Beiträge von martello

    Eine wirklich (oder weitgehend) "originalgetreue" Inszenierung geht natürlich auch in anderen Theatern - sofern die Bühne es von den Dimensionen her zulässt (idR: klein genug ist). So etwa Herbert Wernickes - eigentlich ein "Böser" - wunderbar barock-historisierte Inszenierung von Cavallis "Calisto": überbordende Bühnenkostüme, Lifte vom Schnürboden und jede Menge Klapptüren. Hinreißend!


    Ich habe auch überhaupt kein Problem mit altmodischen Inszenierungen/Szenerien, wenn die Personenführung passt und das Werk daher durchdringt. Etwa der von Stephen Lawless mit einer neuen Personenführung einstudiert MET-"Giovanni" (Zefirelli). Simple Bebilderung ohne eine Charakterisierung der Figuren ist mir freilich zuwenig - da kann die so korrekt sein, wie sie will.


    Umgekehrt möchte ich mich dagegen verwahren, dass Regisseuren die Kompetenz nur deshalb abgesprochen wird, weil sie ihre Interpretation nicht aus der Textoberfläche sondern aus dem (abstrahierten) Textgehalt beziehen. Das sklavische Festhalten an einem Text in einer Kunstform, die so künstlich ist, wie keine andere (man kommuniziert singend - als Ägypter etwa auch noch italienisch) und in der vieles gar nicht "korrekt" dargestellt werden kann, ist mir einfach nicht verständlich.


    Zudem bin ich einfach ein Fan unterschiedlicher Interpretationen eines Werks (szenisch wie musikalisch), die mich zum Mitdenken anregen - Konwitschnys Aida muss nicht jedem gefallen (wird sie auch nicht), hebt aber Aspekte des Werks hervor, die regelmäßig einem Massenauflauf der Statisterie zum Opfer fallen. Auch Klaus Guths Figaro war vielleicht ein bischen sehr Strindberg - aber warum sollte man ein Werk, dass dutzendfach als harmloses Komödchen verniedlicht wurde nicht auch einmal von der ernsten Seite angehen. So lustig ist das alles ja nicht.


    "Der Zeit ihre Kunst - der Kunst ihre Freiheit" - ist doch eine schöne Sache.


    Im Übrigen ist das "Regietheater" etwa so ein geschlossener Block wie die "Klassik-Hörer" - auch hinsichtlich des internen "befetzens".

    Zunächst eine kleine Abbitte an den Lullisten (und andere):
    Ja, Barockoper hatte eine ausgefeilte Personenregie - freilich nicht im Sinne einer realistischen Personenführung im heutigen Sinn, sondern im Sinne eines Katalogs an Gesten und Posen. Also ähnlich wie in den von mir diesbezüglich angeführten asiatischen Theaterformen.


    Auch das mit dem Rampensingen war etwas pauschalierend (bei der Seria wohl eher häufig - jedenfalls wurde der Uraufführungs-Idomeneo wegen seines statuarischen Spiels kritisiert). Allerdings haben wir weder ausführliche Szenenanweisungen noch brauchbare Dokumente aus dieser Zeit.
    Nachprüfbar ist allerdings aus Fernsehaufzeichnungen klassischer Inszenierungen, dass Singen an der Rampe jedenfalls im 20. Jhdt sehr häufig vorgekommen ist (und man von interaktivem Spiel kaum sprechen kann).


    Echt "originalgetreue" Inszenierung gibt's übrigens auch gelegentlich - etwa in Drottningholm oder Schwetzingen. Das gehört aber zum Gesamtkonzept eines original-erhaltenen Theaters samt Verzicht auf moderne Bühnentechnik. Wirklich schöne Produktionen - aber man darf's doch auch ganz anders machen.


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    Zurück zu Kehlmann:


    Positiv äußerte sich zu dieser Rede unter anderem Andrea Breth. Sie hat mit ihrer Kritik an Regisseuren, die ohne Rücksicht auf und Befassung/Auseinandersetzung mit einem Text über ein Werk drüberfahren auch völlig Recht. Breth selbst ist ja bekannt für ihre akribische Textarbeit (sie kürzt auch praktisch nicht). Blöderweise zählt auch Frau Breth für echte Traditionalisten gemeinhin für böses Regietheater - spielt doch ihr Don Carlos (Burg) in weißen Wänden, es gibt Bademäntel, Glashäuser, ein wenig S/M und Straßenanzüge. Auch ihr Onegin (Salzburg) trägt Sonnenbrille und nimmt vor einem Fernseher Platz.


    Also wie jetzt?
    Ist jemand wie Breth für Traditionalisten nun gut oder böse? Regietheater oder nicht? Wenn Breth aber ihre Regie aus dem Text des Werkes herausliest und trotzdem so inszeniert - was läuft da "falsch"?
    Schließlich: wieso ist eine Regietheater-Regisseurin (so sie es ist) so verrückt und lobt Kehlmann? Und wenn sie es nicht ist - wo ist dann das Problem bei anderen?


    ...ja, ja, es ist halt alles sehr kompliziert.

    Ist es eigentlich die Aufgabe von Moderatoren, missliebige Kommentare zerstückelt zu kommentieren und dabei gleich freundlicherweise gleich auch noch bewusst den Zusammenhang unter den Tisch fallen zu lassen (- oder ihn einfach nicht kapiert zu haben)?


    Gerade Kirchenkunst hat große Überschneidungen zum Handwerk, da wenig individuell und nach strengen Vorgaben (Posen, Farben, Symbole) - echte Individualisten gab's natürlich auch, primär in der Renaissance. Die hatten aber durchwegs Mäzene und konten daher weitgehend machen, was ihnen passt (und Michelangelos Fresken wurden halt dann ein paar Windeln aufgemalt).


    Shostakovitch war ein überzeugter Kommunist - und ein großer Künstler. Deshalb ist er auch mit dem Apparat aneinandergeraten, weil er sich seine Kunst nicht von irgendwelchen ideologischen Dogmen versauen lassen wollte.


    Sinnerfassend lesen wäre nett - glaubt unser lieber Kurzstückmeister tatsächlich, mit Inszenierungen des 18. Jhdt. für Furore sorgen zu können? Dann wäre selbst Schenk ein unverzeilicher Sündenfall.
    - Gegebenenfalls tut's mir leid, dass er 200 Jahre zu spät geboren ist (nur dass man damals bereits 10 Jahre alte Werke nicht mehr aufgeführt hat, weil man sich mit dem "alten Zeug" nicht abgeben wollte).


    Im Übrigen - mal bei Felsenstein nachlesen, dass Regie immer aus der Gegenwart heraus entsteht (der wird ja hoffentlich nicht unter böses "Regietheater" fallen).


    Sie wollen linke Regisseure benannt?
    Konwitschny, Mielitz, Chereau, Pountney, Kusej
    (links ist aber nicht immer marxistisch im engeren Sinn)


    Bondy, Loy, Pelly, Sellars sind für mich "liberal"


    - letztlich bestimmt hier aber der ideologische Standpunkt die Einstufung des Künstlers.

    Schwierige Geschichte - schaun wir mal:


    Kunst und Totalitarismus geht jedenfalls nicht zusammen - das Ergebnis ist stehts zum Kübeln (völlig gleich, welchen ideologischen Anstrich dieser Totalitarismus hat).


    Tendenziell entsteht Kunst durch Reibung oder individuelle Überzeugung (oft mit erst deutlich späterer Anerkennung), selten durch Anpassung an den Geschmack der Masse oder des Herrschers - Mozart hat die etablierten Vorgaben etwa ständig unterlaufen. Damit hat Kunst ein provokatives/herausforderndes Element. Dass ein solches regelmäßig mit "links" gleichgesetzt wird ist zwar eigentlich falsch (wesentliche Exponenten des Regietheaters würde ich vierl eher als "liberal" bezeichnen), aber am ehesten ein hausgemachtes Problem der Rechten - falls die es als ein solches empfinden.


    Insbesondere in Österreich war das liberale Bürgertum rund um die Jahrhundertwende da und aktiv in der Förderung unangepasster Künstler (daher auch der Jugendstil-Boom). Dann war es weg - vertrieben oder ermordet, da großteils jüdisch (soviel politisches muss hier sein - ist halt Tatsache).
    Die verbliebenen Rechten/Konservativen waren dann ziemlich eng mit der Kirche (ein schlechtes Pflaster für Kunst, die aneckt) - also gabs eine Art "Zweckgemeinschaft" mit der Linken bzw ihren bürgerlich-intellektuellen Ausläufern (deren Kernwähler tangiert das Thema nämlich eigentlich gar nicht), da "Veränderung" ein positives Image hatte.

    Zunächst möchte ich mal auf ein paar historische Tatsachen verweisen:


    1. Regie als eigenständige Kunstform existiert im engeren Sinn erst seit dem 20. Jhdt. - Davor agierten die Darsteller entweder nach strikten Schemata (griechische Tragödie, No, Kabuki, Peking Oper), die eine individuelle Ausgestaltung durch die Darsteller verunmöglichen oder in einer Kulisse im Wesentlichen nach eigenem Gutdünken mit viel Improvisation (Shakespeare, Nestroy). In der Oper agierten sie zunächst zumeist gar nicht, sondern traten auf (an die Rampe) und sangen - im Übrigen war das Publikum an der Szene selbst ohnehin nur mäßig interessiert, sondern mauschelte in den Logen (nachzulesen bei Dumas).


    2. Libretti enthalten meist nur Angaben zu Auftritt/Abtritt und zur Kulisse - das Handeln (Bewegung, Berührung, Gestik, Mimik) muss stets neu "erfunden" werden. Elaborierte Libretti (etwa Wagner) enthalten wiederholt Szenenanweisungen, die praktisch gar nicht umsetzbar sind - wer hat etwa schon einmal Brünnhilde auf ihrem Ross in den Scheiterhaufen galoppieren gesehen?


    3. Das Zusammenwachsen der Kunstformen - Oper ist auch Theater und nicht nur Gesang in Kulisse - ist Faktum; siehe auch das (in Wien erst seit Mahler und gegen den Willen des Publikums) gedämpfte Licht in der Oper. Das beinhaltet auch den Einzug der Interpretation eines Werks durch die ausführenden Künstler (inkl Regie).


    4. Zumindest bis Mozart war es völlig selbstverständlich, dass in historischen Sujets die Personen in Gewändern der Gegenwart auftraten (so wie auch die Figuren- und Umgebungsdarstellungen in Gemälden nicht "historisch korrekt" war - Troja im Hintergrund von El Grecos "Laokoon" ist etwa zweifelsfrei Toledo; Ritter in Bibeldarstellungen gibt es wie Sand am Meer).


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    Für mich ist es bemerkenswert, dass konservative Opernbesucher unter Regie stets primär (wenn nicht sogar ausschließlich) die Ausstattung verstehen. Tatsächlich aber ist Regie das Zusammenspiel und die Koordination der handelnden Personen auf einer Bühne. Das muss überzeugend funktionieren - wobei sich der Charakter von Bühnefiguren nur aus einer Interpretation ihres Textes und ihrer Musik entwickeln lässt, also mitunter eine rechte breite Palette der Ausgestaltung offenlässt.


    Ein paar Beispiele:
    Die bereits angesprochene Serban-Inszenierung der "Indes Galantes" ist ein hinreißendes, kunterbuntes Spektakel - für ein Werk, das als Spektakel konzipiert war und keinerlei Anspruch auf historische Korrektheit erhebt.


    Christoph Loys "Lucrezia Borgia" - die Kostüme sind teils zeitgenössisch, die notwendigen Requisiten sind da, das Zusammenspiel der Personen ungemein intensiv. Die Kulisse existiert freilich gar nicht - aber ist es unbedingt notwendig, Pappkulissen von Palästen aufzustellen, wenn aus dem durch kein szenisches Brimborium gestörten Spiel umso mehr Handlung ersichtlich ist?


    In Pellys "Elisir d'amore" fährt Dulcamara im Verkaufs-LKW vor - ist das ein ernsthaftes Problem, wenn sonst alle Facetten dieses charmanten Scharlatans hinreißend ausgespielt werden? Derselbe Regisseur inszenierte "La vie parisienne" als großartige Parodie des gegenwärtigen Paris (so wie Offenbach bei dessen Kreation) - das soll gegen das Libretto sein?


    Herzogs "Orlando"-Inszenierung aus Zürich zeigt die Rückführung eines liebeskranken Helden zum Krieger - so wie es das Libretto vorsieht. Nur halt nicht in einer mittelalterlichen Zauberwelt (durch einen Magier) sondern in einem "Zauberberg"-Sanatorium (durch einen Psychiater). Das soll ein Problem sein?


    Im Übrigen gibt es jede Menge traditioneller "librettotreuer" Inszenierungen, die dem Inhalt eines Stückes viel mehr gewalt antun als ein Schauplatz- oder Zeitwechsel (wenn etwa Figaro oder Cosi zu platt-harmlosen Boulevard-Blödeleien mutieren, oder der Mesner in der Tosca als schrullig-netter Onkel dargestellt wird).



    Insgesamt ist gute Oper und gutes Theater nur möglich, wenn die Regie eine ganz wesentliche Rolle einnimmt - nur dann wird ein Werk wirklich ein großes Ganzes. Natürlich geht bei diesem "Regietheater" immer mal auch was richtig schön daneben - aber wie arm wäre die Welt der Bühne, wenn es diese ständigen Versuche, nicht gäbe, ein Werk für die Gegenwart zu übersetzen oder ihm Aspekte zu entlocken, die bisher unentdeckt geblieben sind. Auch haben viele Künstler damit weit weniger Probleme als Teile des Publikums - aber die müssen sich ja auch eine Rolle irgendwie zu eigen machen.


    Theater ist kein Museum, sondern lebt (nur) durch den immer neuen Schöpfungsprozess. Fehlschläge gehören zur Entwicklung und zum Fortschritt wie das Amen zum Gebet - und wenn schon; dann halt beim nächsten Versuch anders. Das Werk überlebt notfalls jede Inszenierung - und was gefällt/berührt/begeistert ist auch oft davon geprägt, wie man selbst zu einem Werk/Sujet steht.


    :hello:


    P.S.: Selbst unter Katholiken besteht weitgehend Konsens, dass es wenig Sinn macht, die Bibel wörtlich zu nehmen - und ausgerechnet bei einem Opernlibretto wollen wir damit anfangen?!

    Ausnahmsweise die Termine mal vorneweg:
    Nur noch morgen (27.04.) sowie Mittwoch (29.04.) und Samstag (02.05.)



    Drei Jahre nach dem sie der Überraschungserfolg bei den Salzburger Festspielen 2006 war, kommt Mozarts - neben "Lucio Silla" - einzige echte "opera seria" auch nach Wien. In einer Koproduktion mit Brüssel - und beweist neuerlich, dass sie weit mer als nur eine nette Rarität oder ein abitioniertes Jugendwerk (eines 14-Jährigen) ist.


    Bruce Ford singt den Mitridate seit rund 15 Jahren und hat die Rolle dementsprechend "intus" - lediglich bei der extrem schwer notierten Auftrittsarie krazte die Stimme (altersbedingt?) ein wenig. Der rest war freilich exzellent gesungen und intensiv gespielt.
    Exzellent auch Patricia Petibon (Aspasia), die sich in Mozarts Frühwerken und im Theater an der Wien offebar besonders wohl fühlt. Gleiches gilt für Bejun Mehta, der in der Rolle des Farnace schon in Salzburg triumphierte und diesen Erfolg hier wiederholt.


    Heimlicher Star des Abends war aber Myrto Papatanasiu als Sifare. Die junge Griechin bewies, dass sie auch mit der absoluten Weltspitze sowohl stimmlich wie auch darstellerisch mithalten kann - und es ist immer wieder schn zu sehen, wenn sich Künstler über (völlig berechtigten) Jubel noch richtig freuen können.


    Mehr als nur tadellos auch die Leistungen der Nebenrolleninterpreten Christiane Karg (leider Opfer der Partiturstriche der Aufführungsfassung), Colin Lee und Jeffrey Francis.
    Dirigent Harry Bicket hat mit den Wiener Symphonikern intensiv geübt -und das durchaus erfolgreich. Auch wenn es hin und wieder ein wenig "dick" wird, funktioniert die Anpassung an Barocksänger und ein kleines Haus insgesamt sehr gut.



    Robert Carsens Inszenierung trägt sich im - von Bombentreffern demolierten - Regierungspalast Mitridates zu und besticht durch exzellente Personenführung, die die Charakterzüge der Personen noch intensiviert. Und die Eröffnung des zweiten Aktes ist nicht nur genial, sondern sogar ohne den geringsten Widerspruch zum Text.
    Feinde von "Gegenwartstransfers" mögen ihre Probleme haben - für alle anderen bietet sich die Chance, ein großes Werk in ausgezeichneter und packender Umsetzung zu erleben.

    Ja, dieser wunderbare Schmachtfetzen gehört auch zu meinen Lieblingsopern. Allerdings gibt es wohl keine Oper, die so zwingend nach französischer Sprache verlangt, wie diese (Carmen wohl noch am ehesten): das liegt vor allem an den geradezu aberwitzig aufgesetzten Orientalismen, die so schwülstig daherkommen, dass italienisch viel zu scharf und deutsch völlig ungeschlacht daherkommt. "Coeur" kann nur durch schauerlicheste Vokaldehnung zu "Herz" (pardon: Hee-ee-eerz) werden.


    Meine Tipps:


    CD:
    Cura/Borodina - Davies (Erato)
    Domingo/Obraszova - Barenboim (DG)
    Vickers/Gorr - Pretre (EMI)


    DVD:
    Domingo/Borodina - Levine (DG)

    Nun ja - die beiden Wiener Inszenierungen sind ja nicht wirklich "traditionell" sondern schlichtweg alt.


    Sehr hübsch gemachte Arbeiten, schöne Museumsstücke fürwahr, aber halt mittlerweile ohne Konzept. Die SängerInnen spielen letztlich wie sie wollen (oder bei der letzten Neuinszenierung) geprobt haben - das kann je nach den beteiligten Personen spannend/ergreifend bis lächerlich sein.


    Inszenierung (geschlossenes Konzept aus Bühne und DarstellerInnen) ist es allerdings nicht.

    Dem kann ich mich im Großen und Ganzen nur anschließen (ich war am 25.4. dabei).


    Calleja war für mich die positive Überraschung des Abends - er hat sich in meinen Ohren für den völlig verpfuschten Rigoletto-Herzog in der Staatsoper (ist schon ein Weilchen her; der Mann hat offenbar gut an seiner Stimme gearbeitet) rehabilitiert.


    Bei Netrebko/Garanca fand ich den "Widerspruch" zwischen Stimmlage und Timbre besonders reizvoll. Der Mezzo hell - im Kontext "jungenhaft" - timbriert, der Sopran dünkler (jugendlich-erotisch, keinesfalls kindlich). Damit kommen die beiden Sängerinnen auch den Rollen (ihrem Verhalten) der Shakespeare-Vorlage sehr nahe: Romeo ist weit mehr "Kind" (impulsgesteuert und kaum reflexiv) als Julia.


    Womit wir beim einzigen wirklichen Ärgernis sind:
    Die librettistische Verunstaltung der Vorlage ist in ihrer Igoranz des Inhalts ein Irrwitz (seicht wie der Wienfluss). Einzige Hilfe - Textheft weglegen und die Musik genießen.

    Mal abgesehen davon, dass hier in geradezu unglaublicher Art und Weise auf die Regularien der Satzung gepfiffen (mir würde noch ein ganz anderes Wort mit "ge..." einfallen, hat mit dem Excorpieren von Stoffwechselprodukten zu tun, aber das will ich Alfred nicht antun) wird:


    Wenn hier nochmals ein Lebenszeit-Vertrag hergegeben wird, ist klar, was passiert - Eva ist in maximal 10 Jahren weg (herausgeekelt, kaltgestellt oder mit 70+ einfach zu alt für die effektive Mitgestaltung und Katharina spielt einen weiblichen Fafner in Nachfolge ihres Papis für die folgenden etwa 30 Jahre.


    40 Jahre Alleinherrschaft (einer Person, deren künstlerische wie organisatorische/intendantische Qualitäten keineswegs offenkundig bzw unbestritten sind) - damit wäre der Grüne Hügel künstlerisch wohl endgültig tot. Und das hat wirklich nichts mit Kassandra-Rufen zu tun.

    Ich habe damals die Radioübertragung der Harnoncourt-Version (bei weitgehend gleicher Besetzung) mitgeschnitten. Musikalisch großartig - Orchester wie Sänger.


    Der Knackpunkt ist Moretti - sowohl hinsichtlich seiner Texte, als auch seines Vortragsstils. Die Texte finde ich teilweise platt und unschlüssig, der Vortrag mit eindeutig zu viel Pathos - ich hab' sie bis auf wenige gelungene Schlüsselstellen hinausgeschnitten.
    Kann aber sein, dass es auf CD dezenter klingt (bzw andere weit weniger stört).


    Fürs Ausprobieren würde ich daher auch aus Kostengründen zum sehr gelungenen - etwas sanfteren - Goodwin raten.


    Experimentierfreudigen sei die DVD "ZAIDE/ADAMA" aus der Salburger Mozartedition ans Herz gelegt. Das Fragment verzahnt mit einem dafür komponierten zeitgenössischen Werk - ein spannendes (wie ich meine gelungenes) Experiment.

    Im Bereich der Oper würde ich diesen Titel (über dessen grundsätzliche Sinnhaftigkeit man durchaus diskutieren kann) an Henry Purcell verleihen:


    Dido and Aeneas
    - in knapp 60 Minuten Gefühlsregungen von überschäumender Freude und Lebenslust, Liebe, Hass, tiefer seelischer Enttäuschung bis Todessehnsucht in oft nur 1-2 minütigen Stücken derart plastisch zu schildern, ist für mich einfach genial.


    "Dido and Aeneas" ist für mich "Große Oper" in der kompaktesten Form - alles drin (inklusive Ballett), und dabei auch noch eine intelligente, schlüssige Handlung. Purcell versteht es, Gefühle und Stimmungen mit wenigen Takten derart präzise zu skizzieren, dass das spezifische "Ausmalen" unwillkürlich im Kopf des Hörers erfolgt - wie in der bildenden Kunst bei Zeichnungen.


    Dazu kommt, dass "Dido and Aeneas" eigentlich Purcells einzige "echte Oper" ist - der Rest sind eher theatralische Mischformen. Das oben gesagte würde im Übrigen auch für Claudio Monteverdis "L'orfeo" gelten (drei Opern - drei absolute Meisterwerke; auch sehr effizient).


    Eingeräumt sei an dieser Stelle, dass beide Komponisten hier den Vorteil der Barockmusik auf ihrer Seite haben: Purcells Sturm ist schon zur Hälfte durch, wenn bei Verdis "Otello"-Auftakt das Blech gerademal im ersten Losdonnern ist (soll nicht despektierlich sein; ich liebe Verdi und insbesondere "Otello").

    ...mit expliziter Betonung auf "historisch"!


    Nach Durchsicht des Samplers erlaube ich mir folgende Einschätzung:


    Szenisch sind die arbeiten phasenweise absolut beeindruckend (wenn auch angesichts der der u.a. mimischen Expressivität für Jüngere mitunter ein weing befremdlich).


    Musikalisch sieht das leider oft anders aus. Gesungen wird
    1. deutsch (mit eher schwacher Übersetzung)
    2. in einem Deklamationsstil, der -tschuldigung- phasenweise fast unerträglich hölzern klingt
    3. von SängerInnen, die auch damals wohl nicht zu den Besten ihres Fachs gezählt haben.


    Insgesamt aus historischer Sicht trotzdem sehr interessant (für alte Fans sowieso).


    Ach ja:
    Bevor Du, lieber Liebestraum, jetzt beginnst, auf das böse Regietheater hinzuschlagen: Felsenstein selbst hat wiederholt erklärt, sene Inszenierungen seien Produkte der Jetzt-Zeit und hätten keine dauerhafte Gültigkeit.
    Einige seiner Fans haben da aber wohl schon nicht mehr zugehört.

    Zumindest bei den (ganz) hohen Männerstimmen gibt's ständig hochwertigen Nachschub.


    Jaroussky ist meiner Ansicht nach ein hervorragender Sänger, der derzeit ein Stimmfach besetzt, das gewissermaßen ein biologisches Ablaufdatum hat. Derzeit ist er geradezu ideal für die perlenden, virtuosen Arien von Vivaldi, Scarlatti, etc., die regelmäßig für Sopran- und nicht für Altkastraten geschrieben wurden ("Stimmchen" ist daher ein wenig irreführend - diese Arien vertragen keinen händelschen Heldenklang).


    Eine solche Stimme lässt sich jedoch meist nicht dauerhaft konservieren - wie man es auch bei Sopranistinnen und Tenören regelmäßig nachvollziehen kann. Auch Max Cencic hat den Sopranisten mittlerweile völlig abgelegt - seine aktuelle Platte mit Hosenrollen von Rossini (Virgin), also klares Mezzo- bzw Alt-Repertoire, ist übrigens sehr empfehlenswert.


    Jaroussky wird wohl noch einige Zeit bei seinem aktuellen Fach bleiben, deutet freilich (in Konzerten und mit dem "Carestini"-Album) den Wunsch nach einer Entwicklung hin zu Händel-Partien an. Da ist zwar noch einige Arbeit nötig, aber das Potenzial ist bereits erkennbar.

    Kann mich den Ersuchen von Harald und Petra nur anschließen:


    Auch wenn es bei solchen Votings wesentlich (auch) um Sympathie geht, sollten zwei Trennungen vorgenommen werden:


    - aktive und "historische" Sänger


    - getrennt nach Stimmfächern


    (dafür evtl. weniger Nennungen pro User)

    Ich war an diesem Abend im Konzerthaus, bei einer ausgezeichnteten konzertanten "Alcina" (Händel). Habe den Tristan zwar aufgezeichnet, jedoch nur ein paar "Fetzen" angesehen - die waren aber durchwegs beeindruckend: etwa Finale 2. Akt; Liebestrank-Szene im 1. Akt (sogar die Mimik und Gestik war perfekt in die Musik choreografiert). Ich freu mich also schon auf den "Durchlauf".


    Ja, arte ist hinsichtlich Opern phantastisch (und beschenkt uns über Weihnachten mit einer Vielzahl toller Konzerte) - das war aber durchaus nicht die erste Scala-Eröffnung. Zuletzt: Idomeneo.
    Warum arte? - Ziemlich einfach: Hier schlägt schlicht die jahrelange Kooperation mit Aix-en-Provence (= Intendant Lissner) durch, die halt einfach ausgeweitet wurde.


    P.S.:
    Sicher die "billigste" Premiere für Opernkritiker seit Janaceks "Totenhaus". Die Hymnen für Chereau-Inszenierungen kann man ja bekanntlich schon schreiben, bevor mit den Proben begonnen wurde - und zwar gleichgültig, ob es nun Kino (La Reine Margot), Theater (Racines "Phedre") oder eben Oper (Ring, Totenhaus und nun eben "Tristan und Isolde") ist.

    Vielleicht beginne ich ja paranoid zu werden, was diesen Direktor betrifft - aber die Erfahrung der letzten Jahre lässt ihn mir als ziemlich rücksichtslosen Egomanen erscheinen (und da meine ich bitte ausschließlich öffentliches und nachprüfbares Verhalten und nicht diverse Gerüchte, Stichwort "Besetzungscouch").


    Dennoch:


    - Warum lobt er Uusitalo nicht dafür, dass der sich für diese Neuproduktion offenbar total eingesetzt hat? Ich kenne einige bewundernde Anekdoten über SängerInnen, die Proben auf Aufführungsniveau bestritten haben. Zumal es für den "Stimmbruch" ja ganz schlüssige Erklärungen gibt.


    Im Übrigen ist das - buhende - Wiener Publikum erbärmlich: als "Holländer" haben sie ihn noch bejubelt - jetzt ausgebuht, wo eindeutig hörbar war, dass ein gesundheitliches Problem vorlag.


    - Wieso: "Der Regisseur besteht darauf, dass Uusitalo den Wotan weiter auf der Bühne darstellt. Mir gefällt diese Lösung auch nicht."
    Welche gefiele ihm besser?!
    - Absagen?
    - Oder den Einspringer mit Klavierauszug auf die Bühne stellen, wo er das gesamte szenische Konzept zerstört (woher sollte er es kennen) und zudem auch noch ständig auf den Dirigenten fixiert sein muss (was er selbst ausdrücklich bestätigte - "W-M hat mir sehr geholfen und jeden einsatz genau angezeigt").


    Meiner Ansicht nach ist bei einer Neuproduktion, in der man den Ersatz nicht vorher in das Regiekonzept einweisen kann, die von Bechtolf gewünschte Variante vielmehr die mit Abstand beste (mal abgesehen vom MET-System mit echter Zweitbesetzung).


    Welche Lösung hättet ihr gewählt, könntet ihr entscheiden?

    Einen Teilaspekt der Walküren-Premiere würde ich gerne gesondert hervorheben und behandeln: Direktor Holenders kleine Ansprache vor dem dritten Akt.
    Mit einer kaum je gesehenen Virtuosität wurde hier vordergründig ein Künstler verteidigt, diesem (und anderen gleich mit) jedoch gleichzeitig das "Hackl in's Kreuz g'haut" (er wird schlecht gemacht - für Nicht-Wiener).


    Der Subtext war in etwa folgender:


    - Ich habe dem Uusitalo bei den Proben gesagt, er soll gefälligst markieren, aber der Dummkopf wollte den ernsthaften Künstler hervorstreichen und zwei Proben auf Premierenniveau durchsingen anstatt ans Geschäft zu denken.


    - Glücklicherweise konnte ich(!) einen Ersatz-Wotan finden. Allerdings versteift sich der Regisseur darauf, dass der nur von außen singen und nicht direkt spielen darf. Als wenn das ein Problem wäre, wenn der Ersatz ständig auf den Dirigenten schauen muss (weil er die Rolle halt auch nicht ständig singt) und zudem keinen blassen Schimmer von der Inszenierung hat. Sie haben also völlig recht, wenn sie sich ärgern - das lassen Sie dann aber bitte den Bechtolf selbst spüren.


    - Fazit: Ich(!!) habe diese Premiere gerettet - für alles was ihnen nicht gefällt oder misslungen ist, bin ich jedenfalls nicht einmal ansatzweise verantwortlich.



    Nun sollte man sich vielleicht folgende Fragen stellen:


    - Wollen wir bei Premieren wirklich die Situation, dass alle Künstler bis zur Premiere (also inkl. Generalprobe) nicht voll singen und die Premiere damit zur eigentlichen Generalprobe verkommt?


    - Warum schafft es ein Riesenhaus wie die WSO nicht bei der Premiere einer Oper mit sehr anspruchsvollen Partien (und zu einer nicht unbedingt risikolosen Jahreszeit) nicht, Einspringer (auf Abruf) bereit zu halten, die zumindest auch mal die szenischen Proben besucht haben. Immerhin ist der Ring ein Prestige-Projekt und es handelt sich um den Premieren-Block.


    - Kann sich ein Direktor freundlicherweise mal ernsthaft vor die von ihm ganz bewusst engagierten Künstler stellen (auch wenn das bedeutet, Position beziehen und damit auch Kritik einstecken zu müssen)?



    Ich hoffe, hier keine Themenverfehlung begangen zu haben - aber derartige künstlerfeindliche Ego-Pflege eines Staatsoperndirektors sollte einfach aufgezeigt und gerne auch diskutiert werden.

    Neben dem hervorragenden Lied- und Oratorieninterpreten Robert Holl sollte man auch dem Opernsänger die gebührende Referenz erweisen.


    Hier zeigt Holl nämlich ein - deutlich vom Liedgeang beeinflusstes - Einfühlungsvermögen und eine Textbezogenheit unter Auslassung jeglicher zirkushafter Attitüde, die ihresgleichen sucht. Besonders beeindruckt hat mich sein "König Marke" - kein donnernder Machtmensch sondern eine verzeifelte, beinahe schwache, Figur, tief getroffen von einem Treuebruch, den er nicht einmal ansatzweise zu begreifen vermag.
    Eine ungewohnte Darstellung, jedoch ungemein überzeugend dargeboten und keineswegs im Widerspruch zum Text.


    Leider hat insbesondere das Wagner-Publikum in Wien wenig Interesse an reflektiert singenden(!) Bässen sondern hängt Publikumslieblingen im Spätherbst ihrer Karriere an, die ihre Rollen überwiegend nur noch brüllen (etwa K.R.).

    War gestern in der "Pique Dame" - und insgesamt sehr angetan. Silja hört man das fortgeschrittene Alter zwar schon ein wenig an, das ist in dieser Rolle aber kein wirkliches Problem und ihre Bühnenpräsenz ist beeindruckend.
    (Shicoff ist übrigens ausgezeichnet und insbesondere auch stimmlich gut disponiert)


    Neben dem "Osud" hatte sie vor einigen Jahren auch einen tollen Auftritt mit Schönbergs "Pierrot Lunaire" (unter Boulez).

    Große Zustimmung zur Stellungnahme von Rosenkavalier!


    Oper sollte man primär nur unter zwei Aspekten kennenlernen:
    1. freiwillig
    2. offen (undressiert)


    Menschen mit Oper zwangsbeglücken - das hat nie funktioniert und wird nie funktionieren. Das bedeutet freilich nicht, dass man sie nicht zur Oper verführen sollte (mit Schilderungen und Kostproben, die Interesse auf "das Ganze" machen). Wichtig ist hier auch ein wenig Intuition, welche Opern zu welchen Personen als "Einstieg" passen - thematisch wie musikalisch.


    Weiters sollte die Beeinflussung des Neulings so gering wie möglich sein. Geschmäcker sind (sehr) verschieden - wissen wir hier wohl alle - und ich persönlich bevorzuge die Begleitung denkender Individuen in der Oper gegenüber jener gut abgerichteter Nachplapperer. Ganz grundsätzlich empfiehlt es sich freilich, Neueinsteigern kurz den Inhalt (evtl. in Kombination mit dem Entstehungszusammenhang bzw. einem Subtext - etwa bei Traviata oder Billy Budd) nahe zu bringen. Bei interpretativen Inszenierungen können auch gröbere Zeit- und Ortverschiebungen erwähnt werden. Aus reichhaltiger Erfahrung mit Operneinsteigern (Alter ca. 20 - 30 Jahre) kann ich allerdings betonen, dass Abweichungen zum Libretto wenig Problem bereiten, wenn die Inszenierung in sich schlüssig und stimmig ist.


    Kinder haben in einer Oper (und einem Konzert) tendenziell nichts verloren - außer sie wollen es ausdrücklich selbst. Aber man muss ihnen bewusst machen, was 60 - 110 Minuten echtes Stillsitzen bedeutet. Selbst dann sollte das Werk sehr gut ausgewählt werden - Tristan etwa ist reine Folter, Zauberflöte für ältere Kinder/Teenager eher fad. Kriterien sollten die sonstigen Interessen des Kindes sein. Teenies können wohl am ehesten Opern wie Otello, Carmen oder Pagliacci etwas abgewinnen (und der Gewaltfaktor ist im Vergleich zum Fernsehprogramm vernachlässigbar).

    Anders als Mengelberg kenne ich (leider) nur die Rattle-Aufnahme, die mir jedoch ausgezeichnet gefällt.


    Sämtliche Beteiligten (also auch Hampson und Langridge) singen polnisch, möglicherweise mit Mängeln in der Aussprache, aber die kann ich nicht erkennen. Die Orchesterleistung finde ich jedenfalls toll und zudem gibt's auch noch eine großartige "Klaviersymphonie" (der korrekte Titel ist mir gerade entfallen) als Bonus.

    Ich muss gleich vorweg zugeben, Kesting (und auch Fischer) nie gelesen zu haben - höchstens vielleicht wenn irgendwo mal ein Auszug wiedergegeben wurde oder Kesting in der FAZ schreibt. Generell glaube ich aber, dass es ein grundlegendes Problem alter (durchaus verdienter) Kritiker ist, irgendwann die eigenen "Jugend"jahre zu verklären und jüngere Künstler gegen eine idolisierte erinnerung anrennen und daran (zwangsläufig) zerschellen zu lassen. Ein Beispiel:


    Kesting zerlegt Anna Netrebko regelmäßig und ziemlich brutal (was hier ja bekanntlich auf weiträumige Zustimmung stößt). Soll sein - technische Fehler (die man ihr durchaus attestieren kann, mich stören suie halt in Summe nicht) dürfen aufgezeigt werden. Kein Verständnis habe ich allerdings dafür, wenn der selbe Kritiker bei anderen Künstlern völlig andere Maßstäbe anlegt, so etwa bei den jüngst erschienenen Staatsopern-Aufnahmen von Leonie Rysanek. Kesting (zusammengefasst): die Stimme sei in der Mittellage wackelig, in der Höhe fast durchwegs gepresst und überhaupt jeder zweite Ton falsch - aber der Ausdruck entschädigt für alles.
    Hier wird meines Erachtens die Grenze zwischen individuellem Geschmack (den auch ein Fachkritiker haben darf/soll) und reiner Willkür einfach überschritten.


    Noch zwei Punkte:


    1. Ein gewisses Faible für die Deutsche Oper wird man einem deutschen Kritiker schon zugestehen müssen; Kestings "über-alles-stellen" der (dramtischen) deutschen Opernliteratur geht mir aber zu weit - wenn man zu einem ganzen genre keinen Zugang findet, sollte man sich dazu besser nicht äußern.


    2. Die "Mikroport-Affäre" war ein echt peinlicher Selbstfaller - in einem deutschen Opernhaus entdeckte er ein Mikroport (eingesetzt um Alberichs stimme bei der Tarnkappen-Szene zu verfremden) und unterstellte ohne Rückfrage öffentlich generelle Stimmverstärkung der Sänger.

    Lieber Barezzi (und andere Interessierte);


    Zu den DVD-Einspielungen habe ich im entsprechenden Forumsteil bereits Kurzinformationen über Stärken/Schwächen und Besonderheiten der einzelnen Einspielungen gepostet (wurden aber nie weiter kommentiert). Scholl fehlt noch, wird aber demnächst nachgetragen.


    Vielleicht kann das ja ein Moderator verlinken.


    @ Fairy Queen:
    Da ich nicht annehme, dass McVicar binnen kurzer zeit zwei unterschiedliche "Caesaren" abgeliefert hat, ist die von Dir gesehene Aufführung (szenisch) die gleiche wie in Glyndebourne (McVicar/Christie auf Opus arte). Die Sänger sind andere, aber qualitativ nicht schlechter.



    Die "Rodelinda" aus Glyndebourne ist nebenbei szenisch sehr gelungen und wunderbar gesungen - insbesondere Scholl/Antonacci herausragend; auf dem selben Niveau ist auch die Münchner Aufnahme mit Chance/Röschmann (Farao).

    Wenn es um eine HIP-Variante des "Fidelio" geht (und nicht um die "Leonore", die in sehr wesentlichen musikalischen Teilen eine völlig andere Oper ist), fällt mir eine "ganz echte" nicht ein.


    Am ehesten HIP-nahe (jedenfalls orchestral) ist meiner Ansicht nach die Einspielung von Harnoncourt mit dem Chamber Orchestra of Europe und dem Schönberg Chor.


    Vokal finde ich sie zumindest sehr ordentlich - Seifert singt mit vollem Einsatz, Margiono gefällt mir als Leonore mit geringer vokaler Kraftmeierei sehr gut; Leiferkus bellt vielleicht ein wenig zu viel. Hinsichtlich Chor- und Orchesterleistung aber wie gesagt eine wirklich beeindruckende Einspielung.

    Am beeindruckendsten "gesungen" jedenfalls Pavarotti - einer der ganz wenigen, die diese Stretta tatsächlich durchgehend gesungen haben. Keine Kraftmeierei, aber die Sicherheit, mit der das "C" getroffen und vor allem gehalten wird, ist einfach atemberaubend.


    Zu Corelli:
    An Machismo und vokalem Muskelspiel kaum zu übertreffen, jedoch mit einem massiven Interpretationsmanko. Insbesondere bei der live-Aufnahme mit Karajan beginnt er - ohnehin vom Blech-Fortissimo fast zugeschüttet - beinahe in ein Rezitativ zu verfallen um nach einer stilistisch uncharmanten Pause zum Luftholen wie ein Bessessener regelrecht loszubrüllen. Schon irgendwie beeindruckend aber für mich ein bischen zu viel Zirkus.

    Die unterschiedliche Schwerpunktsetzungen der beiden Werke wurde ja schon aufgezeigt. Schillers Drama ist letztlich ein politisches Manifest (ein tolles, im Übrigen) während bei Verdi die interpersonellen Beziehungen im Vordergrund stehen und das politische immer wieder hineinbricht.


    Aus diesem Grunde ist auch der erste Akt des "Don Carlos" von Verdi dramaturgisch so unglaublich wichtig - auch wenn er regelmäßig gestrichen wird.
    Dramaturgisch interessant sind Umstellungen im Handlungsverlauf, etwa die Platzierung der Szene Philip-Inquisitor im Zentrum der Oper (und unmittelbar anschließend an die menschlichste Phase des Herrschers). Auffallend ist dbei auch die weitaus aktivere Figur des Inquisitors bei Verdi - letztlich ein Frontalangriff auf die (Macht)Institution Katholische Kirche.


    Insgesamt halte ich beide Werke für herausragend - und im Übrigen für bemerkenswerte "Geschichtsfälschungen".

    Mich hat diese Musik - angefangen habe ich mit den Symphonien 7, 8 und 11 - aufgrund ihrer Energie, Ausdruckskraft und emotionalen Wahrhaftigkeit (iS des ungefilterten/ungekünstelten) Ausdrucks vom ersten Kontakt an fasziniert. Diese unmittelbare Ansprache hatte ich übrigens auch bei Mahler. Einmalig ist der schon beschriebene beißende Humor - man kann fast im Wortsinn von Galgenhumor sprechen - der sich durch das Werk von Shostakowitsch zieht.


    Musikalisch (und in einigen Bereichen auch hinsichtlich der Inhalte und Motivationen) sehe ich bei Schostakowitsch eine sehr große Nähe zu Britten. Beide haben Angst und Schrecken des Krieges sowie Gewalt gegen Außenseiter thematisiert, beider Musik hat ein gewisses Maß an Spröde (bzw. Traurigkeit) und erfordert immer wieder den bewussten Verzicht, einen Ton zum "klingen" zu bringen. Diese Passagen sindteils bissig, brutal, peitschend und müssen beim Hören geradezu "weh tun". Sie "klangschön" zu spielen (natürlich gibt es diese Stellen auch, aber ziemlich selten) nimmt ihr das Besondere. Und dann gibt es ja noch das physische Bindeglied Rostropowitsch.


    @ Mikko:
    Bei "Lady Macbeth" vs "Katerina" muss ich passen, persönlich schätze ich die Urfassung aufgrund ihrer Radikalität mehr. Sollten die Aussagen zur "endgültigen Fassung" allerdings zu Lebzeiten Stalins getätigt worden sein, würde ich ihnen eher wenig Gewicht beimessen (da war die Urfassung unaufführbar).


    P.S.: Bei aller Liebe handelt es sich bei Schostakowitsch (und Britten) wohl um Musik des 20. Jahrhunderts, nicht jedoch um "Zeitgenössische Klassik" im Wortsinn. Beide zählen für mich zur "Klasischen Moderne", wie etwa auch Schönberg, Berg, Eisler, Janacek. "Zeitgenössisches" beginnt aktuell wohl bei Komponisten wie Boulez, Berio, Nono, Kagel oder Friedrich Cerha (wobei gerade der wieder zeigt, wie schwierig diese Form der Einstufung ist).

    Ja, Domingos "Simone" ist schon seit längerem geplant - und angesichts der Typologie der Rolle und der Tatsache, dass es relativ wenige Stellen gibt, wo "aufgedreht" werden muss, kann ich mir das sogar recht brauchbar vorstellen.
    Domingo beweist im Übrigen seit Jahren (bald Jahrzehnten), dass man eine qualitativ hochwertige Karriere mit geschickten Rollenwechseln erstaunlich lange fortschreiben kann. Zudem hat er ein erstaunliches Talent, gelegentlich notwendiges vokales Schummeln durch darstellerische Intensität zu kompensieren. Klar, ist er über den Höhepunkt, aber lohnend sind seine Auftritte nach wie vor.



    Zuletzt sah ich übrigens mal wieder Agnes Baltsa in der Staatsoper:
    Carmen sollte sie schön langsam wirklich lassen, detto die Isabella. Allerdings war ihre Küsterin in Jenufa absolut faszinierend - mit den richtigen (neuen) Rollen geht's also noch ein wenig.
    Dazu gehört mit hoher Wahrscheinlichkeit allerdings nicht Klytemnästra - das hat irgendwie nicht überzeugend geklappt (erstaunlich blass). Die Todesschreie (hier: -brüller) waren dann allerdings "Baltsa pur", und haben für einige Heiterkeit am Stehplatz gesorgt.