Beiträge von Gabi

    Ich glaube, seiner ist noch nicht gedacht worden.
    Er ist bis heute einer meiner Lieblingstenöre. Kozub war einst "Haustenor" in Frankfurt, wo er eine Art Superstar war. Bis heute kriegen Leute, die ihn noch live erlebt haben, Tränen in die Augen, wenn die Rede auf ihn kommt - so erlebt im Gespräch mit altgedienten Chor-Mitgliedern.


    Es scheint keine Aufnahmen mehr von ihm zu geben außer einer "Zauberflöte", die noch im Angebot ist. Die wenigen LPs, die er aufgenommen hat, besitze ich zum Glück, und sie sind wahre Schätze. Ich finde seinen "Florestan" einfach unerreicht. Er singt die schwere Partie, die eigentlich den Sänger total strapaziert, als könne er sie anschließend sofort noch einmal singen. Dabei ausdrucksstark und, natürlich, mit strahlender Stimme. Sein Publikum stand buchstäblich auf den Stühlen nach seinen Glanzstücken.


    Jedoch konnte man auch Pech haben, er war nicht unbedingt zuverlässig. Wenn er einen schlechten Tag hatte, war er wirklich schlecht. Aber meistens sang er wie ein Gott. Kozub starb viel zu früh an den Folgen eines schweren Verkehrsunfalls. Wäre ihm ein längeres Leben beschieden gewesen, so hätte er wohl eine Weltkarriere gemacht, wage ich zu sagen.


    Solti war sein Bewunderer und Förderer. Er wollte den "Ring" mit ihm aufnehmen, zu dem es aber aus mir unbekannten Gründen nicht kam. Es verlautete damals nur, Kozub sei "unzuverlässig" gewesen, was auch immer das heißen mag.

    Zitat

    Original von SMOB
    pianoflo



    Das ich nicht lache. Wo wohnst du eigentlich?


    Bach selbst wäre wohl nie auf die Idee gekommen, dass er etwas anderes als ein besonders guter Handwerker war. Es klang ja schon deutlich in den vorangegangenen Beiträgen an, dass das "Genie" mehr oder weniger eine Erfindung des 19 Jahrhunderts ist. Das" Kunstgenie", mit dem wir uns hier beschäftigen, hat wohl Immanuel Kant erstmals definiert.


    Musiker, ob schaffende oder "nur" ausübende, waren zur Zeit Bachs Handwerker wie Bäcker, Schuhmacher etc. auch - sie arbeiteten zumeist auf Bestellung bzw. übten ihr Handwerk dort aus, wo sie dafür bezahlt wurden. Auch Haydn wird von sich selbst eine ähnliche Auffassung wie Bach gehabt haben. Mozart war schon eher von seiner Besonderheit überzeugt, und schon gar Beethoven, der ja bekanntermaßen den Respekt vor dem Künstlergenie für plausibler erachtete als der vor dem Adel.


    Ich meine, dass auch das Selbstbild, geprägt von der Auffassung der Zeit, eine Rolle spielt, warum z.B. Haydn uns weniger genial erscheint als etwa Schumann. Goethe und Schiller beispielsweise waren beide von ihrem Genie überzeugt. Das merken wir heute noch. 8)

    Weniger ein Lieblingsgedicht als ein Schmunzelstück wegen der Aktualität:


    Kurt Tucholsky schrieb schon 1930 in der „Weltbühne“ folgendes:


    Wenn die Börsenkurse fallen,
    regt sich Kummer fast bei allen,
    aber manche blühen auf,
    ihr Rezept heißt Leerverkauf.


    Keck verhökern diese Knaben
    Dinge, die sie gar nicht haben,
    treten selbst den Absturz los,
    den sie brauchen – echt famos!


    Leichter noch bei solchen Taten
    Tun sie sich mit Derivaten:
    Wenn Papier den Wert frisiert
    Wird die Wirkung potenziert.


    Wenn in Folge Banken krachen,
    haben Sparer nichts zu lachen,
    und die Hypothek aufs Haus
    heißt, Bewohner müssen raus.


    Trifft´s hingegen große Banken,
    kommt die ganze Welt ins Wanken –
    auch die Spekulantenbrut
    zittert jetzt um Hab und Gut!


    Soll man das System gefährden?
    Da muß eingeschritten werden:
    Der Gewinn, der bleibt privat,
    die Verluste kauft der Staat.


    Dazu braucht der Staat Kredite
    Und das bringt erneut Profite,
    hat man doch in jenem Land
    die Regierung in der Hand.


    Für die Zechen dieser Frechen
    Hat der Kleine Mann zu blechen
    Und – das ist das Feine ja –
    Nicht nur in Amerika!


    Und wenn Kurse wieder steigen,
    fängt von vorne an der Reigen –
    ist halt Umverteilung pur
    stets in eine Richtung nur.


    Aber sollten sich die Massen
    Das mal nimmer bieten lassen,
    ist der Ausweg längst bedacht:
    Dann wird bisschen Krieg gemacht.

    Für mich ist die Achte ein überaus gelungenes Beispiel für Humor in der Musik, was meiner Meinung nach sehr schwer und ziemlich selten ist. Das Thema wäre auch einen eigenen Thread wert.


    Ich habe die schon erwähnte Norrington-Einspielung (aller Beethoven-Symphonien), die mir gut gefällt. Scherchen werde ich mir auf Anregung der hier vertretenen Experten noch anschaffen - ich kenne diese Aufnahme noch nicht.


    Was Beethovens Lebensumstände zur Zeit der Komposition anbelangt, so finde ich bemerkenswert, dass diese eben NICHT sichtbar bzw. hörbar werden. Ist es nicht geradezu ein Kennzeichen klassischer Künstler, dass individuelle Seelenzustände, wenn überhaupt, so in sublimierter Form erscheinen?! Das mag jetzt etwas zu holzschnittartig formuliert sein, aber darin unterscheidet sich Beethoven doch gerade von den Romantikern.


    Bei Beethoven lohnt es sich, seine heiteren Stücke am Lebenslauf zu vergleichen. Er war imstande, seine unbeschwerteren Stücke gerade dann zu schreiben, wenn ihm ganz anders zumute gewesen sein sollte. Auch das ist eine Form der Verarbeitung persönlicher Probleme.

    Zitat

    Original von Wulf


    Das "keinste" habe ich fett hervorgehoben um mal einen ebenso "logisch falschen" Superlativ aufzuzeigen, der sich dennoch sprachlich etabliert hat und heute kaum noch zu Protesten führt. Sprache ist eben lebendig. :yes:


    :hello:
    Wulf


    Das hab ich schon verstanden. "Keinster" ist ja doch wohl auch eher lustig gemeint, ähnlich wie so ein Ausdruck wie "nichtsdestotrotz". Ich hoffe das doch... ;)


    Vielen herzlichen Dank! Ich sehe das schon - aber ich kann damit umgehen.

    Zitat

    Also entweder trägt er an seiner Frisur selbst Schuld (was ihm m.E. nicht zum Vorteil gereicht), oder es wird mal wieder krampfhaft versucht, sich mittels optischer Bootschaften an die "Generation doof" anzubiedern - von dero männlicher Belegschaft ca. 90% mit diese ästhetisch fragwürdigen Kamm-Frisur durch die Gegend stolzieren. Prdäikat: besonds widerlich.


    Das Forum ist eine Fundgrube! Hoffentlich habe ich auch mal die Ehre.... :yes: :]

    Zitat

    Original von Accuphan


    Hallo Gabi, freut mich, dass meine "Anmaßung" gepasst hat.
    Hätt isch vorher gesehe, dass Du aus Offebach kimmst, isch hätt mir's vielleischt nochema annerst überleescht, gelle! :D


    Grüße nach OF
    Accuphan


    Aber Du bist doch gar kein Frankfurter?!

    Ihr Lieben,
    ich bin begeistert, dass ich soviel Feedback mit meiner Meinung auslösen konnte.


    Danke, Accuphan, fürs Einspringen. Du hast mir viel Arbeit abgenommen - danke dafür! Ich stimme total mit dem überein, was Du hier darlegst. Ich könnte das nur so oder so ähnlich wiederholen. :yes: :]

    Zitat

    Original von gyokusai


    Ja, dieser Frage und auch dieser Einschätzung würde ich mich einhundertprozentig anschließen wollen. Neben dem, was Du unter „maniriert” verstehst, Gabi, fände ich es auch interessant zu erfahren, was genau Du mit „deutsches Liedgut“ meinst und in welchem Verhältnis es für Dich zum Kunstlied steht (und dem Gefallen, den Fischer-Dieskau ihm getan hat oder nicht)?


    Grüße,
    ^_^J.


    Das "deutsche Liedgut" war ein leicht ironischer Begriff. FiDi hat es irgendwie fertig gebracht, sich als DER Liedsänger zu etablieren und ist als solcher bis heute legendär bis hin in die asiatischen Länder. Ich finde, dass sein Vortag wenig mit dem Geist der Romantik zu tun hat und so tut es mir leid, dass z.B. Japaner dies nun womöglich dafür halten. Insofern hat er dem romantischen Lied keinen Gefallen getan - in meiner Meinung. :)

    Zitat

    Original von Herbert Henn
    Hallo Gabi,
    das ist ja eine Interessante Meinung über den wahrscheinlich
    bedeutensten Liedersänger, den man auf Tonträgern hören kann. Für den großen Begleiter Gerald Moore, wie viele andere Pianisten ist Fischer- Dieskau der bedeutenste Liedinterpret, der uns auf Tonträgern überliefert ist, der selben Meinung bin ich auch. Was verstest Du denn unter manieriert ?


    :hello:Herbert.


    Herbert, den Begriff habe ich von einem der FiDi-Kritiker übernommen. Ich meine damit das Getue, das mit Ausdruck und Gesang nun überhaupt nichts zu tun hat. Es soll wohl eher - wie auch schon ein Vorredner bemerkte - gesangliche und stimmliche Mängel verdecken bzw. davon ablenken.


    Sicher ist FiDi auch bedeutend, und zwar insofern, dass er das Lied wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt hat. Ich kenne einige frühere Opernaufnahmen mit ihm und weiß daher, dass er eine sehr schöne Stimme hatte und durchaus ein guter Sänger war. Daher bin ich fast sicher, noch bevor ich sie gehört habe, dass seine frühen Liedaufnahmen viel besser sind als das, was er später produziert hat.


    Bei "Bedeutung" verlasse ich mich doch lieber auf mein Gehör und weniger auf den Ruf. Das sollte man doch im wirklichen Leben auch so halten, oder? ;)

    Das ist aber mal eine interessante und informative Unterhaltung! Angeregt davon hörte ich mir Winterreisen-Ausschnitte von Bostridge und Pears an, deren Aufnahmen ich noch nicht kannte.


    Während Bostridges frische und schlichte Art des Vortrags sehr wohl Gefallen finden kann, verstehe ich die geäußerte Begeisterung für Pears überhaupt nicht. Er macht sehr komische Sachen mit seiner Stimme, nur vereinzelt schöne Töne, meistens knödelt er. Da kann ich nicht lange zuhören!


    Denjenigen, die FiDis Manierismus und ausdrucksloses Getue beklagen, möchte ich ausdrücklich zustimmen. Meiner Meinung nach hat er dem deutschen Liedgut keinen Gefallen getan. Allerdings kenne ich die hier auch besprochenen frühen Aufnahmen von ihm (noch) nicht. Einstmals hatte er ja durchaus eine schöne Stimme, die ihm aber leider zu früh abhanden gekommen ist.

    Ich kann da meine Vorrednerin nur unterstützen! Jeder, auch der Experte, kann hier im Austausch der Meinungen und aus den kleinen Essays noch etwas dazulernen. Und darum geht es uns allen doch, oder?


    Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand über den Charakter und das Niveau dieses Forums im unklaren war, als er sich hier beworben hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Leute hier anmelden, bevor sie eine Weile hier herumgelesen haben. :)

    Das Thema Scheidung wird in diesen Betrachtungen mehrfach erwähnt, aber nicht wirklich adäquat berücksichtigt. Man muss einbeziehen, dass es zwar die Scheidung gab, diese aber für eine Frau durchzusetzen unendlich schwierig war. Wenn der Mann sich weigerte, hatte sie schlechte Karten.


    Auch beachte man, dass vor den 1870er Jahren, in denen durch die Bismarckschen Reformen nach und nach die weltlichen Standesämter eingeführt wurden, Ehe und Scheidung den Kirchen oblagen. Natürlich anerkannten die Kirchen nur ganz bestimmte Gründe, die zu einer Scheidung führen konnten. Z. B., wie ich aus der eigenen Familiengeschichte weiß, Kinderlosigkeit, die natürlich der Frau angelastet wurde.


    Schließlich gilt es zu berücksichtigen, dass die Stellung der Frau in der damaligen Zeit von einer aus heutiger Sicht geradezu unfassbaren Belanglosigkeit war. Eine geschiedene Frau war gesellschaftlich tot; jedenfalls hat sie noch mehr Nachteile in Kauf nehmen müssen als in einer unglücklichen Ehe. Clara Schumann konnte und wollte sich das gewiss nicht leisten.


    Andererseits waren es Frauen wie Clara Schumann, die bewiesen, dass Frauen ebenso talentiert sein konnten wie Männer.


    Ihre Haltung zu ihren Kindern - es ist gar nicht schwer nachzuvollziehen, dass die ständigen Schwangerschaften mehr ein Hindernis als eine Freude für eine solche Künstlerin waren, wie es in einigen Beiträgen ja schon anklang.


    Die Älteren unter uns wissen noch, dass in unserer Kindheit nicht so viel Aufhebens um die lieben Kleinen gemacht wurde wie heutzutage. Wieviel schlimmer war es 100 Jahre zuvor! Man war ja gerade erst dabei zu entdecken und zu erforschen, dass Kinder keine Miniatur-Erwachsenen sind, sondern in ihrer eigenen seelischen Welt leben. Wie überhaupt die menschliche Psyche (und ihre Erkrankungen) noch weitgehend Neuland war. Die Psychologie und Psychiatrie sind relativ junge Wissenschaften. Im Umgang miteinander und erst recht mit Kindern ist jede Zeit vor uns viel brutaler und gedankenloser gewesen.


    Obwohl - heutzutage gibt es das immer noch viel zu oft. Manche Brutalitäten sind auch nur subtiler geworden. Aber das ist ein anderes Kapitel. Was ich sagen möchte, ist, dass der sog. "Zeitgeist" und die Lebensbedingungen der Menschen unbedingt im Vordergrund aller Überlegungen stehen sollten, wenn wir denn ein Urteil über Menschen wagen wollen, denen wir nie begegnet sind.