zum titel:
also graf war harnoncourt nie in seinem leben, da er als österreicher erst nach 1920 geboren wurde.
zum pragmatismus:
als wiener habe ich das glück harnoncourt öfter live hören zu können. ich empfinde ihn sehr wohl als pragmatischen dirigenten. im juni diesen jahres erlebte ich mozarts lucio silla im theater an der wien. das ist wesentlich kleiner als die wiener staatsoper. da hat der concentus musicus auf originalinstrumenten und in eher kleiner besetzung, dem haus angepasst, gespielt. im theater an der wien hatte übrigens mozarts zauberflöte und beethovens fidelio ihre uraufführungen.
vor zwei jahren habe ich den don giovanni in salzburg gesehen (ja der mit der netrebko :-). das grosse festspielhaus ist (nomen est omen) ein sehr grosses haus. da hat harnoncourt die wiener philharmoniker in grosser bestzung dirigiert, wieder dem haus angepasst.
zum repertoire:
persönlich waren für mich die live konzerte von bruckners symphonien unter harnoncourt immer ganz besondere erlebnisse. mit den wiener philharmonikern habe ich die 7te (die auch als CD einspielung vorliegt) und die 4te gehört. mit den wiener symphonikern habe ich bruckners 9te gehört, wobei harnoncourt vor der pause den unvollendeten 4te satz vorstellte (so wie auf der salzburg CD, dort allerdings mit den wiener philharmonikern).
das modernste, dass ich von ihm bisher hörte, war alban bergs violinkonzert mit den wiener philharmonikern und gidon kremer. das 'buch mit sieben siegeln' von franz schmidt kenne ich von ihm nur in der CD einspielung (da hab ich den termin versäumt).
zu den knabenstimmen:
ein knabenchor klingt, trotz gleicher stimmlage, ganz anders, als ein frauenchor. ich vermute, dass die komponisten diesen unterschied bei der komposition berücksichtigt haben. der ersatz eines knaben- durch einen frauenchor, bewirkt also denselben unterschied, wie die aufführung alter werke mit originalen oder mit modernen instrumenten. ich finde beides für zulässig, aber das ergebnis ist anders. persönlich bevorzuge ich daher die knaben.
zur mimik:
wer die möglichkeit hat, harnoncourt live zu erleben, sollte darauf achten, dass er von seinem platz aus seine mimik (zumindest teilweise) sehen kann. ich würde da einmal sogar auf den klang verzichten - ich denke, seine mimik, seine körpersprache, sein einsatz bis fast zur selbstaufgabe würde mir trotzdem einen relevanten eindruck der (nicht gehörten) musik vermitteln.
faun