Hallo Forianer,
dank der eröffneten Diskussion über Rudolf Schock habe ich mich mit diesem Tenor, der über eine Kantabilität verfügte, die man selten unter deutschen Tenören findet, nach vielen Jahren wieder einmal beschäftigt, was mir viel Vergnügen, aber auch manch Ärgernis bereitet hat.
Vorweg sei gesagt, dass ich Schock leider nie in einem Theater erlebt habe. Mir ist aber aus etlichen Gesprächen mit Zeitzeugen - auch Opernsängern und Kollegen von Schock- bekannt, dass seine Stimme wenig trug, so z.B. als Hoffmann in Köln, auch als Walther in Bayreuth, in das er nach 1959 nicht wieder eingeladen wurde.
Die Stimme war jedoch sehr phonogen, was zu einer fast unübersehbaren discografischen Hinterlassenschaft führte.
Schöner als in den späten 1940er Jahren hat seine Stimme nie geklungen. Hier einige Beispiele, die ich mir vorhin noch einmal angehört habe:
- Duett Ernesto/Norina aus DON PASQUALE mit Irma Beilke, wo er wegen seiner kurzen Höhe - technisch gekonnt - ins Falsett wechselt
- Duett Rudolf/Mimi aus LA BOHEME (Finale 1. Akt) mit Sigrid Ekkehard: In dieser Rundfunkaufnahme vom 13.10 1947 ist eine unvergleichliche Ausdrucksverve und -wärme zu bewundern. Kantabler und fließender haben auch die besten italienischen Puccini-Tenöre diese Musik nicht gesungen!
- Blumenarie aus CARMEN: diese passionierte und zugleich poetische Darstellung (13.10.1947) ist ihm später nie wieder gelungen. Man vergleiche die CARMEN-Gesamtaufnahme mit ihm unter Horst Stein aus dem Jahr 1960 und man erlebt einen völlig veränderten Schock: billige Effekte werden bemüht, die eher an einen stimmlich abgehalfterten Danilo aus der LUSTIGEN WITWE erinnern...
- Arie des Lenski aus EUGEN ONEGIN(2. März 1949): Hier gibt es bewegende Momente, schmerzlich gefärbte Passagen, die ich von keinem anderen Tenor je vernommen habe!
- Kirschenduett aus AMIGO FRITZ mit Joan Hammond (London, 1950): Unvergleichlich nuanciert und wunderbar lyrisch ausgesungen!
Ich könnte die Liste fortsetzen mit dem Hindulied aus SADKO (ML Leopold Ludwig), der Arie des Vasco aus DIE AFRIKANERIN (1947).... alles Sternstunden des Tenorgesangs!
Jedoch: Schock hat auch Partien auf Platte gesungen, die jenseits seiner stimmlichen Möglichkeiten lagen, so z.B. das Duett Otello/Jago mit Josef Metternich oder auch Lohengin, mit dem er sich unüberhörbar durch Forcieren übernommen hat.
Dies dürften Versuche der Plattenfirmen gewesen sein, das Image des "Alleskönners" aufzubauen.
Hinzu kommt, dass Schock nach dem Tode von Peter Anders und vor dem Aufstieg von Fritz Wunderlich zum Idol eines Massenpublikums wurde.
In seinen Memoiren hat er berichtet, dass der Titelsong "Du bist die Welt für mich" so viel an Lizenzen einbrachte, dass er sich davon ein Haus kaufen konnte.
Popularität wurde in zunehmendem Maße für ihn wichtiger als die Opernfeste.
Er wurde zu einem der beliebtesten Unterhaltungskünstler des Deutschen Fernsehens in fragwürdigen Shows, oft mit drittklassigen musikalischen Darbietungen und dazu im Playback-Verfahren, da Schock seine Stimme längst eingebüßt hatte.
Müßig, darüber jetzt zu rechten oder zu richten.
Freuen wir uns heute an seiner Stimme mit dem unverwechselbaren Timbre, wie sie uns in einer seiner besten Partien, dem Max im FREISCHÜTZ erhalten ist, jedoch in der Aufnahme aus dem Jahre 1958 unter Joseph Keilberth und nicht in der späteren Einspielung (1967) unter Lovro von Matacic, wo die Spuren der stimmlichen Abnutzung dem Hören Schmerzen bereiten.
Freundliche Grüße
Klaus Schreiber