Master John,
auch ich bin mal über das Label EVEREST gestolpert und habe geschaut, was ich darüber heraus finden konnte. Mein Eindruck: Everest ist ganz sicher ein interessantes Label, das weit mehr als nur Zweitverwertungen betrieb.
Gegründet wurde es 1958 von Harry David Belock, einem musikbegeisterten Ingenieur aus New York. Belock, der in jungen Jahren schon mal als Tontechniker gearbeitet hatte, verdiente viel Geld mit irgendwelchem Elektronik-Kram. Das ermöglichte es ihm später, ein Plattenlabel zu gründen und nach seinem Gusto zu gestalten.
Der professionellen Herkunft des Gründers entsprechend, betrachtete man bei Everest das Thema ‚Aufnahme von Musik’ nicht zuletzt von der technischen Seite her. Belock verfügte über Studio-Equipment von bester Qualität, das er wohl auch noch selbst modifizierte. Offenkundig ging es dem Firmeninhaber um einen höchst möglichen Aufnahme-Standard. Dabei wurden wohl auch keine Kosten gescheut. So nahm Everest – neben Mercury als einziges Label – auf sehr teurem 35-mm-Bandmaterial auf. Der Autor Frank Wonneberg (Das Vinyl-Lexikon) nennt Everest das „erste audiophile Label“.
Dabei war Belock offensichtlich bemüht, Everest neben einer akustischen auch eine optische Identität zu geben. Die Plattencover gestaltete Alex Steinweiss, der früher schon für Columbia tätig gewesen war und dort als Designer wohl als erster überhaupt und schon zu Schellack-Zeiten farbig gestaltete Plattenhüllen entwickelt hatte (über Steinweiss`Platten-Cover gibt es ein Buch: Alex, Steinweiss, Jennifer McKnight, For the Record. The Life and Work of Alex Steinweiss, Princeton 2000). Die Gestaltungen der Everest-Cover waren oft farbenfroh und zeugen durchaus von einer "Label-Identität" – das zeigen ja auch schon die Beispiele in Barbirollis Startbeitrag. Ich persönlich finde z.B. das Cover zur Aufnahme von Coplands „Billy the Kid“ witzig und gelungen.
http://www.jpc.de/jpcng/classi…mphonie-Nr-3/hnum/5304747
Everest hatte scheinbar zwei Probleme: erstens konnte die Pressqualität wohl nicht den Standard der Aufnahmen halten, so dass das Endprodukt nicht das einhielt, was der vorher getriebene Aufwand versprach. Wie es zu diesem Missverhältnis kam, weiß ich nicht.
Zweitens gelang es Everest wohl nie so recht, auf dem amerikanischen Klassikmarkt Fuß zu fassen, was möglicherweise daran lag, dass die bekanntesten Künstler bei anderen Firmen unter Vertrag standen. Everest konnte also kein echtes Zugpferd gewinnen, das exklusiv für die Firma aufnahm. Bereits 1962 gab Belock daher sein Label auf und verkaufte den Katalog.
Programmatisch war Everest zwar breit angelegt. Besonders interessant sind aber sicher die Aufnahmen neuerer amerikanischer Musik von Copland bis Cage. Aber auch die Ersteinspielung von Vaughan Williams Symphonie Nr. 9 erfolgte bei Everest.
Unter Plattensammlern führte Everest lange ein Schatten-Dasein, obwohl es schon seit Längerem einzelne Wiederveröffentlichungen in Vinyl-Format gibt. Es dürfte interessant sein, die Everest-Aufnahmen jetzt ohne die presstechnischen Einschränkungen zu hören.
So, ich hoffe, das war jetzt nicht zu lang und schlaumeierisch...