Zum wiederaufgelebten Thread "Cavalleria - CD-Empfehlungen:
wie bereits an früherer Stelle erwähnt gibt es von diesem Werk eine große Anzahl von guten bis sehr guten Aufnahmen.
Wie immer entscheidet bei der Auswahl vor allem der persönliche Geschmack - manchmal auch die "Tagesform".
Ich bin nun einmal ein Anhänger historischer Schellack-Aufnahmen , die bei zugegeben deutlich schlechterer Tonqualität oft authentischer und packender wirken.
Gerade die Opern des Verismo sind m.E. hervorragend auf Schellackplatten repräsentiert , wohl auch deshalb, weil schon bald nach der Uraufführung der Cavalleria (1890) etwa ab 1900 der Siegeszug dieses Mediums einsetzte.
Der weltweite Aufschwung der Schellackplatte ist natürlich untrennbar mit dem Namen Caruso verbunden , der auch aus dieser Oper die berühmten Turiddu-Szenen (Ständchen,Trinklied und Abschied von der Mutter) aufgenommen hat.
Interessanterweise war Caruso mit den Mascagni-Aufnahmen im Gegensatz zu den "Pagliacci"-Einspielungen eher zurückhaltend (die Canio-Szene "Vesti la giubba" war ja sein erklärtes Lieblingsstück , das er gleich mehrfach aufgenommen hat).In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt , dass Caruso in keiner einzigen Opern-Gesamtaufnahme vertreten ist.
Im Folgenden erwähne ich nur die Schellack-Gesamtaufnahmen in der Originalsprache (die deutschen , englischen und französischen Versionen lasse ich beiseite)
Die erste (gekürzte) Cavalleria entstand 1907 unter Carlo Sabajno quasi als "Pasticcio" - d.h. eine Rolle wurde z.T. von zwei Sängern dargestellt, damals übrigens auch bei anderen Operngesamtaufnahmen übliche Gepflogenheit.
Die Darsteller:
Santuzza
- Clara Joanna , Maria Passeri
Turiddu - Gennaro De Tura
Alfio - Renzo Minolfi , Francesco Cigada
Lola - Ines Salvador , Maria Alexina
Lucia - Nina Rambelli
Diese Aufnahme existiert meines Wissens noch auf keiner CD-Einspielung.
Ich selbst besitze auch nur einzelne Schellackplatten davon und bin gerade dabei, die Sammlung nach und nach zu vervollständigen.
1915/16 entstand dann die von mir bereits im vorangehenden Beitrag erwähnte "echte" Gesamtaufnahme wiederum unter Carlo Sabajno . Besetzung siehe im vorangehenden Beitrag . Eine CD (wohl Privataufnahme) ist bei "Forgotten Opera Singers" erhältlich.
Die beiden genannten Einspielungen sind "akustische" Aufnahmen über Schalltrichter - die nun folgenden sind bereits "elektrische" Aufnahmen über Mikrophon, das etwa ab 1927 eingesetzt wurde.
1929/30 war es erneut Carlo Sabajno mit Chor und Orchester der Scala der jetzt eine Einspielung mit "moderner" Aufnahmetechnik vorlegte.
Der Vorteil der neuen Technik war , dass jetzt Chor und Orchester in beliebiger Stärke eingesetzt werden konnten. Ferner war es von da an auch möglich , Sänger mit "kleineren" Stimmen effektiv einzusetzen.
Carlo Sabajno hat übrigens ein auch für heutige Verhältnisse immenses Werk an Gesamteinspielungen der wichtigsten italienischen Opern von Rossini, Donizetti , Verdi , Mascagni , Leoncavallo und Puccini , einer Gesamtaufnahme von "Carmen" und einer Unzahl von einzelnen Arien und Szenen (anfangs auch als Klavierbegleiter)
hinterlassen.Die Aufnahmen erfolgten anfangs bei "Gramophon Concert- bzw.Monarch Records" , später bei "HMV" bzw. "Electrola"
Hier liegen auch CD-Einspielungen vor
Santuzza
- Delia Sanzio
Turiddu - Giovanni Brevario
Alfio - Piero Biasini
Lola - Mimma Pantaleoni
Lucia - Olga de Franco

Cantus Classics CACD 5.00939 F (2007) Außerdem bei Arkadia 78046
1930 folgte eine weitere Gesamtaufnahme unter Lorenzo Molajoli bei "Columbia"
Lorenzo Molajoli war der große Konkurrent Sabajnos und zwischen 1928 und 1932 ähnlich aktiv wie dieser.
Auch er legte eine große Zahl an Opern-Gesamtaufnahmen sowie einzelne Querschnitte vor.
Ihm standen ebenfalls die Kräfte der Mailänder Scala zur Verfügung.
Santuzza
- Giannina Arangi-Lombardi
Turiddu - Antonio Melandri
Alfio - Gino Lulli
Lola - Maria Castagna (Marou Falliani)
Lucia - Ida Mannarini

Cantus Classics CACD 5.00964 Auch bei Preiser Records 90042 {1CD}
1940 schließlich kam bei Victor unter der Leitung von Mascagni selbst die letzte Schellack-Gesamtaufnahme heraus.
Auch er leitet hier Chor und Orchester der Mailänder Scala.(Diese Aufnahme wurde im Thread bereits früher genannt)
Mascagni selbst spricht auf der ersten Seite dazu die einleitenden Worte.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt , dass Mascagni 1927 mit dem Orchester der Staatsoper Berlin auf Odeon das Orchestervorspiel und das Intermezzo aufgenommen hat.
Santuzza - Lina Bruna Rasa
Turiddu - Beniamino Gigli
Alfio - Gino Bechi
Lola - Maria Marcucci
Lucia - Giulietta Simionato

Wie bereits in meinem vorangehenden Beitrag erwähnt , ist meines Erachtens die Sabajno-Aufnahme von 1915/16 die überzeugendste.
Sie ist an Dramatik und Geschlossenheit kaum zu überbieten und das Duett Santuzza - Turiddu stellt den absoluten Höhepunkt dar.
Hier wird Bühnenpräsenz vermittelt und wie sich Ermolli und Tuminello zuletzt ihre Hasstiraden zuwerfen wurde auch in späteren Einspielungen (trotz Callas , Baltsa , di Stefano, Bergonzi, del Monaco u.s.w.) nie mehr erreicht.
Die von Mascagni selbst geleitete Aufnahme fällt trotz aller Qualitäten mit ihren breiteren , manchmal fast behäbigen Tempi gegen die anderen Schellackaufnahmen deutlich ab.
Dieses Phänomen ist ja auch bei anderen Komponisten , die eigene Werke spielen bzw. dirigieren, durchaus bekannt
(z.B. Rachmaninoff , Stravinsky , R. Strauss u.s.w.) . So soll auch der Geiger Gerhard Taschner bei der Probe zu Fortners Violinkonzert dem Komponisten zugerufen haben "Was verstehst du denn von deiner Musik !"
Ein besonderer Genuss - wenn auch ein aufwändiger - ist das Abspielen der originalen Schellackplatten auf dem Grammophon.
Obwohl nach 2 bis 4 Minuten ein Wechsel der Plattenseite und der Nadel erforderlich ist und das Federwerk des Grammophons neu aufgezogen werden muss , stellt sich ein ganz besonders Hörerlebnis ein.
Eine derartige "Aufführung" muss allerdings wegen des Aufwandes und zur Schonung der Platten besonderen Anlässen vorbehalten bleiben.
Ansonsten ist natürlich eine sorgfältig und nicht zu stark bearbeitete CD (wie bei Naxos Historical durch Ward Marston) für wiederholtes Abhören durchaus geeignet.
Viele Grüße
Santoliquido