Beiträge von Engelbert

    Reinhard Keiser [1674-1739]


    DER GELIEBTE ADONIS
    Singspiel in drei Akten


    deutsch gesungen


    Libretto von Christian Heinrich Postel nach Ovids Metamorphosen


    Uraufführung: 1697 in Hamburg, Oper am Gänsemarkt


    Dauer: etwa 217min.



    Charaktere:

    Venus – Sopran

    Adonis – Tenor

    Eumene – Sopran

    Dryante – Sopran

    Philistus – Tenor

    Gelon – Tenor

    Proteus – Bass

    Mars – Bass


    Das Geschehen spielt im antiken Griechenland


    Dokumentation:

    LABEL: cpo

    Einspielung 1999 mit der Capella Orlandi Bremen

    unter Thomas Ihlenfeldt



    HANDLUNG

    OUVERTÜRE


    Erster Akt:

    In der Kostümierung einer reizenden Schäferin sitzt Venus auf einer Wolke und lässt sich vom Westwind geschwind dahin treiben, wo ihre Gedanken sich gerade aufhalten. Die huldreiche Glut holdseliger Flammen sind ihr lieber als Nektarsaft; im Moment sehnt sie sich danach was ihren Augen Vergnügen schafft. Komm geliebter Adonis, lass Dich blicken; der Liebe Lustgewinn wird Deine Belohnung sein!

    Venus fordert: Proteus soll an den Strand kommen und ihr kurz und bündig erklären, wie es mit ihrer Liebe zu Adonis weitergeht. Die Wellen sollen den Göttlichen an den Strand treiben, damit er sie mit ihrem Geschick bekannt macht. Es rührt sich schon der Wellen blauer Rücken, doch sie muss ihn nicht gleich erblicken. Proteus hat die Erscheinungsform eines Delphins gewählt, kann aber, wenn er in gereizter Stimmung ist, sich auch in einen Löwen oder Tiger verwandeln. Wenn sie sich Hoffnung auf süße Nahrung macht, will er ihr auch als Blumentöpfchen vorkommen.

    Da die Liebe oft nur ein Schatten ist, nützt auch eine List nichts. Jupiter lässt Proteus manchmal wissen, wem er es zu besorgen hat. Ihr Gesicht hat er bisher absichtlich gemieden. Jetzt kommt er ihr mit seiner Weisheit: Der Liebe Lust wird ihr das Herz brechen. Adonis erlangt Unsterblichkeit und Du verlangst sterben zu können. Doch er soll es vermeiden, auf die Jagd zu gehen. Es ist wichtig für seine Gesundheit, dass er sich den Satz merkt.

    „Was das Verhängnis auserseh'n,

    kann nie geändert werden.

    im Himmel und auf Erden.

    Es muss gescheh'n,

    was das Verhängnis auserseh'n.

    Venus misst dem Schwätzer keine Bedeutung bei. Was kann ihr und ihrem Glück schon passieren? Sie bittet ihn „Liebster, Lass Dich umfangen“, Adonis antwortet: „Gib mir Deine schönen Wangen!“

    Ein ungleiches Paar ist es, welches glaubt füreinander bestimmt zu sein. Sie ist eine Göttin und er ein schöner Sterblicher. Kann das gut gehen?

    Venus ist aber nicht die einzige, die hinter dem schönen Schatz her ist. Eumene ist es ebenfalls und gibt sich selbst Zuspruch. Getrost mein Herz, du darfst jetzt nicht verzagen! Der Schäfer Philistus ist ebenfalls in das Mädchen verliebt und erbittet sich vom lustigen Gelon einen Rat, wie er ans Ziel kommen kann. „Vor der Liebe soll er sich hüten, wie vor der Pest. Die Plage erneuert sich täglich.“

    Sein Rat heilt seine Schmerzen nicht. Ihr schöner Mund und ihre holden Wangen halten ihn gefangen; ihre perlenreiche Schwanenbrust lassen ihn pendeln zwischen Angst und Lust. Gelon will ihm alsbald das beste Lamm seiner Herde schenken. Es ist so fromm und so weich wie seine Eumene. Wenn es älter wird so kann er es auch schlachten und am Bratspieß schwitzen lassen.

    Bei ihm ist alle Kunst verloren. Die Liebe macht aus klugen Leuten Toren. Die übrigen Schäfer melden sich zu Wort. „Was rührt sich da, das muss ich wissen. Ein neues Paar vom Liebeswurm zerbissen.“

    Mars und Venus sind eigentlich seit langem miteinander verbunden. Mars findet ihre Augen schön und sie behauptet, dass sein Blick ihr wie Himmelschein vorkommt. Beide trauen sich gegenseitig nicht über den Weg. Er behauptet, dass ein stolzer falscher Schein in ihr wohnt und sie setzt dagegen, dass er immer trotzen muss. Verblendet sei er durch Eifersucht, Aber nur, wenn ihre Untreue den Samen dazu ausgestreut hat. Wenn es ihm gelingt, seinem Geist Ruhe zu verordnen, will sie ihm ihr Herz weihen. Gelon, der mitgehört hat, findet beider Ausführungen absolut erlogen. Mars beklagt, dass nur ihr Mund ihn liebt, aber ihre Taten ihn hassen. Sie verspricht, ihn in Zukunft nur zu lieben ganz allein. Wenn das stimmt, dürfte sie kein Weibsbild sein. Es bleibt dabei, Treue allein sei ihm versprochen. Gelos kommentiert: und morgen ist sie von beiden schon gebrochen.

    „Und wenn ein Weib vom Himmel fiel,

    so hat sie ihre Nücke,

    die Schmeichelei, der süße Mund

    ist ohne Grund, Betrügen ist ihr bestes Spiel,

    ihr Lachen ist voll Tücke.

    Sie sind nach einer Art gesinnt

    und wären sie wie Engel.

    Heute heißt es: mein Herzenskind

    und morgen, grober Bengel.

    Dryante, genau so verschlagen, malt sich aus, wenn Venus dem Mars treu ist, kann sie mit Adonis glücklich sein. Neben Eumene ist sie eine weitere Nymphe, die es auf den Schönling abgesehen hat. „Auf, auf, mein Geist die Hoffnung lacht, keine Sorgen sollen sie kränken. Ihr Herz wird sie jetzt zum Geliebten lenken, der einzig sie vergnügen kann.

    Ein weiterer Schäfer, der sich Philistus nennt, ist in Eumene verliebt, aber sie nicht in ihn. Bei ihm soll Treue ihren Preis behalten, beteuert er und bietet seine konstante Haltung als Vorzug an. Dryante wirft sich Adonis an den Hals, hat aber keine Erfolgschancen. Amor treibt sein wüstes Spiel. Während Eumene dem Adonis nachweint, türmt sich bei der bisher zuversichtlichen Dryante ein gigantischer Hass auf. Sie fragt zurück, ob Adonis keinen Trost für sie hat? „Wer weiß, er weiß, es kommt die Zeit.“

    Ei, welch ein scheußliches Angesicht kann ein erzürntes Mädchen machen!


    Zweiter Akt:

    Adonis sucht in einem angenehmen Tal Entspannung, in welchem in der Mitte ein Bach rinnt. Ein Präludium unterstreicht die Lieblichkeit des Ortes, den sein Geist sich zum Sitz erkoren hat. Liebe und Furcht haben sich gegen ihn verschworen und er hofft, hier endlich die ersehnte Ruhe zu finden. Sein Herz, welches hofft und liebt, möchte nach reichlich Verdruss Trost finden und endlich genießen. Er lässt sich im Schatten nieder und versucht Ruhe zu finden, nachdem Morpheus seine Augenlider benetzt und sich wundersüßer Schlummer über ihn senkt.

    Seine Gedanken sind bei seiner Göttin. Die Schöne, die fern weilt, soll sich im Schatten zeigen. Der Engel soll behende herbeieilen und die Seufzer, die er aussendet, beenden. Adonis ist schon eingeschlafen, als Venus sich nähert. Angenehm sind die Rosen, deren Blätter in Zucker getaucht sind, den Nektarsaft rinnen lassen und seelenerquickenden Balsam aushauchen. Endlich erwacht Adonis. Während er den Geist durch Schlaf beruhigt, hat Morpheus auch den Mund mit Honig erquickt. Endlich erwacht Adonis. Hat nicht ein Kuss von ihrem Mund ihn erweckt. Ah, gewiss war es ein Liebespfand, das nach Himmel schmeckt.

    Venus und Adonis singen traumversunken ein Duett:

    „Der Himmel schreibt der Treue Bund

    ins güldne Buch der Sterne.

    So kann die Welt,

    was Lieb in sich geschlossen hält,

    aus unserer Flamme lernen.

    Ihr Himmel schreibt der Treue Bund

    ins güldne Buch er Sterne.“

    Unverhofft taucht Mars auf: „Finde ich Dich hier, verfluchter Hund und auch Dich, Du Tochter der leichten Wellen. Adonis jammert, dass es ihm schlecht ergehen wird. Venus will ihm schon Sicherheit bestellen! Die Göttin lässt eine dicke Wolke wie einen Nebel aus der Erde aufsteigen. Ihren Adonis verbirgt sie darin, dass er dem Mars entrinnen kann. Mars merkt erst jetzt die treulosen Absicht. Wohlan, an der Rache wird er sich vergnügen. Venus entgegnet, dass kein Trotz, sondern nur Sanftmut sie besiegen kann. Sein Zorn erwacht und die Furien sollen kommen, um die Fackeln ihrer Höllenwut zu entzünden. Was Eifersucht aus verschmähter Liebe bewirkt, sollen sie erfahren.

    „Lasst die Flammen sich fügen zusammen. Die Grausamkeit, welche der Hölle verwandt, rast und wütet gereizte Triebe verachteter Liebe, steckt die zitternden Adern in Brand.“

    Dryante rätselt, was den Himmel so erbittern kann, dass vor solcher Wut auch die Berge erzittern. Mars schimpft, mit Falschheit wird ihm immer alle Gunst belohnt. Er soll Trost bei Dryante suchen, rät diese, da sie das gleiche Unglück getroffen hat. Nur Rache kann seine Wut trösten. Auf Rache sinnt auch ihr verletzter Mut.

    Adonis soll erblassen! Dryante überlegt, was er mit ihm vorhaben könnte und sie es geschehen lassen soll. Schließlich überlegt sie es sich anders. Er soll sich ruhig auf ihn stürzen, sie wird ihm zur Seite stehen. Nur die Rache kann Vergnügen bereiten.

    „Wenn Liebe sich verstoßen sieht,

    so kann sie nichts als Hass gebären.

    Nur Rache allein kann Trost gewähren

    vor ein verletztes Gemüt,

    wenn Liebe sich verstoßen sieht.“

    Gelon hat lange nichts gesagt, jetzt schimpft er auf die Liebe. Possen sind es und bleiben immer Possen. Hinterher merkt man, dass man sich das Maul mit heißer Grütze verbrannt hat und erkennt, was die närrische Liebe aus einem macht. Nein, er wird sich keine Frau nehmen.

    Eumene ist in poetischer Stimmung:

    „Bunte Blumen, frische Kräuter

    Zweige mit Smaragd belaubt.

    Sonnenstrahlen bleibet heiter,

    dass kein Sturm die Blätter raubt.

    Bunte Blumen frische Kräuter

    Zweige mit Smaragd belaubt.

    Das Mädchen wird von Philistus eindringlich umworben. Er bittet dass ihre Hand ihm seine Ruhe schenken möge. Er hält jetzt die Hand, doch nicht das Herz dazu.

    Venus fragt die Runde, in welcher Lust sie den Tag beschließen wollen. Eumene möchte, dass ihr Herz vergnügt genießen soll. Den Philistus bedrückt Amor mit seinen Pfeilen. Mit solchen will auch er dem Wald zueilen. Um mit Vorstellungen von erlegten Löwen und Panthertieren seiner Schönen zu imponieren.

    Venus fragt Adonis nach seiner Meinung. Sie soll ihm vergönnen, dass auch er sich an der Jagdlust widmen darf. O Himmel, nein! Sie erinnert sich der Weissagung de Proteus. die Jagd hat er meiden. Sein Unglück grünt auf jedem Ast, auf jedem Kraut wächst sein Verderben. Will sie ihn etwa im Müßiggang sterben lassen? Er soll alle Lust suchen, nur die Jagd soll ihm verhasst bleiben. Adonis will sich von der Liebsten keine Vorschriften machen lassen und bittet Philistus voranzugehen, er wird folgen! Venus lamentiert, dass er ihr den Liebsten rauben würde.

    Sie gibt ihm noch gute Ratschläge mit auf den Weg, aber ihr bebendes Herz ist in Angst. Nur gezwungenermaßen gibt sie die Zustimmung, doch er soll sich nicht hinreißen lasen, Löwe. Bär oder ein wildes Schwein zur Beute auszuwählen. Das bestimmt er noch selbst, was sein Pfeil treffen soll. Sie lässt ihn schweren Herzens ziehen, doch ihr Geist wird ihn in den Wald begleiten. Das Abschiednehmen will kein Ende finden.


    Dritter Akt:

    Dryante legt sich mit Amor an:

    „Sag, Amor, wo bist du erzogen? Dein Ursprung soll der Himmel sein. O, wahrlich nein! Du hast

    in Orcus' Schwefelkluft die erste Luft gesogen. Sag Amor, wo bist Du erzogen?“ Dryante klagt über das Unglück ein Weibsbild zu sein mit nur schwach entwickelten Sinnen, obwohl ihr Herz mit Löwenmut gefüllt ist. Warum muss sie in den Ketten ihrer Weiblichkeit gefangen sein, aus denen nur Verzweiflung sie aus ihrer Not erretten kann. „Auf, auf, mein Geist und säume nicht, du hast nichts mehr zu scheuen! Weil Liebe mir die Luft abspricht, soll Wüten mich erfreuen.“

    Mars kommt zur rechten Zeit vorbei, denn nach all dem Herzeleid, welches ihm ständig widerfährt, hat Dryante ihm nun einen Vorschlag zu machen. Er soll sich sogleich auf die Jagd begeben und sich zum Adonis verfügen und ausüben, was Rache und Zorn ihm raten. Die Nachricht kommt zur rechten Zeit, nun soll sie erkennen, dass Jupiter ihn gezeugt hat. Denkt er nicht, wenn er dem Adonis ans Leder will, dass Venus zu seinem Schutz sogleich zur Stelle ist? Nein, er selbst wird sich in ein wildes Tier verwandelt und Adonis töten - dem Himmel zum Trotz. Die Rache, ihre höchste Lust, soll kommen, Dryante fiebert ihr entgegen.

    Mars stellt Überlegungen an, welche Gestalt er annehmen sollte. Welche Bestie ist am besten geeignet, sein Verlangen zu erfüllen? Alle Tiere liegen der Liebesgöttin unterwürfig zu Füßen und würden ihre Partei ergreifen

    Der Löwe ist ihr gewogen und der Wolf wird sich wehren. Das Feuer des Drachen hält die Listige klein. Der Bär ist mit Honig zu ködern und mit schnellem Fuß entfernt sich der Tiger. Der Stier steht auf Seiten Jupiters. Aber das wilde Schwein hat mit zarten Gefühlen nichts im Sinn, es ist der Diana geweiht. Zur Linderung seiner Pein entscheidet Mars ein wilder Eber zu werden und reinen Tisch zu machen. Er versucht, sich mit Cupido zu verbrüdern:

    „Cupido sei verschworen,

    die Raserei erkoren,

    der Zorn ist meine Lust

    und Vergnügen in seiner Brust.“

    Eumene ist pessimistisch gestimmt und kennt nur ihre Sichtweise:


    „Ein schneller Wind ist Amors Heucheln,

    ein schneller Wind ist seine Gunst

    Seine Blicke sind voll Tücke

    er zeigt sich zwar dem Glücke,

    doch ist's nur leichter Schaum und Dunst.“

    Venus bläst in das gleiche Horn:

    „Nichts als ein Traum sind Amors Freuden,

    nichts als ein Traum ist seine Lust.

    Die im Herzen scheint zu scherzen

    und doch nur Schmerzen,

    nur Jammer und Leiden

    fließt in die Brust.

    Nichts als ein Traum

    sind Amors Freuden,

    nichts als eine Traum ist seine Lust.“

    Dryante hat auch eine eigene Meinung:

    „Wer mag Amors Sklave werden,

    wenn er nichts als Ketten schenkt?

    Er verdoppelt die Beschwerden,

    wie er einst den Geist beschränkt.

    Und doch, weil der Kreis der Erden

    von dem Buben wird gelenkt,

    muss man Amors Sklave werden,

    wenn er auch nur Ketten schenkt.“

    Wie ein Donnerschlag platzt die Nachricht von Philistus in die Gesellschaft herein, dass Adonis tot ist. Er liegt am Boden vom Blute rot. O Marterwort! O Seelenpein! o Herzensqual!

    Venus hält Rückfrage: „Wodurch ist er so schleunig doch erblasst?“ Philistus antwortet: „Ein schäumend Schwein hat wütend ihn gefasst.

    Die drei Damen haben Mühe, sich zu fassen: Venus trauert, dass keine Not ihrem Unglück gleicht und Dryante und Eumene werden blass und fragen, ob es einen Schmerz gibt, der so groß ist, wie ihre Pein. Venus antwortet: Mein Jammer kann es sein.

    Die Jäger bringen seinen Leichnam. Gelon möchte Einzelheiten erfahren, wie Adonis in Bedrängnis kam und Philistus gibt zu Protololl, was man schon bekannt ist, dass ein wildes Schwein ihn erwürgt hat. Die schelmische Sau soll verrecken. Er wird in Zukunft keinen Schinken mehr essen!

    Der lustige Gelon hat nur Mädchen im Kopf:

    „Ein Mädchen ist wie Wind,

    der bald aus Osten wehet,

    bald nach Westen drehet,

    bald ganz und gar verschwindt.

    Ein Mädchen ist wie Wind.

    Ein Mädchen ist wie Spreu

    wie leichte Röhre wanken

    so kann sie die Gedanken

    verändern ohne Scheu.

    Ein Mädchen ist wie Spreu.

    Ein Mädchen gleicht dem Traum.

    Steht abends sie in sorgen,

    so warte nur, am Morgen

    erinnert sie sich kaum.

    Ein Mädchen gleicht dem Traum."

    Die Schäfer und Nymphen haben Adonis auf ein Lager mit weißen Rosen gebettet und fordern sich gegenseitig auf, den Toten zu beklagen. In übergroßer Trauer weint Venus, dass sie ebenfalls sterben möchte, muss aber erkennen, dass der Tod ihr versagt bleibt. Dryante macht den Fehler, dass sie ihre Schuld eingesteht, Mars zur Tat angefeuert zu haben. Dafür wird die von Venus bei lebendigem Leib in eine knorrige Eiche verwandelt. Eumene bekommt ihr Fett ebenfalls ab und muss endlich den schmachtenden Philistus erhören.

    Die Tränen, die Venus um den Liebsten weint, werden in gelbe Anemonen verwandelt, die die Botaniker späterer Zeiten als Adonisröschen bezeichnen. Unter diesem Begriff erhält der Vielgeliebte die Unsterblichkeit.


    Engelbert

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    Karol Szymanowski (1882-1937)
    Harnasie


    Ballettpantomime in drei Bildern
    Werkverzeichnis, op. 55
    Libretto von Jaroslaw Iwaszkiewicz und Jan Rytard
    Entstanden: 1932
    Uraufführung: 11. Mai 1935 Prager Nationaltheater
    Weitere Aufführung: 27. April 1936, Opéra Paris


    Personen:
    Harnas, ein Räuberhauptmann
    Braut und Bräutigam
    Eltern der Brautleute
    Hochländer, Freunde und Freundinnen
    Spießgesellen des Räuberhauptmanns
    Das geschen spielt im Süden Polens im 18./19. Jahrhundert



    HANDLUNG


    Erstes Bild:


    In einem kleinen Dorf in der Hohen Tatra wird Hochzeit gefeiert. Die Braut tanzt mit ihren Freundinnen. Harnas, ein Räuberhauptmann, ist vom Reigen der Dorfmädchen entzückt. Besonders hat es ihm die Schönheit der Braut angetan.


    Aus dem Gebirge nähert sich der Bräutigam in Begleitung seiner Freunde und alle nehmen am Tanz teil. Harnas umwirbt die Braut und es gelingt ihm, sie auf seine Seite zu locken. Zusammen mit seinen Spießgesellen jagt er den Bräutigam, der einen naiven und degenerierten Eindruck macht, davon. Nachdem er die Braut für sich eingenommen hat, überlässt Harnas sie ihren süßen Empfindungen und verspricht, irgendwann wiederzukommen.


    Zweites Bild:


    Nun hat es doch geklappt mit der Hochzeit und alles wurde feierlich hergerichtet. Die Eltern, die Gäste, der Bräutigam und seine Freunde erwarten die Ankunft der hübschen Braut. Sie erscheint mit ihren Eltern und den Brautjungfern. Das Fest beginnt und bald ist man fröhlich bei Gesang und Tanz. Von draußen hört man Pistolenschüsse. Der Störenfried naht mit seiner Räuberbande. Große Verwirrung, alle haben Angst! Die ungebetenen Gäste brechen gewaltsam durch Türen und Fenster ein. Streit und Kampfgetümmel beenden abrupt die Feier. Die Beleuchtung geht aus. Die Braut wird entführt.


    Drittes Bild


    Harnas hat sich mit der gekaperten Braut an einem Waldsee niedergelassen. Beide sind ineinander verliebt.


    Anmerkungen:


    Die Musik ist von der Folklore der Hohen Tatra geprägt. Die Aufführung wird von einem Chor und einem Tenorsolo begleitet.


    SZENENFOLGE
    Ländliche Idylle - Mimische Szene - Marsch der Räuber - Mimische Szene - Tanz der Räuber - Die Hochzeit – Hochzeitsbrauch – Trinklied - Tanz der Hochländer - Einzug der Harnasie - Die Alm -



    © 2011 TAMINO - Engelbert

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    Albert Roussel (1869-1937)
    Padmâvatî


    Ballettoper in zwei Akten
    französisch gesungen
    Libretto von Louis Laloy
    in Anlehnung an indische Dichtung und Tradition
    Uraufführung: 1. Juni 1923, Paris, Grand Opéra


    Darsteller:
    Ratan-Sen, König von Tchitor
    Padmâvatî, seine Gemahlin
    Nakamiti, beider Tochter
    Badal, beider Sohn
    Alaouddin, Mogulkaiser von Delhi
    Brahmane, sein Vertrauter
    Gora, Palastvorsteher


    Ort und Zeit: Indien, etwa 14. Jahrhundert



    HANDLUNG


    Erster Akt:


    Über den Besuch aus Dehli ist man nicht erfreut. Die Abordnung des Mogul-Kaisers hat bereits das dritte Tor der Festung Tchitor erreicht und die aufgeschreckte Menge ist sich nicht schlüssig, ob die Fremden in wohlwollender Absicht nahen. Aber zur Zeit seien es Freunde, so erklärt der Sprecher des königlichen Palastes.


    Gora richtet beschwichtigende Worte an die Menge. Krieger, Kunsthandwerker, Kaufleute und auch die Brahmanen sollen zuhören, was er erklärt: Ohne Krieger und ohne Drohung ist der vormalige Feind in Tchitor angekommen. Die Herrscher haben einen Eid geschworen: Der Bruder besucht den Bruder! Unser König ist der Beschützer unserer Wohnstätte und würde jede Feindseligkeit rachsüchtig verfolgen. Wir müssen uns den Besuchern mit ausgestreckten Armen und fröhlichen Herzens nähern, so wie eine Gattin sich verhält, wenn ihr Gemahl heimkommt. Aber die Mogulherrscher haben unser Volk verflucht und verhöhnen unsere Götter. Ihren Sohn haben sie getötet, erregt sich eine Frau. Nun wird das Volk angehalten, sich erfreut zu zeigen. Welcher Meinungsumschwung! Der Herold verkündet, dass der Sultan bereits das vierte Tor erreicht hat. Macht Platz für Prinz Badal, der den Sultan begrüßen wird. Er steigt vom Pferd, sein Gesicht ist ernst.


    Gora will wissen, was Badal den Ankömmlingen sagen wird: Er wird unverbindlich bleiben und schmeichelhafte Worte an sie richten, so lange er die Absichten der fremden Besucher nicht erkennt und die Grenzen des Planes nicht ausmachen kann. Seine Erkundungen haben ergeben, dass wider Erwarten und gegen die Absprache der Sultan in militärischer Begleitung ist. Er konnte sehen, wie die Wappenschilde in der Sonne glänzten. Oh Verrat! Kriegselefanten sind durch den Fluss geschwommen. Das Gewässer war völlig schwarz.


    Man hört die Trommeln dröhnen. Der Sultan hat das fünfte Tor erreicht. Ist der Teppich schon ausgerollt? Blumen für Ganescha. Rosen des Glücks, Lilien des Friedens und der Jasmin der Weisheit sollen die Göttin erfreuen. Möge alles gut ausgehen! Die beiden Herrscher tauschen sich aus: Souverän eines aufstrebenden Volkes! Möge sein Herz immer erfrischt sein von dem Frühling eines erkennbaren Friedens, wünscht Alaouddin. - Glanzvolle Siege sollen das Gesicht des Herrschers von Dehli für immer illuminieren, reagiert der Gastgeber. - Das strahlende Weiß seiner Stadt zu schauen, lockte ihn von weit her; entfernter als der Mond am Horizont ist der Ort, von dem er aufbrach. – Ratan-Sen denkt, dass er den Lärm der Schlacht aus seinen Worten heraushört. – Wenn seine Worte seine Gedanken übersetzen könnten, sie wären süßer als der Gesang einer Nachtigall.


    Der Herrscher von Tchitor hat eine gute Idee. Er holt einen heiligen Becher hervor, der von den Göttern mit dem Zweck gesegnet wurde, dass Vorteil und Glück ihn begleiten sollen. Das Blut der beiden soll er vereinigen. Während des Rituals soll keiner zuschauen, schlägt Gora vor. Alaouddin hat einen Brahmanen an seiner Seite, es ist sein Berater. Dieser wird seine Gebete denen des Königs von Tchitor hinzufügen.


    Aber weshalb so eilig? Man lasse ihn doch die Schönheit dieses Ortes erst einmal genießen. - Was will er sehen? Die Blumen in seinen Gartenanlagen oder die Wasserspiele? Oder vielleicht die Räume seines Palastes, in denen er der Ruhe pflegt? Die Wälder in der Umgebung des Palastes spenden unendlichen Schatten. - Die Schönheit der Steine und die Strukturen der Bauwerke haben es ihm besonders angetan. - Würde die Information über Geschwindigkeit und die Stärke seiner Krieger seine Erwartungen vervollständigen? – Der Gesprächspartner übertrifft sich selbst! Nun folgt der


    TANZ DER KRIEGER


    Welcher Feind würde nicht erzittern, wenn man sieht, wie die Krieger springen, als ob sie wilde Tiger seien. Doch ein Freund ist bei ihm zu Besuch und dieser wünscht sich ein etwas freundlicheres Spektakel. - Andere Tänze werden seinen Wünschen gerecht werden. Der


    TANZ DER SKLAVENMÄDCHEN


    formatiert sich. Hierzu soll Ratan-Sen sich in Gedanken vorstellen, dass pinkfarbene Blätter sich im Winde drehen. Aber er sieht nur Sklavinnen eines fremden Landes. – Den Frauen der eigenen Rasse ist es verboten, sich zu präsentieren. – Gewiss, weil er denkt, er sei ein Ungläubiger, aber dieser Brahmane kann das Gegenteil bezeugen. – Sein Herr Alaouddin, der Herrscher der Moguln, hat sich seiner Führung anvertraut und verehrt unsere Götter. – Er hat nichts gewusst von solche einer Tapferkeit, kombiniert mit solcher Weitsicht. Es folgt der


    TANZ DER PALASTFRAUEN.


    Alaouddins Herz füllt sich mit Freude. Ihre Körper ähneln goldenen Lianen, die Augen unter den Schatten ihrer Brauen glühen wie Lampen und ihre wohlgeformten Füße rutschen wie Schlangen. Der Tanz geht zu Ende und die Palastdamen entfernen sich in einer Prozession. Die Namen der Schönen kann Alaouddin erraten: Der Jasmin-Strauch stand bei der einen Pate, die nächste ähnelt einer glitzernden Perle eine weitere hat die Eigenschaften der ruhigen Wasserlilie. Die Beschreibung himmlischer Schönheit trifft allerdings nur auf Padma zu. Wo ist sie? Er hat sie nicht gesehen. – Was meint er? Ratan-Sen ist sichtlich verlegen.


    Gold kann man tief in einer Truhe verstecken; das Funkeln eines Diamanten kann unterirdische Gewölbe nicht durchbohren, aber es gibt manche Schätze, die immerwährend Licht ausstrahlen, ohne dass die Dunkelheit sie daran hindert. – Padmâvatî, die singhalesische Prinzessin, ist sein liebevolles Weib. –


    Ist ihre Schönheit es nicht wert, vorgestellt zu werden. Hat sein Diener ihn etwa angeschwindelt? - Das Gesicht des Brahmanen bekommt einen leidenschaftlichen Ausdruck, als ob er sich in Trance befände. Er erklärt, dass Padmâvatî die lebende Inkarnation des himmlischen Lotos sei. Sie strömt ein Parfüm aus, dass man denken könnte, ein unsichtbarer Schwarm von Honigbienen schwirre um sie herum. Ihr Körper ist fließendes Licht. Ihr Liebreiz hat die Sanftmut einer Seebriese, in der die Erde badet. Ihre Augen sind schön wie die Sterne des unendlichen Himmels. Wie ein Schwan auf dem unbeweglichen Wasser des Sees gleitet sie dahin. Blumen werden geboren, sobald sie lächelt. Padmâvatî belebte den Traum, als der Schöpfer der Welt erwachte.


    Auf ein Zeichen von Ratan-Sen erscheint Padmâvatî auf einem Balkon. Nakmti, ihre Tochter, verlässt eine Gruppe von Mädchen und schaltet sich in den Lobpreis ein. Über die dunkle Erde dominieren Frühlingsträume und Padmâvatî steigt zum Himmel auf, um die Nacht zu verbannen. Die Blumen öffnen ihre Kelche, ihretwegen verstärken die Vögel ihren Gesang. Shiva ist ihr wohlgesonnen, Lakshmi bewahrt ihre Schönheit. Mögen die Götter sie, die Tochter der Singhalesen, beschützen.


    Alaouddin möchte, dass Padmâvati den Schleier vom Gesicht nimmt. Ratan-Sen gibt ihr ein Zeichen und die Bewunderte räumt das Textil beiseite. Alaouddin ist dermaßen aufgewühlt, dass er denkt, er muss vor Wonne sterben.


    Was ist nun mit der Allianz der Blutsbrüderschaft? Solche Dinge kann man vergessen, wenn das Herz in Aufruhr ist. Ratan-Sen fragt, ob sein Bruder sonst noch irgendwelche Wünsche hat, die er ihm erfüllen kann. - Im Moment fühlt er nur Glück und Dankbarkeit und muss das Geschaute erst einmal verarbeiten. Morgen wird er als Herr seiner selbst mit Gefolge zurückkommen und Geschenke mitbringen, die seiner königlichen Majestät würdig sind.


    Der Brahmane kommt zurück und wird an der untersten Stufe der Palasttreppe von einem Krieger angehalten, der ihn wiedererkennt. Andere werden aufmerksam. War das nicht der Nichtswürdige, der einst mit Schande aus dem Tempel und aus der Stadt gejagt wurde? Die Wache hatte ihn in unmittelbarer unter einem Fenster des Palastes der königlichen Gemahlin festgenommen. Der Angesprochene enteilt, ohne eine Antwort zu geben.


    Prinz Badal wird die Sache gemeldet. Dieser reitet mit Ratan-Sen hinterher und kann den Flüchtigen noch am äußeren Tor der Festung stellen. Was will er in ihrer Stadt? Nun wird der Brahmane gesprächig. Er habe eine Botschaft und er wäre gewiss nicht zurückgeblieben, wenn er hierzu von seinem Herrn den Befehl nicht bekommen hätte. Die Sache sei geheim! Der Prinz zieht den Dolch, entweder er soll reden oder sterben. Der Brahmane betont, dass er zum Gefolge des Sultans gehöre, der aber inzwischen die Stadt verlassen habe. Nun hat der Herrscher von Dehli folgendes zu sagen. Um seine Freundschaft mit dem Herrscher von Tchitor zu bekräftigen, bittet sein Herr um ein einzigartiges Kleinod. Das lebende Juwel ist das Bild der himmlischen Lotusblume. Wenn man ihm das Geschenk verweigert, wird er kommen und es sich holen. Seine Armee ist nicht weit entfernt und umschwirrt das Gebiet wie das tobende Meer. Ratan-Sen befiehlt, dass man seine Rüstung bereit legen soll. Die Hörner sollen zur Schlacht rufen. Seinem Herrn soll er berichten, dass man ihn dem Galgen überantwortet hätte, wäre er kein Gottgeweihter.


    Bringt der Brahmane den Krieg? Dieser gerät schon wieder in Ekstase und fleht zu Shiva, dem Zerstörer, den Tod über seine Feinde zu bringen. Seine Vision stellt sich vor, dass die Krieger seines Herrschers die Menschen von Tchitor massakrieren. Die Kinder werden vor Angst wimmern und die Frauen winden sich in Schmerzen. Von der Stadt, welche im Gold der Abendsonne schimmert, werden nur rauchende Ruinen bleiben. Die Königin-Witwe, die wie eine Lotosblume ausschaut, wird den Scheiterhaufen besteigen. Von ihrer Schönheit wird nur Asche übrigbleiben. - Der Brahmane hat die Königin beleidigt. Nieder mit ihm. Von der Menge wird der Aufrührer zu Tode getrampelt.


    Es ist zu spät. In Padmâvatî erwacht das schlechte Gewissen. Sie konnte es nicht verhindern, sich unverschleiert vor der Menge zeigen zu müssen. Die Götter hören nicht mehr auf ihr Flehen und verzeihen das Vergehen nicht. Der Platz ist verwüstet und sieht aus wie ein Ufer, über welches plötzlich eine verheerende Woge geschwappt ist. Männer fühlten die harte Kante des Schwertes und die Frauen wehklagen in ihren Wohnungen. Die Mörder sind gekommen, wie ein wütender Sturm sind sie hereingebrochen.


    Ihr Leben wird sie für ihren Gebieter geben, denn sein Wunsch war ihr Befehl. Die Götter sollen sie nicht von ihm trennen. Lieber wünscht sie sich den Tod. Zu leben oder zu sterben neben ihrem Gebieter ist für sie die gleiche Glückseligkeit.


    Zweiter Akt:


    Das Innere des Shiva-Tempels ist ein Ort der Dunkelheit und des Grauens. Von Fackeln spärlich beleuchtet, ragt die massive Statue der Gottheit furchterregend aus dem Dunkel. Schutzsuchend hat Padmâvatî sich im Tempel eingefunden und lauscht den Gesängen der Priester, die aus den Tiefen der unterirdischen Gewölbe nach oben dringen. Sie versteckt sich hinter einem Pfeiler und harrt der Bramahnen, die in einer Prozession nach oben kommen. Das Wehgeschrei des Schlachtgetümmels dringt bis in die Tiefen des Tempels. Sie hat gesehen, wie das Kriegsglück sich zu Gunsten des Gegners gewendet hat. Zu Füßen der Statue haben die Priester einen Scheiterhaufen errichtet und flehen, dass Shiva das Feuer entzünden möge. Sie umkreisen den Opferstein und huldigen dem Furchtbaren, welche die Lebenden jagt und dem Tode zuführt. Der Oberpriester hat auch die Töchter Shivas konsultiert, die schwarzen wie die weißen. Alle verlangen nach einem Opfer. Wenn Padmâvatî das Opfer sein soll, ist sie zum Sterben bereit. Einen Dolch hat sie dabei. Schwerverletzt hat Ratan-Sen den Tempel erreicht. Der letzte Wall wurde vom Feind erstürmt. Die Gebete Padmâvatîs waren vergebens. Ein Waffenstillstand wurde verweigert. Der Sultan von Dehli hat angeordnet, dass man an der ganzen Stadt Rache nehmen wird, weil man ihm seinen sehnlichsten Wunsch verweigert hat.


    Nun ist der Moment gekommen, wo beide die Erde verlassen werden. Sie schaut ihn liebevoll an. Wie schön ist es, seine Stimme zu hören. Die Stadt wird untergehen. Es ist nicht seine Schuld. Er hat sein bestes gegeben. Shiva hat den Untergang beschlossen. Padmâvatî rät, er solle in die Schlacht zurückkehren, um einen glorreichen Tod zu suchen. Er fürchtet das Ende nicht. Sie schwört, dass sie den Scheiterhaufen besteigen wird, sobald er die Erde verlassen haben wird.


    Nein, Sie soll leben und den Lebenden zur Hilfe eilen. An die Frauen soll sie denken, die nicht mehr von ihren Männern beschützt werden und an die Mädchen, deren Hochzeitsgesänge der Verzweiflung gewichen sind. – Keinen Schutz kann sie ihnen bieten. Seine Seele soll im Jenseits nicht brennen, deshalb wird sie ihm in den Tod folgen, sei es durch das Eisen oder durch das Feuer. Ratan-Sen ist seinen Verletzungen erlegen und stirbt.


    Padmâvatî ermahnt ihre Dienerinnen, nicht zu weinen. Es ist nichts, was sie in dieser Welt noch hält. In ihrer letzten Stunde wird sie ohne Furcht in Kalis erloschene Augen blicken. Paarweise kommen die Frauen und reichen ihr den ehelichen Kamm, ihre Halskette und ihren Schleier; jedes Wertstück hat seine symbolische Bedeutung. Die Sonne ist in ihrem Herzen ist untergegangen. Alleingelassen in der Nacht wird sie den entfernten Stimmen der Sterne lauschen. Ihre Seele verlässt sie.


    PANTOMIME


    Gemäß uraltem Brauch wird der tote Körper Ratam-Sens auf einen Scheiterhaufen gelegt. Das Verbrennen des Leichnams wird durch technische Tricks simuliert. Nachdem der weiße Rauch sich verzogen hat, erscheinen vier Tänzer, gekleidet wie Fledermäuse, die sich symbolisch des toten Herrschers bemächtigen wollen. Die Priester bedecken den Leichnam mit Tüchern und tragen ihn zur Seite. Die Frauen wenden ihr Gesicht ab. In einer aufwendigen


    TRAUERZEREMONIE


    die tänzerisch von Kali und Durga bestritten werden, wird der Tote mit Blumengirlanden geschmückt. Padmâvati wird für ihren letzten Gang, den sie freiwillig antritt, ebenfalls hergerichtet. Unter dem Gesang der Priester wird die Königin-Witwe feierlich in die unterirdischen Gewölbe geführt, wo man zur Verbrennung alles vorbereitet hat. Inzwischen hat Alaouddin den Tempel gestürmt, um sein „Juwel“ in Empfang zu nehmen. Rote Glut aus der Krypta spiegelt sich an den Wänden und Pfeilern des Heiligtums und signalisiert dem Eindringling, dass er zu spät gekommen ist.



    Anmerkung


    Die Bezeichnung Ballettoper trifft nur insoweit zu, als die textmäßig ein wenig kurz geratene Oper durch umfangreiche Instrumentaleinlagen zeitlich gestreckt wird. Es verhält sich nicht so, dass Sänger hinter der Bühne die Balletttänzer vokal vertreten. Gelegenheit zum Tanz wird im ersten Akt dreimal geboten. Die Trauerzeremonie, pantomimisch dargestellt, nimmt im zweiten Akt großen Raum ein. Die französischen Komponisten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten eine Vorliebe für die kulturelle Tradition Indiens. Ihr widmeten sich neben Roussel: Bizet in den „Perlenfischern“, Delibes in „Lakmé“ und Massenet im „König von Lahore“. Musikalisch verbleibt Roussel in der Tradition des Abendlandes, bedient sich der Klangpalette des Impressionismus und verzichtet darauf, exotische Instrumente zu imitieren.


    © 2010 TAMINO - Engelbert

    Niccolo Jommelli


    IL VOLOGESO

    Oper in drei Akten

    Libretto von Mattia Varazi
    nach einer Vorlage von Apostolo Zeno


    Uraufführung am 11. Februar 1766 in Ludwigsburg


    Dauer etwa 175min


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Vologeso, Herrscher der Parther – Sopranist

    Lucio Vero, Römischer Feldherr – Tenor

    Berenice, Gemahlin Vologesos – Sopran

    Lucilla, Braut des Lucio Vero – Mezzosopran

    Aniceto, Vertrauter des Lucio Vero – Countertenor

    Flavio, Abgesandter des römischen Senats und Lucillas Begleiter – Sopran


    Das Geschehen spielt in Ephesus in historischer Zeit



    Dokumentation:

    LABEL Orfeo 1998

    Einspielung unter Frieder Bernius mit dem Stuttgarter Kammerorchester

    Gesangssolisten: Jörg Waschinski und Gabriele Rosmanith u.a.



    INHALTSANGABE


    Erster Akt:


    1

    Der römische Feldherr Lucio Vero hat die Parther im Kampf besiegt, aber die Leiche des gegnerischen Königs ist auf dem Schlachtfeld nicht zu finden. Wohin hat Vologeso sich verdrückt? Seine Gemahlin Berenice befindet sich unter den Gefangenen und wird nach Ephesus gebracht, wo der Sieger hofhält.

    2

    Da sie außerordentlich schön ist, fällt sie sofort auf. Lucio pickt sie aus der Vielzahl edler Gefangener heraus, um sie zu erobern. Er ist kein Barbar und bemüht sich bei seinen Annäherungsversuchen kultiviert vorzugehen. Er sagt: „Königin, genug an Treue und Klage hat Dein keuschen Wesen dem Schatten Deines toten Gemahls gewidmet. Erheitere Dich, sonst lässt der Schmerz Dein liebliches Gesicht zu stolz erscheinen. Berenice, komm zu uns, setze Dich zu mir an diese üppige königliche Tafel!“

    3

    Diesmal hat Lucio Vero allerdings Pech mit seiner Werbung, denn Berenice beabsichtigt, dem geliebten Gemahl über den Tod hinaus die Treue halten.

    4

    Vologeso benimmt sich, gekleidet wie ein parthischer Mundschenk, und will einen Giftanschlag auf Lucio Vero verüben. Berenice erkennt ihn unter seiner Bemalung und traut ihren Augen nicht. Ahnungslos will sie auch aus dem Becher des Siegers trinken, da enthüllt der verkleidete Kellner, dass das Getränk vergiftet ist. „Berenice, lass das lieber bleiben“ warnt er und verrät damit die tödliche Absicht. Vologeso wird nun erkannt und wandert schnurstracks in den Kerker. Wie schlampig sind denn hier die Sicherheitsvorkehrungen? Lucio Vero will es wissen!

    5

    Lucio Vero bekommt Besuch aus Rom, es ist Lucilla, die Tochter des Kaisers, und seine Braut. Flavio, ein Abgesandter des Senats, begleitet die vortreffliche Jungfrau, vor der sich Roms Cäsaren verneigen. Lucilla wird ungeduldig sein, Dich zu sehen, spottet Berenice spitz.

    6

    Lucio Vero meint, dass der Zeremonienmeister Vorführungen und Spiele anordnen solle, um der lästigen Person für den Augenblick zu entgehen. Offenbar geht ihm seine Braut auf die Nerven. Aniceto, sein Freund, denkt anders. Er sehnt sich nach ihr, denn sein Herz schmachtet voller Ungeduld.

    7

    Hat man Lucio nicht von ihrer Ankunft in Kenntnis gesetzt? Sie hat sich das Wiedersehen anders vorgestellt. Lucilla sieht ihn nicht, endlich kommt er ihr entgegen und fragt sie, welches Schicksal sie nach Ephesus führt. Warum setzt ihr Vater sie den Gefahren einer so weiten Reise aus?

    Lucilla ist empört, ein Jahr ist verstrichen, dass er die stolze Front an Euphrat und Orontes geschwächt hat. Warum sendet Rom seinen stolzen Helden an ein so fernes Gestade? Jetzt wird er wieder in Rom erwartet, vom Vater und vom Senat, von ihrem Herzen ganz zu schweigen!

    Er siegte, das ist wahr, aber der Besiegte bleibt zu fürchten!

    Gewiss sind seine edlen Beweggründe für sein langes Verweilen positiv zu bewerten. Aurelius schickte Flavio als Boten zu ihm. Die Zeit sei reif für die Hochzeit und er solle nicht länger zögern. Er kann wählen, ob er Untertan oder Herrscher sein will. Entweder er solle seinen Vertrag einhalten und regieren oder den Lorbeerkranz zurückgeben.

    8

    Lucio Vero reklamiert, dass der Eifer eines Untertans oft zur Kühnheit wird. Trotzdem erweist er dem, der ihn schickt, und denen, die ihn begleiten, seine Ehrerbietung. Man möge respektieren, dass er seiner Augusta sein Herz mit jedem Tag mehr öffnet. In seinem Wunsch liegt es, seine Braut dorthin zu begleiten, wo mit festlicher Prunk die Triumph seiner Siege gefeiert werden.

    Lucilla stellt mit Genugtuung fest, dass Lucio Vero sie seine Braut nennt und ihrer Liebe Huldigungen darbringt. Soll sie einem falschen Gerücht folgen, dass er sie schändlich betrügt und treulos verrät? Flavio weiß es nicht.

    9

    Aniceto macht den Herrscher darauf aufmerksam, dass die Trompeten zu den Spielen rufen. Lucio Vero hat einen Spruch zur Hand: Gehen wir: Es öffne sich in der schicksalhaften Arena das freie Feld der Pein anderer.

    10

    Was sieht Vologeso? Wird er etwa öffentlich zur Schau gestellt. Soll er das Gespött und Spiel des versammelten Pöbels sein? Er allein und unbewaffnet? Libysche Ungeheuer und grausame Raubtiere warten auf ihn! „Cäsar, ehrt man so einen König?“

    Was sieht er? Sein treuloses und meineidiges Weib mit der unberührten Seele, als Zuschauerin und als Schuldige seines Todes? Berenice erhebt sich und stürzt sich verängstigt ins Amphitheater. Lucio Vero ist erschrocken. Berenice protestiert dagegen, dass sie eidbrüchig sein soll. „Hier, Vologeso, ist die Gefährtin Deiner Qual! Nicht Schuldige, noch Zuschauerin Deines Todes wirst Du Berenice länger nennen.“

    11

    Lucio Vero ruft nach den Wachen, dass sie die Tore schließen sollen. Ein Löwe kommt bereits heraus, Trompeten erklingen. Ach, der Befehl kam zu spät!

    So flieh doch, Gemahlin!“ Vologeso mahnt zweimal! Nein, sie verlässt ihn nicht. Hier ist unser beider Tod. Lucio Vero ringt die Hände und gibt sich dann einen Ruck. Was kann er tun? „Nimm mein Eisen Vologeso und verteidige Dich. Er wirft ihm sein Schwert zu. Die Wachen ruft er herbei. Die schuldige Bestie sollen sie ermorden, damit Berenice gerettet ist.

    12

    Flavio, ich bin betrogen!“ Dann können sie also wieder abreisen. Nein, zuerst will Lucilla noch sehen, ob Lucio sich erdreistet, sich sogar vor ihren Augen treulos zu erweisen. Die schreckliche Bestie fällt, aber Berenice bleibt unversehrt. Lucio Vero nimmt dem König der Parther das Schwert wieder ab. Zu seinen Füßen legt er, das Eisen nieder, mit dem er zuerst besiegt und dann verteidigt wurde. Er soll aber nicht denken, dass er aus seinem Verrat unbestraft hervorgeht. Berenice freut sich, dass sie den Gemahl erstmal zurückerhält.

    13

    Lucilla will beobachten, ob es sich auch tatsächlich so verhält, wie Berenice erwartet. Jetzt da er festgestellt hat, dass sein geliebtes Weib treu ist, wiegen für ihn die Ketten um so leichter. Berenice bittet den „Augustus“ das Werk eines großen Herzens zu vollenden.

    Lucio Vero wagt es nicht, hier zum jetzigen Zeitpunkt seine große Leidenschaft zu offenbaren. Lucilla liest den Ausdruck seiner erregten Gedanken in seinen Augen. Berenice ergreift mit flehender Gebärde Lucios Rechte. Er solle doch nachgeben und einer unglücklichen Gattin den Gemahl zurückgeben.

    14

    In welcher Bedrängnis befindet er sich jetzt. Lucilla stellt fest, dass der Treulose sie anschaut und verlegen ist. Was verwirrt ihn? Vologeso weiß, dass er die Macht hat, über sein Schicksal zu entscheiden. Aber Lucio Vero antwortet nicht. Berenice bittet Prinzessin „Augusta“ – wie sie die die Römerin nennt, dass sie Fürsprache einlegen soll. Die beiden Frauen bombardieren den Zögernden wechselweise. Lucilla wird ungeduldig und meint, dass Lucio Veros Seufzen viel ausdrückt. Vologeso genügt es zunächst, dass sie gerettet wurde und, dass sie treu ist. Mehr darf er vom Himmel nicht erhoffen.

    Im Quartett sind sie sich darüber einig, dass eine neue Art der Folter auf sie wartet. Unbarmherzigkeit und Grausamkeit nehmen kein Ende. Berenice und Vologeso hoffen auf die Gnade des römischen Feldherrn. Sie will den Gemahl umarmen, denn sie kann es nicht ertragen, dass das Übermaß der grausamen Aufregung und der Schmerz ihr den Busen zerreißt.


    ZWEITER AKT:

    15

    Lucio Vero fragt seinen Vertrauten Aniceto, wie er nach seiner seine Ansicht, Berenice zügig erringen könne und was Rom sagen wird?

    Wenn der König der Parther ihm Berenice überlässt, wird man sagen, dass dem alles erlaubt ist, der frech genug ist. Was Lucilla angeht, so unternimmt er es, sie schon zügeln, wenn eifersüchtige Wut an ihrem Herzen nagt. Und Aurelius selbst? Auch hierauf hat der selbstgefällige Aniceto eine Antwort.

    In Lucio Veros Hand befinden sich des Kaisers beste Streitkräfte mit denen er gefürchtete Völker besiegte. Er habe triumphiert und man wird ihn fürchten. Aurelius hat sich schon daran gewöhnt, die Heldentaten seines Feldherrn kundzutun. Sein Ruhm erlaubt ihm, zu tun, was er will, er solle ihm die Ehre überlassen, es auszuführen.

    Lucio Vero gefällt der Rat seines Vertrauten. Der Getreue solle zu Lucilla eilen und ihr sagen, dass eine andere ihr den Geliebten raubte, und dass das Schicksal seinem Herzen Gesetz sei. Er kann sich auf ihn verlassen, dass er die passenden Worte finden wird.

    16

    Lucio Vero befiehlt den Wachen vom Königlichen Fuße des Parthers die unwürdigen Ketten zu lösen. Die erste Aufwallung seines Zorns soll er ihm vergeben, aber er soll genau zuhören, was er von ihm verlangt. Lange genug wütet der Groll zwischen ihnen. Nachdem er ihn besiegt habe, möge der Hass erlöschen. Die Schande seines Schicksals wird er beheben und ihn von seinen Ketten befreien. Er gibt ihm seine Freiheit und auch sein Königreich zurück.

    An seinem Staunen erkennt er die Gewalt seiner großzügigen Gunst. So kann er darauf hoffen, dass sein Herz ihm gewogen ist. Nun ist Vologeso am Zuge und fragt, was er für den Cäsar tun kann. Nach einigem Zögern kommt die Antwort. „Berenice“. Vologeso hatte sich den Frieden seines Herzens von ihm gewünscht. Weiß er überhaupt, wer Berenice ist? Nun, er weiß es! Und er verlangt von ihm das Liebste, das er besitzt? Er bietet dafür, dass er ihm die Fesseln löst, schenkt ihm das Leben und gibt ihm sein Reich zurück. Vologeso hält es für unwürdig, zu diesen Konditionen auf das Angebot einzugehen. Hartnäckig lehnt er ab. Selbst das ganze Universum würde er zurückweisen, wenn er Berenice auf diese Weise verlieren sollte.

    17

    Bis jetzt hat ihn der Freund gefragt. Nun fragt ihn der Cäsar, der Sieger, der Richter über seine Tage! Und nach den Gefühlen anderer fragt er nicht? Der Verwegene reizt ihn. Töricht wie er ist, wird er bald als Opfer seiner gerechten Wut am Boden liegen. Aber Berenices Herz wird er nicht erhalten! Nun beleidigt er ihn auch noch. Holla! Die Last seiner Ketten soll er zurückerhalten. Und in einem Kerker, so schwarz wie sein Verbrechen, mag er die grausamste und schrecklichste Strafe erwarten. Sein Tod lässt ihn schon jetzt erschaudern.

    18

    Lucio Vero entschwindet und Berenice kommt. Noch immer ist er gefesselt und Berenice hatte schon gehofft, ihn von seinen Ketten befreit zu sehen. Er sprach mit ihm: der unmenschliche Barbar hat seinen Untergang beschlossen. Der Schuldspruch lautet: Entweder ohne Berenice oder ohne Leben. Sollten Blut oder Tränen ihn retten können, will Berenice sich dem Augustus zu Füßen werfen, damit das grausame Urteil aufgehoben wird; ihn bitten und umschmeicheln.

    So viel Feigheit wäre Dir möglich, Dich vor dem Tyrannen zu erniedrigen. Ach das darf nicht sein. Sie möge ihren Sinn ändern und er wird seine schändliche Bitte zurückziehen. Wenn ihr ein solcher Treuebruch möglich wäre, hat sie ihn schon verraten.

    Das geliebte Weib soll ihm ein treues Herz bewahren und den Zorn wie auch seine Liebe hassen und verachten, damit würde sie den Seelenfrieden in seinem Herzen bewahren. Auch unter vielen Qualen wird er sich nicht beklagen, wenn seine Liebste treu ist. Jede Menge Edelmut in Tüten wird ausgetauscht, aber damit ist der Knoten nicht gelöst.

    19

    Berenice wird zu Lucio Vero befohlen und will zuvor von Ancieto, wissen was er will. Entweder er reicht ihr seine Rechte oder den Kopf des toten Vologeso. Triff Deine Wahl, noch ist es Zeit. Ihre Seele erträgt den Todesstoß nicht und schimpft. Der schändliche Diener eines noch schlimmeren Herrn soll diesem erklären, dass nur eine hassenswerte Liebe sie zu schrecken vermag. Sie fühlt sich so angewidert, dass es eine Ehre für sie sein würde, an der Seite Vologesos durchbohrt zu werden; dem Grauen seiner Herrschaft zieht sie dies vor.

    Lucio Vero ist hinzugekommen, hat mitgehört und befiehlt Ancieto, dass der abgeschnittene Kopf des Vologeso vorgezeigt werden soll. Ach, nein! Der Grausame solle bleiben und sie anhören. Sie glaubt, dass der Schlag noch nicht so nahe ist. Welche Raserei! Sie soll sich erklären! Berenice ist totunglücklich, dass sie am Tode ihres Gemahls schuldig werden soll.

    Lucio Vero kommt ihr zur Hilfe. Die Königin soll sich doch endlich von denn düsteren Bildern ihrer trüben Gedanken befreien. Vologeso soll nicht sterben. Leben und Thron gibt er ihm noch heute wieder, wenn sie ihm ihr Herz nicht verweigert.

    Berenice bleibt hochnäsig! Der Tyrann wird ihr Herz erst erhalten, wenn - sie weiß nicht, wie sie den Satz zuende bringen soll. Luicio Vero ist es Leid, immerzu umsonst zu bitten und bringt Ancieto und die Wachen auf Trapp.

    Endlich lenkt Berenice ein: Diese ungewöhnliche Textstelle sei aus dem Libretto wörtlich zitiert:

    Ferma inumano.

    Tu chiedi il mio core,

    il Cor ti darò

    ma infida!“


    Halt ein Unmensch! Du verlangst mein Herz, das Herz werde ich Dir geben, aber ohne Treue! Was sagte ich? Grausamer. Hoffe nicht darauf, nein nein. Doch halt ein. So höre und besänftige Deinen Zorn. Ja, mein Herz werde ich Dir geben. Welch ein Abgrund des Jammers! In der ganzen Gefahr weiß ich keinen Rat mehr und habe keinen Verstand.

    20

    Lucio Vero sieht sich am Ziel seiner Wünsche angekommen, hat aber noch keine Ahnung dass Berenice zwar Wort halten will, ihre Sprüche aber nicht emotional, sondern pathologisch meint.

    Er schickt Ancieto zu Lucilla, dass sie sich bereit halten, noch heute mit Flavio die Segel hissen soll, um die Gestade von Ephesus zu verlassen. Der Beauftragte verspricht, die Botschaft, getreulich weiterzuleiten.

    21

    Lucio Veros Gedanken kommen nicht zur Ruhe. Eine unangenehme Furcht beschleicht ihn, ob Berenice ihn glücklich machen wird. Zunächst wird sie ihn erst einmal hassen, weil sie zu ihrem Schicksal gezwungen wurde. Muss er sich von seinem Glück schon bald wieder trennen? Er zweifelt am Ruhm und seiner Liebe. Schon fängt er an zu phantasieren.

    22

    Lucilla wird von Flavio informiert, dass sie mit ihm noch heute Abend, bevor der Tag sich neigt, an den Tiber zurückkehren möge. Der Tochter eines Cäsaren wurde noch nie eine so beleidigende Ablehnung zuteil!. Der Treulose soll nicht ungestraft bleiben. Zusammen mit ihrer Hand muss er auch den kaiserlichen Thron verlieren. Er wird ihn verschmerzen, denn er wird Berenice heiraten!

    23

    Er hofft vergebens. Rom duldet es nicht, fremdes Blut mit dem eigenen zu mischen. Kriegerische Stimmen im römischen Heer werden zu den Waffen rufen. Flavio hat die Glut entfacht und wird sie zu nähren wissen. Es gilt die Gesetze und sie selbst zu schützen.

    Ehe sie nicht mit ihm gesprochen hat, soll nichts unternommen werden. Sie kam absichtlich hierher, um auf ihn zu warten. Flavio sieht in bereits kommen. An der üblichen Schar seines Gefolges hat er ihn erkannt. Sie wird jetzt Gelegenheit haben, ihn zu sprechen, denn Flavio wird sie jetzt allein lassen.

    Sie soll ihn daran erinnern, wer sie ist und dass er ihr Treue geschworen hat. Die Ehre Roms habe Lucilla zu bewachen. Sage ihm, dass ein einziger anmaßender Fehler genügen kann, um den Verdienst tausend hervorragender Taten zu überschatten.

    24

    Berenice tritt mit Lucio Vero auf. Ihr ist daran gelegen, dass sie mit Vologeso sprechen kann. Er wird ihr den Gefallen tun, aber nur ein einziges Mal. Lucilla ist auch herangekommen. Welche ein überraschendes Zusammentreffen!. Barsch fährt er sie an, weshalb sie hier her gekommen sei. Lucilla erwidert, um aus seinem eigenen Munde ihr Schicksal zu vernehmen.

    Prinzessin, es ist wahr, er wagt nicht mehr, es zu verbergen. Berenice raubte ihr seine Gefühle. Vergebens habe die Cäsaren-Tochter ihn mit dem Glanz ihrer schönen Augen versucht zu gewinnen. Die Strahlenden Lichter Berenices haben den Sieg davon getragen.

    25

    Nun hast Du meine Schuld vernommen und kannst Deinem Hass freien Lauf lassen. Sie soll ihn treulos nennen, undankbar und wortbrüchig. Dem Übermaß seiner Schuld wird sie gerecht - er gesteht es sich selber ein.

    Nein, sie spricht ihn nicht frei, denn ihre Gefühle für ihn waren immer unerschütterlich, und seinen Lippen verbietet sie die unnütze Klage. Berenice schaltet sich ein und fleht in Wahrung eigener Interessen Lucio Vero an, sich einer so großen Liebe treu zu zeigen. Dieser setzt dagegen, dass sie ihn vielleicht gar nicht liebt und Lucilla möglicherweise längst einer anderen Leidenschaft erlegen ist.

    Lucilla setzt sich zur Wehr: Der Schändliche solle schweigen; er wagt, seiner Kränkung noch eine Beleidigung hinzuzufügen. Woher nimmt er die Frechheit zu sagen, dass sie ihn nicht liebe. Eigentlich sollte sie ihn verabscheuen. Aber der Treulose soll wissen, dass sie fürchtet, ihn immer noch zu lieben.

    Hasse mich, wenn Du willst, aber geh! Lucilla jammert noch ein wenig, aber Lucio Vero macht der Sache ein Ende.

    26

    Lucio Vero zeigt sich entgegenkommend und befiehlt seinen Wachen, den Gefangenen Vologeso herzubringen. Wenn Berenice frei mit ihm reden möchte, so hat er keine Einwende. Im Gegenteil, sie legt Wert darauf, dass er Zeuge Ihrer Unterhaltung wird. Sie will keine Geheimnisse zwischen ihnen.

    Zunächst soll der König der Parther sich angewöhnen, weniger düster dreinzublicken, wenn er schon seine Fesseln löst und ihn wieder auf seinen Thron setzt. Wenn das Geschenk von ihm kommt, so ist es verdächtig, kommt die patzige Antwort. Er wird es aus der Hand Berenices empfangen können, wenn ihm das besser gefällt. In ihrer Hand liegt sein Leben und seine Freiheit und des Römers Frieden, den er bisher vergeblich suchte.

    27

    Ach!“ Berenice ersucht ihren Gatten, seinen Zorn vorerst zurückzuhalten. Die Geliebte soll sich deutlicher Erklären. Das Attribut „Geliebte“ stünde ihr nicht mehr zu, reklamiert der Römer. Er solle in ihr die Braut dessen achten, er ihn besiegte. Berenice fordert Lucio Vero auf, mit solcher Ehre für sie noch zu warten, „Warum? Hat sie ihm nicht ihre Hand versprochen?“ „Nein!“ Sie versprach ihm ein Herz als Preis für Vologesos Leben! Nun, ihr Herz nimmt er an.

    Dann soll er kommen und es aus ihrem Busen reißen, aber nicht vergessen, sein Versprechen zu halten und ihrem Gatten Thron und Freiheit zurückzugeben.

    28

    Benutzt sie ihn etwa nur zu ihrem Spott und Spiel. Er wird die Törin für ihre unbesonnene Kühnheit zu bestrafen wissen. Vologeso soll doch bitte in ihr die Gefährtin eines unglückseligen Königs achten, bittet dieser. „Aber Hallo!, Diese grausame Bestie soll in ihre königlichen Gemächer gesperrt werden. Und jener soll mit engsten Fesseln in das vorige Gefängnis zurückgebracht werden.

    29

    Wenn ich nun für Dich leide, ist das der Lauf der Dinge, mein Geliebter, und wenn du mit treu bist, sind meine Ketten mir liebenswert, meine süße Geliebte, kommt sofort das Echo. Der Römer betrügt sich selbst wenn er hofft, in mitten von Angst und Leiden sie wehklagen und jammern zu hören. „Ha, welche Raserei!“ „Du bebst?“ „Du zitterst?“ „Du erglühst?“ „Du erregst Dich?“
    So geht es in der Barockoper zu! Die Liebenden wollen lieber sterben, als Vernunft annehmen. Und das Herz des Tyrannen liegt Tag und Nacht wach. Die Liebe verwirrt ihn.



    DRITTER AKT:

    30

    Flavio gibt Lucilla einen Lagebericht. Alle Kommandanten des Heeres folgen seinem Willen. Das Volk grollt und duldet nicht, dass man ihr Unrecht tut. Es wird Zeit, dass man Berenice aus dem Umfeld Lucios entfernt und damit ihm jegliche Hoffnung, sie jemals zu besitzen, genommen wird. Mit Hilfe seiner Soldaten wird er es ermöglichen, dass Vologeso mit seiner Gattin in sein Reich zurückkehrt. Lucilla muss seinen Plänen nur noch zustimmen.

    Ihr ist es recht und er soll sich beeilen. Sie befürchtet nur, wenn die Waffen wüten, könnte auch Lucio Schaden nehmen, und das will sie nicht. Ihre Furcht ist überflüssig, er wird nur das tun, was eines römischen Herzens würdig ist.

    31

    Der Undankbare soll sie noch einmal anhören. Vielleicht zeigt er Reue, deshalb will sie nicht, dass er bestraft wird.

    Unversehens kommt Lucio Vero hinzu. Es stimmt also, dass sie ihm die bittere Last ihrer Vorwürfe noch einmal vortragen will. Nein, er soll diese unnützen Gedanken aus seiner Brust verbannen. Sie hat kein anderes Verlangen, als ihn noch einmal wiederzusehen und dann kann er abreisen. Er wird den Himmel bitten, dass ein günstiger Wind sein Schiff begleitet.


    Sie versucht nicht, sein Herz zu ergründen. Aber ihren freundlichen Wünsche zu seiner neuen Hochzeit mögen ihn begleiten. Möge der Himmel ihn zu einem zufriedenen Gatten und zu einem glücklichen Vater machen. Lucio Vero hat keine Illusionen. Er sieht die Zukunft nicht in rosigen Farben. Entrinnen möchte er der Qual, der Aufruhr in seinem Herzen wird immer größer. Wenn ein schlimmes Schicksal auch seine Fesseln löst, raubt ihm doch eine erbarmungslose Liebe den Frieden.

    32

    Lucilla ahnt, dass es ihr nichts nutzt, wenn die Gewalt der Waffen eingesetzt wird. Ihre Gefühle sträuben sich, den Undankbaren aufzugeben, aber sie weiß auch, dass sie stark sein muss, denn sie hat keine andere Wahl.

    33

    Vologeso denkt ebenfalls daran, sich einem schändlichen Schicksal zu ergeben. Nun denn, so soll gestorben sein. Ihm ist, als höre er das Ächzen von Türen. Vielleicht nähern die Vollstrecker seines Todes. Flavio kommt und erklärt, dass er den König sucht. Er steht vor ihm und versteckt sich nicht im Angesicht des Todes. Man nimmt ihm die Fesseln ab und überreicht ihm ein Schwert. Vologeso fragt ihn, was die Ursache seiner Großzügigkeit sei? Die Erklärung lautet: er sei jemand, der die Ungerechtigkeit eines Herrschers verabscheut und zudem Römer. Er fordert Vologeso auf, mit ihm zum Königspalast zu kommen. Binnen kurzem wird er sein Reich und Berenice zurückbekommen. „Berenice? Che ascolto! E a me rende la tua man generosa? Oh amico! Oh sorte! O Berenice! Oh sposa! Das Schicksal hat sich zu meinen Gunsten gewendet.“

    34

    Lucio Vero und Ancieto planen eine Teufelei. Hat Ancieto alles vorbereitet, was er ihm befahl? Ein letzter kunstfertiger Angriff sei gewagt. Da kommt Berenice. O wie ihm die Liebe den Hals zuschnürt. Er versteckt sich. Berenice hat dunkle Vorahnungen. Wurde der geliebte Gemahl geschlachtet? Ancieto kommt mit einem Pagen, der eine mit einem schwarzen Tuch bedeckte Schale trägt. „O Berenice, der Cäsar sendet Dir dieses Geschenk, welches ich Dir überreiche. Wenn Du Deinen Gatten suchst, er ist schon bei Dir!“ Ein Geschenk vom Tyrannen?

    Wenn sie den Schleier wegnimmt? Was bekommt sie zu sehen? Etwa der abgetrennte Kopf ihres geliebten Gemahls? Wie makaber! Bei dem Gedanken taumelt sie und gerät ins Schwitzen. Warum zittert ihre feige Hand? Ist es das letzte Geschenk, was das grausame Schicksal ihr macht. Wenn sie das Tuch wegzieht, wird sie auf das Angesicht ihres toten Gemahls starren. Auf dem leblosen Antlitz wird der angstvolle Atem versiegen und der Geist entweichen. Himmel, was bekommt sie zu sehen?

    Betrachte die Geschenke, die ein Tyrann Dir sendet! Aber Berenice grübelt und schweigt zunächst. Dann sagt sie: Wenn er glaubt, dass vergangener Schrecken und eintretendes Glück hätten sie besiegt, dann täuscht er sich! Zepter und Thron sind für sie nichts anderes als Qual und Pein. In Vologeso liegt ihr ganzes Glück.

    35

    Gibt sie noch immer nicht nach? Für ihre kühne Beleidigung wird sie büßen. Vologeso soll sterben – jetzt aber endgültig. Welcher Aufruhr kommt aus dem Hintergrund. Welche Krieger und welche Waffen sind das. Ancieto soll schnell herbeikommen und einen Augenschein nehmen. Flavio rückt mit Vologeso näher. Welcher Verrat! Vologeso klärt ihn auf. Die Lage hat sich verändert. Er soll den kaiserlichen Lorbeer vom Haupt nehmen, der Kranz sei verrutscht.

    Flavio befiehlt, dass das Lucio Vero das Kommando niederlegen soll oder er wird sterben. Vologeso zieht sein Schwert und steht ihm zur Seite.

    36

    Lucilla taucht auf: die Freunde sollen Frieden halten. Flavio ergreift das Wort. Entweder er heiratet - wie versprochen - Lucilla oder er hat sein Leben verspielt. Lucio Vero wählt das Leben. Berenice wendet sich Vologeso zu.


    Schicksal hafte Gestade, düstere Strände - Freundliches Schicksal, Barmherzige Liebe!


    ©
    2011 TAMINO - Engelbert



    :angel:
    Engelbert

    @ Dr. Pingel


    Ich beantworte die Meldung vom 20.10.2010 erst jetzt, weil ich das Posting soeben erst gefunden habe:



    Man kann sich die Logik des Dichters zurechtbiegen, indem man davon ausgeht, dass die frische Leiche des Bruders von Tieren des Waldes ausgebuddelt und bis auf die Knochen verzehrt wurde. Der Knochenschnitzer hat sich ein passendes Gebein herausgefleddert, von Ameisen gesäubert, zurechtgeschabt und mit Schnitzen begonnen.


    Vielleicht hat ein Taminoraner Anatomie studiert und kann sagen, welcher menschliche Knochen, der Hohlraum enthält, es gewesensein könnte, damit nach Bearbeitung eine Flöte oder ein Fagott entstehen kann. Das Knochenmark musste natürlich noch herausgelutscht werden. Wenn kein Ameisenbär zur Verfügung stand, wird der handwerklich Begabte es wohl selbst gewesen sein. Hoffentlich hat er die Hygiene eingehalten und das Mundstück vorher in der Quelle gewaschen.


    In heutiger Zeit liegen in den heimischen Wäldern hin und wieder auch noch Leichen herum (siehe Bildzeitung). Man würde die Knochen aber nicht mehr Beschnitzen, sondern den Fund der Polizeit melden, damit diese eine Spurensicherung vornehmen kann, um den Täter zu überführen. Im 'Klagenden Lied' von Gustav Mahler entwickelt der Knochen Eigeninitiative. 8o


    Freundlichen Gruß
    :angel:
    Engelbert

    .


    Vincenzo Bellini (1801-1835)
    La Straniera
    Die Fremde


    Melodram in zwei Akten
    Libretto von Felice Romani
    nach dem Roman ‘L’Etrangére’ von Victor-Charles Prévôt, Vicomte d’Arlincourt
    Uraufführung: Teatro alla Scala am 14. Februar 1829


    Darsteller:
    Alaide - Agnese, Regina di Francia (Sopran)
    Il signore di Montolino, (Bass)
    Isoletta, sua figlia (Mezzosopran)
    Arturo, Compe di Ravenstel (Tenor)
    Il Barone di Valdenburgo (Bariton)
    Il Priore degli Spedalieri (Bass)
    Osburgo, (Tenor)


    Das Geschehen spielt im 14. Jahrhundert in der Bretagne



    HANDLUNG


    ERSTER AKT


    Erste Szene: BURG MONTOLINO IN DER BRETAGNE


    Isoletta, die Tochter des Burgherrn, ist bereit, mit dem Grafen von Ravenstel den Bund fürs Leben zu schließen. Doch diesem kommen einen Tag vor der Hochzeit Bedenken, die richtige Wahl getroffen zu haben und setzt sich zur Bestürzung der Braut ab. Die Ursache ist eine geheimnisvolle Dame, die ständig verschleiert herumläuft, um nicht erkannt zu werden. Sie wohnt in einer Hütte in der Nähe der Burg an einem See und nennt sich Alaide, aber die argwöhnischen Dorfbewohner bezeichnen sie nur als ‚La Straniera’, die Fremde.


    Zweite Szene: HÜTTR DER STRANIERA


    Auf den Grafen übt die Fremde einen geheimnisvollen Zauber aus und Arthur gesteht ihr seine Liebe. Sie weist ihn nicht zurück, fleht ihn aber an, sie nicht mehr zu besuchen, weil das Schicksal sich gegen sie entschieden habe und ihnen Unglück bringen würde. Die unbekannte Schöne macht ihm deutlich, dass es niemals zu einer Heirat kommen wird.


    Dritte Szene: WALDWEG IN DER NÄHE DER BUCHT


    Dem bedrückten Arthur begegnet Baron Waldenburg, der ihn im Namen der Dorfbewohner inständig bittet, doch zu Isoletta zurückzukehren, die sich voller Verzweiflung nach ihm sehne. Der Weggefährte kennt die Ursachen von Arthurs Abkehr von dem Mädchen nicht. Er bekenne sich zu einer anderen und möchte ihm die Dame vorstellen. Wenn er sie nicht für standesgemäß hält, wird er sie zukünftig meiden. Waldenburg sagt ihm nicht, dass es seine Schwester sei und gibt vor, die Frau aus den Tagen der Kindheit zu kennen. Ein Geheimnis umgebe sie und es empfehle sich nicht, dieses zu lüften.


    Vierter Aufzug: FELSEN AM SEE


    Arthur hat einen falschen Freund, der ihm erzählt, er habe zwischen Waldenburg und der Geheimnisvollen einen Fluchtplan belauscht. Damit schürt er Arthurs Eifersucht, der ihm glaubt. Der Getäuschte zieht falsche Schlüsse und trifft sich nach einem Streit mit Waldenburg auf einem hohen Felsen am See zum Zweikampf. Der Baron wird mit der Waffe verletzt und stürzt in den See.


    In Arthur erwacht der Edelmut und er springt hinterher, um den Verletzten aus dem Wasser zu ziehen. Alaide, die in der Nähe Heidelbeeren und Pilze für die Abendmahlzeit sammelt, hat zweimal einen Plumps gehört und erscheint auf der Bildfläche. Sie sieht den blutbefleckten Degen und versucht durch angestrengtes Nachdenken, die möglichen Ursachen zu ergründen. Dorfbewohner finden sie in Schwermut versunken mit dem blutbesudelten Degen in der Hand und beschuldigen sie des Mordes.



    ZWEITER AKT


    Erster Aufzug: GERICHTSHALLE DES JOHANNITERORDENS


    Den Streitern Gottes obliegt auch die weltliche Gerichtsbarkeit. Die Fremde ist als Mordverdächtige angeklagt und bekommt schon allein deshalb Probleme, weil sie vermummt vor Gericht erscheint.


    Arthur konnte sich schwimmend aus dem Wasser retten. Er erfährt von den Dorfbewohnern, was sich zugetragen hat und noch vor Nässe triefend, meldet sich der Entlastungszeuge pfützenbildend in der Gerichtshalle. Der Prior möchte schließlich wissen, wen er freisprechen soll, weil das Urteil in den Akten zu vermerken ist und nach langem Zögern ist Alaide schließlich bereit, ihr holdes Antlitz dem Prior zu zeigen. Baron Waldenburg darf den Schleier heben. Der Prior kann seine Bestürzung nicht verbergen. Wen er vor sich hat, ist die ehemalige Königin von Frankreich. Selbstverständlich wird Agnes sofort freigesprochen.


    Zweiter Aufzug: VOR ALAIDES HÜTTE


    Arthur tappt noch immer im Dunkeln. Er trifft Waldenburg, der sich ebenfalls aus dem kalten Wasser retten konnte, auf dem Wege zu Alaides Hütte und verträgt sich wieder mit dem falsch Verdächtigten, nachdem er erfahren hat, dass er der Bruder und nicht der Geliebte seiner Angebeteten ist. Er lässt sich überreden, zu Isoletta wieder zurückzukehren, stellt aber die Bedingung, dass Alaide auf seiner Hochzeit zugegen sein möge.


    Dritter Aufzug: IN ISOLETTAS GEMÄCHERN AUF SCHLOSS MONTOLINO


    Isoletta hat ihr Brautkleid wieder angezogen und lässt sich von Arthur ewige Liebe schwören, weil das nun einmal zur Etikette gehört, damit die Zeremonie nicht unter dem Mangel an Perfektion leidet.


    Vierter Aufzug: VOR DEM TEMPEL DES JOHANNITERORDENS


    Im Gebäude des Gerichtes ist auch das Standesamt, in dem der Prior des Ordens den Vorsitz führt, untergebracht. Man drängt Arthur, dass es Zeit sei, das Ja-Wort zu geben. Doch der Instinkt, sich nur mit dem Wesen paaren zu wollen, welches er liebt, ist stärker als jede Vernunft. Weg vom Altar, stürzt er sich in die Arme Alaides und fleht sie an, seine Liebe zu erhören. Dem Prior wird die Situation zu dumm und er hält den Zeitpunkt für gekommen, Schleier und Geheimnis zu lüften. Jetzt wissen alle, dass Königin Agnes sich unerkannt in ihrer Mitte aufgehalten und eine kleine Hütte mit dem Leben bei Hofe vertauscht hat. Doch aus der Hauptstadt sind gute Nachrichten gekommen. Agnes darf den Platz an der Seite des Königs wieder einnehmen, denn die Dänin, die der Königs aus politischem Kalkül heiraten musste, ist in den Himmel entrückt worden. Agnes musste sich verborgen halten, um nicht zum Mordopfer zu werden.


    Arthur, von der Aussichtslosigkeit seiner Liebe nun endlich überzeugt, gibt sich selbst den Tod. Völlig überflüssig bricht die Königin von Frankreich über seiner Leiche zusammen. Isoletta weiß nicht mehr, was sie von all dem halten soll und trägt Missgeschick und Brautbouquet mit Fassung. Die Hochzeitszeremonie wird abgebrochen, weil der Bräutigam tot ist.



    Anmerkung:


    Wenn der Spielleiter es nicht verantworten kann, sein Publikum missgestimmt nach Hause zu schicken, funktioniert er den Schluss des letzten Aktes einfach um. Arthut stirbt nicht und kommt zur Einsicht, dass er Agnes nicht heiraten kann, weil Philipp-August ihr den Platz als Königin von Frankreich an seiner Seite erneut anbietet. Die Dänin, die er aus Kalkül heiraten musste, ist unverhofft gestorben und Agnes kann triumphieren. Isoletta kommt nun zu ihrem Glück, denn Arthur bequemt sich zur ehelichen Verbindung.


    Nachdem 'Il Pirata' wie ein Funke eingeschlagen war und an der Scala einen sensationellen Erfolg errang, stellte ihm der Impresario Barbaja in Aussicht, seine nächste Oper in Mailand ebenfalls herauszubringen. In der Villa seiner Geliebten am Comer See hatte Vincenzo das passende Umfeld und die erforderliche Ruhe an 'La Straniera' zu arbeiten. Der Stoff über eine geheimnisvolle Fremde, die aber in Wirklichkeit die verstoßene Königin von Frankreich ist, traf den Geschmack seiner Zeit. Romantik, Liebesschmerz und Sensation kamen nicht zu kurz, aber der Anfangserfolg der Oper vor allem in Südamerika hat die Zeiten nicht überdauert.


    © 2010 TAMINO - Engelbert

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    Antoine Boësset (1587-1643)
    Ballet des Fées
    des Forêts de Saint-Germain

    Feenballett in den Wäldern von Saint Germain


    »Ballett de cour« in fünf Teilen
    Sujet und Choreographie: Heinrich von Savoyen, Herzog von Nemours
    Uraufführung am 11. Februar 1625 im Louvre, Paris


    Darsteller der Uraufführung:
    Marais: (die Fee Guillemine)
    Herr de Liancourt: (die Fee Jacqueline)
    Herr La Barre:
    Herr Picot
    Herr Delfin
    König Ludwig XIII.
    und weitere Edelleute



    INHALTSANGABE


    Im Wald von Saint Germain wohnen fünf Feen. Jede von ihnen dominiert über ein bestimmtes Aufgabengebiet. Die Damen aus der Geisterwelt, (die von Herren, welche ihre maskulinen Gesichtszüge unter einer Maske verstecken, dargestellt werden) verspüren das starke Bedürfnis, dem Hof von Versailles ihr Aufgabengebiet zu erklären. Guillemine ist die Fee der Musik. Ihr assistiert eine überlebensgroße Puppe, wenn sie ihre Musiker anweist, den Zuschauern mit ihren Instrumenten darzulegen, was Musik eigentlich ist. Gillette ist die Fee der Spieler. Jacqueline regiert die Schausteller und die Tollen. Alizon dominiert die streitenden Bauern, die Halsbrecher und die Ärzte. Die Fee Macette hat sich etwas Angenehmeres ausgesucht, sie ist die Fee des Tanzes. Sie darf auch das Ballett ins große Finale führen.


    Anmerkung:


    Zur Zeit Ludwig XIII. gab es zwei Arten von Ballett. In der ersten Gruppe ‚ballet mélodramatique’ waren dem Tanz auch vokale Einsätze zugeordnet, in der zweiten Gruppe dominierten die ‚Entrées, in der es kostbare und lustige Kostüme zu bestaunen gab. Höhepunkt und Finale verschmolzen ineinander. Ein dramaturgisches Gerüst gab es nicht. Die musikalische Komposition war ziemlich egal. Am Tanz beteiligt waren Amateure und Profis. Der Herzog von Nemours war Theaterfanatiker und engagierte sich sehr stark im choreographischen Bereich und der Erstellung von Ballettentwürfen.


    © 2011 TAMINO - Engelbert

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    Raffaelo de Banfield (1922-2008 )


    Una Lettera d’amore di Lord Byron
    Lord Byron’s Love Letter


    Oper in einem Akt
    in italienischer Sprache
    Libretto von Tennessee Wiliams
    Uraufführung 1955 in New Orleans
    Dauer etwa 50 Minuten


    Charaktere:
    La vecchia signora (Die alte Frau)
    Arianna, La Zitella (Die Jungfer)
    La moglie (Die Matrone)
    Il Marito (Der Ehemann)


    Das Geschehen spielt im 19. Jahrhundert in der amerikanischen Stadt New Orleans


    mit Astrid Varnay


    HANDLUNG


    Erste Szene


    versetzt den Opernbesucher in ein stilvolles altes Haus im französischen Quartier von New Orleans. Die Immobilie gehört einer alten und einer nicht ganz so alten Dame. Letztere bezeichnet Tennessee Williams in seinem Libretto respektlos als Spinster - „Alte Jungfer“ wäre der deutschsprachige Ausdruck.


    Arianna, die jüngere von beiden, sitzt am Klavier und wird von der anderen gerügt. Sie muss sich rechtfertigen, wo sie gelernt habe, das Stück in dieser Form zu spielen. Hat sie es nicht recht gemacht? Die Alte summt ihr nun vor, wie das Lied richtig klingen müsste. Die Gemaßregelte entschuldigt sich, dass sie die Melodie wahrscheinlich mit einer anderen durcheinander gebracht habe. Es sei jetzt genug, sie solle aufhören mit dem Spielen! Wütend knallt die Erstere den Klavierdeckel zu und schiebt den Hocker in eine Ecke.


    Es hat jemand den Türklopfer betätigt. Wahrscheinlich kommt ein Neugieriger wegen des Briefes, will die Rarität besichtigen und einen Kommentar dazu hören. Der Alten wird es zu viel, den gleichen Dialog immer wieder zu verfolgen - der Brief sei eine Sensation für Verrückte - und schickt sich an, den Raum zu verlassen. Weit kommt sie nicht, denn sie hat Probleme mit dem Herzen und bittet die Hausgenossin um ihre Medizin. Nach Einnahme des Medikamentes erkundigt sich die schnell besänftigte Arianna, ob es ihr nun wieder besser gehe. Es klopft eine Spur energischer gegen die Haustür. Arianna geht um zu öffnen, während die Alte sich ängstlich hinter einem Vorhang verbirgt.


    Zweite Szene


    Die Besucherin, welche hereinkommt, wirkt optisch wie eine Matrone und gibt nach Befragung Auskunft, dass sie aus Milwaukee komme. Eigentlich sei sie mit ihrem Mann wegen des verrückten Karnevals nach New Orleans gekommen, aber Winston will nicht eintreten, weil ihm der Vorwand zu dumm sei. Er interessiere sich nur für die Parade. Sie seien das erste Mal in New Orleans. Zufällig habe sie die Bekanntmachung an der Haustür gelesen, dass es hier ein kostbares Dokument zu besichtigen gebe. Angeblich handele es sich um einen Brief des großen Dichters, Lord Byron. Schier unglaublich, doch wie kommt es, dass ein solch kostbares Schriftstück sich nach New Orleans verirrte, dazu noch ein Liebesbrief? Nun, das Schreiben sei an ihre Großmutter, Irenèe Marguerite de Pointevant adressiert. „Wo traf die ehrenwerte Großmutter den Lord?“ Auf den Stufen der Akropolis in Athen sei sie ihm begegnet. „Ach, wie interessant!“ Die Nordstaatlerin wusste gar nicht, dass Lord Byron sich in Griechenland aufgehalten haben soll.


    Die Alte kann es nun doch nicht lassen, hinter dem Vorhang hervorzukommen. Über so viel Dummheit kann sie nur lachen. Arianna klärt nun auf: Lord Byron ging freiwillig ins Exil und verbrachte die letzten Jahre seines Lebens im turbulenten Griechenland. Die Alte hat ihre Zurückhaltung verloren und mischt sich ein. Sie beklagt, dass am Königshof skandalöse Zustände geherrscht haben sollen – Korruption überall im Lande! Aussagen, die nicht bestätigt seien, beschwichtigt Arianna und bittet, das unpassende Benehmen ihrer älteren Mitbewohnerin zu entschuldigen. Die Fremde ist gar nicht gekränkt, bindet die Alte in den Dialog ein und fragt teilnahmsvoll, was Lord Byron in Griechenland zu suchen gehabt habe. „Der Heros kämpfte in Opposition gegen die Andersgläubigen für die Unabhängigkeit. Sein Leben gab er für die grenzenlose Freiheit“ resümiert die Alte enthusiastisch. Er war ein leidenschaftlicher Mann – niemals ein Teufel. Die Belehrte gerät über eine solche Fülle an Opfermut in helle Begeisterung. „Das ist aber nicht alles“ packt die Alte noch obendrauf, „er durchschwamm den Hellespont.“ „Er leitete die Einäscherung von Shelley und trug die Gedichte von Keats bei einem Sturm auf dem Mittelmeer bei sich“, ergänzt Arianna. Das ist kaum zu fassen. Das muss Winston auch mit eigenen Ohren hören. Die Dame aus Milwaukee tritt ans Fenster, um ihren Ehemann hereinzuwinken. Die Alte meint, dass die Anwesenheit von Winston nicht unbedingt erforderlich sei, kommt aber mit ihrem Protest zu spät.


    Dritte Szene


    Winston, sichtlich betrunken und mit Konfetti bestreut, tritt ein und lässt sich in einen Sessel fallen.
    Er soll den albernen Hut weglegen und sich gesittet betragen! Die Dame wird ihm nun einen Liebesbrief von Lord Byron zeigen. Mrs. Tutwiler stellt ihren Mann vor und erlaubt ihm, sich eine Zigarre anzuzünden. „Er raucht wie Vesuvius“ fügt sie hinzu. „Rauchen sei eine überflüssige Angewohnheit“ kommentiert die Alte. Arianna stellt dem Gast einen Aschenbecher hin. Mrs. Tutwiler erläutert ihrem Mann, dass man ihm nun berichten wird, auf welche Weise eine Großmutter Lord Byron kennen gelernt habe. „War es nicht in Italien?“ „Nein, es war in Griechenland, zu Füßen der Akropolis.“


    Wie viele amerikanische Mädchen zu dieser Zeit ging die Großmutter nach Amerika, ein Jahr, bevor sie in die Gesellschaft eingeführt werden sollte. „Siebzehn Jahre war das Mädchen alt.“ „Nein, sie war erst sechzehn,“ verbessert die Alte. Man zeigt den Tutwilers ein Bild von dem jungen Mädchen.
    „Ein liebliches Kind, ähnelt es nicht ein bisschen Agnes?“ „Bestimmt nicht!“ schneidet die Alte der Vorlauten das Wort ab. Endlich kann Arianna fortfahren. Sie erzählt von einem Morgen im April des Jahres achtzehnhundertvierundzwanzig, als das junge Mädchen in Begleitung einer Tante nach Europa aufbrach.....


    Vierte Szene


    In einer Pantomime wird nun – während Arianna vorliest – die Begegnung zwischen dem jungen Mädchen und dem unwiderstehlichen Lord Byron dargestellt.


    PANTOMIME


    Ein Tänzer und zwei Tänzerinnen simulieren das zärtliche Geschehen untern den Säulen des Partenons.


    Fünfte Szene


    Doch ihrer Liebe war keine lange Lebensdauer vergönnt. Der große Dichter fand den Tod auf dem Schlachtfeld im Kampf gegen die Ungläubigen. Der Kummer übermannte das Mädchen und es zog sich trotzig von der Welt zurück.


    Nun möchte Mrs. Tutwiler den Brief endlich zu sehen bekommen. Sie gerät in Verzückung. Die Alte ebenfalls. Es hat den Anschein, als ob sie selbst die Liebesgeschichte noch einmal durchleben würde. Sie zitiert ein Sonett, welches das junge Mädchen dem Dichter gewidmet hatte. Arianna erklärt den Tutwilers, dass ein Sonett ein Gedicht von feinster Poesie sei. Die Emotion steigt bei den Damen himmelwärts.


    Mr. Tutwiler ist zwischendurch eingeschlafen. Laute Musik von draußen lässt ihn hochschnellen. Er stürzt hinaus auf die Straße. Der Aufgeregte ruft nach seiner Frau, dass sie den Festzug nicht versäumen soll. Sie folgt ihm flugs nach draußen. „Es wurde das Eintrittsgeld noch nicht bezahlt!“ wird ihnen nachgerufen. Nicht einen Doller, nicht einmal 50 Cents haben die Besucher aus Milwaukee zurückgelassen. Man ruft ihnen nach. Vergeblich!


    Sechste Szene


    „Canaille!“ Die beiden sind gegangen, ohne ein Scherflein zu geben. In der Haustür wird Arianna von einem Konfettiregen überschüttet. Ein Maskierter drängt herein und versucht, die Scheue zu umarmen. Sie reagiert emotionslos.


    In der Aufregung ist der kostbare Brief zu Boden gefallen. „Arianna, Arianna, du hast meinen Brief zu Boden fallen lassen!“ kreischt die Alte. „Der Brief deines Großvaters liegt auf dem Fußboden!“


    Arianna kann nur noch schluchzen. „Lord Byron, mein Großvater!“


    Anmerkung:


    Tennessee Wiliams erklärt in einem Vorwort, dass es in seiner Geburtsstadt Columbus eine aristokratische Jungfer gab, die einen authentischen Brief von Lord Byron unter einem Glassturz unter Verschluss hielt und ihn gegen Entgeld zur Besichtigung freigab. Diese Situation gab ihm den Impuls, ein Libretto zu formulieren.


    Raffaelo de Banfield war der Weggefährte von Gian Carlo Menotti und assistierte bei seinem „Festival zweier Welten“. Struktur und Kompositionstechnik entlehnte er seinem Vorbild.


    Die erste Tondokumentation brachte 1958 RCS Victor mit Astrid Varney in der Rolle der Arianna heraus.


    © 2010 TAMINO - Engelbert

    Ich habe auch drei Gesamtaufnahmen unter Julius Rudel in der Norman Treigle mitwirkt.


    Faust/caballé, - Hoffmanns Erzählungen/Sills/ - Coq d'or/Sills, aber nicht in russisch,
    sondern in englisch (lustige Kostümierung).



    Freundlichen Gruß


    :angel:


    Engelbert

    .


    Lieber Musikwanderer,


    ich bin sehr erfreut, dass Du dieser Hamburger Barockoper einen breiten Raum eingeräumt hast. Hierzu möchte ich nachtragen, dass es in Hamburg niemals eine Adelsklasse gab (die Herzöge von Lauenburg residierten in Bergedorf, welches damals noch nicht einverleibt war) und der Tonschöpfer deshalb bei Köchinnen und Zofen kein Bildungsniveau unterstellen konnte, wie es an Fürstenhöfen üblich war.


    Es ging nicht an, Menschen, die erwartungsvoll in die Oper kamen, mit Mythologie vollzustopfen. Der Komponist kam deshalb dem Publikumsgeschmack zartfühlend entgegen und packte Material aus dem Alltag in seine Oper, welches mit dem eigentlichen Inhalt nichts zu tun hatte. Die Dienstboten sollten ihrer Herrschaft erzählen, wie schön es im Gänsemarkt-Theater gewesen ist. Daraus erklärt sich die Figur des Scherenschleifers Pamphilius.


    Ich zitiere den Text der Arie Nr.20, in welcher Hamburgischer Humor und Denkungsart auf seine Kosten kommen. Pamphilius singt (in barock-deutsch):


    Was kann der edlen Schleiffer=Kunst,
    von andern Künsten gleichen.
    Sie kann die allererste Gunst,
    bey großen Herrn erreichen,
    Am Hofe wird nur ausgelacht,
    wer nicht vom Schleiffen Handwerk macht.


    Der König schleiffet seinen Rath,
    der Rath die armen Schreiber,
    und wenn man nichts zu schleiffen hat,
    so schleiffet man die Weiber.


    Da schleifft man manchen Dudendopff,
    die Tölpel und die Thoren,
    da wird der Wurm und Hasenkopff
    geschliffen und geschoren,
    Viel tausend macht von Phantasey,
    die edle Kunst des Schleiffens frey.


    Und wer nicht andre schleifen kan,
    der muss sich schleiffen lassen.
    Drum wer das Handwerk gehet an,
    der muss es gründlich fassen,
    sonst wird er als ein Stümper stehn
    und oft nach Buxtehude gehn.


    Ritornello



    Durch den Chor der Scherenschleiffer erhält - wie Musikwanderer auch erwähnt - anschließend noch Verstärkung:


    Kommet ihr Brüder und lasset uns tantzen,
    tantzen das gehet dem Schleiffen noch vor;
    sollten wir unsere Freude verschantzen,
    der sich nicht freuet, ist wahrlich ein Thor.
    Jedermann wird noch sein Handwerk ernehren,
    einer muss Schleifen, der andere muß Scheeren.


    (Anschließend folgt der Tanz der Scherenschleifer)


    -

    .


    Antonio Caldara (1670-1736)


    Il più bel nome
    Der schönste Name


    Opernserenade in zwei Teilen
    Libretto von Pietro Pariati
    Uraufführung vermutlich am 2. August 1708 in Barcelona
    Dauer: knapp zwei Stunden


    Charaktere:
    Venere - Venus (Sopran)
    Giunone - Juno (Sopran)
    Paride – Paris (Mezzosopran)
    Ercole – Herkules (Mezzosopran)
    Il Fato – Das Schicksal (Tenor)


    Die Handlung spielt zunächst in den Elysischen Gefilden und schließt in höfischer Umgebung ab.



    HANDLUNG


    Erster Teil:


    Venus fordert die Zuhörer auf, sich für die Schönheit zu begeistern, so wie sie es von ihrer Umwelt gewohnt ist. Sogleich erscheint der griechische Sagenheld Paris, um der Göttin seine Treue zu versichern. Er rühmt die Liebe als angenehmen Zeitvertreib. Da möchte nun Herkules nicht zurückstehen und rückt Juno in den Mittelpunkt seiner Verehrung. Chor und Trompeten untermalen, was beide Anbeter empfinden. Juno missfällt die Situation und singt als Kontrast zur Lust von der Schönheit der Elysischen Gefilde. Doch Venus möchte im Mittelpunkt stehen und fordert die Anerkennung ihrer Herrschaft. Paris schmeichelt sich bei ihr ein und erklärt frech, dass der Schönheit die Siegespalme noch vor der Tugend gebühre.


    Jetzt erscheint die Schicksalsgöttin auf, beteiligt sich an dem Disput und macht klaren Tisch. Herkules
    unterstützt die Ansicht Junos. während Venus verständlicherweise die Haltung des Paris lobt. Die beiden Göttinnen streiten sich wie üblich, bis sich der Vorhang senkt.


    Zweiter Teil:


    Erneut betont Paris seine leidenschaftlichen Gefühle für seine Gönnerin. Doch dann trumpft die Schicksalsgöttin auf und kündigt an, dass einer anderen ehrfurchtgebietenden Göttin bezüglich Geist und Schönheit alles Lob zukomme und tadelt die beiden Ehrsüchtigen bezüglich ihrer Einbildung. Die Verkünderin des Schicksals lässt sich ausgiebig bitten, den Namen ihrer Wahl preiszugeben. Wem gebührt der erste Platz unter den Göttinnen? Ihr Name sei Elisa! Beim Hades: Wer ist Elisa? Nun es ist Elisabeth Christine, die zukünftige Kaiserin von Österreich. Wer sollte es sonst sein? Sobald Paris den Namen hört, wechselt er die Gefühle.


    Flugs gestaltet das Bühnenbild sich neu und nimmt irdische Formen an. Alle Solisten findet sich stimmlich zu einem anmutigen Quintett zusammen. Mit Genugtuung besingt Juno die optischen Vorzüge Elisas. Jetzt kündet das Schicksal eine königliche Hochzeit an: “Al grande amor die sposa ...“ Herkules findet sich unverzüglich zur Huldigung des Hochzeitspaares bereit. Venus bleibt nichts anderes übrig, als sich anzuschließen. Paris bedauert, dass er heute kein Obst dabei hat - stattdessen bietet er symbolisch sein Herz an. Er bedauert, Elisa damals noch nicht gekannt zu haben, denn dann hätte Venus wohl oder übel auf den goldenen Apfel verzichten müssen.


    Das zuschauende Publikum weiß zwar, wer die Begünstige ist, welche Hochzeit man feiert und Karl der Herr Gemahl ist. Es missbilligt, dass die Favorisierte nicht auf der Bühne auftritt, sondern in der Loge sich die musikalische Zerstreuung zu Gemüt führt.


    Die Schicksalsverkünderin ist mit ihrer Prophezeiung noch nicht fertig: Zur Vermählung geselle sich nach einer Weile auch noch Mutterglück. Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel muss sich allerdings noch ein wenig gedulden, wenn das Kind in Wien das Licht der Welt erblicken soll. Nun kommt das Knallbonbon: Es ist die spätere Kaiserin Maria Theresia, der sie das Leben schenken wird.


    Anmerkungen:


    Die Opern-Serenade gibt sich in den Ausmaßen bescheidener als als jene Werke, die als Oper bezeichnet werden. Angesiedelt im Barockzeitalter, erleben sie ihre Erstaufführung häufig bei Festlichkeiten um Personen auch des niederen Adels zu ehren. Es sind meistens Auftragsarbeiten, die der Komponist mit gewohnter Routine durchzieht. Rezitative wechseln mit Arien, die eine gewissen Virtuosität nicht vermissen lassen. Schmeicheleien werden dick aufgetragen und sollen den Widmungsträger erfreuen. Personen der Mythologie werden bemüht und das Tagesereignis ihren musikalischen Aussagen angepasst. Blech im Ensemble unterstreicht den festlichen Anlass und sorgt für Gewicht. Der Besucher überbrückt die Zeit am besten, indem er die Komposition wie einen sommerlichen Regenschauer über sich ergehen lässt.


    © 2011 TAMINO - Engelbert

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    Herbert Baumann (geb. 1925)

    Alice im Wunderland


    Ballettmusik


    Libretto nach der Dichtung von Lewis Carroll
    ‚Alice in Wonderland’ war ein Auftragswerk des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden und erlebte dort seine Uraufführung.



    HANDLUNG


    VORSPIEL


    IM CHRIST-CHURCH-COLLEGE


    Es ist der Dichter Lewis Carrol selbst, der im Stück als handelnde Person in das Ballett einbezogen wird. Von Beruf ist er dort Lehrer am Christ-Church-College und soll den Schülern Mathematik beibringen. Seinen Beruf übt er nur ungern aus, denn die Kinder sind frech und aufsässig und haben kein Interesse am Lehrstoff. Der Dichter sehnt sich nach seinem privaten Umfeld, flüchtet sich dort in eine Märchenwelt, mit der er besser zurechtkommt, als mit dem harten Berufsalltag. Er träumt von Alice und ihrem weißen Kaninchen, welches das Mädchen ins Wunderland geleitet und er darf als Betrachter dabei sein.


    IM SAAL DER TÜREN


    Manchmal sieht es so aus, als ob das Leben nur aus Hindernissen bestehen würde. Alice betritt den Saal der Türen und muss feststellen, dass es nicht weitergeht. Ohne einen Schlüssel lassen sich die Türen nicht öffnen. Sie sucht überall und findet endlich einen kleinen goldenen Schlüssel, mit dem sich eine winzig kleine Tür einen Spalt öffnen lässt. Alice erblickt durch einen schmalen Spalt einen wunderschönen Garten, den sie gern aus der Nähe betrachten möchte. Leider ist die Öffnung zu schmal, so dass das wissbegierige Mädchen sich nicht hindurchzwängen kann. Es hilft nichts, dass Alice anfängt zu weinen. Es bildet sich nach und nach ein großer See, in dem das Mädchen zu ertrinken droht. Jetzt wird es Zeit für den Dichter, in die Handlung einzugreifen und das kleine Mädchen zu retten. Damit das Publikum vor Betrübnis nicht auch anfängt zu weinen, kommen die Leute aus dem Garten vor den Bühnenvorhang und vollführen den ‚Tanz der Gärtner’


    DIE KÜCHE DER HERZOGIN


    Alice hilft der Herzogin in der Küche eine Pfeffersuppe zu kochen. Sie muss immerzu niesen. Zum Haushalt der Herzogin gehört auch eine Katze. Das Geschöpf ist ein bisschen merkwürdig. Es besteht nur aus einem Kopf und hat keinen Rumpf. Schließlich tanzen alle um den Suppenkessel. Die Gärtner haben keine Lust zum Unkraut jäten, erscheinen in der Küche und tanzen mit. Anschließend hat die Herzogin eine kleine Aufgabe für die Gärtner. Sie sollen eine weiße Rose rot färben.


    IM GARTEN


    Die Küche ist dazu nicht der geeignete Ort und die Gärtner gehen auf die Terrasse und färben eine weiße Rose rot. Die Königin kommt in ihrer Kutsche zufällig vorbei und sieht den Unfug. Sie befiehlt, die Gärtner zu verhaften und lässt sie durch ihre Leibwache verfolgen. Auf einmal erscheint die ‚Edamer Katze’ Es ist das Vieh, welches nur aus Kopf besteht. Keiner weiß, warum die Katze solch einen komischen Namen führt und die Gärtner können entwischen.


    Die Königin fängt Streit mit der Herzogin an. Sie schimpft, weil sie annimmt, dass die Herzogin den Naturfrevel befohlen hat. Kurzer Prozess, die Königin ist mächtiger und die Herzogin wird abgeführt. Die Katze soll auch bestraft und geköpft werden. Aber die Scharfrichter wissen nicht, wie man das anstellen soll, denn eine Katze ohne Rumpf kann man nicht köpfen. Es muss aber etwas geschehen und bis sich eine zündende Idee einstellt, bewundern die Zuschauer den ‚Tanz des Schafrichters’


    In Wirklichkeit ist die Königin gar nicht so böse, wie man meinen könnte. Sie ist Naturliebhaberin - nur treibt es manchmal mit der Fürsorge mit dem Umweltschutz ein bisschen zu weit. Sie hat sogar einen Liebhaber, den Pikbuben, mit dem sie ausgelassen Walzer tanzt.


    DAS GERICHT


    Das Schöffengericht kommt zusammen, aber verhandelt wird nicht der Rosenfrevel, sondern etwas völlig anderes. Der Herzbube soll in der Backstube eine Torte gestohlen haben. Es wird so getan, als ob er etwas ganz Schlimmes verbrochen habe. Der Herzbube ist ganz mutlos. Er weiß wie ungerecht die Königin ist, und dass die Schöffen bestochen wurden.


    Nun fasst sich Alice ein Herz und erklärt den Herzbuben für unschuldig, weil sie gesehen hat, dass der Pikbube die Sahnetorte gegessen hat. Die Königin will auf ihren Liebsten nichts kommen lassen, deckt seine Nascherei und gerät furchtbar in Rage. Die ganze Gerichtsversammlung fällt über Alice her, aber der Herzbube steht der Beherzten tapfer zur Seite.


    FINSTERE GEGEND


    Endlich kommt der Dichter auch einmal dazu, mit Alice zu tanzen. Aber der Pikbube schubst den Poeten lausbubenhaft beiseite und denkt, er kann sich an Alice heranmachen. Schon ist der Herzbube zur Stelle und besiegt den unerwünschten Rivalen, nachdem er einen harten Fechtkampf gegen ihn bestanden hat.


    Alice bedankt sich ausgiebig bei ihm und der Herzbube möchte ihr etwas schenken. Er überreicht ihr seinen Degen, mit dem Alice eigentlich gar nichts anzufangen weiß. Intelligent war das ohnehin nicht, denn wie soll der Herzbube Alice beschützen, wenn der Pikbube wieder Streit sucht? Sorge überflüssig – durch Zaubermacht verwandelt sich die Stichwaffe in eine Blume.


    Gefahr ist schon im Anzug. Zusammen haben die Königin, die Herzogin, der Pikbube und die Wachsoldaten sich in einen Drachen verwandelt. Doch Alice hat eine Idee. Sie berührt das gefährliche Tier mit der Zauberblume und der Drache verliert seine Aggression. Er versteht sogar, zu lächeln.


    Nun wird es aber Zeit, dass Alice erkennt, wer ihr Bräutigam ist. Man muss auch an die Zukunft denken. Der Dichter führt ihr den Herzbuben zu, womit alle Ballettbesucher einverstanden sind.


    HELLER SAAL IM SCHLOSS


    Durch Zaubermacht verwandelt sich die finstere Gegend in einen Ballsaal mit mächtigen Kronleuchtern, die von der Decke herunter hängen. Eine Krone schwebt herab und Alice Wird zur Königin des Wunderlandes erklärt. Sie tanzt mit dem Herzbuben einen Walzer und der Dichter schaut liebevoll zu.


    Anmerkung:


    Für den Fall, dass die Ballgäste glauben, sie seien in der Tanzkunst perfekt, hat der Komponist noch einen Walzer ‚für Fortgeschrittene’ komponiert, der fast sieben Minuten dauert und auch als Finale genutzt werden kann.


    Die Musik von Herbert Baumann ist nicht ganz so verrückt, wie das Märchen, sondern einfallsreich und äußerst melodisch. Eine Katze, die nur aus einem Kopf besteht, ist eine tote Katze. Das Ballett dauert etwa 70 Minuten.


    © 2011 TAMINO - Engelbert

    Bei mir läuft es eigentlich genau umgekehrt: Die erste Einspielung, die ich von einer Symphonie erwerbe, bleibt meistens der Markstein.





    Beispiel: Von der 'Symphonie fantastiqe' war die erste Bekanntschaft die Einspielung diejenige unter Charles Münch mit dem Orchestre de Paris. Alles, was danach kam, konnte mich nicht mehr berücken.
    :angel:
    Engelbert

    Isabeau ist in der Tat eine sehr schöne Oper, die sich schon seit Jahren in meiner Sammlung befindet. Erst im Jahre 2003 wurde die CD eringespielt. Aufgenommen im Musikzentrum Vredenburg in Utrecht im Jahre 1982 mit überwiegend holländischern Darstellern, ist die Einspielung bei JPC noch zu kaufen - bei Amazonm zur Zeit nicht.



    Es ist erfreulich, dass ausgerechnet eine kleine Bühne das interessante Werk herausbringt und von Mascagni etwas mehr in den Blickwinkel der Öffentlichkeit gerückt wird. Danke an Caruso.


    Noch heute werde ich mir die Oper anhören und dann für eine ausführliche Beschreibung im TAMINO-Opernführer vormerken.


    :angel:
    Engelbert

    .


    Paul Reade (1943-1997)
    Hobson’s Choice


    Ballett in drei Akten


    Libretto nach der Komödie von Harald Brighouse (1882-1958)
    Entstanden 1989
    Auftraggeber: Sadler’s Wells Royal Ballett London
    Filmaufzeichnung: 1992
    Choreographie: David Bintley
    Design: Hayden Griffin
    Aufführung durch das Birmingham Royal Ballett
    Dirigent: Barry Wordsworth
    Darsteller: Kelly – O’Hare - Donovan – Madgwick – Williams – Cipolla – Wicks - Landa


    Personen:
    Henry Hobson, Inhaber eines Schuhgeschäftes
    Maggie Hobson, seine älteste Tochter
    Will Mossop, sein tüchtiger Gehilfe
    Vickey Hobson, seine zweite Tochter
    Fred Beenstock, ihr Verehrer
    Alice Hobson, seine dritte Tochter
    Albert Prosser, ihr Verehrer
    Mrs. Hepworth, eine wohlhabende Kundin


    Das Geschehen spielt in einer nordenglischen Kleinstadt
    im Victorianischen Zeitalter



    SZENENFOLGE


    Einleitung


    Erster Akt:


    Erste Szene: Der betrunkene Hobson betritt sein Geschäft
    Zweite Szene: Am Morgen
    Dritte Szene: Die reiche Dame
    Vierte Szene: Hobson und die Verehrer seiner Töchter
    Fünfte Szene: Will Mossop und seine Schuhe


    Zweiter Akt:


    Sechste Szene: Sonntagnachmittag im Park
    Siebte Szene: Zurück ins Geschäft
    Achte Szene: Außerhalb des Geschäftes
    Neunte Szene: Vor Fred Beenstocks Getreidespeicher


    Dritter Akt:


    Zehnte Szene: Am nächsten Morgen auf dem Platz vor dem Getreidespeicher
    Elfte Szene: Hochzeit vor der Kirche
    Zwölfte Szene: In Will und Maggies Haus
    Dreizehnte Szene: Außerhalb der Kirche bei Nacht
    Vierzehnte Szene: Das Schuhgeschäft von Mossop und Hobson



    HANDLUNG


    Erster Akt:


    Mr. Hobson ist Inhaber eines gutgehenden Schuhgeschäfts in einer nordenglischen Kleinstadt und Besitzer von drei heiratsfähigen Töchtern. Eine Hausherrin gibt es nicht! Es kann die Ursache sein, weshalb der Familienvater dem Alkohol hoffnungslos verfallen ist. In der Nacht hat er in seinem Lieblingspub seiner Sucht gefrönt, und als er am frühen Morgen seinen Laden betritt, greift er mit zitternder Hand sogleich wieder zur Whiskykaraffe. Mit schaukelndem Gang und gerötetem Gesicht geht es die Stiege hoch, kritisch beobachtet von der ältesten Tochter Maggie. Ein Drahtseilakt wirkt ungefährlicher als Hobsons Weg zu seinem Bett.


    Aber es verhält sich nicht so, dass es im Haushalt der Hobsons ohne englischen Humor abgeht. Das Stück, welches den Theaterbesucher erfreuen soll, ist schließlich eine Ballettkomödie, in der Frohsinn unerlässlich ist und Wortwitz durch kühne Akrobatik ersetzt wird. Dafür sorgen die beiden ständigen Begleiter der Schwestern Vickey und Alice. Fred und Albert schleudern die Angebetenen nach Herzenslust herum, von der Waagerechten geht es in die Senkrechte und zuweilen stehen die Damen sogar Kopf. Die Ladenfläche bietet eine vorzügliche Plattform für Temperament und Schwung. Die Röcke fliegen hoch, so dass der Betrachter jede Menge victorianischer Unterwäsche zu sehen bekommt. Nun, die Jugend tobt sich aus. Spaß ist erlaubt, Heiraten dagegen verboten, denn der tyrannische Vater möchte, dass die Töchter im Hause bleiben, um sich um das Geschäft zu kümmern. Ein angenehmes Leben in Fürsorge und Unterwürfigkeit erfordert ständigen Bereitschaftsdienst.


    Was ist nun mit Maggie? Hat sie keinen Verehrer? Maggie ist von den drei Mädchen die Klügste, denn sie hat den tüchtigen aber schüchternen Gehilfen ins Auge gefasst. Dieser möchte am liebsten nur Schuhe reparieren und weiß nicht so recht zu reagieren, wenn Maggie versucht, ihn in die richtige Richtung zu drehen. Dabei tanzt er genau so gut wie die beiden leichtlebigen Liebhaber von Vickey und Alice, allerdings am liebsten dreht er sich solo mit ein paar Schuhen in der Hand. Die erste Bekanntschaft mit Will machte das hochverehrte Publikum, als sich die Bodenluke mit einem Ruck öffnet und sein Kopf zum Vorschein kommt. Die Werkstatt befindet sich nämlich unterhalb des Ladens im Tiefparterre des Hauses. Das hat den Vorteil, dass Will bei der Anprobe von Schuhen niemals niederknien muss, sondern aufrecht auf der Kellertreppe stehend wendet er seinen Kopf in Augenhöhe den lederbewehrten Füßen von Mrs. Hepworth zu. Unerlaubte Blicke unter den Rock riskiert Will Mossop nicht, der Chef kann sich auf ihn verlassen. Sollte im Falle schlechter Leistung dem Klienten einfallen, dem Schuhmacher kräftig auf den Kopf zu treten, purzelt dieser die Stufen hinunter. Strafe muss schließlich sein. An einen Gewaltakt denkt Mrs. Hepworth aber keineswegs, denn sie ist dem tüchtigen Jungen wohlgesonnen. Von seiner Arbeit begeistert, gibt sie ihm ein fettes Trinkgeld und steckt ihm ihre Visitenkarte zu. Sollte er eines Tages einmal in Not geraten, darf er sich an sie wenden. Bravo Missis Hepworth!


    Zweiter Akt:


    Am Sonntag zieht es die Bürger des Mittelstandes in den gepflegten Park. Ein schmiedeeisernes Gittertor erinnert daran, dass man sich an Öffnungszeiten zu halten hat. Die wenigen Parkbänke sind voll ausgelastet und die Besucher beeilen sich, den freien Platz einzunehmen, sobald sich jemand erhebt. Die Ladies sind der Mode entsprechend gekleidet. Damen, die von Natur aus nur einen flachen Steiß besitzen, lassen sich mit Maß und Zwirn aus gerafftem Textil ein künstliches Hinterteil anmessen. Hobsons Töchter haben solchen Ulk nicht nötig, sie wollen tanzen und ihre Verehrer auch. Wer ist sonst noch im Park auszumachen? Die Heilsarmee veranstaltet einen Umzug. Sittenstrenge Damen wettern auf einem Plakat gegen den Teufel Alkohol. Vater Hobson, dem eine solche Predigt Nutzen bringen könnte, ist nicht zu sehen. Aber zum Erstaunen der Besucher zeigt sich Will. Maggie möchte ihn zu einem Tänzchen verleitet, der ängstliche Geselle fühlt sich gar nicht wohl in seiner Haut.


    Einmal muss der Anfang gemacht werden und Maggie erzählt dem Vater, dass sie in einer ernsthaften Verbindung mit Will einen Vorteil sieht. Weit gefehlt, Hobson löst seinen Gürtel vom Hosenbund und lässt sich dazu hinreißen, mit dem Riemen Will mehrfach eins überzuziehen. Seine Protestreaktion ist ein fetter Schmatz auf Maggies Wange. Nun hat Maggie endlich die Sicherheit, Will hinter sich zu wissen und kann forsch auftreten. Beide verlassen auf der Stelle das Haus und der irritierte Hobson schaut ihnen verstört nach. Was soll aus dem Laden werden, wenn seine beiden Stützen nicht mehr vorhanden sind. Der Alkohol spendet Trost.


    Bill weiß nicht, wie es nun mit ihm weitergehen soll, doch seine Zukünftige denkt für zwei. Wie wäre es mit einem eigenen Laden? Wills Tüchtigkeit ist stadtbekannt, aber zunächst müssen einmal Werbezettel verteilt werden, um die Leute zu informieren, dass es im Städtchen einen neuen Schuhladen geben wird.
    Das Schicksal ist dem Senior der Familie Hobson nicht wohlgesonnen. In unzurechnungsfähigem Zustand entfernt der Volltrunkene auf seinem nächtlichen Streifzug die Sicherheitsvorkehrung, die eiligen Passanten den Weg in unwegsames Gelände versperren soll. Der Torkelnde stürzt durch die Öffnung im Hofpflaster ausgerechnet in den Keller von Freddys Getreidespeicher.


    Dritter Akt:


    Mit Lücken im Erinnerungsvermögen kann er sich am Morgen selbst befreien und unbemerkt entweichen, doch die vorbeieilenden Leute machen sich über den mit Mehl Bestäubten lustig. Wer hätte gedacht, dass Maggie sich die Situation zunutze macht und Albert anstiftet, in seiner Eigenschaft als Anwalt dem Verunglückten eine Strafandrohung wegen unbefugten Eindringens in das Haus seines Klienten Beenstock zu schicken. Mit der Maßnahme will die Aufmüpfige den trotz allem geliebten Vater gefügig machen. Er soll der allgemeinen Heiratslust keinen Riegel mehr vorschieben. Hobson hat keine Wahl, erscheint sogar zur Hochzeit von Will und Maggie und nimmt missmutig einen Schluck Tee nebst einem Stückchen Kuchen zu sich. Die Anwesenden hält es nicht davon ab, Klavier zu spielen und ausgiebig zu tanzen. Doch von ehelichen Pflichten hat Will wenig Ahnung. Er weiß nur, dass die akrobatischen Übungen im Dunkeln stattfinden und deshalb möchte er auch nicht, dass die Ehefrau ihm beim Wechseln von der Straßenkleidung in die Schlafhose zusieht. Zartgefühl kennt Maggie dagegen nicht und zerrt den Erwählten am Ohrläppchen in die Schlafkammer, wartet aber taktvoll bis alle Gäste das Haus verlassen haben.


    Dem Geschäft geht es immer schlechter und ohne die gewohnte Einsatzfreude von Will und Maggie steht der alte Hobson bald in den Ruin. Die Schuldscheine, die sich häufen, kann er nicht mehr einlösen, doch die Jungvermählten sind so freundlich, diese mit dem Geld von Mrs. Hepworths einzusammeln und zu bündeln. Will liebt nicht nur schöne Schuhe, sondern neuerdings auch angemessene Kleidung, die beigefarben gemusterte Weste mit goldener Taschenuhr gibt etwas her und Will ist sich seiner Wirkung voll bewusst. Erneut setzt Maggie den Hebel an, um den Alten zu knebeln. Die Handwerker haben für das alte Geschäft ein neues Ladenschild gemalt, welches über Schaufenster und Ladentür flächenfüllend den Bewohner des Städtchens neue Kunde bringen soll. Toben hilft nichts, Hobson hat keine Wahl. Auf dem meterlangen Schild steht in fetten Lettern der neue Firmenname. Das Geschäft heißt in Zukunft. MOSSOP UND HOBSON.


    © 2011 TAMINNO - Engelbert

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    Alexander Glasunow (1865-1936)
    Raymonda


    Ballett in drei Akten

    op. 57, komponiert 1896/97
    Libretto von L. Paskowa und Marius Petipa
    nach der Ungarischen Legende 'Die weiße Dame'
    Uraufführung am 19. Januar 1898 in St. Petersburg, Premiere in Moskau am 23. Januar 1900 in Moskau
    Choreographie: Marius Petipa
    Ausführende: Pierina Legnani - Sergej Legat - Pawel Gerdt -
    Zeitdauer: etwa 140 Min.


    Charaktere:
    Raymonda
    Jean de Brienne
    Abderam
    Tante Sybille
    Die weiße Dame
    Der König von Ungarn


    Das Geschehen spielt in Ungarn und Frankreich zur Zeit der Kreuzzüge




    HANDLUNG


    Erster Akt:


    Der Applaus gilt dem wunderschönen Bühnenbild. Es zeigt die herrlich geschmückte Halle eines Märchenschlosses, zeitlich im europäischen Mittelalter angesiedelt und ausgestattet mit wertvollen Tapisserien und Skulpturen. Der Blick geht hinaus auf die Terrasse und reicht über den kleinen See bis ans andere Ufer.


    In dieser herrlichen Umgebung wird Raymonda, die Nichte des Schlossherrn ihren Geburtstag feiern. Pagen und Hofdamen üben auf ihren Zupfinstrumenten und studieren Gesellschaftstänze ein. Die ersten ankommenden Gäste plaudern vergnügt miteinander. Tonangebend im Kreise der Hofdamen ist Tante Sibylle. Die Comtesse meint, sie muss das Geburtstagkind wegen angeblicher Trägheit zurechtweisen. Raymonda ist nachsichtig und zollt der Verwandten Respekt. Ihre Gedanken sind bei ihrem Verlobten, dem edlen Ritter Jean de Brienne. Tante Sibylle klärt ihr Umfeld über die „Weiße Dame“ auf. Es handelt sich um die Statue, welche im Schlosspark steht und Comtesse Doris verkörpert. Der Sage nach wird sie unruhig und mitteilungsbedürftig, wenn es gilt, ein ungewöhnliches Ereignis anzukündigen. Im Ruhezustand befindet sich der Geist von Doris in einer anderen Welt. Tante Sibylle muss es hinnehmen, dass sie von den jungen Leuten ausgelacht wird.


    Schöne Geschenke und einen Gobelin mit eingesticktem Porträt lässt Jean durch eine Delegation vorausschicken. Das Bild soll die Vorfreude Raymondas anheizen, damit sie weiß, welcher herrliche Ritter am morgigen Tag leibhaftig vor ihr stehen wird. Die große Überraschung steht im Briefchen. Auf dem Schlachtfeld wurde er mit Ruhm bekränzt und morgen wird er kommen, um den Bund des Lebens mit ihr zu schließen. Tante Sibylle ist überglücklich.


    Unter den angekommenen Gästen befindet sich ein geheimnisvoller Ritter, der sich anschickt, die Verlobte Jeans ungebührlich zu umwerben. Obwohl seine erotische Ausstrahlung bei einem gemeinsamen Pas de deux ihre Wirkung nicht verfehlt, weist Raymonda den Aufdringlich aus Gründen der Schicklichkeit empört zurück. Auf Tante Sybille macht der Exot einen bedrohlichen Eindruck. Es ist der Grund, den Saraszenenfürsten zur Feier des morgigen Tages formell einzuladen, weil die Ängstliche befürchtet, Missachtung könne böse Folgen haben.


    Der Geliebte Jean soll mit allen Ehren empfangen werden. Raymonda und das Schlosspersonal geben sich bei den Vorbereitungen große Mühe. Die Auftritte werden geprobt, vor allem Musik und Tanz sollen stimmig sein. Erschöpft von all den vielen Verrichtungen, legt Raymonda sich auf die Chaiselongue und schläft ein.


    Nun ist die Stunde der Weißen Dame, von der Tante Sybille erzählt hat, gekommen. In Mondlicht hat sie sich gekleidet und reicht Raymonda die Hand, die versucht, ihren Schüttelfrost zu unterdrücken. Sie gehorcht einer geheimnisvollen Macht und folgt der Erscheinung auf die Terrasse.


    Szenenwechsel


    Das Schloss versinkt im Nebel und die weiße Dame entführt Raymonda in den Zaubergarten der Träume. Im Zustand der Verklärung wartet der Verlobte Jean de Brienne bereits auf sie. Er löst sich aus der Gruppe von Gestalten, die - wie er selbst - alle einen Glorienschein tragen. Selig wirft die Erwartungsvolle sich in seine Arme und man tanzt einen Pas de deux. Ihre geheimsten erotischen Wünsche melden sich an und als Raymonda aufblickt, stellt die Verzückte fest, dass sie in den Armen von Abderam liegt. Dieser gesteht ihr seine Liebe, doch Raymonda kann den plötzlichen Wechsel der Situation nicht verarbeiten und reagiert ungnädig. Die Statue verkündet Raymonda, dass sie sich merken soll, was sie erwartet. Dir Szene füllt sich mit Elfen und Gnomen. Der Traum löst sich auf, die Verstörte erwacht und ihre Freundinnen und Tante Sybille kümmern sich um sie.


    Zweiter Akt:


    Ein neuer Morgen ist angebrochen. Raymonda sitzt im Kreis ihrer Gefährtinnen und gemeinsam mit Tante Sybille wartet sie auf das Hornsignal, welches die Ankunft ihres strahlenden Verlobten ankündigen wird. Freunde von den benachbarten Burgen und Schlössern sind eingetroffen und die Musik widmet dem „Einzug der Gäste“ besondere Aufmerksamkeit.


    Endlich ertönt die Fanfare, doch der Eintretende ist nicht Jean de Brienne, sondern der Saraszenenfürst, den Tante Sybille eingeladen hat. In pompöser Kleidung und mit prächtigem Gefolge ist er erschienen und seine blitzenden Augen blicken unentwegt auf das Objekt seiner Begierde, die den Gästen gerade den „Danse oriental“ vorführt. Die Angestarrte erschrickt tödlich und besinnt sich auf ihren Traum und das Orakel der weißen Dame. Das Fest nimmt seinen Lauf. Jongleure treten auf und der Tanz der arabischen Sklaven passt sich nahtlos in das Programm des Zeremonienmeisters ein. Ungarische Weisen und spanische Rhythmen bereichern das Programm, doch Abderam hat mit Folklore wenig im Sinn. Er möchte die Braut noch vor der Hochzeit entführen und hat seinen Domestiken die erforderlichen Anweisungen gegeben.


    Raymonda ist ein Leben im Harem an der Seite eines Saraszenenfürsten trotz aller körperlichen Anziehung suspekt und fühlt sich an der Seite eines strahlenden mit Kriegsruhm überhäuften Helden besser aufgehoben. Heftig widersetzt sie sich ihrer Entführung, strampelt mit den Füßen und möchte am liebsten dem Zudringlichen ihren Ballettschuh auf den Kopf schlagen.


    In höchster Not erscheint Jean de Brienne, im Tumult hatte man die Fanfare völlig überhört. Es gelingt dem edlen Ritter, den Eindringling und Räuber seiner Ehre im Zweikampf zu überwältigen und das Lebenslicht auszublasen.


    Obwohl das Ballettpublikum dem gutaussehenden muskulösen Fremdling aus einem völlig anderen Kulturkreis das Mädchen durchaus gegönnt hätte – Tante Sybille hätte sich auch gefreut – so muss es doch einsehen, dass Kidnapping und Gefährdung des Burgfriedens Ordnungswidrigkeiten darstellen, die nur mit dem Tode bestraft werden können. Die Hochzeitsfeier wird verschoben und in den dritten Akt an einen anderen Schauplatz verlegt.


    Dritter Akt:


    Jean de Brienne hat ein schönes Zuhause im Alpenvorland. Der König von Ungarn, Adreas II., konnte gewonnen werden, auf seiner Burg das Hochzeitszeremoniell zu leiten. Um ihm und dem Publikum Kurzweil zu verschaffen, hat der Ballettmeister seine Gruppe auf ungarischen Rhythmus eingeschworen. Die Musikeinlagen beanspruchen den gesamten dritten Akt, so dass für Aktion kein Spielraum bleibt. Alles jubelt und den Vermählten wünscht man viel Glück auf ihrem gemeinsamen Lebensweg.



    Anmerkungen:


    Alexander Glasunow hatte sich als Symphoniker bereits einen Namen gemacht, als er vom Direktor des St. Petersburger Marjinski-Theaters den ehrenvoller Auftrag erhielt, ein Ballett zu komponieren. Die Öffentlichkeit nahm es mit Erstaunen zur Kenntnis und Glasunow wandte sich vertrauensvoll an den berühmten Choreographen Marius Petipa, um mit ihm das Szenario zu entwerfen. Indem man sich an das Schema von Peter Tschaikowski anlehnte, schuf man ein monumentales Drama, welches Gelegenheit zu Exotik und vielen Divertissements bot. Am einprägsamsten ist der Pas d’Espagnol im zweiten Akt. Ein mittelalterliches Schloss mit einer spukenden weißen Dame, ein edler Ritter, der die Ehre seiner Dame gegen einen Eindringling verteidigt, und die exotischen Tänze wilder Saraszenen waren das Rezept, aus der sich ein tänzerischer Leckerbissen für ein begieriges Publikum zubereiten ließ.


    Glasunow war bei allen Proben dabei und seine Verleumder behaupteten, dass es ihm weniger um das Ballett, als um die Anwesenheiten der vielen Ballettratten gehen würde. Raymonda wurde Glasunows bedeutendste Ballettkomposition und man kennzeichnet es als Bindeglied zwischen den großen klassisch-romantischen Tschaikowskys und den bedeutenden Tanzdramen Strawinskys.



    ©
    2011 TAMINO - Engelbert



    © 2011 TAMINO - Engelbert

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    Anton Stepanowic Arensky (1861-1906)


    Ägyptische Nächte
    Egipetskiye Nochi - Une Nuit d’Egypte - Egyptian Nights


    Ballett in einem Akt


    komponiert 1919l op. 50
    Libretto von Michel Fokine – nach Alexander Puschkin

    Uraufführung im März 1908, Marinsky Theater St. Petersburg
    Weitere Aufführung am 2. Juni 1909, Paris, Théâtre du Châtelet
    Dauer etwa 50 Minuten


    Personen:
    Kleopatra, Königin von Ägypten
    Arsinoe, ihre Schwester
    Berenice, Tempeltänzerin
    Amun, ihr Freund, zu Kleopatra in Liebe verfallen
    Mark Anton, Kleopatras Lebensgefährte
    Hoherpriester


    Das Geschehen spielt kurz vor der Zeitenwende in Ägypten,


    Szenenfolge:
    Ouvertüre - 1 Scène et dance de coquetterie - 2 Entrée de Cléopatre - 3 Danse d’Arsinoé et des esclaves - 4 Danse de Bérénice et scène - 5 Scéne d’empoissemnt - 6 Danse des Juives - 7 Danse des égyptiennes - 8 Charmeuse des serpents: Deuxième danse d’Arsinoé - 9 Danse des Ghazies, Cadence de la harpe - 10 Pas de deux - 11 Allegro moderato - 12 Entrée solenelle d’Antoine - 13 Finale



    HANDLUNG


    Berenice, gefolgt von ihren Freundinnen, tritt aus dem Tempel und geht zum Ufer des Nils, um Wasser zu schöpfen. Ihr Geliebter Amun ist von der Jagd zurück und zeigt der Hofgesellschaft das Wild, welches er erlegt hat. Der Hohepriester des Tempels gratuliert ihm zu seinem Erfolg. Er ist zufrieden, das bald die Hochzeit zwischen Amun und Berenice stattfinden wird. In diesem Moment verkündet ein Herold, dass Königin Kleopatra naht.


    Amun ist sichtlich erregt und versucht vergeblich, seine leidenschaftlichen Gefühle für die Königin zu verbergen. Kleopatra hat ihre kurze Andacht im Tempel beendet und begibt sich auf ein Lager, welches im Schatten einer Palme am Flussufer für sie errichtet wurde. Am Horizont sind die Pyramiden und die Sphinx im Abendrot zu erkennen. Arsinoe versucht ihre königliche Schwester mit einem Tanz abzulenken, ohne besondere Aufmerksamkeit zu erlangen. Nun versucht Berenice ihr Glück, die Königin mit ihrem Tanz zu erfreuen. In diesem Moment erscheint Amun auf der obersten Tempelstufe, nimmt seinen Bogen und schießt einen Pfeil ab. Dieser trifft in den Stamm der Palme, unter der die Königin sich ausruht. Der Flüchtige wird von den Wachen verfolgt.


    Arsinoe zieht den Pfeil aus dem Stamm und gibt ihn Kleopatra mit dem aufgestecktem Papyrus, auf dem eine Liebesbotschaft verzeichnet ist. Der Schütze ist von den Wachen eingefangen worden und wird vor Kleopatra gebracht, die von seinem guten Aussehen beeindruckt ist. Zu den Vorwürfen für sein ungewöhnliches Verhalten kann er nur antworten, dass er sie liebe und er für einen Kuss von ihr sein Leben geben würde. Sie gibt ihm zu verstehen, dass sie seinen Wunsch erfüllen wird, er aber im Austausch tatsächlich sein Leben verlieren wird und einen Giftbecher auszuleeren hat.


    Berenice sinkt zu Füßen Kleopatras nieder, möchte das ungewöhnliche Begehren ihres Partners rückgängig machen und bittet um Gnade. Ihm zugewandt fleht sie ihn an, ihrer ersten Liebe zu gedenken und diese unrealistische Faszination von der Königin aufzugeben. Amun bleibt kalt, nähert sich erwartungsvoll der hohen Gebieterin und erreicht, dass der Flehenden keine Beachtung geschenkt und diese entfernt wird.


    Eine Serie von unterschiedlichen Tänzen - die Ballettgeschichte kennt sie als Divertissemnts - überbrücken den zeitlichen Abstand. Die Unterhaltung der Anwesenden beginnt mit dem Reigen der hebräischen Jungfrauen und wird fortgesetzt vom Tanz der ägyptischen Mädchen. Arsinoe imitiert die gleitenden Bewegungen einer Schlange. Ihrem wilden Charakter zugetan, tanzen anschließend die triumphierenden Krieger.


    Amun verbringt im Tempel die Liebesnacht mit der Königin. Am folgenden Morgen wird der Becher geleert. Zum Glück hat Amun den Hohepriester auf seiner Seite, der geheime Anordnung getroffen hat, die Dosis des Giftes klein zu halten. Der Kandidat soll zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufwachen und Berenice heiraten.


    Mark Anton erscheint und wird unter Trompetengeschmetter festlich empfangen. Mit Kleopatra besteigt er das Boot, welches festlich mit Rosen geschmückt ist. Beide verlassen den Schauplatz des dramatischen Geschehens, um eine gebuchte Nilkreuzfahrt anzutreten.


    Amun ist aus seiner Betäubung erwacht, schaut den beiden dumm hinterher und begreift, wie närrisch er sich benommen hat. Zerknirscht sinkt er Berenice zu Füßen und bittet den kleinen Fehltritt zu vergeben.


    Anmerkungen:


    Um das Ballett-Spektakel abendfüllend zu machen, wird es häufig mit Musik von Glinka, Rimsky-Korsakoff, Mussorgsky und Glasunow angereichert. In anderen Versionen trägt die Tempeltänzerin Berenice auch den Namen Ta-Hor.


    Die Kleopatra war eine Lieblingsrolle von Ida Rubinstein. In der eigens für sie ausgerichteten Choreographie entstieg sie einem Sarkophag. In zwölf mit Lotosblumen bestickte Bandagen gehüllt, wurde sie langsam ausgewickelt.


    Reinhold Glière hat den Puschkin-Vorwurf gleichfalls vertont.


    © 2010 TAMINO - Engelbert

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    Rodion Schtschedrin (geb. 1932)
    Anna Karenina

    Ballett in drei Akten

    Libretto von Boris Kwow-Anochin nach Motiven des Romans von Leo N. Tolstoi -


    Uraufführung
    am 10 . Juni 1972, Bolschoi-Theater Moskau
    Choreographie: Maja Plissetskaja, Natalia Ryzhenko, Victor Smirnow-Golowanowa
    Ausführende:Maja Plissetskaja




    Personen:
    Anna Karenina, eine russische Adelige
    Karenin, Staatsbeamter
    Graf Wronsky,
    Serjoscha, Annas Sohn
    Wronskys Mutter
    Kitty Tanzpartnerin Wronskys
    Adelige: Twerskoi, Fürstin Betsy, Tuschkewitsch


    Tableau 1: Prolog – Bahnhof - Der Ball - Schneesturm - Salon bei Betsy - Annas Zimmer - Wronskys Traum - Anna und Wronsky
    Tabelau 2: Das Rennen - Annas Zimmer - Annas Traum - Annas Zimmer
    Tabelau 3: Italien - Hofzeremoniell - Annas Treffen mit ihrem Sohn - In der Oper - Annas Verzweiflung - Annas Tod


    Das Geschehen spielt in Russland im 19. Jahrhundert



    HANDLUNG


    Erster Akt:


    PROLOG


    Auf dem Bahnhof von St. Petersburg hat sich ein Mensch in Selbstmordabsicht vor den Zug geworfen. Die Umstehenden sind verstört und geschockt. Unter ihnen auch Anna Karenina, die ihr Reiseziel erreicht hat. Am Bahnhof wartet ein Mann in Galauniform auf seine Mutter. Anna sieht ihn zum ersten Mal. Beider Blicke treffen sich.


    Direkt vom Bahnhof führt das Libretto den Ballettbesucher auf einen Ball. Wronsky hat das Mädchen Kitty dabei. Das Mädchen sieht, wie die Augen Wronskys Anna verfolgen und ahnt, dass sie selbst bald abgemeldet sein wird.


    Auf dem Heimweg geraten Anna und ihr Gatte in einen Schneesturm. Das Unwetter symbolisiert wie es in ihrem Innern tobt. Über ihre stürmischen Empfindungen zu Wronsky ist sie erschrocken und glücklich zugleich.


    Schon wieder ein Empfang - diesmal beim Fürsten Twerskoi. Die Fürstin Betsy hat einen Geliebten, der Tuschkewitsch heißt. Beide verhalten sich nicht gemäß den gesellschaftlichen Normen, aber in Anbetracht der Höhe ihres Ranges, ist man in der Beurteilung großzügig.


    Wronsky steigt Anna nach, obwohl sie in Begleitung ihres Mannes ist. Er passt einen Moment des Alleinseins ab, um ihr seine Liebe zu gestehen. Daraus kann nun Glück oder Unglück werden, in jedem Fall sind Turbulenzen abzusehen. Die Gesellschaft wird aufmerksam und Karenin fühlt sich unbehaglich. Anna will nicht mit nach Hause kommen und bleibt mit Wronsky zurück.


    Zuhause hagelt es Vorwürfe, aber Anna hat das Gefühl, dass sie den Weg ihrer Liebe zu Ende gehen muss.



    Wronsky muss unablässig an Anna denken. Im Traum mischt sich der Schienensuizid am Bahnhof mit seinen Gefühlen. Als er erwacht steht Anna vor ihm. Dem Wunsch nach Erfüllung ihrer Sehnsucht steht kein unmittelbares Hindernis im Wege.


    Zweiter Akt:


    Herr Karenin geht niemals ohne seine Frau aus dem Haus. Nun trifft man die beiden bei einem Pferderennen. Wronsky - wie kann es anders sein – ist natürlich auch anwesend. Anna möchte ihre Verbindung zu ihm nicht länger geheim halten und redet öffentlich über ihre Gefühle zum Geliebten.


    Erneut gibt es zu Hause eine Aussprache. Bei einem Duell sieht Karenin sich nicht auf der Seite des Erfolges und man beratschlagt, dass Anna ihre Affäre kaschieren soll. Nach außen will man so tun, als ob alles wieder in Ordnung sei. Für die Liebenden bedeutet es Stress, sich aus gesellschaftlichen Erwägungen nicht offen zueinander bekennen zu können.


    Anna hat einen schlimmen Traum. Sie sieht, dass die Liebe ihres Gatten sich in Hass verwandelt, weil dieser sich kompromittiert fühlt. Der Sturz in den Abgrund beendet den Traum.


    Wronsky besucht Anna heimlich in ihrem Haus. Nach einer heftigen Umarmung macht er den Vorschlag, ins Ausland zu fliehen, falls Karenin in eine Ehescheidung nicht einwilligen würde. Der Sohn Serjoscha würde beim Vater bleiben.


    Dritter Akt:


    In Italien wird unbeschwert Urlaub gemacht. Man kann sich geben, wie man möchte und muss keine gesellschaftliche Kritik fürchten. Aber jetzt ist es Anna, die Sehnsucht nach ihrem Kind hat und wieder nach Hause will.


    Karenin bekommt vom Zaren einen hohen Orden verliehen. Ein kleiner Trost für die abwesende Gemahlin.


    Heimlich versucht Anna in das Haus ihres Mannes zurückzukehren, um ihren Sohn zu sehen. Dabei wird sie überrascht und muss sofort das Haus verlassen.


    Anna will testen, wie die Gesellschaft über ihre Affäre denkt und gönnt sich einen Opernabend. Dem Adel will sie verkünden, dass sie sich endgültig von ihrem Mann lossagt.


    Die Probleme bündeln sich: Von der vornehmen Gesellschaft wird Anna geschnitten. Ihren Sohn bekommt sie nicht mehr zu Gesicht. Wronsky befindet sich auf neuen Liebespfaden. Seine Mutter hat ihm geraten, dass er die Fürstin Sorokin ehelichen soll. Die Eifersucht plagt Anna. Sie ist völlig verzweifelt und kann sich ein Weiterleben nicht mehr vorstellen.


    Die erste Begegnung mit Wronsky bei der Ankunft am Bahnhof geht ihr nicht aus dem Sinn. Der schreckliche Zwischenfall, bei dem ein Mensch von den Rädern des Zuges überrollt wurde, steht vor ihrem geistigen Auge. Todessehnsucht löst den Nachahmungstrieb aus.


    © 2011 TAMINO - Engelbert

    Hallo Forianer,


    ich bin nun intensiv dabei, die verlorengegangenen Titel wieder einzutragen. Ich hatte nicht geglaubt, dass es so viele sein würden
    Neue und alte Titel werden gemischt und nebenbei betreue ich auch den Ballettführer.


    Mit den deutschen Kulturkreis bin ich bei den Opern durch bis auf einige Duplikate und widme mich nun bevorzugt den Skandinaviern.


    Also viel Spass beim Blättern
    :angel:
    Engelbert

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    Wilhelm Peterson-Berger (1867-1942)
    Arnljot


    Oper in 3 Akten


    Schwedisch gesungen
    Libretto vom vom Komponisten
    nach Snorre Sturlasson und Björnstierne Björnsen


    Uraufführung am 13. April 1910 in Stockholm


    Personen:
    Arnljot - Schwedischer Freiheitsheld
    Gunhild - Arnljots große Liebe
    Waino - Lappländerin, Gefährtin Arnljots
    Östmund - Vater Gunhilds
    Mutter Gunhilds
    Gudfast - Intrigant, Gunhilds Mann
    Ubma - Schamane
    Tormod - Erster Barde am norwegischen Königshof


    Das Geschehen spielt zur Zeit der Christianisierung im elften Jahrhundert in Nordschweden



    Die Vorgeschichte:


    Der junge Held ist das bedeutende Mitglied einer aristokratischen Familie in der nördlichen Provinz von Jämtland. Von früher Zeit an war es so vorgesehen, dass er eines Tages Gunhild, die Tochter Östmunds, des Herrn der Frösö-Insel heiraten und die Herrschaft erben würde. Um den Besitz des begehrten Landstriches lagen Schweden und Norwegen politisch im Streit miteinander. Die Einheimischen wollten aber ganz frei sein und strebten unter Sigurd Slandrom einen unabhängigen Status an. Arnljot sollte ihr erster König werden.


    Dieser hatte eine längere Reise unternommen, obwohl ihn zu Hause das Thing erwartete, um über die neuen Grenzen von Jämtland zu beraten. Die Dauer der Reise verzögerte sich um zwei Jahre und er schickt zwischendurch seinen Gefährten Gudfast in die Heimat mit der Botschaft, dass man auf ihn warten solle. Gudfast spielt ein falsches Spiel und streut Gerüchte aus. Als Arnljot endlich nach Hause kommt, muss er feststellen, dass dieser seine Jugendliebe Gunhild zu seiner Frau gemacht und das Wohlwollen ihres Vaters errungen hat.



    HANDLUNG


    Erster Akt:


    Ein kurzes lyrisches Vorspiel schildert die Einzigartigkeit der Landschaft von Jämtland. In einem Dialog zwischen Gunhild und ihrer Mutter erfahren wir von Gudfasts Verrat. Gunhild erwartet die Ankunft des Jugendgeliebten mit Angst in ihrem Herzen. Sie hat ihn nicht vergessen können, trotz allem was inzwischen passiert ist.


    Nach langer Abwesenheit sieht der Heimgekehrte das Land seiner Geburt wieder und ist berauscht von seiner wilden Schönheit. Bald tagt die Versammlung, in der über die Zukunft von Jämtland und wahrscheinlich auch über sein eigenes Schicksal entschieden werden soll. Östmund, der Vater Gunhilds, welcher in der Versammlung den Vorsitz hat, ist bestrebt, selbst König über das freiheitsliebende Volk von Jämtland zu werden. Es ist jedoch Arnljot, der die Mehrzahl der Stimmen auf sich vereinigt. Östmund und Gudfast wissen, wenn sie Arnljot aus dem Gleichgewicht bringen können und der Angefeindete den Frieden des Gerichts brechen wird, haben sie eine Chance, ihre dunklen Ziele zu erreichen. In böser Absicht bespötteln die beiden den Heimgekehrten bis dieser in gerechtem Zorn dem arglistigen Gudfast den Speer in den Leib rammt. Nun ist der Rächer seiner Ehre ein Ausgestoßener und muss sich in den Wäldern verstecken. Gunhild erwägt, mit ihm in ein fremdes Land zu fliehen.


    Zweiter Akt:


    Tief in der einsamen Wildnis hat Arnljot sich eine kleine Hütte gebaut, in der er mit dem Lappenmädchen Waino lebt, die seine Sklavin ist. Vom Schamanen Ubma wurde sie gesandt, damit sie ihn versorgen, bespitzeln und herausbekommen soll, wo er seine Schätze - Beute aus Erbschaft oder Plünderung - versteckt hat.


    Die zauberhafte Umgebung, das Murmeln des Baches, die kleine Hütte und die Einsamkeit der beiden führen dazu, dass Waino ihren neuen Herrn liebt und sich dem Anliegen des Magiers widersetzt. In den letzten fünf Jahren ist es vorgekommen, dass Trapper oder Ganoven ihn im Forst aufgespürt haben und ihn zu überreden suchten, sich mit ihnen zu verbinden.


    Man hat auch versucht, ihn zu töten in der Hoffnung, dass für seinen Kopf ein Lösegeld gezahlt würde. Das Volk von Jämtland, welches ihn nach wie vor liebt, würde es gern sehen, wenn er am Hof von König Olav Einfluss nehmen könnte. Aber der Freiheitsliebende hat bisher davon abgesehen, weil es ihm nicht gefällt, einem anderen zu dienen. Er fühlt einen bitteren Stich in seinem Herzen, wenn er an sein Heimatland denkt und mit seiner Kraft niemandem nützen kann.


    Eines Tages kommen plötzlich Gunhild mit ihrem kleinen Sohn quer durch den Wald. Nach seiner Hütte hatten sie gezielt gesucht. Gunhild hat sich zum Christentum bekehren lassen und ist ihrem Volk fremd geworden. Als Arnljot sie wiedersieht, ist sein Herz einmal mehr mit Liebe gefüllt. Gunhild soll sich entscheiden, ob sie ein freies Leben mit ihm in der Wildnis führen will. Gedankenverloren schaut er auf Gunilds kleinen Sohn, und er fühlt die Bedrückung seiner Isolation mehr denn je.


    Gunhild hat ihm von der christlichen Lehre erzählt beschließt aber doch, ihn zu verlassen. Er gibt ihr sein kostbares Schwert mit, damit sie es König Olaf, zu dem sie gehen will, als Geschenk überreicht. Versunken in seine Meditation wird er plötzlich durch Ubma gestört, der ihn mit Hilfe seiner Hexenkunst in Schlaf versetzt. Er denkt, unter Hypnose wird er ihm das Versteck seiner Schätze enthüllen.


    Arnljot hat jedoch eine Vision und sieht sich als Gast christlicher Ritter in der Tafelrunde von König Olav. Seinen eigenen Bruder Vikar findet er unter ihnen, der durch die Eroberung des christlichen Glaubens neue Prinzipien für sein Leben gefunden hat. Eine weitere Vision zeigt ihm, wie er selbst für diesen Glauben auf dem Schlachtfeld den Tod finden wird. Ubma weiß nun genug und will ihn töten, jedoch Waino wirft sich dazwischen und verhindert die Tat. Sie redet auch auf den Verzweifelten ein, als er versucht sich selbst das Leben zu nehmen. Obwohl es ihr schwer fällt, rät nun auch sie, die Hütte zu verlassen, um sich König Olaf anzuschließen.


    Dritter Akt:


    Arnljot trifft auf König Olav in Stiklestad in Erwartung der Schlacht am Morgen des fatalen Tages vom 29. Juli 1030. Diese endete mit einem großartigen Sieg zu Gunsten der christlichen Wahrheit, aber König Olav verlor in der Schlacht sein Leben. Der erste unter den Barden des Hofes, Tormod Kolbrunarskald, besingt König Olavs Taten und seinen Ruhm.


    Arnljot hatte dem König seine Hilfe angeboten, einen Dialog mit ihm geführt und realisiert, wie viel der christlichen Wahrheit bereits in ihm eingeschlossen war. Im Beisein von Gunhild wurde er Christ und lässt sich vor der Schlacht taufen. Boten aus Jämtland kommen an und bringen die Nachricht von Östmunds Tod. Arnljot ist nicht länger Outlaw, aber er hat dem König sein Wort gegeben und die Landsleute sollen mit einer negativen Antwort zurückkehren. Die Boten zögern und wollen abwarten bis die Schlacht zuende ist. Doch es kommt alles ganz anders. Seine Traumvision bewahrheitet sich. In der Schlacht lässt er sein Leben. Tödlich verwundet stirbt er in den Armen Gunhilds, aber mit seinem Schicksal versöhnt.


    Anmerkung:


    Wilhelm Peterson-Berger schrieb das Libretto zu seinem Dramatischen Gedicht „Arnljot“ in den Jahren 1902-1904 und setzte es in Musik zwischen 1907 und 1909. Der Komponist erhielt seine Idee für das Sujet aus den alten Geschichten von Snorre Sturlasson. Beeinflusst wurde das Libretto von dem Gedichtzyklus „Arnljot Gälline“ von Björnstierne Björnsen. Die Novelle gleichen Namens von Christer Swan mag der Komponist auch gekannt und zur Schaffung seines Werkes herangezogen haben.


    Was ist so einzigartig in diesem Drama? Der Komponist befand sich auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft, als er die „Schwedische Nationaloper“ schuf. Es ist die Verbindung zwischen der wilden Landschaft Jämtlands und den Menschen, die dort leben. Er selbst suchte die kreative Isolation und zog sich in späten Jahren ganz dorthin zurück.


    © Juli 2010 TAMINO - Engelbert

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    Berthold Goldschmidt [1903-1996]
    Beatrice Cenci


    Oper in drei Akten
    englisch gesungen


    Libretto von Martin Esslin
    nach der Vorlage „THE CENCI“ von Percy Bysshe Shelley


    komponiert 1948/50,
    Konzertante Uraufführung am 16.4.1988 in London, Queen Elizabeth Hall
    Szenische Uraufführung 1994 in Magdeburg
    Dauer etwa 120 Minuten


    Dokumentation: Label: SONY 1995
    Deutsches Symphonie-Orchester Berlin unter Lothar Zagrosek,
    Solisten: Roberta Alexander – Della Jones – Simon Estes


    Charaktere:
    Count Francesco Cenci
    Lucrezia, seine zweite Frau
    Beatrice, seine Tochter aus erster Ehe
    Bernardo, sein Sohn aus erster Ehe
    Cardinal Camillo
    Orsino, ein Prelat
    Marzio und Olimpio, zwei gedungene Mörder
    Richter
    Prinz Colonna
    und weitere


    Das Geschehen spielt in Rom im 16. Jahrhundert



    HANDLUNG


    Erster Akt


    Erste Szene


    1-3
    Graf Francesco Cenci ist ein stadtbekannter Wüstling und Geizhals. Seine Familie behandelt er verächtlich und lässt es an Brutalität nicht fehlen. Zwar bewohnen die Cencis einen schönen Palast unweit von Rom, aber seine zweite Frau Lucrezia, die heranwachsende Tochter Beatrice – ihr freundschaftlich verbunden – und ihr jüngerer Bruder Barnardo haben unter seinen ausgesuchten Quälereien ständig zu leiden.


    Der fünfzehnjährige Bernardo ist erneut verhöhnt und geschlagen worden. Von den beiden Frauen wird er getröstet, so gut es geht. Beatrice hat ein Gesuch an den Papst gerichtet, denn sie möchte heiraten, um der Gewalt des Vaters zu entkommen.


    4
    Kardinal Camillo weilt beim Hausherrn und führt mit diesem eine erregte Diskussion. Ein Mord, den Cenci begangen hat, soll vertuscht werden. Der Papst ist bereit, Gnade walten zu lassen und den Prozess auszusetzen, wenn Cenci dem Kirchenoberhaupt dafür ein paar Immobilien abtritt. Die beiden werden handelseinig.


    5-6
    Beatrice hat ebenfalls Besuch bekommen. Es ist der Prälat Orsino, dem sie zu früherer Zeit in Liebe zugetan war. Doch dann ist der Geliebte dem geistlichen Stand beigetreten und hat damit eine eheliche Verbindung ausgeschlossen. Zum Schein erklärt Orsini seine Absicht, sich durch den Papst vom Zölibat entbinden zu lassen und erweckt in Beatrice Vertrauen und neue Hoffnungen.


    Zweite Szene
    7-8
    Im Palast hat Graf Cenci zu einer Feier geladen. Tänzer treten auf. Ein Sänger singt ein Liebeslied auf den Text eines Gedichtes des englischen Dichters Percy Bysshe Shelley.


    9-10
    Die beiden Söhne Cencis sind in Spanien auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen. Deshalb sei die aus diesem Anlass ausgerichtete Feier eine Grund zur Freude und Cenci ermuntert die Gäste, auf das freudige Ereignis das Glas zu heben. Die Anwesenden sind entsetzt und ungeschickt erzählt Beatrice von den unhaltbaren Zuständen im Zusammenleben der Familie. Sie bittet die Gäste, ihr Anliegen sich aus der Familie auszuklammern zu wollen, zu unterstützen. Der Vater enträtselt das Mitteilungsbedürfnis der Tochter und verübt grausame körperliche Vergeltung an der Unbedachten.


    Zweiter Akt


    Dritte Szene:


    11-13
    Lucrezia ist dem Zusammenbruch nahe und nicht in der Lage, auszusprechen, womit ihr Vater sie an den Rand des Wahnsinns getrieben hat. Deshalb singt sie eine Lied auf den Text zu einem Gedicht des bereits erwähnten Poeten, in dem sie ihren Jammer mit dem heulenden Klagelaut des Windes verbindet. Schließlich offenbart sie sich ihrer Stiefmutter.


    14-16
    Orsino kommt hinzu und wird von dem Vorgefallenen unterrichtet. Sie schließen ein Komplott und gemeinsam beraten sie, wie man den Übeltäter zunächst betäuben und dann umbringen wird. Lucrezia
    hat ihm als Schlafmittel Opium in den Wein getan und der Angetrunkene torkelt in seine Kammer.
    Zwei Mörder sind schnell engagiert. Die erdrosselte Leiche des Grafen wird im Garten oberflächlich verscharrt.


    17-18
    Kardinal Camillo hat eine Botschaft vom Papst zu überbringen, damit Cenci sich zu den Anschuldigungen äußert. In seinem Gemach ist er nicht zu finden. Man ruft nach ihm und eine Suchaktion fördert den Eingebuddelten bald zu Tage. Marzio wird gestellt und man findet bei ihm verdächtige Briefe, welche die beiden Frauen belasten. Der Kardinal ordnet an, die beiden Frauen unter Mordverdacht festzunehmen.



    Dritter Akt


    Vierte Szene:


    19
    Lucrezia und Beatrice sind eingekerkert worden. Bernardo darf Schwester und Stiefmutter besuchen.
    Beatrice hat in der Nacht vom Paradies geträumt.


    20-21
    Kardinal Camillo tritt mit zwei Richtern ein, um die Frauen zu vernehmen. Einer der beiden Mörder hat unter der Folter ein Geständnis abgelegt, aber die Verdächtigten weigern sich, eine Mitschuld zuzugeben. Sie schieben den Verdacht auf Orsini, aber dieser ist vorsorglich aus Rom geflohen.


    22-23
    Nun werden auch die beiden Frauen gefoltert. Die Ältere gesteht auf der Streckbank alle Zusammenhänge Lucrezia und Beatrice werden zum Tode verurteilt. Entgegenkommend will der Kardinal mit dem Papst noch einmal Rücksprache nehmen. - NOCTURNO


    24 -25
    Das Gnadengesuch hat keinen Erfolg gebracht. Das Kirchenoberhaupt will keine Milde walten lassen, denn zur gleichen Zeit hat sich ein ähnlicher Fall zugetragen. Ein junger Mann hat aus Geldgier seine Mutter umgebracht. Wenn nicht richtungweisend eingegriffen wird, geschehen die gleichen Dinge immer wieder und die Senioren sind dann vom Aussterben bedroht. Deshalb soll der neue Fall nachdrücklich sanktioniert werden. Die beiden Schuldigen sollen dem Beil verfallen sein. - ZWISCHENSPIEL


    Fünfte Szene:


    Die öffentliche Meinung ist unterschiedlich. Einige der Zuschauer fordern Sühne – andere wollen, dass die Umstände berücksichtigt werden. Schließlich war es eine Verzweiflungstat und die Letzteren fordern Gnade für die beiden Todeskandidatinnen. Bernardo hat noch einmal versucht, zum Papst vorzudringen, doch der Heilige Vater bleibt unnachgiebig. Die Frauen müssen sterben. Die Menge umringen das Schafott, damit ihnen nichts entgeht. Triumph und Mitleid findet sich bei den Gaffern, bis das Beil fällt. Mit einer Prozession trifft der Papst ein, um für die Hingerichteten zu beten. Der Kardinal richtet ein paar tiefsinnige Sätze an die Menge über das Thema Schuld und Sühne in dieser verkommenen Welt.


    Anmerkungen:


    Berthold Goldschmidt hat das historische Thema gestrafft und die handelnden Personen und die Schauplätze minimalisiert. In Wirklichkeit war die gesamte Familie an der Bluttat beteiligt und wird durch die Gerichtsbarkeit grausam ausgemerzt.


    1935 floh Goldschmidt vor den Nationalsozialisten und emigrierte nach England. Als Komponist konnte er aber nicht Fuß fassen. 'Beatrice Cenci' gelangte erst vierzig Jahre nach Fertigstellung zur Uraufführung.


    © 2010 TAMINO - Engelbert

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    Nikolai Tscherepnin (1873-1945)


    Echo und Narziss
    Narcisse et Echo


    Ballett in einem Akt


    Libretto von André Bakst nach mythologischen Quellen
    Uraufführung am 25. April 1911 in Monte Carlo
    Choreographie: Michel Fokine
    Ausstattung: Léon Bakst
    Ausführende: Serge Diaghilews Ballets Russes


    Darsteller der Uraufführung:
    Narziss: Waslaw Nijinsky
    Echo: Tamara Karsawina
    Nemesis: Bronislawa Nijinska



    HANDLUNG


    Der griechische Jüngling Narziss findet sich so schön, dass er unter dem Zwang leidet, sich selbst ständig betrachten zu müssen. Echo, sein liebes Mädchen, würdigt er keines Blickes mehr. Er legt sich an eine Quelle und betrachtet den lieben langen Tag sein Spiegelbild. Manchmal wirft Echo – um ihn zu necken – einen Stein in das Gewässer, wodurch Wellen verursacht werden. Narziss schaut gelassen, wie seine Gestalt im Wasser sich verändert und wartet geduldig, bis die Wellen sich verflüchtigt haben. Allmählich wird der Nymphe die Situation zu dumm. Sie versichert sich des Mitgefühles ihrer Gefährtinnen und sie bestürmen die Göttin Nemesis, sich ihres beklagenswerten Schicksals der armen Echo anzunehmen. Narziss soll für seine Herzlosigkeit endlich bestraft werden! Die Göttin fackelt nicht lange und verwandelt den Jüngling kurzerhand in ein Knollengewächs. So hatte Echo das nicht gemeint! Die Welt vernimmt ihr Klagen bis auf den heutigen Tag.


    Anmerkung:


    Echo war schon einmal zur Göttin Hera in Opposition geraten. Zeus hatte der ihr befohlen, Hera durch ihr Geschwätz so lange abzulenken, bis er sein Liebesabenteuer beendet habe. Der Göttermutter bleibt nichts verborgen und sie bestraft die arme Nymphe exemplarisch. Um ihr das Plappern abzugewöhnen verfügt sie, dass von allem was sie sagt, Götter und Menschen immer nur die letzte Silbe vernehmen. Deshalb hatte Narziss von ihr auch genug, wandte sich ab und wollte nichts anderes, als seine Ruhe haben.


    Das Ballett erfreute sich außerordentlicher Beliebtheit. Waslaw Nijinsky und Mikhail Fokin tanzten den männlichen Part abwechselnd. Die Karsawina und die Nijinska waren hinreißend.


    © TAMINO - Engelbert

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    Nicolai Tscherepnin (1873-1945)
    Le Pavillon d’Armide


    Fantastisches Ballett in einem Akt


    Libreotto von Alexandre Benois
    nach der Nocelle 'Omphale' von Theophile Gautier


    Uraufführung am 25. November 1907, Marijnskij-Theater, St. Petersburg
    Weitere Aufführung am 19. Mai 1909, Théâtre du Châtelet, Paris (unter Diaghilevs Ballets Russes)


    Choreographie:
    Michail Fokine
    Bühnenbild: Alexander Benois
    Ausführende: Anna Pawlowa – Pawel Gerdt – Waslaw Nijinsky


    Charaktere:
    Armide - Zauberin aus dem Morgenland
    Pawel - Viconte de Beaugency
    Marquis de Fierbois
    Ein Sklave


    Das Geschehen spielt in Frankreich im 17. Jahrhundert.


    Auftritte:
    1.Introduktion und erste Szene -
    2.Tanz der Stunden -
    3.Der Gobelin belebt sich -
    4.Armida erscheint -
    5.Szene und Pas d’Action –
    6.Grande valse noble -
    7.Variation -
    8.Tanz der kleinen äthiopischen Sklaven -
    9.Tanz der Edelfrauen Armidas -
    10. Bacchus und die Bacchantinnen -
    11. Auftritt der Zauberer und Tanz der Schatten -
    12. Tanz der Clowns -
    13. Tanz des Schals -
    14. Pas de deux -
    15. Grande valse finale -



    HANDLUNG


    Erstes Bild:


    Von fliegenden Teppichen hat der Ballettbesucher schon gehört, aber ein verzauberter Gobelin - dazu noch in einem Ballett - ist ihm noch nicht vorgekommen. Ein solcher hängt im Gartenpavillon des Herrn Marquis. Ein junger Graf flüchtet vor einem schrecklichen Gewitter in das Gartenschlösschen und erlebt zu mitternächtlichen Stunde wahnwitzige Überraschungen der angenehmen Art.


    Die Uhr schlägt Mitternacht und beginnt sich ungewöhnlich zu verhalten. Die figürlich dargestellten Stunden steigen herab und beginnen zu tanzen. Der Auftritt nennt sich deshalb Stundentanz. Noch merkwürdiger benimmt sich der Gobelin. Er leuchtet auf und geheimnisvolles Leben beunruhigt das Textil. Die Figuren verlassen ihren Stammplatz.


    Zweites Bild:


    In den Gärten des Pavillons erscheint Armida mit ihrem Gefolge. Sie hat ihren Lieblingssklaven dabei, ohne den sie nirgendwo hingeht. Der Marquis, dem der Pavillon gehört, hat die Magierin auf mysteriöse Weise unter Kontrolle und befiehlt ihr, von dem Sklaven abzulassen. Sie soll den Gast verführen, der sich mit seiner Billigung über Nacht dort einquartiert hat. Nun wissen wir aus den Opern von Gluck, Haydn, Rossini und Dvorak, dass Armida in den fränkischen Ritter Rinaldo verliebt ist. Die ihr zugewiesene Aufgabe vereinfacht sie, indem Sie mittels magischer Fähigkeiten das Aussehen von Rinaldo auf den Visconte überträgt. Dieser ist auf den Austausch seiner Optik mächtig stolz – blonde Haare schmücken jetzt sein Haupt; der Ballettbesucher möge seine Eitelkeit verstehen - und das Behexen und Verführen kann beginnen.


    An dieser Stelle muss in den Report eingefügt werden, dass es sich bei der Armide auf dem Gobelin um die Seele von Susanne, der verstorbenen Marquise de Fierbois handelt, die am Hofe des Sonnenkönigs eine große Karriere machte. Ihre Seele findet keine Ruhe und hat sich in dem Gobelin festgesetzt.


    Das Bacchanal nimmt Ausmaße an, denn zur Feier erscheinen auch Teufel, Ungeheuer und Griechengötter. Dazu wurden aus einem Harem Sklavinnen geraubt, damit für alle gesorgt ist und beim Klang der Harfen die Liebeslust überschäumen kann. Doch die Morgenstunde naht und sobald der Hahn auf dem Düngerhaufen kräht, findet aller Spuk ein Ende. Das ist so in jedem Märchen und unabänderlich, Armide weiß es und in aller Eile übergibt sie dem Geliebten der Nacht ihren golddurchwirkten Schleier, bevor sie ihren Platz auf dem Gobelin wieder einnimmt.


    Drittes Bild:


    Der Marquis erscheint im Pavillon zur späten Morgenstunde und findet einen völlig verstörten Gast vor. Der golddurchwirkte Schleier liegt vor der Standuhr auf dem Boden und auf dem Gobelin zeigt Armida sich unverschleiert.


    War es nun Traum oder Wirklichkeit? Der Visconte ist sich über seine Identität überhaupt nicht im klaren und fragt sich, ob er nicht tatsächlich Reinhold ist. Eigentlich hatte er die Reise angetreten, um seine Verlobte zu besuchen. Sollte er das in der Nacht Erlebte nicht doch besser für sich behalten?


    Anmerkungen:


    Ursprünglich nannte sich das Stück „Der verzauberte Gobelin“ und bestand nur aus dem zweiten Bild. Diaghilew veranlasste die Erweiterung um zwei Bilder, um das Ballett abendfüllend zu machen.


    Die Einfügungen haben den Charakter von Prolog und Epilog Diaghilew eröffnete mit diesem Ballett seine erste Saison in Paris.



    © 2010 TAMINO - Engelbert

    Lieber Moderato,


    es freut mich, dass Dir meine Ballettbeschreibungen gefallen. Ich werde in nächster Zeit mit russischen
    Balletten fortsetzen.


    Einen freundlichen Gruß aus Hamburg sendet
    :angel:
    Engelbert

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    Lera Auerbach (geb. 1973)
    Die kleine Meerjungfrau


    Ballett in zwei Teilen mit einem Prolog und einem Epilog


    Libretto von John Neumeier nach dem Märchen von Hans Christian Andersen
    Verlag: Sikorski, Hamburg
    Uraufführung am 15. April 2005 in Kopenhagen,
    Anlass ist der zweihundertste Geburtstag des dänischen Dichters Hans Christian Andersen
    Gewidmet: Ihrer Majestät, Königin Margarethe II. von Dänemark


    Premiere der Hamburger Fassung am 1. Juli 2007
    Choreographie, Inszenierung, Bühnenbild, Kostüme und Lichtkonzept von John Neumeier
    Darsteller: Silvia Azzoni, Carsten Jung, Lloyd Riggins


    Charaktere:
    Die kleine Meerjungfrau
    Der Dichter
    Der Prinz
    Der Meereshexer
    Matrosen
    Hochzeitsgesellschaft


    Das Handlungsgeschehen zeigt die Welt über Wasser und unter Wasser



    HANDLUNG


    Prolog


    Nach der Vorstellung des Ballettmeister ist die „Kleine Meerjungfrau“, die der Kopenhagen-Tourist als zierliche Steinskulptur in sein Herz geschlossen hat, nichts weiter als die Inkarnation, einer vergossenen Träne. Diese Träne lässt der Dichter – gedacht ist an Hans Christian Andersen – anlässlich einer Kreuzfahrt von der Reling des Luxusdampfers in den Gischt fallen. Der Tropfen schließt die Schwärmerei für den lieben Freund Edvard ein, die dieser aber nicht erwidert, sondern sich mit der Absicht trägt, Henriette zu heiraten. Auf metaphysischem Weg verwandelt die Träne sich in eine kleine Meerjungfrau, von deren überdimensionalen Emotionen - in der Hauptsache sind es Schmerzen - im Ballett die Rede sein wird.


    Um die Größe der Seele, die in dem kleinen Körper eingeschlossen ist, darzustellen, türmt die sibirische Komponistin Lera Auerbach in Erinnerung an ihre kalte Heimat gewaltige Klangmassen auf, damit der Zuschauer sich in der Seelenlandschaft der Nixe zurechtfinden kann und tatsächlich mitleidet. Die Stürme im Orchestergraben toben teils mit Windstärke 8.


    Teil 1


    Die Meerjungfrau liegt verträumt tief unten im Wasser, als über ihrem Kopf ein Kreuzfahrtschiff vorübergleitet. Auf Deck wird Tennis gespielt. Unvorsichtigerweise schlägt der Prinz – die Gattung ist nicht ausgestorben, verfügt aber nicht mehr über den Glanz vergangener Zeiten - den Ball über die Reling. Flugs stößt die Meerjungfrau an die Oberfläche und sammelt das Gummibällchen ein. Sie kann sich aber nicht erklären, weshalb ihr Gemüt dabei in Wallung gerät. Poseidon – im Ballett gehässig als Meereshexer betitelt – lässt einen Sturm aufkommen, damit das Schiff kentert. Mann und Maus stürzen über Bord. Die Namenlose rettet dem Prinzen das Leben, gleitet mit ihm an die Oberfläche und gibt ihm einen Kuss. In Wahrheit ist der Verstörten die Ursache ihrer Seelenverwandtschaft mit dem Jüngling, der aussieht wie Edvard, nicht bewusst, weil niemand ihr gesagt hat, dass sie aus der Träne desjenigen Dichters geboren wurde, welcher für den Genannten überschwängliche Empfindungen hegte.


    Ganz in der Nähe der Küste, wohin die Nixe den Prinzen transportiert, befindet sich ein Kloster. Klosterschülerinnen, unter ihnen Henriette, strömen herbei und nehmen das gestrandete Mannsbild in Augenschein. Die Nixe, hat vor den körperlich Andersgearteten verständlicherweise eine gewisse Scheu und lässt sich schnell ins Wasser gleiten. Der einfältige Prinz hat nun die Vorstellung, dass die Anführerin der Novizinnen ihm das Leben gerettet hat, obwohl diese gar nicht schwimmen kann. Da sie gut aussieht, verliebt er sich sofort in sie und will sie aus Dankbarkeit sogar heiraten. Zum Atemschöpfen hebt die Seejungfrau hin und wieder den Kopf aus den Wellen und erkennt die aufkeimende Zuneigung zwischen den beiden Menschenkindern. Das verliebte Getue irritiert sie, macht sie traurig und verzagt.


    Sie hat sich entschlossen, ein Menschenkind zu werden, damit sie der Rivalin das Objekt ihrer Zuneigung abjagen kann. Dazu muss sie sich erst einmal auf Füßen bewegen, denn mit ihrer Schwanzflosse kann sie zwar die Richtung steuern, kommt aber nicht recht vom Fleck. In ihrer Verzweiflung geht sie zum Meereshexer, der ihr Beine machen soll. Erstaunlicherweise ist der Zauberkundige ihren Wünschen zugänglich, doch die Prozedur der operativen Verwandlung ist äußerst schmerzhaft. Das Laufen mit den neuen Extremitäten fällt ihr schwer – Tempo kann sie nicht vorlegen! Der junge Prinz findet die verwandelte Nixe nackt am Strand, neigt sich der Hilflosen voller Mitleid zu und schleppt sie auf sein Schiff, welches in der Zwischenzeit wieder senkrecht gestellt und seetüchtig gemacht wurde.


    Teil 2


    Die Klosterschülerin hat sich als Prinzessin entpuppt, gewinnt an Begehrlichkeit für den Prinzen und setzt mit ihm die Vergnügungsreise fort. Der kleinen Meerjungfrau fällt es immer schwerer, mit ihrer Enttäuschung fertig zu werden und sehnt sich oft nach der Unterwasserwelt und den Korallenriffen zurück. Zu allem Ärger ist der Hochzeitstermin mit der Prinzessin auch schon festgesetzt. Die Kleine aus dem Wasser darf sich vornehm kleiden, um die Brautjungfer zu spielen. Ein kleines Küsschen in Ehren ist für die Verzweifelte noch drin – und das war es dann. Der Meereshexer sieht, welches Chaos er angerichtet hat und erscheint auf der Hochzeitsfeier. Er hat ein scharfes Messer mitgebracht und mutet der zerbrechlichen kleinen Nixe zu, den Prinzen zu erstechen. Automatisch würde sie dann als Belohnung ihre Schwanzflosse zurückbekommen. Auch wenn sie von ihm enttäuscht wurde, will sie dem Prinzen kein Leid zufügen und weist die Ausführung einer Mordtat zurück. Während die beiden Blaublütigen ihre Hochzeitsnacht zelebrieren, zieht sich die Unglückliche in den Wellenbereich zurück.


    Epilog


    Der Dichter tröstet sich, dass eine vergossene Träne ihm Ruhm verschaffte. Er nimmt sich seines umgewandelten Produktes an und beide begeben sich auf den Weg in eine andere Welt.


    Anmerkung:


    Das abendfüllende Ballett erfreut sich großer Publikumswirksamkeit. Unterschwelliger Sadismus taucht aus den Abgründen der Seele auf, denn alle wollen erleben, wie die zarte kleine Meerjungfrau zu leiden hat.


    Nicht nur die Ohren werden mit modernen Orchesterklängen verwöhnt, sondern auch das Auge erfreut sich an den weiten Beinkleidern der Ballerina, wenn sie diese über den Boden schleift oder im Kopfstand durch die Lüfte wirbelt. Die stimmungsvolle dezente Bühnendekoration der Hamburger Aufführung gefällt auch dem konservativ eingestellten Zuschauer.


    © 2011 TAMINO - Engelbert

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    Reinhold Glière(1875-1956)


    Krasni mak
    Roter Mohn - The Red Poppy


    Ballett in drei Akten

    Libretto von Michail Kurilko
    Uraufführung am 14. Juni 1927, Bolschoi Theater Moskau


    Personen: Tao-Choa, Tänzerin
    Der russische Kapitän
    Li-Schanfu, Besitzer eines Vergnügungslokales
    Malik, Junger Chinese
    Sowjetische Matrosen und chinesische Bevölkerung
    Das Geschehen spielt im Hafen einer chinesischen Kleinstadt um 1920


    SZENENFOLGE:


    Erster Akt:
    Introduction – Coolies Dance – Rao-Hoa’s Entrance – Restaurant – Mali’s Dance – Boston Waltz – European Dance – Capitain’s Entrance and Sailors Dance – Tao Hoa’s Szene – Variation with gold Fingers – Coolies’ Victory Dance – Apple Dance of the Sowjet Sailors.


    Zweiter Akt:
    Introductions – Szene in the smoking room – Dance of the Chinese Woman – Adagio of Four Goddesses – Adagio – Prelude – Tao Hoa’s Vision – Procession – Sword Dance – Phoenix – Adagio – The Rose Ship.


    Dritter Akt:


    Charleston – Danse in the Restaurant – Preparation if the Chinese Theatre – Umbrealla Dance – Puppet Dance – Chinese Acrobats’ Dance – The Conspiracy – Confusion – Captains’ Scene – The departing ship – Rebellion – Tao-Hoa’s Death – Apotheosis.




    HANDLUNG


    In einem chinesischen Hafen hat ein sowjetisches Frachtschiff festgemacht. Die russischen Matrosen schließen Freundschaft mit der chinesischen Bevölkerung. Diese befindet sich in Aufruhr, weil sie nicht länger leiden und ausgebeutet werden möchte.


    Das Chinesen-Mädchen Tao-Choa verliebt sich in den russischen Kapitän und es entsteht eine zärtliche Beziehung. Als Symbol der Freiheit schenkt sie ihm eine rote Mohnblume. Heldenhaftes Betragen des Kapitäns und der Tänzerin durchkreuzen die Machenschaften eines übelwollenden amerikanischen Bosses. Schließlich verhindert Tao-choa einen Mordanschlag auf den Kapitän durch den Barbesitzers Li-Schanfu, für den sie arbeitet. Dieser sieht seine Pläne durchkreuzt und rasend vor Eifersucht ersticht er das heroische Mädchen. Rote Mohnblumen verteilt die Sterbende an die umstehenden Kinder.


    Anmerkungen:


    „Roter Mohn“ ist das erste russische Ballett, welches nicht Motive aus der Märchenwelt oder der Geschichte favorisiert, sondern ein zeitgenössisches Thema behandelt. Man huldigt einem neuen Realismus und schaut optimistisch in die Zukunft.


    Das Ballett war mit etwa 300 Aufführungen ungemein erfolgreich. Die Musiksprache knüpft an die Romantik eines Tschaikowsky und Glasunow an, verzichtet aber nicht auf chinesische Tonleitern und folkloristische Einschübe zentralasiatischer Prägung. Der Rhythmus ist teilweise überbetont und stellt die temperamentvollen und vitalen Tänzer vor interessante Aufgaben


    Im Jahre 1949 gab es eine neue Fassung mit einer stark veränderten Partitur. Zum 30. Jahrestag der Uraufführung brachte Leonid Lawrowsky am Bolschoi-Theater das Ballett in neuer Choreographie heraus.


    © 2011 TAMINO - Engelbert

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    Igor Strawinsky (1881-1971)

    Pulcinella


    Ballett mit Gesang in einem Akt


    Komponiert: 1919/20

    Libretto von Serge Diaghilew und Léonide Massine
    nach Giambattista Pergolesi, Domenico Gallo und Alessandro Parisotti


    Dauer der Aufführung etwa 30 Minuten

    Uraufführung am 15. Mai 1920, Opéra Paris,


    Dirigent: Ernest Ansermet
    Choreographie: Léonide Massine
    Ausstattung: Pablo Picasso
    Ausführende:
    Massine - Karsawina - Tschernitzschewa -Nemtschinowa -Zwerew - Cecchetti - Kostetsky

    Personen:
    Pulcinella, Liebling der Napolitaner
    Pimpinella, von Pulcinella angebetet
    Coviello, Kavalier und Prudenza zugetan
    Prudenza, Tochter Tartaglias
    Florindo, Kavalier und Rosetta zugetan
    Rosetta, Tochter des Dottore
    Dottore, Vaterfigur
    Tartaglia, Vaterfigur
    Furbo, Pulcinellas treuer Freund


    Das Geschehen spielt in Neapel, etwa 18. Jahrhundert



    HANDLUNG


    Die beiden Kavaliere Coviello und Florindo befinden sich auf Freiersfüßen und machen den Damen Prudenza und Rosetta den Hof. Das geschieht in der Weise, dass sie zum Fenster der Angebeteten hochblicken und zur Begleitung der Mandoline eine Serenade anstimmen. Ihre Stimmen klingen in den Ohren der Umworbenen misstönend und die Saiteninstrument sind schlecht gestimmt, so dass statt Zuneigung Spott auf die Hoffnungsvollen niederprasselt. Schließlich geben die beiden Damen, deren Vaterhäuser sich auf einem schmucken Platz in Neapel gegenüberstehen, sich ein Zeichen und vertreiben die Musikanten mit einem kräftigen Guss aus der Blumengießkanne. Mit einem Knüppel in der Hand stürzt der Dottore aus dem Haus, um die ungebetenen Liebhaber endgültig in die Flucht zu schlagen.


    Pulcinella, der Liebling von Neapel, hat mehr Erfolg. Aus seinem weiten Gewand zieht er eine Fiedel hervor, bearbeitet mit seinem Bogen die Saiten und beginnt wie wild zu tanzen. Der Bursche hat Temperament. Prudenza fühlt sich angezogen, nähert sich auf Zehenspitzen und möchte Pulcinella umarmen. Doch dieser will überraschenderweise von ihr gar nichts wissen und erklärt, dass sein Herz einer anderen gehöre. Er reißt ihr die Haube vom Kopf und wirft sie ins Haus, damit sie versteht, dass sie dorthin verschwinden soll. Es ist das Startzeichen für Rosetta, nun ihrerseits ihr Glück zu versuchen. Sie nähert sich und erntet immerhin einen flüchtigen Kuss, wird dann aber weggeschoben.


    Pimpinella, die ewig Gekränkte hat die Szene mitbekommen und ihre Eifersucht entlädt sich. Es ist nun an Pulcinella mit Gesten der Ergebenheit, Verzeihung zu erflehen, die schließlich auch gewährt wird. Beide versöhnen sich. Doch Coviello und Florindo stürzen aus ihren Verstecken und verprügeln aus Mutwillen und Eifersucht den armen Pulcinella, der um Hilfe zetert. Die beiden abgewiesenen Damen haben die erteilte Abfuhr verziehen, offenbaren ein gutes Herz und kommen herbei, den Geschundenen zu trösten. Nicht ohne Hintergedanken, denn jede möchte den hübschen Luftikus für sich allein besitzen. Die Väter, Tartaglia und der Dottore kommen aus dem Haus gestürzt, um die Töchter zur Vernunft zur bringen. Pulcinella selbst, bis zum Umfallen erschöpft, muss die aufgebrachte Pimpinella beruhigen.


    Die beiden Ganoven kehren zurück und traktieren den erfolgreicheren Rivalen mit dem Degen erneut, so dass dieser ins Stolpern gerät und hinfällt. Er stellt sich tot, damit die beiden Angreifer von ihm ablassen. Diese verschwinden erst einmal bis die Luft wieder rein ist.


    Ein Täuschungsmanöver ergibt wenig Sinn, wenn es nicht von Dauer ist. Es ist Turbo, der sich eine List ausgedacht hat, um seinem Freund Pulcinella in der Not beizustehen. Von vier kleinen Pulcinellas wird der Leichnam von Furbo, der wie Pulcinella gekleidet ist, auf den Fußboden gelegt. Der Dottore fühlt den Puls und erklärt aus praktischen Erwägungen, dass Pulcinella – gemeint ist natürlich Furbo – tatsächlich tot ist. Unsere drei Freundinnen weinen herzzerreißend um den abrupt auf ewig Davongegangenen, die vier kleinen Pulcinellas weinen aus Sympathie mit. Pulcinella tritt im Gewand eines Zauberers auf und erweckt den Toten wieder zum Leben. Auf einmal tauchen noch zwei Pulcinellas auf. Es sind Coviello und Florindo, die sich in dieser Verkleidung größere Chancen ausrechnen. Der Ballettbesucher weiß nun bald nicht mehr, wer von den Tänzern eigentlich der echte Pulcinella ist. Am wenigsten durchschaut Pimpinella das Theater. Der Zauberer wirft schließlich den Mantel ab und alle wissen, dass er der Unverwechselbare ist. Turbo, von den Toten auferstanden, legt sich den Umhang des Zauberers um und nimmt die Situation in die Hand. Er legt fest, welcher Pulcinella zu welcher Dame gehört. Coviello bekommt Prudenza, Florindo erhält Rosetta, der richtige Pulcinella hat seiner Pimpinella treu zu sein und damit basta!



    Anmerkungen:


    Sergej Diaghilew hatte in der Nationalbibliothek von Neapel ein unveröffentlichtes Manuskript des achtzehnten Jahrhunderts entdeckt, welches den Titel „I quattro Pulcinella“ trug und sich inhaltlich an die „Commedia dell’arte“ anlehnte. In seinem Kopf wuchs die Idee, aus dem Material ein Ballett zu produzieren und Igor Strawinsky die Komposition anzutragen. Léonide Massine war für die Choreographie vorgesehen und Pablo Picasso sollte für die Ausstattung sorgen. Der heftige Streit, den die Beteiligten hatten uferte aus und ist historisch verbürgt. Man wollte das beste Resultat abliefern, aber jeder hatte dazu andere Vorstellungen.


    Diaghilew gefielen die Entwürfe Picassos überhaupt nicht, Massine musste sein Konzept ändern, weil die Musik Strawinskys nur in Kammerbesetzung konzipiert war. Strawinsky wusste anfangs mit Pergolesi nicht allzuviel anzufangen, weil er zuwenig von dem Barockmeister kannte. Schließlich einigte man sich unter Zugeständnissen auf ein gemeinsames Konzept und das Resultat wurde ein großer Wurf.


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    Daniel Catán (geb. 1949)


    Florencia auf dem Amazonas
    Florencia en el Amazonas


    Oper in zwei Akten und siebzehn Szenen


    Libretto von Marcela Fuentes-Berain
    Uraufführung 1996 von der Houston Grand Opera


    Charaktere:
    Florencia, eine gefeierte Sängerin
    Der Kapitän der ‚El Dorado’
    Riolobo, ein geheimnisvoller Einheimischer
    Rosalba, eine Journalistin
    Arcadio, Neffe des Kapitäns
    Alvaro, ein Fahrgast
    Paula, seine Ehefrau


    Die Handlung spielt auf einem Amazonas-Dampfer
    im frühen 19. Jahrhundert



    INHALTSANGABE


    Erster Akt:


    Nach zwanzig Jahren Abwesenheit betritt die junge Sängerin Florencia Grimaldi zum ersten Mal wieder den Boden ihrer brasilianischen Heimat. An der weltberühmten Oper von Manaus hat die Diva ein Engagement erhalten und nimmt den Dampfer „El Dorado“, der sie ans Ziel bringen soll. Es ist nicht der einzige Grund, weshalb sie die Reise auf dem Amazonas antritt. Das Schicksal ihres ehemaligen Geliebten Christobal will sie erkunden, einem Schmetterlingsjäger, der auf der Suche nach der „Smaragdmuse“ im Regenwald verschollen ist. Damals verließ Florencia ihre südamerikanische Heimat, um ihre Karriere in Europa zu verfolgen.


    Ebenfalls an Bord der Eldorado sind Rosalba, ein Journalist und Arcadio, der Neffe des Schiffskapitäns. Paula und Alvaro ein Ehepaar, welches sich ständig zankt, drängt sich in der Erwartung auf, dass Florencia in ihren Streit schlichtend eingreift. Dann gibt es noch einen geheimnisumwitterten Eingeborenen auf dem Schiff, über den das Gerücht in Umlauf ist, dass er seine physische Form verändern und sich in andere Lebewesen verwandeln kann. Der Kapitän erzählt Florencia, dem sie ihre Identität offenbart hat, dass Christobal seit Jahren verschollen und möglicherweise tot ist. Rosa Regen fällt hernieder, ein Sturm kommt auf und lässt das Schiff auflaufen.


    Zweiter Akt:


    Alvaro fällt über Bord und Paula ist untröstlich. Sie erkennt ihre Liebe und ist überglücklich, ihren geretteten Ehemann bald wieder in die Arme schließen zu können. Der Journalist entdeckt Florencias Identität und möchte einen Artikel über ihre Person und ihre Karriere schreiben. Im Neffen des Kapitäns hat Florencia einen Beschützer gefunden.


    Endlich ist Manaus erreicht, doch die Passagiere dürfen das Schiff nicht verlassen, weil eine Cholera-Epidemie in der Stadt wütet. Doch Florencia spürt, dass Christobal ihr astral nahe ist und sein Geist sie umschwirrt, wie die „Smaragdmuse“, nach der er suchte und seinen Tod fand.


    Anmerkungen:


    Das Opernhaus von Manaus ist von historischer Bedeutung. Es war ein Prestigeobjekt der Kautschukbarone. Caruso und die Großen ihrer Zeit, auch Florencia Grimaldi, haben dort gesungen. Mit Ponchiellis „La Gioconda wurde es eröffnet. Vor einigen Jahren wurde es restauriert und für Aufführungen freigegeben. Regelmäßig findet dort das Amazonas-Festival statt.


    Die Musik Catáns ist voller Spannung und betört durch Intensität und schöpferischer Eigenwilligkeit. „Florencia en el Amazonas“ ist ein Juwel unter den lateinamerikanischen Bühnenwerken.


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    Daniel Catán (geb. 1949)


    La hija de Rappaccini
    Rappaccinis Tochter - Rappaccini's Daughter


    Oper in zwei Akten


    Libretto von Juan Tovar
    nach dem Drama von Octavio Paz
    und der Kurzgeschichte von Nathaniel Hawthorne


    spanisch gesungen
    entstanden 1988, Uraufführung 1991


    Charaktere:
    Dr. Rappaccini, ein Botaniker
    Beatriz, seine Tochter
    Dr. Baglioni, ein Arzt
    Giovanni Guasconti, ein Student aus Neapel
    Isabela, seine Zimmervermieterin
    Sechs Blumen


    Das Geschehen spielt in Padua


    http://www.schirmer.com/images/composer/Catan-operas-web.pdf


    Tondokument:
    LABEL: Newport Classic 1997
    Solisten und Ensemble: Manhattan School of Musik Opera Theater
    Dirigent: Eduardo Diazmuños



    HANDLUNG


    PRÄLUDIUM


    Erster Akt


    Erste Szene:


    „…Non, no respectable doctor! „…Pero si, mi querido colega!“ In Hitze geraten, diskutieren zwei Professoren die Erkenntnisse der medizinalen Wissenschaft in Bezug auf die Mysterien von Leben und Tod. Dr. Rappaccini trägt seine Hypothese vor und Dr. Baglioni rückt die Fakten zurecht. Beide sind Nachbarn und jeder besitzt dicht an dicht ein altes Haus in Padua. Professor Baglioni ist jedes Mal restlos genervt, wenn er gezwungen ist, den Ansichten des werten Kollegen über den Stellenwert der Medizin zu lauschen. Er hat das Gefühl, dass der Biochemiker die Grenzlinie zwischen Natur und Moral bei weitem überschreitet. Nach einer kurzen Debatte trennen sich die beiden Forscher im Zwist. Man wird nie auf einen gemeinsamen Nenner kommen!


    Zweite Szene:


    Giovanni Guasconti erkennt man an seinem melancholischem Gesichtsausdruck und seiner nostalgisch anmutenden Kleidung. Sperriges Handgepäck begleitet seinen Wohnungswechsel. Er ist gebürtig aus Neapel und will nun in Padua, einem berühmten Ort der Gelehrsamkeit, Botanik studieren. Isabela, seine neue Herbergsmutter, hat den Herankommenden bereits ausgemacht und kommt ihm freundlich entgegen. Während sie ihm ein wenig Gepäck abnimmt, beginnen sie ein Gespräch. Er erzählt ihr von der Schönheit seiner Heimatstadt und schwelgt in der Erinnerung an den feuerspeienden Vesuv, doch Isabela hat etwas Gleichwertiges zu bieten. Auf dem Weg zu seiner neuen Studentenbude rühmt sie, die Gärten von Padua, welche die erlesensten von ganz Italien seien. Einen Apotheken-Garten, der von Dr. Rappaccini bewirtschaftet wird, bekommt er sogleich von seinem kleinen Balkon aus zu Gesicht. Von dem genannten, angeblich berühmten Professor hat Giovanni in Neapel noch nie gehört. Deshalb klärt Isabela ihn auf, dass man sich von ihm und seinem Garten mysteriöse Geschichten erzählt. Zudem soll er eine schöne Tochter besitzen, die noch schöner sei, als alle seine Blumen.


    Dritte Szene:


    Professor Baglioni klopft an und findet, dass Giovanni seinem Vater, der einst sein Studienkollege war, optisch ähnlich ist. Er freut sich ihn zu sehen und erklärt, ihm bei der Eingewöhnung in eine fremde Umgebung behilflich zu sein. Isabelas Vermutungen über Rappaccinis Garten bestätigend, lobpreist er die Schönheit seiner Tochter, obwohl er dieselbe noch die zu Gesicht bekommen hat. Giovanni lässt seinen Blick über den Garten schweifen, der ihn auf seltsame Weise fasziniert. Bevor seine Vermieterin und der Professor aufbrechen, empfehlen beide mit erhobenem Zeigefinger, sich von dem Garten körperlich fernzuhalten.


    Vierte Szene:


    In der abendlichen Kühle gießt Dr. Rappaccini seine Blumen und Kräuter und unterhält sich mit ihnen. Belladonna (Teufelskirsche), Cicuta (Wasserschierling), Mandrágora (Alraune) sind seine Lieblingspfleglinge. Wer würde solch eine Fülle verwandschaftlicher Verknüpfungen allein des Bärlapps in diesem optisch unscheinbaren Garten erwartet haben? Pflanzen des Lebens, Pflanzen des Todes! In diesem Garten verstehen sie sich untereinander und suchen die Harmonie. Vom Augenblick der Geburt bis zum Tod begleiten sie den Menschen. Sie können Gutes oder Böses bewirken – die richtige Dosis gibt den Ausschlag.


    In der Mitte des Gartens steht ein besonders hoher Strauch, auf den der Biochemiker zustrebt. Seine Füße drohen den Dienst zu versagen und Rappaccini ruft nach seiner Tochter, damit sie ihn stützt. Während er vorwärts humpelt, beschreibt er die Welt, die er zu gestalten gedenkt – eine Welt voller Schönheit, einen Garten voller lebender Schätze, ein Garten aus Feuer, in dem Liebe und Tod sich umarmen und jeder sein Geheimnis wechselt. Nicht wirklich versteht Beatriz des Vaters visionäre Träume. Allein gelassen, grübelt sie über ihr eigenes Schicksal unter diesen vielen Pflanzen nach. Sie spricht zu einem Baum und bildet sich ein, es sei ein eleganter junger Mann, singt und wirbelt um ihn herum.


    Fünfte Szene:


    Giovanni, welcher die Szene aus seinem Fenster beobachtet, nimmt eine frische Rose aus einer Vase und wirftsie zu dem Mädchen hinunter. Beatriz hebt die Rose auf, aber die Blume schrumpft unter ihrer Berührung bis zu Unkenntlichkeit. Giovanni ruft den Namen der Schönen. Furchtsam schaut das Mädchen auf, versteckt die verblühte Rose hinter sich und rennt fort. Giovanni ist verdutzt über das, was er gesehen hat und sinnt darüber nach, bis er in Schlaf fällt.


    Sechste Szene:


    Als Schatten den Raum einschließen, tritt in einer Traumvision Isabela in seine Kammer ein und ermuntert Giovanni in den Garten hinabzusteigen, weil dort sein Traum wahr werden wird. In seiner Phantasie hört er die Stimmen von Blumen, die ihn einladen, sich mit ihnen zu verbinden. „Ya es hora. No es hora. Ahora es ahora“ – Es geht den personifizierten Blumen witzigerweise darum, ob die Zeit jetzt gekommen ist oder nicht.“ Der Garten erscheint ihm fremdartiger und geheimnisvoller denn je. Er beobachtet, wie Dr. Rappaccini bei Mondlicht seine Pflanzen pflegt.


    „Nunca duermo el jardino.
    Siempre vela por sus plantas;
    las hace crecer al sol,
    las corta bajo da luna. -


    Der Garten schläft nie
    Immer behütet er seine Pflanzen;
    sie wachsen unter der Sonne
    geschnitten werden sie unter dem Mond.“


    Dem Pflanzendoktor wird das Eindringen Giovannis in sein Revier gewahr und er versteht die Bedeutung dieses Treffens sofort. Die Träume von Giovanni und Beatriz haben sich in dem Garten in dieser Welt vermischt. Sie drängt ihn, ihr näher zu kommen und um eine Frucht von dem Baum zu pflücken, der in der Mitte des Gartens steht. Als er sich anschickt, diese zu berühren, hört er Isabela seinen Namen rufen. Sie klopft an seine Tür, um ihn zu wecken.



    Zweiter Akt:


    Siebte Szene:


    Giovanni wandert verstört durch die Straße. Unvermutet begegnet er Dr. Baglioni. aber, der Student zeigt sich ihm gegenüber eher abweisend. Der Professor notiert sein unzugängliches Verhalten, während Dr. Rappaccini die beiden an ihnen vorbeigeht und ohne ein Wort zu sprechen fixiert. Baglioni versucht mit Giovanni eine Unterhaltung über Rappaccini anzuknüpfen, die dieser aber abblockt und weitergeht. Der Erstgenannte zieht seine Schlüsse und entscheidet, sofort zu handeln.


    Achte Szene:


    Isabela kennt einen geheimen Gang in Rappaccinis Garten. Was sagt sie da? Sie meint den Garten, wo die schönen Blumen zu finden sind. Er soll aber den Mund halten, dann wird sie ihm den Weg zeigen.


    ORCHESTERZWISCHENSPIEL


    Neunte Szene:


    Einmal dort, trifft Giovanni mit Beatriz das erste Mal zusammen. Obwohl sie vorher noch nie miteinander gesprochen haben, realisieren sie, dass sie über ihre Träume voneinander gewusst haben. Von ihrer Einsamkeit und dem Verlangen, die einzige Welt, die sie kennt – es ist des Vaters Garten – verlassen zu wollen, kündet ihr Begehren. Giovanni verspricht, ihr die reale Welt zu zeigen, doch sie befürchtet, die fremde Luft sei zu viel für sie. Die Szene entwickelt sich zu einem Liebesduett. Um ihre Liebe zu besiegeln, steuert Giovanni den Strauch an, der in der Mitte des Gartens steht, um für Beatriz eine Blume zu pflücken. Doch sie greift schnell nach seinem Handgelenk, um seinen Eifer zu stoppen. In Verlegenheit geraten, rennt sie weg. Giovanni dreht sich um und sieht, dass Dr. Rappaccini das Ereignis bemerkt hat. Er entschuldigt sich für sein Eindringen. Es kommt zu einem freundlichen Dialog. Doch Giovanni hält es für besser, den Garten zu verlassen. Rappaccini verspricht, dass sie sich bald wiedersehen werden. Der Professor überdenkt sein Experiment, dass die Fusion von gegensätzlichen Elementen geglückt sein könnte.


    Zehnte Szene:


    Wir erleben Giovanni in seinem Zimmer, wie er die verletzte Hand, die Beatriz berührt hat, mit Salbe bestreicht. Die neugierige Isabela tritt mit einem Blumenstrauß ein, um Giovanni über die Begegnung mit Beatriz auszuforschen. Außerdem ist Baglioni erschienen, um seinen Schützling erneut vor den Gefahren des Gartens zu warnen.


    Er erzählt die Geschichte von einem schönen Sklavenmädchen, welches Alexander von Mazedonien von seinen Feinden zum Geschenk gemacht wurde. Seit seiner Geburt sind in das Mädchen pflanzliche Gifte eingespeist worden und die starke Essenz hatte eine verheerende Wirkung. Ein Kuss von ihr würde dem Eroberer den Tod gebracht haben. Giovanni ist betroffen von der Analogie der Ereignisse, so dass er die Botschaft unmöglich ignorieren kann.


    Baglioni glückt es, Giovanni klar zu machen, dass er möglicherweise der Teil eines Experiments von Rappaccini geworden ist. Er gibt Giovanni ein starkes Gegengift, mit dem er Beatriz behandeln kann, um die von ihrem Vater verabreichten Toxine zu neutralisieren, zumindest aber abzuschwächen.


    Elfte Szene:


    Der verängstigte Giovanni steigt ein letzten Mal in den Garten hinab. Auf dem Weg dorthin pflückt er eine Blume für Beatriz. Zu Giovannis Schrecken verwelkt die Blume in seiner Hand sofort. Nun weiß er, dass sein eigenes Schicksal besiegelt ist. Überquellend vor Liebe tritt Beatriz auf ihn zu. Er weist sie mit der Beschuldigung, ihn vergiften zu wollen, schroff zurück.


    Rappaccini kommt hinzu und ist verzückt, mit seinem Experiment Erfolg gehabt zu haben. Wenn Beatriz und ihr Liebhaber sich zwecks Fortpflanzung vereinigen, können sie den Anfang für neues unbesiegbares Leben setzen. Er rät seiner Tochter, ihm eine Blume in die Hand zu drücken. Danach wird sie nicht länger einsam sein. „Hija mia, ya no estás condenada a la soledad. Corta una flor y dásela a tu enamorado.“


    „Padre, padre, por qué me condenaste a este destino? No soy tu hija, carne de tu carne?“ Beatriz tadelt ihren Vater heftig, sie zu einem Leben verdammt zu haben, das sie sich nicht gewünscht hat. Sie informiert ihn, dass sie von ihrem neuen Freund ein Gegengift bekommen hat. Doch der Wissenschaftler warnt sie, von dem Medikament noch ein weiteres Mal zu nehmen, denn die doppelte Dosis könnte fatale Auswirkungen haben. Beatriz trinkt das Elixier trotzdem und verabschiedet sich in Verzweiflung von Giovanni. Seine furchtbaren Worte, in denen mehr Gift versteckt war, als in ihrer biologischen Natur, haben sie gebrannt. Nun hat sie die andere Seite des vergifteten Gartens ihrer Kindheit erreicht.


    „Árbol hermano, mi único amante, cúbreme calcíname!“ Den Baum in der Mitte des Gartens - ihre einzige treue Liebe – bittet sie, ihre Gebeine zu zersetzen und sie mit seinem Blätterkleid zu bedecken. Eine menschliche Tragödie hat ihr Ende gefunden. Schrille Dissonanzen, brillant orchestriert, setzen den instrumentalen Schlusspunkt.


    Der Garten, in dem Träume und Liebe zusammenkommen, wo Leben und Tod sich umarmen, transformiert eine Tragödie in einen Zustand, der fähig ist zu veredeln und sich anzugleichen zu dauerhafter Schönheit, wenn Dr. Rappaccini weiterhin experimentiert. Doch Giovanni begibt sich zu Professor Baglioni in medizinische Behandlung, wechselt die Wohnung und steht für weitere Versuche nicht mehr zur Verfügung.


    © 2011 TAMINO - Engelbert

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    Franz Salmhofer [1900-1975]
    Iwan Tarrassenko


    Oper in einem Akt und einem Vorspiel


    deutsch gesungen
    Libretto vom Komponisten
    Uraufführung 1938 in Wien


    Charaktere:
    Iwan Sergewitsch Tarassenko, Dorfschmied – Bariton
    Fedja Besrodnyi, ein junger Bauer – Tenor
    Nadja, seine Braut – Sopran
    Exzellenz Burulbasch, der Dorfrichter – Bass
    Alexej Bassawrjuk, Polizeiunteroffizier – Bassbariton
    Kalennik, Unteroffizier – Bariton
    Der Pope – Bass
    Katjas Mutter – Alt
    Katja - Krämerin
    Kolja, Soldat – Tenor
    Zwei Adjutanten – Tenöre
    Patrouillenführer – Bass
    Soldat – Bass
    Stretzko, Knecht – Bass
    Gritzko – Knecht – Tenor


    Das Geschehen spielt um 1870 in einem kleinen Dorf des Gouvernements Poltava



    HANDLUNG


    Fedja und Nadja sind einander versprochen und wollen am kommenden Tag Hochzeit feiern.
    Der junge Bauer unterbricht seine Gartenarbeit, weil sein Mädchen in den Arm genommen werden möchte.


    Über der beabsichtigten Vermählung steht kein guter Stern, denn Alexej Bassawrjuk, seines Ranges Polizeiunteroffizier, der Fedja wegen seines niedrigen Standes verachtet, stellt dem schönen Mädchen seit geraumer Zeit nach, ohne erhört zu werden. Die beiden Rivalen geraten in Streit und Nadja flüchtet ins Haus. Der Ordnungshüter folgt ihr und versucht, dem Mädchen Gewalt anzutun. Nadja ruft um Hilfe, Fedja ringt den Unhold nieder und macht dem Leben Bassawrjuks ein Ende. Dabei geht es nicht ohne Lärm ab. Eine Patrouille kommt hinzu, stößt auf die frische Leiche und Fedja wird abgeführt. Bevor er das Haus verlässt, rät er Nadja zur Flucht.


    Das Geschehen spricht sich im Dorf schnell herum. Ein anderes junges Paar, Kolja und Katja bieten der Verlassenen ihre Hilfe an. Nadja hat die ganze Nacht geweint. Der Dorfschmied Tarassenko ist ebenfalls tief betrübt, denn er ist ein heimlicher Verehrer Nadjas und glaubt, ohne ihre Liebe nicht länger leben zu können.


    Die ersten Gäste treffen ein und erfahren von Nadja, dass die Hochzeit nicht stattfindet, weil der Bräutigam abgeführt wurde. Dem Popen kann Nadja den Hergang der Tat erzählen und ihr Herz erleichtern, weil er als Geistlicher an seine Schweigepflicht gebunden ist.


    Fedja leugnet auf der Wache seine Tat, ohne damit das Blatt zu wenden. Er soll erschossen werden, falls der wahre Mörder sich nicht unverzüglich meldet. Schließlich braucht die Polizei einen Schuldigen. Eine ordentliche Gerichtsverhandlung hält man nicht für nötig. Die Sache ist klar und ein Schnellverfahren erfüllt seinen Zweck genau so gut. Nadja ist außer sich und versucht, die Bauern gegen die Polizei aufzuhetzen. Man will sie nun ebenfalls festnehmen, doch Tarassenko leistet heftigen Widerstand und gibt dem Mädchen Schutz. Der Dorfschmied erklärt ihr seine Liebe, doch Nadja kann sich nicht entschließen, Fedja untreu zu werden. Falls der Bräutigam erschossen wird, will auch sie nicht mehr länger leben.


    Fedja wird zur Exekution geführt und singt zuvor seine schönste Arie: 'Nadja, arme süße Nadja' Anschließend hat Tarassenko seinen großen Auftritt, bezichtigt sich selbst als Mörder und stürzt sich mutig in den gezückten Säbel des Unteroffiziers Kalennik. Nun gibt Fedja seine Tat zu, weil er aus Gewissensgründen nicht zulassen kann, dass ein anderer für seine Tat als schuldig angesehen wird.


    Inzwischen ist auch Richter Burulbasch, der dienstlich verreist war, wieder zur Stelle und kann nun eine ordentliche Gerichtsverhandlung aufziehen. Das Volk bittet den Hüter der Gesetze um Gnade und führt mildernde Umstände an. Schließlich befand Fedja sich in Notwehrsituation, seine Braut vor dem Übergriff der Staatsgewalt verteidigen zu müssen. Damit nun die Polizei wegen des Verdachts, massiv gegen die Gesetze verstoßen zu haben, nicht selbst in Misskredit gerät, wird dem Antrag der Bevölkerung stattgegeben und der Täter bekommt Bewährung. Fedja ist wieder frei und die Hochzeit mit Nadja kann stattfinden.


    Anmerkung:


    Im Theater an der Wien fanden Paul Schoeffler, Helge Rosvaenge und Ljuba Welitsch mit der Darstellung
    der Protagonisten überwältigenden Anklang. Ein dauerhafter Erfolg war der Oper jedoch nicht beschieden
    und verschwand schnell wieder vom Spielplan. Bis heute gibt es keine Tonaufzeichnung des interessanten Werkes.


    Franz Salmhofer war in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg Direktor der Wiener Staatsoper und leitete die Volksoper bis 1963. Bei Franz Schreker hatte er Komposition studiert und pflegte in seinen Werken einen nachromantischen Stil.


    © 2010 TAMINO - Engelbert