Beiträge von Michael M.

    Ich möchte gerne noch mal an den Ausgangspunkt des threads zurückkehren - die Frage nach Wahrheit in der Interpretation. Dazu zitiere ich mal ein posting von Ulli in voller Länge:



    Ich habe ja den Verdacht, dass die Behauptung von "Wahrheit" in der Interpretation nichts anderes als ein Kampfbegriff ist, ein pathetischer Popanz, ein rhetorischer Trick, um Subjektives in scheinbar Objektives zu verwandeln - ähnlich wie der Begriff "Werktreue". Die Tatsache, dass Interpretation immer Interpretation bleibt, kann man durch die Verwendung dieser Begriffe rhetorisch auszuhebeln versuchen. Zu mehr scheinen sie mir aber nicht zu taugen.


    Grüße,
    Micha

    Zitat

    Original von Liebestraum
    Wenn ich die Bilder sehe, kann ich das verstehen...


    Wieder so ein Müll...


    Fabelhaft, wie du das machst - aufgrund von einigen Bildern im Internet gelingt es dir, ein Urteil über eine Produktion in toto zu fällen.


    Andere hier haben die Inszenierungen, die sie ablehnen, immerhin gesehen. Das ist eigentlich auch das mindeste, was wir voneinander erwarten sollten.


    Grüße,
    Micha

    Nicht, dass ich es nicht schon mal versucht hätte.
    Sagen wir so: ich denke, Meister Richard ist nun mal kein Komponist für alle Tage. Sondern für ganz besondere und seltene Weihe-, Fest- und Feiertage.


    30. Februare oder so was.


    Grüße,
    Micha

    Zitat

    Original von Frank1970
    Hörtest du denn Hamelin in Bonn? Dort war ich nämlich auch.


    Ja, genau. Das war schon ein ziemlich geiles Konzert. Zu schade, dass er in diesem Jahr nicht dabei ist. Du scheinst ja die Konzertprogramme in der Umgebung besser zu verfolgen als ich: gib mal Meldung bitte, wenn er wieder in der Gegend ist...


    Zitat

    Original von Frank1970
    Zum einen Emanuel Ax in Düsseldorf.
    Würde er nicht vielleicht auch noch in die Aufzählung der "soliden Altstars" gehören?


    Stimmt, würde er wohl. Allerdings: so ein richtiger Star war er eigentlich nie, oder? Ich habe ihn nur als Begleiter von Yo Yo Ma mal auf CD wahrgenommen, ohne große Begeisterung.


    Zitat

    Original von Frank1970
    Noch gar nicht genannt wurde Ragna Schirmer.


    Ja, von der habe ich mir gerade eine Schumann-CD aus der Bibliothek geholt und finde sie sehr ordentlich! Frau Schirmer kommt definitiv auch auf meine Liste der Kandidaten.


    Da ich mich bisher noch nicht um Karten gekümmert habe (was auch damit zu tun hat, dass die Sommerferienplanung der Familie noch nicht steht, weil meine Frau noch nicht weiß, wann sie überhaupt frei hat), werde ich am Ende nehmen müssen, was übrig bleibt. Aber mit drei oder vier Konzerten langt es mir auch. Dass die das Festival immer zur Hälfte in die Sommerferien legen, finde ich aber immer noch unmöglich. Wollen die etwa nur Rentner und Kinderlose als Publikum?!


    Grüße,
    Micha

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Wenn des Lallers Beitrag als Polemik gegen das Regietheater anhand eines speziellen Beispiels gedacht war,


    Zitat

    Original von Der-wonnige-Laller
    Ich fand das nicht schlecht, nur weil es "modern" war.


    Siehste: da ist der Beitrag des armen Clemens offenbar (und von verschiedenen Seiten) in Geiselhaft genommen worden für eine allgemeine Anti- oder Pro-Regietheater-Diskussion. Eine Diskussion, die vielen von uns in ihrer Allgemeinheit ziemlich auf die Nerven geht, denn wir wissen alle: DAS Regietheater gibt es nunmal auch nicht. Vielleicht ist es gar nicht so schlau, ausgerechnet Lowerys Kölner Wildschütz als paradigmatisches Beispiel für Regietheater behandeln zu wollen. Clemens hat das nicht getan, aber Edwin ist gerade auf dem besten Weg dahin. Lasst doch Lowery einmal eine schlechte Inszenierung machen, ohne dass gleich eine ganze Inszenierungsphilosophie dabei zuschanden geht, und lasst den Clemens die Inszenierung schlecht finden, ohne ihm zu unterstellen, ein Regietheaterhasser zu sein. Ein bisschen Contenance, und ein bisschen Konzentration auf das Einzelne, anstatt sich auf das große Ganze zu fixieren, und schon können wir wieder über Werke diskutieren anstatt über Weltanschauungen.


    Grüße,
    Micha

    Ich eröffne mal einen neuen thread zu Aufführungen des Aalto Theaters, in der Hoffnung, dass künftig Rezensionen zu diesem Haus sich hier versammeln und nicht für jede ein eigener thread eröffnet werden muss, was ich für eher unpraktisch halte.
    Vielleicht ist es auch möglich, die Aalto-threads der vergangenen Monate hier zu konzentrieren. Aber das sollten die jeweiligen thread-Eröffner entscheiden.



    Lucia di Lammermoor, Wiederaufnahme am 12. Februar 09


    Eine Lucia steht und fällt mit der Besetzung der Titelrolle, deshalb dazu zuerst: Olga Mykytenko hat mich mehr als nur überzeugt. Die Ukrainerin hat eine schöne junge, klare und warme Stimme und eine makellose Technik, mit der sie die Schwierigkeiten dieser Partie scheinbar mühelos meisterte. Dabei ist sie alles andere als eine kalte Zwitschermaschine. Ich war überrascht und begeistert, eine Sängerin dieses Formates in Essen zu hören.


    Zu sehen war "Lucia di Lammermoor" in der Ausstattung von Ezio Toffolutti, der auch als Regisseur genannt wurde. Toffolutti hat wunderschöne schottische Lamdschaften im Stil von William Turner malen lassen, diese mit vorgehängter Gaze effektvoll vernebelt und die Darsteller exquisit beleuchtet hineingestellt. Die Oper wurde so eher zum bebilderten Oratorium, was mich auch über weite Strecken nicht störte - Donizetti ist schließlich kein Verdi. Problematisch wurde die Sache aber spätestens in der Turmszene, als die Todfeinde Edgardo und Arturo sich auf hier viel zu kleinem Raume umkreisten und bedrohten: spätestens hier wäre so etwas wie Regie (im Sinne von Personenführung) von Nöten gewesen; ohne diese war nur ein unbeholfenes Gehampel zu sehen.
    Evan Bowers als Edgardo fand ich stimmlich wie stimmtechnisch beachtlich, ebenso Marcel Rosca als Raimondo; die anderen Sänger waren in Ordnung, haben mich aber nicht zu Jubelstürmen hingerissen. Der junge Kapellmeister Florian Ziemen überzeugte mich vor allem durch die vorbildliche Sorgfalt, mit der er Sänger und Orchester auszubalancieren wusste. Sein Dirigat fand ich anfangs deutlich zu langsam, die Liebesszene am Ende des ersten Aktes näherte sich dadurch geradezu tristanschen Dimensionen von Langweiligkeit; nach der Pause aber drehte Ziemen deutlich auf und es durfte auch mal - naja, wäre ich ein Anderer, würde ich schreiben: "fetzen".


    Viele Grüße,
    Micha

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    So tendenziös, wie das hier wiedergegeben ist,


    Lieber Edwin,


    ich finde nicht, dass Clemens tendenziös geschrieben hat. Er hat beschrieben, was er wahrgenommen hat, und dazu meinungsstark klar Stellung bezogen - so sollte es sein. Ich finde es falsch, dass du hier mit dem Wort "tendenziös" den Rezensenten persönlich angreifst. Das kann doch nur dazu führen, dass sich andere verunsichert fühlen und gar nicht schreiben oder vorsichtshalber wischiwaschi, um keine bösen Kommentare zu ernten - wollen wir das? Dass dieser Beitrag eine grundsätzliche Diskussion über Regietheater ausgelöst hat, mag viele geärgert haben, ist aber nun wirklich nicht Clemens zur Last zu legen. Ergänzende Meinungen gibt es, solange hier niemand weiter die Produktion gesehen hat, über google news: da findest du drei Rezensionen, zwei sehr unzufriedene, eine zufriedene.


    Grüße,
    Micha

    Ich höre gerade



    Clifford Curzon mit der Lisztschen h-moll Sonate (nicht aus diesem Decca-Block, sondern von einer älteren Decca-Einzelveröffentlichung) - und bin mal wieder überrascht von Curzon, den ich immer als freundlichen Mozart-Dudler abgespeichert hatte, bis ich vor einigen Wochen seine fulminante Aufnahme des 1. Brahms-Konzertes mit Beinum begeistert zur Kenntnis nahm. Auch sein Liszt erstaunt: soweit ich nach den ersten zehn Minuten sagen kann: eine analytisch kluge Interpretation mit einem äußerst durchsichtigen Klangbild; keinerlei vernebelnder Pedalmissbrauch; Pranke, wo Pranke not tut, aber nicht um der Pranke selbst willen. Äußerst beeindruckend. Weitere Curzon-Aufnahmen stehen ganz oben auf dem Wunschzettel.


    Grüße,
    Micha


    Die Singphoniker singen Schubertlieder für Männerensemble. Und sie tun das ganz herrlich, im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Schatzkästlein voller Wunderlichkeit. Gerade Matthias Claudius' "Klage um Ali Bey":


    Jedermann in Syrus saget
    'Schade, dass er fiel!'
    Und in ganz Egypten klaget
    Mensch und Krokodil.


    Grüße,
    Micha

    Zitat

    Und Du willst uns jetzt Deine Verwendung des Begriffes aufzwingen und uns aus diesem Thread rausschmeißen ...


    Ach was. Bloß, den Beitrag von Fortunata


    Zitat

    - und die ganz Großen stehen nie nur dekorativ herum, sondern gestalten Oper immer spannend, egal in welcher Dekoration!


    fand ich für eine Diskussion über Inszenierung nun doch etwas dünn.


    Grüße,
    Micha

    Sehr spitzfindig, lieber KSM. Natürlich geht der Wikipedia-Artikel auch weiter, nämlich so, zwei Sätze später:
    "Der Begriff wird oft auch synonym mit dem Begriff Regie verwendet und unterscheidet die Inszenierung insofern als künstlerischen Akt von der reinen Ausstellung, Aufführung oder Vorführung."


    :baeh01:
    Micha

    Zitat

    Original von fortunata
    Als jahrzehntelange Operngeherin freue ich mich immer wieder neue Künstler zu erleben - und die ganz Großen stehen nie nur dekorativ herum, sondern gestalten Oper immer spannend, egal in welcher Dekoration!


    Nun gut, aber von Inszenierung kann man da nun wahrlich nicht mehr reden. Sondern eben von Dekoration. Dazu kannst du dann ja einen eigenen thread aufmachen.


    Grüße,
    Micha

    Zitat

    Original von ThomasNorderstedt
    An dieser Stelle vielleicht eine ernst gemeinte Frage:


    In letzter Zeit habe ich ein wenig in theaterwissenschaftlichen Büchern gelesen. Thema Nr. 1 ist da (noch immer) das Performative. Sehr vereinfacht ausgedrückt geht es um die Besonderheit der Aufführungssituation in mehrfacher Hinsicht, u. a. neben der Betonung der Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit des jeweiligen Geschehens um die Interaktion zwischen Bühnengeschehen und Publikum, das als Teil derAufführung verstanden wird.


    Grundsätzlich ist das Element des Performativen und der Interaktion zwischen Darstellern und Publikum natürlich in jeder Aufführung gegeben (aber das weißt du); in der Oper vielleicht noch mehr als im Schauspiel, da hier Zuschauerreaktionen wie Applaus und Bravos während der Vorstellung viel öfter vorkommen als im Schauspiel und das Publikum so erstens an der Aufführung aktiv teilnimmt (also durch eine solche Intervention beispielsweise ihren Rhythmus verändert) und zweitens ein direktes Feedback liefert, das u.U. anspornend oder auch entmutigend auf die Darsteller wirkt und ihre Leistung verändert. Die Interaktion braucht man also nicht unbedingt zu inszenieren, sie findet eh statt; aus einem abgedunkelten Zuschauerraum möglicherweise übrigens eher als aus einem beleuchteten, in dem der Chor auftritt und die Umsitzenden sich wegducken.


    Ein besonders nettes Beispiel für eine solche Interaktion lieferte Jon Vickers in einem Live-Mitschnitt des "Tristan" ein einer offenbar herbstlichen Vorstellung, in der das Publikum vor allem hustend interagiert. In einer Generalpause innerhalb einer besonders leisen und lyrischen Passage unterbricht Vickers sich und brüllt ins Parkett: "Shup up that damn coughing!" Dann setzt das Orchester wieder ein, und Vickers singt ungerührt weiter...


    Grüße,
    Micha

    Zu den geheiligten Traditionen des ungarischen Familienlebens gehört es, dass die Muter (anya) mit den Kindern (gyerekek, édes gyöngyörü kis csillagok) in den ersten drei Lebensjahren ausschließlich in Diminutiven spricht. Da ich das Ungarische sozusagen mit meinen Kindern mitlernte (wiewohl sich diese schon bald als erheblich gelehrigere Schüler herausstellten), waren mir am Anfang sämtliche ungarischen Substantive ausschließlich in ihrer Verkleinerungsform bekannt.


    Das schlimmste daran war: ich wusste nichts davon.


    Voller Stolz über meine neu erlangte Sprachkompetenz sprach ich, ein stattlicher Mitdreißiger, mit Schwiegereltern, Onkeln und Tanten über das naheliegendste, nämlich das Wetter, und erzählte, wie schön doch das (auf deutsch geht das ja gar nicht!) – das Sönnchen (napocska) scheint und dass man in der letzten Nacht das Möndchen (holdacska) so klar gesehen hat wie lange nicht mehr. Ich sprach über Pferdchen (lovacska) auf der Weide und Rehlein (özike) im Walde, und freute mich über das wohlwollende Grinsen, das meine Erzählungen hervorriefen.


    Bis ich irgendwann begriff, dass es jede Menge einsilbige Worte im Ungarischen gibt, die man sich sogar viel einfacher merken kann als die langen auf -cska, und die für viel weniger Grinsen sorgen. Das Pferd heißt nämlich ló, das Reh heißt öz, die Sonne nap, und hold der Mond.


    Wie aber meine Kinder das schließlich auch gelernt haben, wird mir ein ewiges Rätsel bleiben. Sei’s drum: sie können’s. Und werden Diminutive erst wieder verwenden, wenn sie selber Kinder haben.


    Grüßchen,
    Micha

    Zitat

    Original von ThomasBernhard


    Wie kommts, dass diese CD gleich zwei mal mit Sibelius` Dritter aufwartet?


    Die zweite Variante ist eine künstlich stereophonisierte (sagt man so?) Fassung der gleichen Aufnahme, einem Mono-Konzertmitschnitt. Ich finde so was eher albern und habe mir auch nur die ersten paar Minuten davon angehört, aber anders ist diese Aufnahme nicht zu kriegen, so weit ich sehe.


    Grüße,
    Micha

    Zitat

    Original von Ulli
    Na, unter Rekonstruktion würde ich das jedenfalls nicht subsummieren. Allenfalls den Teilbereich der musikalischen Gestaltung. Hier werden weitestgehend originale Bühnenbilder (oder deren Kopien, ganz ähnlich dem Gebrauch von Instrumenten) ver- und die vorhandenen Bühnen-Techniken der damaligen Zeit angewendet. "Rekonstruiert" wurde da im weitesten Sinne nur: Was passiert, wenn ich diese Leine ziehe oder diesen Hebel betätige...


    Da verwechselst du jetzt aber "Ausstattung" mit "Inszenierung", oder? Irgendetwas werden die Sänger auf der Bühne tun müssen, und historische Gesten, Mienen, Bewegungen, überhaupt Weisen miteinander umzugehen kann man allenfalls mühselig aus Zeichnungen oder Beschreibungen rekonstruieren. Wenn überhaupt. Daran krankt ja, m.E., das komplette Genre des "Kostümfilms".


    Grüße,
    Micha