos begeistert! Alles an der DVD ist bestens: Ton- und Bildqualität sind auf höchstem Niveau. Das Orchester des Bolschoi-Theaters unter Pavel Sorokin spielt ausgezeichnet, sehr transparent. Hervorragend die Bläser (besonders das Blech) und das Schlagzeug. Besser gespielt kann ich es mir nicht vorstellen. Und es handelt sich einfach um herrliche Musik, voller Satire. Ähnlich wie bei einer Oper sind auch bei diesem Ballett die Bilder dazu sehr animierend. Die Leistungen des Bolschoi-Balletts sind schon beeindruckend. Auch die Tänze voller Witz und Satire. Schönes Bühnenbild. Was will man mehr?


    Der Preis von fast 30 Euro scheint zunächst vielleicht etwas hoch, aber bei dem Ergebnis lohnt es sich.


    Aufnahme: 09/2006, live im Bolschoi-Theater, Moskau.
    Spielzeit: ca. 87 min. (inkl. Applaus und Abspann), Ballett knapp 83 min.
    Booklet: Ausführlich in mehreren Sprachen mit Bildern.
    Zusatzmaterial: Doku (ca. 12 min.), interessante Interviews (ca. 45 min.)
    Das Ballett auf der DVD besteht aus 2 Akten und 23 Nummern.


    maticus

    Zu dem 8. Satz habe ich wenig beizusteuern. Ich kann nur sagen, dass mir die Schroffheit dieses Satzes gut gefällt. Ich stimme Thomas zu, dass gerade russische Stimmen (und Text) hierzu am besten passen. Aber auch die instrumentale Musik gefällt mir. Sie ist schlicht in dem Sinne, dass sie nur aus Streichern besteht (kein Schlagzeug), aber rhythmisch doch sehr mitreißend. Eine gewisse Ähnlichkeit zum Scherzo der 10. Sinfonie (oder des 3. Streichquartetts) scheint mir aber durchaus gegeben, ohne dass ich das jetzt interpretieren möchte.


    maticus

    Ich war jetzt in Schostakowitschs Oper Lady Macbeth von Mzensk in der Bastille.


    "http://www.operadeparis.fr/cns11/live/onp/site/saison/operas/operas_details.php?event_id=61&CNSACTION=SELECT_EVENT"


    Ein paar Eindrücke von mir: Ich war zum ersten mal in diesem Opernhaus. Allein der Besuch dieses Hauses ist schon sehr beeindruckend.


    Diese zuerst 2006 von Martin Kusej an der Niederländischen Oper in Amsterdam durchgeführte Inszenierung der Oper gibt es auf einer DVD, die sicherlich als perfekt zu gelten hat. In Paris wurde diese Inszenierung übernommen. Außer bei Sergej ist die Besetzung der Hauptrollen die gleiche wie in Amsterdam, ebenso das Bühnenbild. Mir persönlich gefällt diese Inszenierung sehr, weil sie einerseits sehr schlicht ist und andererseits (wie die Musik) sehr drastisch ist und nichts beschönigt. Viele Bilder empfand ich auch aus der 25. Reihe als eine Wohltat für die Augen.


    Eva-Maria Westbroek scheint die perfekte Besetzung für die Katerina zu sein. Starke Bühnenpräsenz, glaubhafte Identifikation mit ihrer Rolle, perfekte Stimme. Auch Vladimir Vaneev als Boris verdient allerhöchstes Lob. Mit seinem Grimassenspiel verkörpert er den Schweinehund par excellence. Viele weitere Personen verdienen ein dickes Lob, stellvertretend möchte ich hier nur Carole Wilson in der schwierigen Rolle der Aksinja nennen. Inszenierung und Stimmen haben für mich die hohen Erwartungen durch die DVD voll erfüllt.


    Schließlich komme ich zum Orchester. Dies spielt in Schostakowitschs Oper ja eine entscheidende Rolle. Während in Amsterdam und auf der DVD das Concertgebouw Orchester unter Mariss Jansons spielte (und eine m. E. traumhafte Leistung vorlegte), ist dies in Paris das Orchester (und der Chor) der Opéra National de Paris, unter Hartmut Haenchen. Nun ist es vielleicht nicht ganz leicht, eine DVD-Aufnahme mit einer Live-Aufführung in einem riesigen Opernhaus zu vergleichen. In der Amsterdamer Vorstellung war ich damals leider nicht. Aber ich habe die "Lady" auch schon vorher live gehört (Duisburg), und deshalb denke ich, mir ein Urteil erlauben zu dürfen. Und ich muss sagen, dass dies der einzige Part bei dieser Aufführung war, von dem ich mehr erwartet habe. Ich empfand viele Stellen (besonders die lauten, brutalen) als zu leise, zu zahm, zu zurückhaltend. Jetzt mag es sein, dass die Akustik (25. Reihe Parkett) da ein wenig mitverantwortlich sein könnte. Aber ich denke, das allein kann es nicht sein. Es gab nur ganz wenige Stellen, wo ich das Gefühl hatte, das Orchester kommt voll aus sich heraus (etwa bei der wunderbaren Passacaglia), und dies auch nur mit der Unterstützung der seitlich der Bühne postierten zusätzlichen Blechbläser. Hier wäre m. E. mehr drin gewesen.


    Alles in allem aber eine sehens- und hörenswerte Vorstellung, die sich gelohnt hat.


    maticus

    Lieber Thomas,


    die Reaktion von Solscheniyzn ist mir auch unverständlich. Er scheint sich als religiöser Mensch durch die 14. Sinfonie und ihre "negative" Grundhaltung ohne finale Apotheose geradezu persönlich verletzt gefühlt zu haben.


    Zitat

    Musikalisch sticht der instrumentale Mittelteil heraus, in dem Schostakowitsch unfassbar suggestiv das in den dunklen Raum Hineinhören des Gefangenen darstellt. Der merkwürdige Klang entsteht dadurch, dass Schostakowitsch die Streicher in zwei Gruppen teilt, die eine Gruppe spielt pizzicato, die andere col legno.


    (Man stelle sich vor, man bekommt im Kompositionsunterricht die Aufgabe, einen dunklen Gefängnisraum zu schildern. Gut, sagt man, ich brauche Streicher und einen Holzblock...)


    Sehr schön geschrieben. Mir gefällt der Mittelteil auch außerordentlich. Wenn man den Kontext kennt, gehen einem beim Hören die Bilder geradezu durch den Kopf. Anscheinend hat es Schostakowitsch nicht die geringsten Schwierigkeiten bereitet, eine x-beliebige Stimmung/Situation musikalisch zu beschreiben.


    maticus

    Nachdem der Rauch verflogen ist...


    Ich hatte mich ja negativ zum Was-hört-ihr-gerade-jetzt-Thread geäußert. Ich will das jetzt nochmal präzisieren. Was mich stört bzw. an dem Sinn zweifeln lassen, sind vor allem folgende Dinge:

    • Meistens gibt der Hörer keine Bewertung des gehörten Materials. Das würde mich als Leser aber (bei gewissen Aufnahmen) interessieren. Andererseits würde ich eine ausführliche Bewertung selbst auch nicht in diesen Thread packen, da die Bewertung hier schnell überlesen wird. Also dann lieber in Klassikaufnahmen o. ä.
    • Umgekehrt spüre ich als Leser manchmal das Bedürfnis, dem Hörer ein Feedback zu geben, etwa "interessieren könnte dich im Vergleich dazu auch CD xy", oder dergleichen. Aber gehört das in diesen Thread? Wird der Hörer dies überhaupt lesen? Also auf PN ausweichen? Aber mein Feedback könnte ja auch andere interessieren.

    Diese Kritikpunkte sind es, die mir den Sinn dieses Threads als sehr eingeschränkt vorkommen lassen. Die bloße Erkenntnis, dass Person XY Aufnahme AB am xx.xx.xx um yy:yy Uhr gehört hat, finde ich wenig interessant. Interessant wäre das Gespräch darüber...


    maticus

    Liebe Fairy Queen,


    ich möchte jetzt nicht auf dieser Inzestsache rumreiten, und vielleicht habt Ihr, Thomas und Du, einfach recht. Ich persönlich bin aber nicht so überzeugt. Wenn man nämlich das Gedicht so liest, dass es nicht eine "richtige" Frau ist, die da singt, sondern der Tod, der die Ankunft eines neuen Sterbenden zelebriert (und ich finde, vieles spricht für diese Sichtweise), dann muss ich die gleichzeitige Nennung von "Bruder" und "Geliebter" nicht zwingend als Inzest ansehen, sondern kann es auch als eine Art Aufzählung in höchster Euphorie deuten. Zudem gibt es ja auch den Ausdruck "Bruder Tod" (auch im französischen?), was dann zusätzlich Sinn machen würde. -- Aber vielleicht liege ich auch völlig daneben.


    Dass mit den Stimmen empfinde ich nicht so "schlimm" wie Du. Und ich schließe mich auch Bernds Aussage an, dass eine gewisse Hässlichkeit vermutlich dazugehört. Allerdings kenne ich auch Aufnahmen, bei denen ich den Sopran manchmal nicht ertragen kann. Aber ich denke, das liegt eher an der Sopranistin und nicht an dem Stück. Ich bin sicher, dass Schostakowitsch -- in allen Bereichen -- sicherlich nur beste Interpreten gewohnt war (man denke an Oistrach, Rostropowitsch, etc., Vishnewskaja, beste Orchester und Dirigenten...) und höchste Ansprüche hatte. Ich denke nicht, dass er da beim Gesang mehr Abstriche gemacht hat als bei Instrumentalisten.


    maticus

    Hallo Uwe,


    mir ist der Einstieg damals "von Beethoven kommend" nicht schwer gefallen: Die 1. Sinfonie hat mir sofort gefallen. Auch die weiteren Sinfonien gefielen mir recht schnell, besonders die 4. Auch die Klavierkonzerte (besonders kraftvoll: das 1.). Wie mir die anderen Konzerte gefallen haben, kann ich jetzt nicht mehr sagen, ist schon zu lange her. (Allerdings kann man daraus folgern, das es wohl keine große Zuneigung war.) Dazu kommen noch ein paar Orchesterstücke, etwa die Akademische Festovertüre, ein Stück, zu dem der Zugang auch nicht schwer fallen sollte.


    Viel mehr kenne ich von Brahms leider nicht wirklich. (Früher haben mich in erster Linie Sinfonien und Konzerte interessiert, allenfalls noch Werke für Klavier solo.) Heute würde ich aber auch mehr Kammermusik von Brahms ausprobieren. Was ich bisher so gehört habe (live/TV), hat mir gut gefallen.


    Mein (nicht-repräsentativer!) Eindruck von Brahms -- z. B. von Konzertprogrammen -- war übrigens immer, dass er außerordentlich beliebt ist und habe das u. a. auch auf eine leichte Zugänglichkeit geschoben.


    maticus

    Zitat

    Original von Gurnemanz
    Gerade mit Schostakowitschs "depressiven" Spätwerk (auch der 14.) ist es mir schon öfter so gegangen, daß ich die Musik schnell wieder ausgeschaltet habe, weil ich das Gefühl hatte, daß es mich mächtig hinabziehen würde.


    Ich verstehe, dass die Musik, wie sie etwa im Spätwerk Schostakowitschs erscheint, nicht jedermanns Sache ist und nicht für jede Stimmung geeignet. Wenn man frohen Mutes ist, warum sollte man dann etwa die 14. Sinfonie hören wollen? Mit den dort verarbeiteten Themen möchte man eigentlich nichts zu tun haben. Wenn man nichts mit diesen Themen zu tun haben muss, blendet man sie lieber aus.


    Für Schostakowitsch waren dies jedoch bedrängende Themen (nicht nur wegen seines Krankenhausaufenthalts). Und für die Dichter hat die Thematik "Tod" sicherlich auch eine Rolle gespielt, als sie diese Texte schrieben. (Leider weiss ich zu wenig dazu. Es wäre übrigens auch noch interessant, dies mal zu erörtern.) Ein Zuhörer wird sich nur (oder insbesondere) dann angesprochen fühlen, wenn auch ihn selbst derartige Gedanken beschäftigen, oder wenn er sich sogar mit ihnen auseinandersetzen muss. Dann wird er die 14. Sinfonie (und ähnliche Werke) mit viel größerem Verständnis erleben. Er fühlt sich nicht von ihr "angegriffen", sondern fühlt sich verstanden.


    Um mal etwas weniger "akademisch" zu sprechen: Ich selbst habe der 14. Sinfonie lange Zeit wenig Beachtung geschenkt. Der vielleicht wichtigste (allgemeine) Grund dafür war, dass ich Vokalmusik deutlich weniger mochte als reine Instrumentalmusik; allenfalls Werke mit Chor waren (teilweise) noch "erlaubt". Allerdings habe ich die 14. Sinfonie immer schon als einzigartig im Zyklus der 15 Sinfonien von Schostakowitsch empfunden, und das liegt nicht nur am Gesang. Die Musik ansich, die Instrumentierung (insbesondere: Schlagzeug) fand ich schon von Beginn an sehr interessant, und so habe ich sie in längeren Abständen immer mal wieder gerne gehört. Selbst dem Gesang konnte ich eine gewisse Interessantheit nicht absprechen. Dabei hatte ich mich überhaupt nicht für die Texte interessiert, und so ist mir die "Message" des Werks überhaupt nicht klar geworden.


    Durch gewisse Ereignisse in meinem Leben hat sich das stark geändert. Ich musste mich mit dieser Thematik auseinandersetzen. Und plötzlich, wie von selbst, begannen mich auch die Texte zu interessieren. Und da trafen manche mitten ins Herz. Insbesondere die Rilke-Texte (die wir hier ja später noch diskutieren werden). Wie automatisch hörte ich plötzlich, was ich zuvor immer ignorierte. Die Sinfonie hat dadurch für mich eine ganz andere Bedeutung bekommen, und mit den Texten hat auch der Gesang für mich eine ganz neue Dramatik bekommen, so dass ich diesen überhaupt nicht mehr als störend empfinde, im Gegenteil sogar als erwünscht und notwendig. Deswegen würde ich die folgende Frage auch mit einem ganz klaren "nein" beantworten:


    Zitat

    Original von Fairy Queen
    Ich frage mich an manchen Stellen, ob nicht eine Textrezitation oder ein Sprechgesang hier nicht besser passen würde oder sogar,ob ein reines Orchesterwerk nicht genauso suggestiv sein könnte.


    Ich empfinde den Gesang auch nicht (stellenweise) als "Brüllerei". Ist vielleicht auch eine Frage der Aufnahme, die man hört. (Zu verschiedenen Aufnahmen kann man ja vielleicht in diesem Thread zu einem späteren Zeitpunkt nochmal genauere Aussagen machen.) Liebe Fairy Queen: Kannst Du dazu ein paar Beispiele nennen, was Du meinst (so dass ich sie auch ohne Partitur finden kann)?


    Wie gesagt, ich kann verstehen, dass man sich von der Musik abgestoßen fühlen kann (ohne die Qualität der Musik in Frage stellen zu müssen). Aber in gewissen Situationen kann diese Musik für einen persönlich eine ungeheure Kraft ausstrahlen. Das sollte man nicht unterschätzen.


    Nebenbei bemerkt: Es beteiligt sich an diesem Thread ja ein recht überschaubarer Kreis, aber die Trefferzahl (2000 in 2 Wochen) scheint mir für ein solch "schwieriges" Werk doch recht hoch zu sein. Ich deute das mal so, dass diese Sinfonie doch eine größeren Interessentenkreis hat.


    maticus

    Zitat

    Original von Agon
    Denn auf der bisherigen akademisch-trockenen Ebene wird mir dieses ohnehin sperrige Werk sicher nicht nähergebracht


    Was erwartest Du? Sollen wir uns hier Witze erzählen?


    Mir scheint, dass Du Dir schon eine feste Meinung über das Werk gebildet hast. Was soll man da noch machen? Und warum sollte man auch? Es muss ja nicht jedem gefallen! Und man muss sein eigenes Missfallen nicht dadurch zu rationalisieren versuchen, indem man dem Komponisten eine schwache Leistung unterstellt.


    maticus

    Lieber Thomas,


    nochmal von mir auch der Rat, nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen (im Hinblick auf die Besprechung dieses Musikstückes). Sind Gedichte in der Muttersprache oft schon nicht eindeutig interpretierbar, kommt hier ja noch das Problem der Übersetzungen hinzu. Schostakowitsch hat sicherlich mit russischen Übersetzungen gearbeit. Wir bekommen oftmals die Rückübersetzungen vom Russischen zu lesen.


    Näher interessiert hatten mich die Gedichte von Michelangelo, die Schostakowitsch in seinem Op. 145 vertont hat. Da hatte ich dann teilweise drei sehr unterschiedliche Übersetzungen von einem Gedicht vorliegen (u. a. auch von Morgener, der es vermutlich aus dem Russichen übersetzt hat (?)), und zudem war mein Eindruck, dass keine dieser Fassungen mit dem italienischen Original "identisch" war. Zu beachten ist noch, dass es sich oft um Nachdichtungen und nicht um eins-zu-eins Übersetzungen handelt, insbesondere, wenn auch noch Reim berücksichtigt wird.


    Zu sagen, dass Inzest in dem Gedicht "Auf der Wacht" vorkommt, halte ich nicht für plausibel. Vorher würde ich noch an übertragene Bedeutungen von "Geliebter" bzw. "Bruder" denken. Aber der Gedanke, dass eigentlich der Tod in Form der weiblichen Person spricht, scheint mir am plausibelsten. Ähnliche Konstruktionen gab es ja auch in Mussorgskys Lieder und Tänze des Todes.


    Ich lese heute im Text zur CD von Mattila/Quasthoff/BPO/Rattle (EMI 2006). Der Text ist von Eric Roseberry. Auch hier wird diese Ansicht vertreten. Da auch Aussagen zu anderen Liedern interessant sind, zitiere ich die ganze Passage. (Einfügungen in eckigen Klammern von mir; die Zahlen beziehn sich auf die Liednummern.)


    Zitat

    So gelangen wir von den stillen, heißen Ebenen im Spanien des 20. Jahrhunderts [1] über die Szene in einer Taverne [2] an die mittelalterlichen Ufer des Rheins [3]; von den erfundenen [sic!] Worten eines Selbstmörders [4] bis zu einem dämonischen Bild, in dem der Tod in Gestalt einer jungen Frau über sein Opfer jubiliert [5] -- ihr Liebhaber, der kleine Sturmsoldat, wir heute im Schützengraben sterben. Weiter geht es von der Vignette aus dem Salon [?] und dem schockierenden Ausbruch eines versteckten Schmerzes [6] bis zu der Einzelhaft im Gefängnis Sante [7]; von der brieflichen Tirade gegen den Sultan von Konstantinopel [8], der durch Repins berühmtes Gemälde inspiriert wurde [...] bis zu den warmherzigen-brüderlichen Worten, mit denen ein Künstler der Puschkin-Zeit einen andern grüßt [9] [...]. Und endlich führt der Weg über den Tod des Dichters [10] zu dem kurzen Epilog "Der Tod ist groß" [11].


    Roseberry spricht übrigens auch von einer "dem viersätzigen Sonatenzyklus entsprechenden Gliederung".


    Ich frage mich, was er mit "erfundenen Worten eines Selbstmörders" meint.


    maticus

    Hallo Wulf,


    Deine Sichtweise macht mich zuversichtlich, dass mein geplanter Roman "133" doch ein Renner wird. Er besteht aus 133 leeren Seiten, nur Seitenzahlen sind aufgedruckt, und ab und zu eine Kapitelüberschrift. Der Leser wird angehalten, auf jeder Seite 5 Minuten zu verweilen.


    Die genaue Kapiteleinteilung behalte ich aber für mich, sonst schnappt mir noch jemand meine geniale Idee kurz vor der Fertigstellung weg. (Bin gerade beim Korrekturlesen.) :pfeif:


    ;)


    maticus