Beiträge von Engelbert

    ZAUBER DER OPER


    Dmitri Kabalewski (30.12.04 - 17.02.87)
    Colas Breugnon


    Oper in drei Akten und einem Prolog
    Libretto von V. Bragin, bearbeitet vom Komponisten
    Quelle nach dem Roman von Romain Rolland
    Erstaufführung der revidierten Fassung
    im Frühjahr 1970 in St. Petersburg,
    Tondokument aus dem Jahre 1976
    in der Einrichtung des Moskauer Musical Theaters


    Das Geschehen spielt im 16. Jahrhundert
    in Burgund


    DIE OUVERTÜRE gibt ein eindringliches Porträt der Eigenschaften von Meister Breugnon. Von Beruf ist er Holzschnitzer im Range eines Volkskünstlers. Sein Wesen ist lustig und mitteilungsbedürftig. Einen festen Charakter nennt er sein eigen und im Unglück bleibt er unverzagt.

    DER PROLOG
    beginnt damit, dass Colas Breugnon, ein rüstiger Mann von 60 Jahren, dem Publikum erklärt, dass er eine Geschichte niederschreiben will. Es ist die Geschichte seines Lebens. Sein kleiner Tisch steht vor dem Bühnenvorhang, dekoriert mit einer Karaffe Wein zur linken und einem Tintenfass zur rechten Seite. Vor ihm liegt ein dickes Heft, ganz neu mit unbeschriebenen Seiten. In der Hand hält er eine große Schreibfeder.


    Es lebe Sankt Martin! Die Arbeit ist ermüdend. Kein Grund zur Anstrengung. Wir gönnen uns eine kleine Rast. Er hat das Bedürfnis, sich ein bisschen zu unterhalten. Seinen Gefühlen will er freien Lauf lassen. Es ist wahr, er hat eine scharfe Zunge und die Leute wollen ihn hören, aber nicht alle. Nun er wird damit beginnen, welche Waren er in seinem Geschäft verkauft.


    Welch reicher Mann ist er! Er besitzt ein Haus, eine Frau, vier Söhne, eine verheiratete Tochter – dem Herrn sei Dank – und einen Schwiegersohn, der sehr schweigsam ist, dazu achtzehn Enkelkinder. Der Bestand an Haustieren setzt sich zusammen aus einem grauen Esel, einem Hund, sechs Hühnern und einem Schwein. Ist er nicht beneidenswert?


    Aber der Krieg brach aus und Soldaten betraten sein Haus, freundliche und unfreundliche. Epidemien steckten ihre Nase über seine Türschwelle. Das Schwein wurde eingepökelt, der Esel ist lahm. Der Keller stand unter Wasser und das Hühnerhaus war auf einmal leer. Zum Schluss ist noch das ganze Haus abgebrannt. Die Frau ist gestorben. Vierzig Jahre war er mit ihr zusammen. Es ist interessant zu erzählen, was ihm so alles zugestoßen ist. Der Vorhang öffnet sich.


    DIE PERSONEN
    Colas Breugnon, Holzschnitzer und Tischler
    Selina, seine heimliche Liebe
    Jacqueline, seine Frau
    Gifflard, Faktotum des Herzogs
    Chamaille, der Burgkaplan
    Robinet, Erster Geselle
    Der Herzog von Asnois
    Mademoiselle de Termes, seine zeitweilige Favoritin

    DIE HANDLUNG

    Erster Akt, Erste Szene
    Die Festung von Clamency ist umgeben von schönen Weinbergen. Die Erntehelferinnen pflücken die Beeren und singen ein Frühlingslied: An einem Abend im Mai ritt ein junger Mann von Doué nach Arras und begegnet zwei Schönen. Diese tragen Girlanden von Ähren und Blumen auf dem Kopf und kommen geradewegs auf ihn zu, einfach so... Er steigt vom Pferd und fragt, ob er sie ein Stück des Weges begleiten darf, einfach so.... In das Frühlingslied stimmt die Dorfschöne mit ein, wobei sie in einem Kräutergarten nebenan Unkraut jätet. Colas stützt sich auf die steinerne Umfriedung und betrachtet Selina mit wohlwollenden Augen. Beide sind verliebt ineinander, aber viel zu bärbeißig um es zuzugeben. "Ein weiterer Liebhaber nervt schon wieder", stellt sie fest und beschimpft den ungebetenen Zaungast als Rüpel. Sein Mund sei ein großer Ofen, gerade recht, um einen Kuchen darin zu backen. - Manchmal wird es ihm auch zu viel. Der Geschmähte kontert, dass sie raffgierige Zähne und scharfe Klauen habe. - Aber gelegentlich sind sie auch zärtlich zueinander. Als sie sich abgewandt hat, klettert er über den Steinzaun, nimmt sie in seine Arme und nennt sie sein kleines Wiesel. Er liebt sie doch zu sehr, sein stolzes Gartenmädchen.


    Es gibt einen Nebenbuhler. Es ist Gifflard, der Diener des Herzogs. Dieser möchte Colas das Mädchen abspenstig machen und sucht Streit mit ihm. „Singen tut er?“ – „Richtig, er singt.“ – Er soll sich wegsingen, denn die wilde Kreatur wird ihm, Gifflard, gehören. – Welche wilde Kreatur? –Diejenige, die er ständig verwundet. Er habe alles gehört und gesehen. – Was hat er gesehen? – Vor langer Zeit hat sie bereits ihre Wahl getroffen. Sie gehöre ihm. – Er rede dummes Zeug. Der Angeber soll nicht lügen und verschwinden. Ein Hahn im Hühnerhaus reicht vollkommen aus. – Bald wird die Hochzeit zwischen Gifflard und Selina sein. Er wird ihn sogar einladen. Ein bisschen hat er noch die Chance, die Zeit mit Singen zu vertreiben. – Dem Flunkerer, dem Klatschmaul wird er es zeigen. - Der also Beschimpfte wird sich alles schön merken. - Beide werden handgreiflich und Colas haut dem Nebenbuhler eine runter. Der Chor mischt sich ein und feuert den Angreifer an: Gib es ihm, Breugnon, Gib es ihm! Die Ohren wird Breugnon ihm waschen. - Dem ungeschlachten Bauer wird man das Mütchen kühlen. - Weiteres Volk kommt hinzu und stellt sich auf die Seite Breugnons, er soll es dem Flunkerer zeigen. An Schimpfworten wird nicht gespart. Unruhestifter sei der eine, als Kröte bezeichnet man den anderen. Gifflard erweist sich als der Stärkere.


    Zu allem Überfluss kommt auch noch Jacqueline, eine andere Dorfschöne, hinzu. Einen dicken Knüppel hat sie in der Hand. Was, das Schwein will Breugnon umlegen? Der Chor beruhigt die Aufgebrachte. Bitte: Jacqueline, schmeiß den Knüppel weg. – Er will ihn umbringen. Gifflard bleibt gelassen. Wieso schreit sie eigentlich herum? Der Bedrohte ist weder ihr Verlobter noch ihr Ehemann. - Weder das eine noch das andere, bestätigt sie, aber sie wird nicht zulassen, dass Gifflard vor ihren Augen umgebracht wird. Er soll sofort aufhören. Die Umstehenden sind auch der Ansicht, dass genug gestritten wurde und Gifflard Leine ziehen soll. Jacqueline bahnt sich einen Weg zwischen die beiden Streithähne und schlingt ihren Arm um den Nacken des maßlos erstaunten Colas. Selina quittiert mit hämischem Grinsen.


    Der Schlosskaplan gebärdet sich wie ein aufgescheuchtes Huhn. Der Herzog ist vorzeitig von Paris zurückgekehrt und hat Gäste mitgebracht. „Ah, Mein Herzog! Vermutlich hat er auch Soldaten zu unserem Schutz mitgebracht,“ bemerkt Breugnon sarkastisch.


    Ein schönes Geschenk hat der Herzog da mitgebracht. Werden die Ankömmlinge Lieder vom Frieden singen? Die Soldaten spüren die Ablehnung der Bevölkerung und klagen, dass sie als Männer der Schlacht bereit sind, ihr Blut zu opfern. Aber die Schmähenden werden zugeben, dass ein Humpen Wein besser schmeckt als eine Ladung Schießpulver. Wenn die Soldaten die Lebensmittelvorräte wegfuttern, werden die Männer immer dünner – Und die Frauen immer fetter, kommt es zurück. Vielfrasse und Vagabunden sind sie – nein die Soldaten sind Freund und Beschützer. - Gott segne sie, die Dörfler können sich noch selbst beschützen.


    Erster Akt, Zweite Szene
    Der Herzog freut sich, dass er wieder zu Hause ist. Es lebe der Herzog! Die Dorfbewohner haben sich auf dem Schlossplatz versammelt und zeigen fröhliche Gesichter. Vom Kaplan werden sie aufgefordert, Geschenke heranzuschaffen. Es ist ein Kreuz, diesen Holzköpfen beizubringen, dass Hoheit Geschenke erwarten. Sie wissen nicht, was sich gehört. Wo bleibt die Serenade? Die Muzykantof, diesmal ohne Flötist gibt sein bestes. Mit dem Herzog versteht Colas sich gut. Ein guter Holzschnitzer ist er, hat dem Herzog das Schloss mit Kunstwerken ausstaffiert und dieser nennt ihn sogar seinen alten Kumpel. Trotzdem nimmt Gifflard sich Frechheiten heraus. „He, du hässlicher Rübenfresser aus der Auvergne. Komm her! Eine freundliche und wundervolle Dame möchte einen Blick auf dich werfen.“ Es ist die vortreffliche Mademuazel de Termes, die neu ist im Schloss und der offenbar die Aufsicht über das Personal übertragen werden soll. Wer ist er, was kann er, was gedenkt er zu tun? – Praktisch gar nichts kann er. Aber er hat die Fähigkeit zu graben, die Erde zu pflügen, Weizen und Hafer zu säen, zu pflanzen, zu beschneiden, die Trauben auszuquetschen, zu mähen, Brot zu backen. So weit der landwirtschaftliche Bereich. Dann kommen die Kunstfertigkeiten. Er arbeitet als Tischler, als Steinmetz, hackt Holz, schneidert Kleider und näht sie zusammen, baut Boote, legt Gräben an, und betätigt sich als Stellmacher und hat in den Städten auch schon Kathedralen hochgezogen. Dann ist er noch Seelendoktor, weil er es liebt in die Herzen der Menschen zu schauen, egal ob diese gut oder böse sind. Bei psychologischen Störungen schaut er nach, wo der Schuh drückt. Er trinkt maßvoll und steckt seine Nase in alle möglichen Angelegenheiten. Mit seinen Werkzeugen arbeitet er in Harmonie. Er ist auch kreativer Künstler. Wenn die Entlohnung stimmt, kann er alle diese Dinge für die Durchlauchtesten tun. Eine Kurzbewerbung, mündlich vorzüglich vorgetragen! Die Mademuazel ist trotzdem misstrauisch und wendet sich an den Herzog: Was kann der gute alte Kumpel wirklich? – Er ist ein guter Arbeiter, ein exzellenter Tischler und ein großer Sprücheklopfer. Er macht beides, er stellt die Furniere her und kleidet damit die Räume aus. Für seinen Herzog tut er alles. Die Mademuazelle will von Colas wissen, warum er die meisten seiner Fähigkeiten bisher verborgen gehalten hat.


    Sie betrachtet die Skulpturen des Brunnens. Schau her, was ist das. Diese jungen Enten flattern aufgeregt mit den Flügeln und öffnen ihre Schnäbel. Und das Mädchen winkt, als ob es lebendig wäre. Wer hat den Brunnen hergestellt? - Alles stammt von meinem guten alten Kumpel Colas Breugnon. - Er sollte in Paris sein und nicht hier in diesem Loch. Der Herzog soll ihr alles zeigen, was er bisher gemacht hat. - Ach, er soll es ihr selbst zeigen.


    Alle Anwesenden verschwinden im Schloss und Colas bildet das Schlusslicht. Selina tritt mit Burschen und Mädchen auf und gruppiert diese zu einem Reigen. Fröhlich wird dazu ein Erntelied gesungen. Gifflard kommt plötzlich angerannt, sofort aufhören mit Tanzen denn er hat eine wichtige Nachricht. Seine Hoheit, der Herzog, sendet Breugnon nach Paris, damit dieser dort ein Kunststudium absolviert. Der Sprücheklopfer, die Skandalnudel soll nicht schon wieder lügen.


    Breugnon ist außer sich vor Freude und ruft nach Selina. Er will mit ihr tanzen. Diese schimpft was das Zeug hält: Verschwender, Großmaul, Windmühle. - Hör auf Selina! Wer hat sie gekränkt? - Hau ab! Abhauen soll der Elende, der Windbeutel. Nach Paris soll er verschwinden. - Sie bemerkt, wie Jacqueline sich an ihn heranstiehlt. - An die Dunkelhaarige soll er sich klammern. „Colas, Colas“ zwitschert diese. Er soll doch mit ihr tanzen. Fest soll er sie an sich drücken. Will sie ihn gar verschlingen? - Breugnon, was für ein Kumpel, eine Pariserin fährt auf ihn ab. - Selina will allein sein, Nicht ist sie mehr seine Selina. Allen erzählt sie es jetzt. Sein „Kleines Wiesel“ hat er sie beschimpft.


    Ein Herold kommt aus dem Palast mit einem großen Kelch in der Hand. Mademuazel de Termes und die Gäste aus Paris schicken diesen Pokal an Meister Breugnon. Selina weiß sich vor Eifersucht und Bosheit nicht zu lassen. „Trink aus, lieber Freund, auf die Gesundheit Deiner neuen Liebe.“


    Gifflard soll herkommen, Selina will mit ihm tanzen. Dieser lässt sich das nicht zweimal sagen. Sie nimmt ihn bei der Hand und beide wirbeln im Kreis. Der betrunkene Chamaille kommt herbei und freut sich, endlich menschliche Gesichter unter diesen Affen, er meint wohl die Soldaten, zu sehen. Selina fordert den Kaplan auf, ihr und Gifflard den Segen zu geben. Die schamlosen Spaßvögel! Selina besteht auf ihrem Wunsch. Nein, sie soll zu Sinnen kommen. Der Chor mischt sich ein. Was tut Selina da? Was ist mit Breugnon. Sie tut ihm weh. - Colas soll verschwinden. Selbst wenn er drei Jahre vor ihrer Gartentür steht, wird sie ihm nicht aufmachen. „Kleines Wiesel“ hat er sie gerufen. Auf was wartet Gifflard eigentlich noch. Dieser dreht sich zu Breugnon: „Was für eine wilde Kreatur ist sie doch!“


    Colas steht vor den Trümmern seiner großen Liebe. Der Kaplan hat sich unter den Baum auf den Rasen gelegt, hält die Augen geschlossen und schlummert wie eine Katze. Drinnen hört man das ungezügelte Lachen der Mademuazel. Jacqueline schleicht heran und sucht bei Breugnon Anschluss.


    Zweiter Akt, Dritte Szene
    In Breugnons Werkstatt herrscht bunte Unordnung. Material, Werkzeug, Halbfertiges und große Skulpturen. Er sitzt hinter einer Bank um eine Skulptur von Selina zu begutachten. Ein paar Schritte weiter arbeitet sein erster Geselle Robinet. Sein Beruf macht dem Meister viel Freude. Wie schön ist es, mit dem Werkzeug zu arbeiten, zu sägen, zu ebnen, zu formen und zu feilen. Das geheimnisvolle Holz, mal widersetzt es sich, mal gibt es nach, agil passt er sich dem Rohstoff an, mal ist es die knorrige Eiche, mal der glänzende Ahorn.


    Zeit ist vergangen. Colas hat Jacqueline tatsächlich geheiratet. Einen Teufel hat er zum Eheweib bekommen. - Der elende Schnorrer, was macht er da schon wieder. Ein Maul hat er wie ein Scheunentor. Sie muss sich plagen und abrackern. Umbringen will sie sich, als sich noch länger die Gedärme auszuschwitzen, um dieses Schwein zu bedienen. Der Geselle kommt dem Meister verbal zur Hilfe. Sie soll ihre krummen Beine in Bewegung setzen und schauen, ob aus dem Teig schon ein Kuchen geworden ist. Jacqueline verschwindet und Robinet zieht eine Grimasse, dass der Meister lachen muss. Der Drache kehrt zurück: Das Lachen wird ihm schon noch vergehen! - Tschirp, tschirp, die Auerhenne soll nur zwitschern, jedes Lebewesen hat seine eigene Melodie. Ein Malheur ist passiert. Robinet hat bemerkt, dass die Enkelin ihre Pfote in den Teig gesteckt und sich verbrannt hat. - Ach, diese unvorsichtige kleine Puppe! Colas’ Weisheit: Nimm eine Frau und vergiss Ruhe und Frieden. Die Erinnerung an Selina erweckt innige Gefühle in seinem Herzen aber er übersieht, dass sie keinen Deut umgänglicher war. Aus dem warmen Holz hat er sie herausgeschnitten und zum Leben erweckt. Die schlaue Grimasse von seinem kleinen Wiesel ist gut gelungen. Sein kleines Wiesel, nun die Frau von Gifflard. Ein bisschen Spaß hatten die beiden gehabt, aber jetzt dreht und zwiebelt sie ihn. Was war er doch für ein Hammelkopf. Glodie kommt angerannt und schmiegt sich an den Großvater. Sein kleines Lamm, seine kleine Kröte, seine Drachenfliege, gewandter als eine Maus und schlauer als ein Fuchs. Jacqueline stürmt herein und reißt die Kleine von ihm weg. Ihn schimpft sie einen Faulenzer, mit dem sie nur Ärger hat. Der Geselle stellt fest, dass die Meisterin ein lautes Organ hat.


    Robinet schaut aus dem Fenster und kündet den Besuch des Herzogs und seines Faktotums an. Das „Kleine Wiesel“ muss schnell versteckt werden. Lang lebe seine Hoheit! Lang lebe Meister Breugnon! Ist sein Auftrag ausgeführt? Hier sind Eure frommen Brüder. Er hat sich beeilt. – Diese Mönche haben Wolfschnauzen. Sie haben den Charakter von Wölfen. Colas, du Schalk! Aber es ist schon recht so, mein lieber Freund. Gifflard schaut neugierig hinter den Vorhang. Was hat er dort versteckt? Der Herzog will es auch sehen. Er ist hingerissen von der Schönheit der Frauenskulptur. „Danae ist es, das ist Danae“ erklärt Breugnon verlegen. „Danae, halbnackt? Erwartet sie etwa ihren Bräutigam?“ Wunderbar! Er wird sie gleich ins Schloss mitnehmen. – Aber Colas liebt diese Danae wie sein Leben. Es ist das beste, was er je geschaffen hat. - Du komischer Kauz. Deshalb will ich sie auch mitnehmen. Hier bist nur du allein, der sie bewundert. In meinem Schloss werden alle ihre Augen reiben und du, mein Meister, wirst gepriesen werden. „Hoheit, nehmt sie mir nicht weg“. Der Rübenfresser soll beiseite rücken. Die Weisung des Herzogs lautet „mitnehmen“ und wenn der Herzog „mitnehmen“ sagt, wird die Figur mitgenommen. Hat das hässliche Fass verstanden oder muss Gifflard erst ungemütlich werden? Der Herzog will die Statue in eine Fensternische stellen. Und Breugnon soll nicht vergessen. sein Schloss ist des Meisters Heim. - Colas verlegt sich aufs Jammern. Sein Haus ist hier, und wenn er sich von seinem Werk verabschieden soll, wird er sterben. – Sein Haus ist das herzogliche Schloss und damit basta. Auf Wiedersehen, Breugnon! Auf Wiedersehen Hoheit. Gifflard transportiert die Skulptur von Selina aus dem Haus. Der Herzog holt alles weg und bezahlt keinen Pfennig.


    Dort steht sie nun, geschützt für immer vor Feuer, Regen und Wind. Sein kleines Wiesel steht in einer Fensternische eines Hallenganges, Kantige Steine einer stummen Festung sind ihr Umfeld. Das für immer, das für alle Zeit. Keine Sonne, kein Regen wird Leben bringen. Selina lächelt vergebens, die Mauern eines Turmes werden sie umarmen.


    Chamaille will die Burg verlassen. Seine Gemeinde fleht, er soll eine Bittprozession arrangieren. Ist er nun ihr Priester oder nicht? In erster Linie ist er für Gott da. Er besucht Breugnon in seinem Haus, um mit ihm das übliche Spielchen zu spielen. „Trink Brüderlein, trink“. Ja wohl, die Erde ist rund, tatsächlich rund.


    Von draußen hört man einen Chor, welcher das „Dies irrae, dies illa.“ anstimmt. In drei Teufels Namen. Was geht vor? In der friedlichen Stadt Clamecy ist die Pest ausgebrochen. Sie Soldaten des Herzogs haben sie eingeschleppt. Jacqueline ist wie umgewandelt. Alle Bosheit ist vor ihr gewichen. Breugnon soll sich retten und fliehen. Der Pfarrer meint das gleiche. Nein, er bleibt! Eine Prozession zieht vorbei, welche das Requiem singt.


    Der Vorhang schließt sich und der Handlungsfaden reißt ab. Ein Zwischenspiel leitet über zur vierten Szene.

    Zweiter Akt, Vierte Szene

    Die Soldaten haben die Stadt in Brand gesteckt und sich verzogen. Der Brand wurde gelöscht, aber der Rauch hängt noch in der Luft. Die Nacht ist angebrochen. Seinen Körper fühlt er nicht mehr. Übriggeblieben ist die Seele. Außerhalb der Stadt hat er in einer Hütte eine Bleibe gefunden. Der Kopf tut ihm weh, die linke Seite auch. Es hat ihn voll erwischt. Es ist schwer zu sterben auf dem Höhepunkt seines Lebens. Der Rücken tut weh. Welche Sorte von Plagegeistern nagen an seiner Seite? Die Kerze geht aus. Colas liegt im Delirium. Der Tod bläst ins Horn. Es ist Diana, die Jägerin. Er kennt sie. Pfeil und Bogen hat sie dabei. In ihrem Gefolge bellen die Hunde. Unbekleidet ist sie. Die Freuden der Ehe hat sie nicht kennen gelernt. Anhalten soll sie, Breugnon ist hier.


    Plötzlich steht Chamaille neben ihm und starrt Breugnon ungläubig an. Ja, es ist noch Leben in dem alten Hund. - Wieso kommt er her? – Man sieht besser aus der Distanz, die Felder sind grüner im Namen des Vaters des Sohnes und des heiligen Geistes. Er reicht ihm die Bottel. Ach mein Freund welche Erquickung. Mit jedem Schluck entferne ich mich weiter vom lieben Gott. - Er soll nicht lästern.


    Aufgeregt und außer Atem erscheint Robinet. Ein Arm ist bandagiert, Blut sickert aus der zerfetzten Kleidung und seine Augenbrauen sind versengt. Der Meister lebt, freut sich Robin, wenn er nur wüsste. Was ist los? Alles ist abgebrannt und nichts übrig geblieben. Welches Miststück ist das gewesen? Das Haus und die Werkstatt, nichts ist stehen geblieben. – Wer war es? – Die Soldaten des Herzogs! - Robinet hat versucht, das Feuer zu löschen, den Soldaten hat es Spaß gemacht, wie er sich abmüht. Er ist ins Feuer gerannt, aber die Clique hat ihn ausgelacht. Rasch hat er nach einigen Dingen gegriffen, ohne zu erkennen, was es ist. Durch das kleine Fenster ist er dann in den Bach gesprungen. Hier Meister, es ist alles, was er retten konnte. Er greift unter seine Kleidung und holt eine Flöte hervor. Na so etwas, besser als gar nichts! Und der Meister beginnt eine Weise zu spielen.


    Der Kaplan setzt neu an. Er sei noch nicht dazugekommen, ihm das Wichtigste zu erzählen. Gestern habe er die Meisterin gesehen. - Wie geht es der alten Dame? - Sie hat sich fertig gemacht für die Reise. - Und wohin geht die Reise? „In eine bessere Welt“, antwortet der Teufelspriester „aber sie wird nicht allein gehen, „Glodie, die Enkelin wird sie mitnehmen.“


    Breugnon nimmt einen Stab und ohne ein Wort zu sagen geht er an den beiden vorbei. Der wunderbare Robinet lässt ihn in der Not nicht allein. „Meister, ich komme mit.“


    Zweiter Akt, Fünfte Szene
    Colas hat die Unterkunft ausfindig gemacht, in der Jacqueline und die Enkelin untergekommen sind, nachdem sein Haus abgebrannt war. Jacqueline liegt auf einem Holzbett, ihr Kopf ruht auf einem erhöhten Kissen. Der Hauch des Todes ruht auf ihrer Erscheinung. Still betritt er den Raum, damit die Schlafende nicht aufgeweckt wird. Doch diese merkt, dass jemand sie anstarrt und öffnet die Augen. Robinet, nach Colas eingetreten, begibt sich taktvoll in den Nebenraum.


    „Ach, mein Freund, Du bist es,“ eröffnet Jacqueline die Konversation. - Er dachte, tot zu sein. - Er war krank? – Seine Seele hatte er Gott befohlen. - Der Schurke, der gottlose Schurke, was hat der Herzlose ihr zu erzählen? – Er erkennt sie wieder, es besteht noch Hoffnung, sie ist ganz die Alte.


    Ihren zitternden Kopf nimmt er in seine gewaltige Pranke und küsst sie zweimal von ganzem Herzen auf beide Backen. Sie beginnt zu weinen, beruhigt sich dann aber wieder. Colas sieht, dass sie sprechen möchte. Der Liebling soll sich nicht anstrengen, es ist alles gesagt, alles ist verstanden auch ohne Worte. – „Nicht alles Colas!“ Sie möchte jetzt erzählen, später im Himmel geht es nicht mehr. – Sie soll es tun. – Für sie sei es schlimmer als die Hölle. Heftig und streitsüchtig war sie zu ihm. - Macht nichts. - Eifersüchtig, zänkisch und vulgär, heißes Temperament hat sie an den Tag gelegt. Was tat sie ihm alles an.- Es ist wirklich nichts. – „Aber es war alles nur, weil ich dich liebe.“ Bricht es aus ihr heraus. - Es war nicht leicht, das zu erkennen.


    „Ich liebte Dich und du liebtest mich nicht. Deshalb warst Du freundlich und ich garstig. Ich hasste dich, weil du mich nicht liebtest. Es berührte dich nicht. Du hattest dein Lachen, dein ewiges Lachen, Colas.“ Mein Gott, wie sie darunter litt. Sich selbst hüllte er sich darin ein wie in einen Mantel, so wie man sich vor dem Regen schützt. Und sie regnete oft, aber es gelang ihr nicht, ihn nass zu machen, den Halunken. Lachen ist gut, es wärmt, wenn die Kälte der Erde in die Beine aufsteigt, soll er ihr diesen Mantel leihen. Das Lachen aus seinem Herzen macht sie zufrieden. Sie wird ihm nicht länger böse sein, wenn er ihr vergibt.


    Völlig außer Atem betritt Robinet den Raum. „Schnell, schnell Meister“ Was los sei. Still soll er sein, ganz still. Die kleine Märtyrerin regt sich wie ein verwundeter Vogel. Jacqueline hat es mitbekommen. Sie richtet sich auf in ihrem Totenbett und hebt ihre Arme. „Meine Glodie.“ Colas rennt Robinet nach in den Nebenraum. Ihre Glodie! Nun wird sie nicht scheiden aus dem Leben, bevor sie herausgefunden hat, bis der Herr Jesus und die Jungfrau Maria entschieden haben, was mit ihr geschehen wird. „Lasset sie genesen, lasset sie genesen“, bittet Großmutter.


    Colas tritt ein, nimmt die Kleine in seine Arme. Ihr Körper erwacht! Befürchtend, dass er sie erregen könnte, spricht er sanft auf die Kleine ein. Ein Wunder, ein Wunder! Wie konnte es geschehen. Sie atmet. Colas übergibt das Kind Robinet, der die kleine Glodie sorgfältig in ihr Bett zurück gelegt


    Jacqueline kann jetzt in Ruhe scheiden. Sie stirbt. Sich über das Bett lehnend schließt Colas ihre Augenlider und faltet die abgearbeiteten Hände, die nie rasteten in ihrem ganzen Leben. „Du warst ein gutes Weib, ehrlich, stoisch, treu und wunderbar“ verabschiedet sich Colas von der Toten. Er schließt die Bettvorhänge und begibt sich zu Glodie.


    Entzückt beugt er sich über sie. Glorreiche kleine Kreatur, liebliches Spielzeug. Sie ist seine einzige Blume. Für sie wird er leben. Wenn die Würmer seine Knochen verschlungen haben, wird er aufstehen in ihr. Sie wird noch schöner, noch besser, noch glücklicher sein, als er. Sie ist seine Hoffnung, seine Zuversicht, der Samen den er in die Jahreszeiten der Zukunft wirft.


    Dritter Akt, Sechste Szene
    Selina hat schon seit langem ihren Mann verlassen. Sie wohnt in einem kleinen Haus mit rotem Dach und grünen Jalousien in einem Außenbezirk von Clamency. Nussbäume geben Schatten und über die Steinbrüstung lehnt eine Frau. Breugnon, der zufällig vorbeikommt erkennt sofort Selina und sie ihn. Ah, ein feiner Herr kommt vorbei und hat keine Eile. Hat sie wirklich auf ihn gewartet. Hölle, nein! Sie hat überhaupt nicht an ihn gedacht. Genau wie er, aber er ist sehr glücklich. Er stört überhaupt nicht, er soll doch hereinkommen, wenn er Zeit hat. Ein paar Minuten wird er Zeit haben, denn in der Tat, er ist nicht in Eile. – Was brachte ihn her? – Gar nichts, einen kleinen Spaziergang hat er gemacht. – Er hat sich nicht verändert. Immer noch der alte Draufgänger. – Wenn einer so geboren ist, stirbt er auch so.


    Ein nettes kleines Haus hat sie da. - Nett? - Die Hühner sind nett und die vielen Tauben – Alles nett? – Das Schwein.... – „Breugnon, Küsse mich“ unterbricht sie ihn. Der Stoppelbart sticht. – Er schwört, wenn er gewusst hätte, dass... Sie möchte seine Backen streicheln. Erinnert er sich an früher? Nein, er hat nie darüber nachgedacht… Der arrogante Pferdekopf! Sie will ihm mal etwas sagen, auch wenn es keinen Sinn ergibt, sie liebt ihn wirklich. Er wusste es. Und warum sagt der Verkommene nicht das gleiche zu ihr? Sie hätte „nein“ gesagt. Es ist nicht der Mund allein, der spricht. Der Mund spuckt Bosheiten aus Enttäuschung, dass er gegangen ist. Wie wütend war sie, von dem Tag an, als er sie verhöhnte. Er soll sie verhöhnt haben?“ Sie weiß, das Kalb hat sich dumm angestellt. Es ist seine Eigenart, die sie so liebt. Ohne ihn schien die Sonne nicht und die Blumen haben nicht geblüht. Ihre Freundinnen tanzten, ihre Freundinnen lachten, sie tanzte auch, sie lachte auch. Sie lachte fröhlich mit ihm, aber ihre Seele war traurig. Wie sehr sie ihn liebte! Das Leben war die Nacht, eine lange Nacht, ohne Mond und ohne Sterne. Ihre Seele ist eine Waise ohne ihn. „Kleines Wiesel! Kleines Wiesel!“ „Colas, Colas, stupider Kumpel“ ruft sie noch hinter ihm her, als die Kirchturmuhr sechs mal schlägt und er den Heimweg antritt.


    Instrumentales Intermezzo zwischen Szene 6 und 7


    Das Volk von Clamency schaut aus Türen und Fenstern, als Colas vorbeikommt. Hey Colas! Wo bist du gewesen? Gehe nicht in die Stadt! Gehe zurück! Die Stadt steht in Flammen. Alle werden ausgeraubt. Die Stadtbevölkerung hat sich in ihre Häuser zurückgezogen. Sie fürchten den Herzog! Sie fürchten Gifflard! Sie fürchten die Soldateska! Sie sitzen zu Hause und warten, was noch alles passieren wird. - Was tut Gifflard Schlimmes? - Er ist ein Judas! Er verkauft uns und unser Eigentum. - Die Freunde sollen sich schützen, so gut sie können. Er wird ins Schloss gehen. - Was plant er zu tun? - Seine Hoheit, der Herzog, wird ihm zuhören. - Weiß Breugnon eigentlich, was er riskiert. - Er weiß es, seinen Kopf.


    Dritter Akt, Siebente Szene
    In einer Halle des Schlosses kann jeder die wundervollen Werke sehen, die Colas Breugnon geschaffen hat. Wandverkleidungen, geschnitzte Treppenhäuser und schöne Porträtköpfe, Weintraubenbüschel, Pfirsich-Äste und Blumengirlanden winden sich um die Treppengeländer und wickeln sich um den offenen Feuerplatz. Es dominiert die herrliche Skulptur – Danae-Selima. Es ist das beste Werk des Meisters von Clamency. Es ist Nacht, Kerzen brennen. Der Herzog steht am Fenster und starrt ins Leere. Die Mademuazel hat ihn verlassen.


    Starker Wind entfacht das Feuer. Sie brennen die eigene Stadt nieder. Wespen sind im Nest. Die Nester werden abbrennen und die Wespen ihnen folgen. Von Gifflard will der Herzog wissen, wie Breugnon starb. Er ist nicht tot und er weiß auch nicht, wo man ihn finden kann. Er muss dem Herzog die Wahrheit sagen: Breugnon ist ein Rebell. Er diffamierte Eure Hoheit und hetzte die Bevölkerung zur Rebellion auf. Was sagt er da? In seiner Güte erhob er ihn zu seinem Diener, Er hatte jederzeit Zugang zum Schloss.


    Ihm ist kalt. Gifflard soll im Kamin Feuer machen. Wohin will er gehen? - Holz holen. – Es ist genug Holz da. – Eure Hoheit, Gifflard sieht kein Holz. - Was ist das hier. - Rotwild, von Breugnon gefertigt. - Alles was er sieht, alles was Breugnon gemacht hat, soll er heranschleppen. Es ist trockenes Holz und es wird gut brennen. Diese kleine Büste, wird verfeuert, so die Mönche, die Wölfe und diese bösen Gesichter! Breugnon hat sich über ihn lustig gemacht. Feinde sieht er, überall Feinde. Alles kommt jetzt ins Feuer. Er soll die Fackel herbringen. Hasserfüllt schleppt der Herzog alles herbei, was er ergreifen kann, und wirft es in die auflodernden Flammen.


    Plötzlich klopft es an die Tür. Es ist Breugnon selbst. Gifflard soll ihn eine Weile warten und erst dann hereinlassen. - He Breugnon, warte eine Weile. Hoheit bereite gerade ein Geschenk für ihn vor. Vielleicht die Danae, die er mehr liebt als sein Leben. Gifflard ergießt sich: Sie war meine Frau, er liebte sie, er begehrte sie. Ich werde Vergeltung üben. Er soll sie bewundern. Sie war eine schöne Frau. Sie liebte ihn, einen tölpeligen Bauern. Er wird sie verstümmeln und verkrüppeln, von vorn und von hinten, von oben bis unten. Nun bin ich gerächt. - Küsse sie noch einmal, denn sie wird nicht länger Lippen haben. Gifflard lässt Breugnon herein. Mit einem sarkastischen Lächeln beobachtet der Herzog den Eintretenden. Was sieht er da? Sein kleines Wiesel. Mit äußerster Anstrengung beherrscht sich Breugnon und lacht dem Herzog ins Gesicht. Er lacht, ja er lacht über sich selbst. Er hat die Strafe bekommen, die er verdient. - Und wie will er nun seine Meisterschaft der Nachwelt beweisen? - Er wird es, Hoheit. Am st. Martinstag wird er seinen Befehl ausführen. Hat Gifflard es gehört? Breugnon wird von ihm, seinem Wohltäter, eine Skulptur anfertigen. Ein Pferd wird auf einem Podest stehen. Auf ihm reitet der Herzog stattlich in voller Rüstung, mit Helm und Schwert und grimmigem Gesichtsausdruck. Er wird das umsetzen, was Gott ihm eingibt.Die spottenden Worte von Colas hat der Herzog nicht richtig gedeutet. Er entschuldigt sich und
    wird geduldig warten.


    Dritter Akt, Achte Szene
    Das Volk von Clamency hat sich auf einer Wiese vor dem herzoglichen Schloss versammelt. St. Martin ist der Schutzheilige des kleinen Städtchens und er wird einmal im Jahr so richtig gefeiert. Die Ordnungshüter und der Klerus bilden je ihre eigene Gruppe. Unter dem Banner von St. Yves haben sich die Advokaten, Schreiber und Notare vereinigt, während die Apotheker und Physiker die Fahne ihres Schutzheiligen St. Cosmas mitführen. Die Handwerker lassen an ihren Kostümen erkennen, welcher Zunft sie angehören. Sogar die Gartenmädchen finden sich zu einem bunten Reigen.


    Aufmüpfige und patriotische Lieder werden gesungen. Frei will das französische Volk sein. Ob König oder Herzog, das Volk macht keinen Unterschied. Es ist leichter für sie, ohne Majestäten und Hoheiten zu leben. Ihre Ehrung gilt der Erde und der Gruß dem Himmel. Wirklich, sie brauchen keine Throne, weder hier noch anderswo. Das Volks von Clamency tanzt und ist lustig. Schlagt die Tambourine und blast die Posaune zu Ehren von St. Martin!


    Es erscheint unter Paukenwirbeln der Herzog mit seinen Gästen. Durch einen Herold lässt er verkünden, dass man auf dem Platz vor dem Schloss ein Monument aufgestellt, welches der ehrenwerte Meister Breugnon geschaffen hat. Sein Gehilfe wird ihm assistieren, wenn die seidene Umhüllung von dem Monument weggezogen werden soll. Robinet verkündet kess, dass man diese Ehre niemals vergessen wird. Der Kaplan hat mit seinem Chor eine Kantate einstudiert, welche die Schönheit der Stadt verherrlicht. Wundervoll ist sie gelegen am Fluss und allen bekannt. Gute Weine gibt es hier und wogende Kornfelder. Der himmlische Vater soll sie segnen. Gepriesen werden soll er, weil er die meisten Anwesenden in der glorreichen Stadt Clamency hat geboren lassen. Welch ein glücklicher Zufall, dass auch Hoheit in dieser Region lebt. Es sind Tränen in seinen Augen, wenn er umherschaut und die fröhlichen Gesichter sieht.


    Hoheit möge nun bitte die Erlaubnis erteilen, mit der Zeremonie zu beginnen. Chamaille fleht den Segen auf die begnadeten Hände herab, welche dieses Meisterwerk geschaffen haben, würdig zu Ehren unseres Herzogs und gleichsam zur Ehre Gottes. Hoch lebe der Herzog.


    Colas gibt Robinet ein Zeichen und die Abdeckung entfernt sich von der Statue. In großer Pose, seine Hoheit, der Herzog von Asnois ist zu erkennen. Er sitzt rücklings auf einem Esel, sich am Schweif des Huftieres festhaltend.


    Was ist das? Was ist das? Das Volk fängt an zu lachen, es beginnt mit einem Kichern und dann wird es lautet und lauter. Der Herzog reagiert hysterisch und schafft es nicht, die Situation zu begreifen. Welch ein Spaß, wie schön ein Einwohner von Clamency zu sein. Mädchen und Jungen beginnen zu singen und um die Statue zu tanzen. Breugnon fordert allgemein zur Lebensfreude auf. Seiner Hoheit hat er es heimgezahlt, was sie ihm und seinem kleinen Wiesel angetan hat.


    Tamino 2006 – Engelbert Hellen


    Edwin Baumgartner gewidmet

    Die Hasse-Pflege wird in meinem Wohnort Hamburg-Bergedorf recht klein geschrieben. Es gibt einen Platz der nach ihm benannt wurde und es ist ein kleines Museum ist in seinem Geburtshaus eingerichtet. Aber kein Hasse-Café und keine Hasse-Wurst und keine Hasse-Wäscherei. Überhaupt keinen Rummel, seiner Bedeutung angemessen, wie Salzburg es mit Mozart macht.


    In Hamburg-Bergedorf gibt es eine beachtliche Musikhandlung mit etwa drei Metern Opern Cds. "Piramo und Tisbe" und "Die drei singenden Jünglinge im Feuerofen (Der italienische Titel heisst anders) sind vertreten, aber keine Cleofide. Fragt man den Verkäufer: Die Leute wollen: zweimal Zauberflöte, einmal Rosenkavalier und einmal Fidelio. Cleofide kann selbstverständlich unverzüglich bestellt werden, aber wenn die Kunden den Preis hören, wird abgewunken.


    Hasse hat sich zu früh von Bergedorf wegbewegt, als im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung verhaftet zu sei. Er ist der Antipode von Reinhard Keiser. Die Italiener beanspruchen Hasse für sich und BONGIOVANNI hat etliche Opern von ihm herausgebracht. Die große Hasse-Renaissance steht noch aus. Ich würde sie mir wünschen.


    Engelbert

    Hallo Siegfried,


    Auf den ersten blick würde ich sagen, der Mitschnitt hat keine Schwächen.


    Es handelt sich um die "klassische Einspielung" der Daphne, was nicht heißen muss, dass man sich die Fleming oder die Popp als
    zeitnähere Einspielungen noch dazu packen kann.


    Wenn man trotzdem etwas bekriteln will, würde ich sagen, dass
    die Aufnahme für Hilde Güden ein wenig zu spät gekommen ist.
    Den Zenit ihrer Karriere hatte sie in den 50er Jahren. Auch wären mir die Wiener Philharmoniker lieber gewesen, als die Symphoniker.


    Für die Freunde von James King und Fritz Wunderlich ist die Einspielung unerlässlich. Karl Böhm ist sowie so die Garantie für eine überragende Strauss-Einspielung.


    Engelbert

    Der Begriff „Moderne“ wurde geprägt, als man die Musik dieser Zeit tatsächlich als modern empfand. Die Zeit schreitet voran. Kann ich im Jahre 2020 oder gar 2050 die Musik Hindemiths noch als modern bezeichnen?


    Für meinen Hausgebrauch verwende ich folgende Begriffe. Ich gehe nach dem Geburtsdatum des Komponisten vor. Alles ab 1950 nenne ich „Komponisten der Gegenwart“, Zwischen 1910 und 1950 wähle ich als Überschrift „Zeitgenössische Komponisten“. Von 1900-1910, eine Zeit, die sehr fruchtbar war, habe ich die Einteilung „Musik nach der Jahrhundertwende“ geprägt. Von 1870 bis 1900 wende ich die Bezeichnung „Klassische Moderne an“


    Irgendwann wird alles nicht mehr zutreffen. Dann kommt eine Kategorie hinzu, die heißen wird: „Musik um die Jahrtausendwende“


    Um aber bei dem eingefleischten Begriff „Moderne“ zu bleiben, erlebt jede Nation den Anfang seiner Moderne, gemessen an dem deutsch-österrechischen Modul, entweder etwas früher oder etwas später.


    DÖ. Würde ich mit Pfitzner beenden und mit Zemlinsky die „Moderne“ beginnen lassen. In Frankreich wäre mit d’Indy Schluss, mit Debussy begänne das neue Zeitalter. Bei Russland würde ich den Schnitt wischen Rachmaninoff und Strawinsky ansetzen. In Italien begänne die „Moderne“ mit Respighi. Für England würde ich Walton als ersten modernen Komponisten bezeichnen.


    Gegen diese Einteilung gibt es Einwände. Ist die Elektra von R. Strauss etwa nicht modern? Rachmaninoff ist erst 1943 gestorben. Was ist mit Puccini? Die meisten Premieren seiner Opern fallen ins 20. Jahrhundert. – Alle Einwände sind berechtigt.


    Dann muss man noch unterscheiden zwischen Epochen und Stilrichtungen. Man spricht von Impressionismus und Verismo. Diese haben eigentlich nur für eine Nation Gültigkeit. Szymanowski als polnischen Impressionisten zu bezeichnen ist schon sehr willkürlich.
    Wohin gehört Janácek? Viele Komponisten durchlaufen mehrere Stilrichtungen.


    Was soll man aber machen, wenn alles so kompliziert ist?
    Auf das Einrichten von Schubladen verzichten! ?(


    Engelbert

    Als Opernfan wähle ich natürlich Werke des Musiktheater.


    1. Korngold "Die tote Stadt"
    Die irreale Geschichte aus dem pestverseuchten Brügge
    enthalt den Knaller "Glück das mir verblieb."


    2. Hindemith "Das Nusch-Nuschi"
    Mit birmanesischen Marionetten hat sich bisher noch kein
    Komponist auseinandergesetzt. Eine irre Orchestersprache!


    3. Respighi "Semirama" Kompositorisch ein Äquivalent zur Strauss-Salome. Ein surrealistisch anmutendes Textbuch (CD-Einspielung mit Eva Marton)


    -----------------------------------------


    ab 1950


    1. Wilfried Hiller "Der Rattenfänger" Ein Hamelner Totentanz
    Michael Ende hat ein Libretto geschrieben, welches das Hausmärchen um Schwarze Messen erweitert. Für Martha Mödel ist die Partie des Abtes Lambert eigens komponiert


    2. Philippe Hersant "Das Karpatenschloss"
    Eine geheimnisvolle Geschichte um eine Primadonna, die auf rätselhafte Weise stirbt, aber trotzdem durch einen Zaubermechanismus weitersingt.


    3. Magret Wolf "Kirisk" nach einer Novelle des Kirgisen Aitmatow. Ein Daseinskampf um den täglichen Fisch.
    Untertitel: " Der Junge und das Meer."




    Ergänzung zu 1 (Staffel 1)


    4. Albeniz "Merlin" Neues vom keltischen Zauberer und Morgan le Fay in englischer Sprache


    5. Prokofieff "Der feurige Engel" Eine Rocky Horror Picture Show auf Russisch


    6. Roussel "Das Festmahl der Spinne" Das Ballett erzählt von einer Tragödie unter Insekten im Schrebergarten.




    Ergänzung zu 2 (Staffel 2)


    4. Von Einem "Der Besuch der alten Dame"
    siehe Eintrag Alfred im Opernführer. Hommage an Christa Ludwig


    5. Nicolae Bretan "Arald" Der Awarenkönig Arald erscheint mit seiner toten Geliebten
    in der Unterwelt, und möchte, dass man sie wieder zum Leben erweckt.
    Sie will schmusen, aber als der Hahn kräht ist der Spuk vorbei.


    6. Poulence: "Dialog der Carmeliterinnen" ein Nonnenschicksal zur Zeit der französischen Revolution. Driftet ab ins Übersinnliche.


    -------



    Anmerkung:
    Ich habe nicht danach geurteilt, wie schräg die Musik daherkommt,
    sondern wie originell das Thema ist.


    Alle Avantgardisten habe ich ausgeklammert



    Engelbert

    Hallo Maik,


    Vielen ist vielleicht nicht bekannt, dass aus dem Film "La Strada" eine Suite gezogen und als Ballett choreographiert wurde.


    Es existiert eine Digitaleinspielung bei EMI aus dem Jahre 1985 unter Armando Gatto und dem Orchester der Mailänder Scala. Vermerk auf dem äußerst sparsam gehaltenen Hüllentext "Colonna Sonora del Balletto, presentato dal Corpa di Ballo del Teatro alla Scala."


    :yes:


    Bedeutend ist vor allem seine Oper "Il cappello di Paglia di Firenze"
    zu deutsch der Florentiner-Hut, uraufgeführt im April 1955 am Teatro Massimo, Palermo. Nino Rota selbst dirigiert die Musical Farce in vier Akten in einer Einspielung aus Rom. Viorica Cortez und Ugo Benelli sind mit von der Parti. Ein ganz neuer Zungenbrecher-Name im Cast: Daniela Mazzucato Meneghini. Die Bühnen-Dekorationen könnten zu einer Oper von Cimarosa passen. Die Musik ist geistreich und witzig passt sich dem Stil des frühen 18. Jahrhunderts an.


    Der Kassette liegt das komplette Libretto auch in deutscher Übersetzung bei.


    :yes:


    Gruss
    Engelbert


    In Ergänzung zur klassischen Einspielung der Oper „La Vida Breve“ von Manuel de Falla mit Victoria de los Angeles gibt es aus neuerer Zeit eine Produktion von TELARC aus dem Jahre 1992


    In der begehrenswerten Aufnahme singen die argentinische Mezzosopranistin Alicia Nafé und der spanische Tenor Antonio Ordóñez. Die Einspielung kommt aus Cincinatti zu uns und wird dirigiert von Jesús López-Cobos. Es singt der May Festival Chorus. Zeitdauer 63,19’, kein Bonus.


    Nettes Booklet, bebildert, Libretto in spanisch und englisch, Beschreibung auch in deutsch.


    Hinweis auf Philhellenes vorzüglichem Beitrag im Opernführer


    :angel:

    Halo Siegfried, Hallo Ulli,


    Am besten gar keinen fremden Opernführertext benutzen, sondern das Libretto heranziehen. Das macht natürlich erheblich mehr Arbeit. Häufig musst Du den englischen Text übersetzen, die wörtliche Rede zur indirekten Rede umbauen und das ganze straffen. Du hast dann das Libretto gewissermaßen zu einer Novelle umgebaut. Sie trägt Deine Handschrift, Deine Akzente und wird automatisch zehnmal besser, als die Vorlage aus dem Opernführer, weil Du den poetischen Gehalt unbewusst mit hinüberziehst.


    Der Zeitaufwand bei einem deutschsprachichen Libretto.
    1. durch Abhören der CD auf das Thema einstimmen
    2. von vorn herein festlegen, wie weit Du kommen willst innerhalb eines festgesetzten Zeitpunktes
    3-5. pro Sitzung nur einen Akt fertigstellen
    6. Zwischendurch das Fertige immer wieder lesen
    7. Das Ausfeilen: Die Personennamen reduzieren und durch Attribute
    ersetzen wie: Die Betrübte, Die Unglückliche, Die Enttäuschte, Die
    Erstgenannte u.s.w.
    8. Die Satzkontolle: Umsatzbestimmung an den Anfang oder an das Ende. Hauptsatz mit Nebensatz - oder besser zwei Sätze?
    9. Fragesätze einbauen, aber sparsam. (z.B.Kann es wahr sein, dass der Geliebte die Arme betrügt?), Witze reduzieren.
    10. Am Satzanfang nicht zweimal hintereinander das gleiche Wort benutzen.
    11. Die automatische Rechtschreibprüfung benutzen
    12. Die Grafik nach der ersten Übertragung noch schöner machen
    13. Dich freuen, dass Deine Beschreibung schöner geworden ist,
    als alle Deine Vorlagen und Deiner Frau vorlesen.


    Wenn Du nach einiger Zeit, alles nochmals durchliest, wirst du Dich fragen: Und das soll alles von mir gewesen sein. :yes:


    Bei der Gestaltung eines Lebenslaufes musst Du etwas anders vorgehen.
    Wenn Du mehrere Vorlagen nimmst, das Material arrangierst und vor allem chronologisch veränderst, und Deine eigenen Akzente setzt, kann Dir niemand etwas nachweisen. Das Benutzen von Quellen ist legitim.Du warst schließlich nicht zur Tatzeit dabei. Der Vorgänger hat auch abgeschrieben.


    Bei Beschreibungen von Operntexten aus Opernführern läufst Du Gefahr,daß dieser wichtige Begebenheiten falsch erzählt und Du den Müll irrtümlich kopierst. Dann bist Du allerdings erwischt. Urheberrechtsprozesse sind teuer und risikoreich. Der Gegner muss Kostenvorschuss leisten, wozu er in der Regel gar keine Lust hat. Vor allem, Du arbeitest nicht gewinnträchtig und gibst lediglich privat an Private weiter. Der andere ist vielleicht sogar froh, dass Du seinen Mist überhaupt zur Kenntnis genommen hast.


    Wie es bei einem Libretto ist, welches Du Zeile für Zeile aus dem Italienischen wörtlich ins Deutsche überträgst und veröffentlichst, weiß ich nicht, ob der Riccordi-Verlag sich sträubt oder dankbar ist?


    Gruß
    Engelbert

    Von Cesar Franck muss es auch eine Oper geben, die allerdings in meinen Nachschlagewerken nicht zu finden ist.


    Wenn ich mich richtig besinne, heisst sie "Hulda" auf einen Text von Bjoernsterne Bjoernson. Möglicherweise ein historisches Thema aus der Frühgeschichte Skandinaviens. Wäre das Textbuch von Stindberg, wäre es ein Frauenschicksal.


    Zu LP-Zeiten gab es mal einen Lifemitschnitt bei Cetra, der aber bis jetzt in keinem Antiquariat aufgetaucht ist. Ich warte auf eine remasterte CD oder eine Neueinspielung.


    :angel:

    Mensch Daniel, das hast Du aber ein Bombenthema gebracht.


    Als sein Hauptwerk bezeichne ich das Opus 85. Es ist die Oper "Electre". Formell lautet die Bezeichnung: Scéne dramatique pour solistes, choeur et orchestre. Das Werk hat eine Dauer von 100 Minuten, man muss sich allerdings sehr vertiefen. Es liegt der CD ein umfangreiches opulentes Büchlein bei, mit ausführlicher Analyse und Libretto auch in deutscher Sprache. Das lothringische Label K617 erfüllt eine patriotische Aufgabe und konnte Francoise Pollet für die Titelpartie gewinnen. Den Egisthe singt Marcel Vanaud, Michael Myers den Orest, und Cécile Eloir die Clytemnestre. Chor und Orchester kommen aus Nancy. Es dirigiert Pierre Cao. Es ist eine neue Einspielung und ohne Probleme zu beschaffen.


    Die Pollet ist voll in ihrem Element. Warmtimbriert und hochkarätig hat die Stimme in der Höhe eine unwahrscheinliche Leuchtkraft. Wenn die Pollet loslegt, ist das ganze Zimmer eine Aurora borealis. In der Höhe gleicht sie der Eaglen, in Tiefe und Mittellage ist die Pollet besser. In Übereinstimmung mit ihrer Figur volles Kaliber. Sehr schöne Fotos eines geschickten Fotografen rücken die französische Primadonne in das ihr gebührende Licht.


    Um mehr zum Werk sagen zu können, muss ich mich in Musik und Text erneut gründlich vertiefen.


    Ich glaube es gibt ziehmlich viel Musik von Gouvy auf dem Markt, vor allem Lieder. Er muss kein Unbekannter bleiben. Geboren ist er in der Nähe von Saarbrücken, was wohl zur damaligen Zeit zu Frankreich gehört haben muss. Häufig ist er in die deutschen Musikzentren gereist,
    um seinen Erstaufführungen beizuwohnen.


    Gruss
    Engelbert

    Salve Caesar,


    Die große Katharina war sehr darauf bedacht, nicht nur Italiener an ihren Hof zu holen, sondern sie hat auch russische Komponisten ins Ausland geschickt, damit sie dazu lernen.


    Aus der Vor-Glinka-Zeit wären drei Namen zu nennen:


    Der wichtigste ist Jevstignei Fomin (1761-1800) mit seiner musikalischen Tragödie "Orpheus". Die Bilder des Zwei-Personen-Melodrams sind übertitelt: Monolog des Orpheus, Orpheus im Tartarus, Orpheus und Euridice, Tanz der Furien. Der Text wird gesprochen, nicht gesungen. aber es gibt einen Bass-Chor. Das Werk ist äußerst reizvoll.


    Genau so wichtig ist Dmitri Bortnyanski's Oper "Der Falke".
    Sie erzählt die Geschichte eines russischen Edelmannes, der Gut und Geld verschwendet, um einer Frau zu gefallen, die eigentlich gar nichts von ihm wissen will. Dem Mittellosen bleibt nichts anderes übrig, als sich in seine Berghütte zurückzuziehen. Nun besitzt er einen Falken, der ihn regelmäßig mit Nahrung versorgt, aber nicht immer hat der Falke Jagdglück. Völlig unerwartet taucht die Angebetete mit ihrer Zofe bei ihm auf und will über Nacht bleiben. Was gibt es zum Abendessen?
    Der Gastgeber bricht auf, um etwas zu holen. Etwas später hören der Diener und die beiden Gäste einen Schuss. Der Schütze kommt bald zurück und zum Abendessen gibt es Wildbret. Ein entfernter Nachbar kommt mit seiner kleinen Tochter noch dazu und hat eine Flasche Wein dabei. Der Abend wird ganz nett, aber die Gräfin bedrückt etwas und sie will mit der Sprache nicht heraus. Die Zofe ist resolut und erzählt, dass der kleine Sohne sehr krank sei und sich dringend ein Geschenk wünscht. "Was soll es für ein Geschenk sein." "Deinen herrlichen Falken will er haben". Der Gastgeber erbleicht: "Das geht nicht" "Wieso nicht" "Den Falken haben wir soeben zu Abend gegessen".


    Noch älter ist Vasili Paschkevitsch. Seine komische Oper in zwei Akten "Der Geizige" hält sich an Moliére. Gesungen wird russisch, was nicht besagen muss, dass die Urfassung auch in der Landessprache gehalten ist. Die Oper klingt äußerst amüsant.


    Gruss Engelbert

    Hallo Edwin,


    ich beklage auch, dass die Opern von Darius Milhaud von den Labelfirmen
    überhaupt nicht beachtet werden. Von allen französischen Komponisten
    kommt Milhaud am schlechtesten weg.


    Als Opernkomponist ist er in meiner Collection nur ein einziges Mal vertreten und zwar mit der Oper "Medée". Aus ihrem älteren Recital, bei Emi 1996 editiert, singt Natalie Dessay die Arie "Chers Corinthiens" aus der genannten Oper



    Auf diesem Recital befinden sich noch drei weitere Seltenheiten:


    Sauguet: Les Caprices de Marianne "O amour mistérieux amour"
    Poulence: Les Mamelles de Tirésias "Les oiseaux dans la charmille"
    Bondeville: L'Ecole des maris " "O ciel, pardonne encore"


    Gibt es über die beiden von Dir erwähnten Opern Tonträger?


    Gruß
    Engelbert

    Theophilus


    Ich habe Richard Strauss nicht als "ausgebrannten Jugendlichen" bezeichnet, sondern gesagt dass drei Frühwerke: Salome, Elektra und Rosenkavalier seine Hauptwerke sind. Danach ging es im Zickzack bergab, soweit es das Opernschaffen betrifft.


    Bis auf Danae und Friedenstag, die es zur LP-Zeit noch nicht gab,
    besitze ich alle. Die individuelle Wertschätzung der Straussopern in folgender Reihenfolge: Elektra, Daphne, Salome, Rosenkavalier, dann weniger Arabella und Ariadne, wo mir die Textbücher nicht gefallen.


    Zum Schönsten was jemals überhaupt komponiert wurde: Erkennungsszene aus Elektra, Schlussgesang Daphne, Überreichnung der silbernen Rose, Schlussgesang Salome. In Arabella sind auch zwei schöne Sachen. Frau ohne Schatten hat ein sehr symbolträchtiges Libretto, und zum Aufnehmen der Ariadne gehört sehr viel Bereitschaft.


    Das Liedschaffen schätze ich sehr noch ein. Leuchtkräftiger Sopran allerdings erwünscht. Im Ohr haften: In diesen Wintertagen und
    Ich trage meine Minna vor Wonne stumm.. :)


    Die Sinopoli-Einspielung der "Josephs-Legende" muss ich mir noch zulegen. Es gibt kaum abendfüllende Handlungsballette deutscher Komponisten. Im Prinzip ist meine Einstellung zu Richard Strauss: pro.


    Gruß
    Engelbert


    Anmerkung
    zweites Mal editiert, da erstes Mal Übertragungspanne, mit Ullis Beitrag kollidiert und automatisch gelöscht.

    Hallo Giselher,


    In Deiner Begeisterung für Birgit Nielsson stimme ich mit Dir überein. Mit Wolfgang Windgassen und später mit James King hat sie zwei Wagner-Interpretationen in klassischem Stil jenseits aller Experimentierfreude von zeitlosem Wert geschaffen.


    Der "Modernisierung" von Wagner-Aufführungen stand sie abhold gegenüber. In dieser Form äußerte sie sich in einem aufgezeichneten Interview mit August Everding, daß man ein Barockgemälde auch nicht in einen Metallrahmen stecken würde.


    Die fünfziger Jahre hat sie allerdings nicht dominiert. Da gab es auf dem grünen Hügel: die scheidende Flagstadt, die Mödl, die Varnay und die aufstrebende Rysanek. Meine erste Einspielung mit ihr war die Turandot mit Bjoerling Anfang der 60er. Die älteste Einspielung auf Tonträger ist möglicherweise Puccinis "Fanciulla". Aus den fünfzigern gibt es möglicherweise noch eine Einspielung unter Leinsdorf mit Georg London als Wotan und Gré Browenstijn als Sieglinde.


    Vor etwa 25 Jahren habe ich die Nilsson in Hamburg als Färberin erlebt. Da war sie aber stimmlich schon am Ende. Die beiden weiblichen Parnerinnen, ich glaube es waren Brenda Roberts und Mignon Dunn waren nicht besonders gut. Der Akt in der Färberhütte war ein einziges widerwärtiges Gekeife der drei Solistinnen.
    -----


    Gedankensprung:


    Was für Dich als Wagner-Fan gewiss von Bedeutung ist, daß es eine "Walküre" von Johann Peter Emilius Hartmann gibt. Das abendfüllende Ballett führt den Titel "Valkyrien", schöpft aber aus anderen Quellen als Wagner. Die Walküre heißt auch nicht Brünhilde, sondern "Svava" und liebt den Sterblichen "Helge". Sie können zusammen nicht kommen, weil ihr Leben auf zwei verschiedenen Daseinsebenen stattfindet, bis Odin es möglich macht. Die Story ist ebenso umfangreich wie spannend und die Musik geht in die Mendelssohn-Richtung. Es gibt eine vorzügliche CD-Einspielung aus Frankfurt mit Jurowski.


    Gruß
    Engelbert

    Hallo Tom,


    Es gibt zwei Kategorien von Komponisten.


    Die einen erleben ihre Blütezeit in der Jugend und sind danach ausgebrannt. Die anderen schichten in der Jugend ihren ersten Müll um dann im Alter zur Hochform aufzusteigen. Dann gibt es noch eine Gruppe, die mit nur einem einzigen Werk zu Weltruhm gelangt,
    obwohl der Einzelne quantitativ etliches geschaffen hat.


    Bezogen auf Opernkomponisten gehören zur ersten Gruppe Richard Strauss, der mit Salome, Elektra und Rosenkavalier zeitlose Meisterwerke hervorgebracht und zu Ende seines Lebens auf dem Gebiet der Oper vorwiegend Müll produziert hat.


    Für die zweite Kategorie nenne ich Verdi. Die Jugendwerke haben
    teils ein unerträgliches Libretto und der Kompositionsstil ist temperamentvoll und animalisch. Die beiden Spätwerke "Otello" und "Falsstaff" werden von vielen als seine besten gelobt.


    Leoncavallo und Mascagni begründen ihren Weltruf mit nur einem einzigen Werk. Beethoven gelang nur eine einzige Oper, wenn man von der Vorstufe Leonore absieht.


    Lustigerweise lenken einige Komponisten ihren Ehrgeiz so, wenigstens
    eine komische Oper zu produzieren: Tschaikowsky mit "Wakula der Schmied (Neufassung: Das Pantöffelchen) und Meyerbeer mit "L'Etoile du Nord".


    Häufig hängt die Qualität von Kompositionen davon ab, welche persönlichen Schicksalsschläge der Komponist erleidet, die er dann in der Schaffung eines überragenden Musikwerkes versucht, zu neutralisieren (Janacek).


    Grundsätzlich kann man nicht sagen, dass die Spätwerke die besseren sind. Der Jugend gehört das Temperament und dem Alter die Reife, sehr pauschal von mir formuliert.


    Gruß
    Engelbert

    Wenn Mozarts Schädel nicht als echt anerkannt und ihm der Heiligenschein abgesprochen wird, könnte man ihn auch auf ganz profane Weise von einem Kunsthandwerker veredeln lassen ohne dabei an Blasphemie zu denken. Es gibt Beispiele wo ein Goldschmied einen Totenschädel in Gold und Silber gefasst und mit Brüllanten besetzt zu einem Trinkgefäss umgebaut hat. Wenn man jetzt eine Kopie des Mozartschädels herstellen und in Serie gehen würde, hätte man zu den vielen Mozartkugeln auch die passende Trinkmuschel, aus der man Wein und Schokolade trinken könnte. Ich verstehe sowieso nicht weshalb die Stadt Salzburg diese Möglichkeit der Werbung m. W. bisher hoch nicht genutzt hat. Dem Festspielbesucher sollte allerdings die Möglichkeit bleiben, zwischen Tasse und Knochen wählen zu können, denn es ist nicht jedermanns Sache, sich in dieser Form in Mozart zu vertiefen, weil die Posthorn-Serenade doch nun wirklich wichtiger ist.


    Gibt es Vorbilder, wo aus einem verzierten Schädel getrunken wird? Da wäre zunächst die Langebarden-Königin Rosamunde (nicht zu verwechseln mit Ullis Opernbeitrag Rosalinde, Verzeihung es heißt Rodelinde) der ihr Gemahl befiehlt, aus dem Schädel ihres Vaters zu trinken. Sie tut es tatsächlich, verzieht aber das Gesicht. Wieland, der Schmied hat sich in ähnlicher Form kunsthandwerklich betätigt und Schrecken verbreitet. Dann gibt es noch die Kunstschnitzer der Eskimos, die aber in der Regel Tierknochen verwenden, um Trinkgefässe herzustellen.


    Nun zurück zu Mozart. Aus dem Innern des Schädels müsste die „Kleine Nachtmusik“ erklingen, wenn die Mozartbegeisterte vor dem Zubettgehen gleich Salome igitt ihrem geliebten Idol einen Gutenachtkuss verpasst.


    Gibt es eigentlich Opern in denen singende oder sprechende Schädel vorkommen. Die Allwissende Muschel“ aus der „Ägyptischen Helena“ zählt gewiss aus anatomischen Erwägungen nicht dazu, aber was ist mit dem Kopf aus „Ruslan und Ludmilla“.


    Tamino sollte jetzt einmal den Gegenbeweis antreten, dass Schädel nicht nur zum Denken und zum Spalten benutzt werden oder zum Anschauen gedacht sind.


    :angel:

    ZAUBER DER OPER


    Ralph Vaughan Williams ( 1872 – 1958 )
    Riders to the Sea


    Oper in einem Akt
    Deutscher Titel: Ritt am Meer
    Libretto von J. M. Synge (1781-1909)
    Fertigstellung 1932
    Uraufführung am 30.11.1937 am Royal College of Music London


    Das Geschen spielt an der Westküste Irlands


    Die Besetzung in einem Tondokument von 1970
    unter dem Dirigenten Meredith Davies
    Maurya: Helen Watts
    Cathleen: Margaret Price
    Nora: Norma Burrowes
    Bartley: Benjamin Luxon



    DAS KURZE VORSPIEL illustriert das Auf- und Abschwellen der Wogen, je nach Windstärke klingt es mal drohend und dann kehrt wieder Ruhe ein. Der Vorhang öffnet sich und zeigt das Innere einer Fischerhütte auf einer vorgelagerten Insel an der Westküste Irlands. Es ist später Nachmittag.


    DIE HANDLUNG:


    Cathhleen ist in der Küche beschäftigt, setzt sich danach ans Spinnrad. Die Tür öffnet sich und man vernimmt das Rauschen der Brandung. Nora, bevor sie eintritt, wirft einen besorgten Blick aufs Meer.


    Die Mutter hat Aufregung gehabt und sich ein bisschen hingelegt. Gott soll ihr helfen, dass sie ein bisschen schlafen kann. Was ist passiert? Der junge Priester ist da gewesen und hat ein T-Shirt und ein paar Strümpfe abgegeben, die einem ertrunkenen Mann aus Donegal gehört haben sollen. Es soll nun herausgefunden werden, ob sie auch dem Bruder Michael gehört haben könnten. Warum sollten es seine gewesen sein. Nora möge doch bitte die Länge des Weges in den Norden der Insel bedenken. Aber der junge Priester hat gesagt, dass er diese Strümpfe schon einmal bei Michael gesehen hat. Bitte nichts der Mutter erzählen, damit sie sich nicht erregt. Der Wind bläst die Tür auf. Cathleen schaut ängstlich hinaus. Nora soll doch bitte den Bruder beeinflussen, dass er sich heute nicht nach Galway reiten soll. Ist die See bei den weißen Felsen sehr gefährlich? Nora meint weniger schlimm, wenn der Wind sich nicht dreht und dann von Süden und Westen bläst. Kann sein, dass die Mutter aufgewacht ist, Nora lauscht an der Tür. Ja, sie ist aufgestanden, in einer Minute wird sie da sein.


    Den Mann, den Schwiegervater und sechs Söhne hat sie auf See verloren. Nur einer kehrte zurück, ihr Sohn Bartley. Er bereitet sich vor, das Pferd zu nehmen, welches ihn nach Galway bringen soll. Er streitet mit seiner Mutter, die guten Grund hat, den Wind zu fürchten, wenn er aus der falschen Richtung kommt. „Was ist die Kraft von tausend Pferden gegen einen Sohn anzutreten, wenn es der einzige ist, der ihr verblieb,“ klagt Maurya. Aber Bartley ist unerbittlich. Er wird die rote Mähre reiten und das graue Pony wird hinterher traben.


    Cathleen und Nora tadeln ihre Mutter, Bartley zu erlauben fortzugehen, ohne ihm ihren Segen gegeben zu haben. Die Töchter überreden sie, ihm zu folgen, geweihtes Wasser, ein Büschel zum Besprengen und einen Laib Brot soll sie für ihn mitzunehmen. Auf dem Türweg bleibt Maurya stehen: „An diesem Platz haben die jungen Männer das Leben hinter sich gelassen, bevor sie alt wurden.“ Während die Mutter sich auf den Weg gemacht hat, öffnen die Mädchen das Kleiderbündel und identifizieren diese als Michaels Sachen. Sie finden keine Zeit zu jammern, denn sie werden unterbrochen durch Mauryas unverhoffte vorzeitige Rückkehr. „Mein Herz ist gebrochen an diesem Tage“ sagt sie. „Ich sah vor meinen Augen fürchterliche Dinge.“ Eine Vision hatte sie von Bartleys Ritt auf der roten Mähre, gefolgt von dem grauen Pony. Michael saß auf ihm „in feinen Kleidern und neuen Schuhen an den Füßen“. Sie weiß, dass dieses Gesicht ein Desaster bedeutet. In tiefer Depression beschreibt sie den Tod von ihrem Mann, ihrem Schwiegervater und ihren sechs Söhne mit tieftrauriger Stimme.


    Nachbarn tragen Bartleys Körper herbei. Das graue Pony ist in Panik geraten und hat Ross und Reiter in die Wogen gezerrt.


    Von einem imaginären Chor begleitet setzt Mauryas schmerzlicher Schlussgesang an: „Alle sind nun gegangen, und da ist nichts mehr, was die See mir antun kann.....“


    Tamino 2006 – Engelbert Hellen


    Guercoeur gewidmet

    Hallo Ulli,


    Joseph Martin Kraus komponierte auch für Hammerflügel. Es gab eine Einspielung bei dem schwedischen Label Caprice im Jahre 1979 von den Sonaten Nr. 1 E-dur und Nr. 2 Ess-dur. Lucia Negri bedient den Hammerflügel. Die erste Sonate dauert 33,15 Min., die zweite 27,00 Min. Die Instrumente wurden aus dem Musikmuseum Stockholm entliehen. Im Text heisst es "Diese im Verhältnis zu modernen instrumenten tonschwachen und anders klingenden Klaviere helfen uns, unsere Ohren zu spitzen, um Nuancen, Stimmungen und spannende Übergangserscheinungen zwischen alt und neu, zwischen Klassizismus, Sturm und Drang und Vorromantik auffassen zu können."


    Ich nehme an, lieber Ulli, daß die Stücke mit Deinem Beitrag vom 29.9.05 identisch sind.

    Spaß beiseite, Ernst komm her!


    Die Scherzfrage nach dem Wunderkind hat ihren Ursprung in meiner Beurteilung des KV 87. Es handelt sich um das dritte Bühnenwerk „Mitridate, Re di Ponto“, die Mozart bekanntlich nach zwei vorangegangenen Singspielen mit elf Jahren komponierte haben soll. Über den Librettisten weiß ich nichts, Racine ist mir geläufig. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das Kind das Libretto nicht selbst ausgesucht hat, sondern jemand anders hat eine Machtfunktion wahrgenommen. Ich habe spontan die Szene VII aufschlagen, dann lese ich, was Aspasia zum besten gibt: „Vielleicht ist meine Tugend ihr nicht überlegen. Es könnte manches Mal vielleicht, wenn ich dich sehe, ein unwürdiger Seufzer dieser Brust entfliehen, und die Seele würde heimlich dann ihrem einzigen Gut entgegenfliegen, von dem sie der Himmel trennen will.“ In diesem Stil geht es dann weiter bis zum Schluss. Mit diesem Text, für den der Kleine nichts kann, musste er sich herumschlagen und zu Situationen die einem Elfjährigen kaum gefallen dürfen und auch nicht immer nachvollziehen kann, die passende Musik finden. Das Resultat ist grandios. Ein Sandalenschinken üblicher Bauart wurde dermaßen aufgebläht, dass er nur von mehreren Koloraturmonstern bewältigt werden kann.


    Nachdem nun die Frage nach dem Wunderkind abschließend beantwortet und verneint wurde, ergeben sich für mich mehrere Mutmaßungen.


    Hat jemand anders die Oper komponiert? Wer könnte es gewesen sein?
    War Wolferl altklug, obwohl er aus behüteter Familie kam.
    War Wolfgang Amadeus Mozart ein Epigone und ist seinem Nachahmungstrieb gefolgt? Wer war sein Vorbild?


    Die Musik der Oper ist traumschön, aber dass ein hochbegabter Elfjähriger sich das Thema ausgesucht haben soll, bezweifle ich. Es ist eher das Werk eines reifen Menschen mit jeder Menge Erfahrung im Komponieren.


    Immer wieder kommt es vor, dass festgestellt wird, dass ein Unbekannter aus adeligen Kreisen, der nicht genannt sein will, einen anderen vorschiebt, um seinen Ruf nicht zu gefährden.


    Wie verhält sich die aktuelle Mozartforschung zu „Mitridate“? Hat W.A.M. den Mitridate wirklich komponiert oder kann es auch ein anderer gewesen sein?


    Engelbert fragt die Experten?

    Als Abendmuffel gehe ich früh zu Bett, was zur Folge hat, dass ich nachts wach werde, zum PC eile und Tamino aufblättere, inzwischen regelmäßig. Als erstes kommt der Opernführer dran: Kein neuer Eintrag, der letzte älter als zehn Tage. Als zweites ist das Operforum an der Reihe: Im Westen nichts Neues. Dann kommen die Instrumentalaufnahmen: Da gibt es dann einiges, etwa 10% wird von mir aufgeblättert und der Neueintrag gelesen, wenn es ein Thread aus der Vergangenheit ist, lese ich alles. Dann kommen die Allgemeinen Klassikthemen an die Reihe. Blitzschnell jagen sich die Ereignisse. Innerhalb von zehn Tagen ist das Blatt voll, dann kommt Seite 2, wird hin und wieder ausgeblättert, Seite 3 ist so gut wie „Papierkorb“ Aus den Allgemeinen Klassikthemen finden etwa fünf Einträge Anklang, die interessiert gelesen werden. Drei Beiträge bedürfen einer Reaktion, werden aber meistens auf die lange Bank geschoben. Soweit der passive Teil.


    Der aktive Teil sieht so aus: Die Arbeit am Opernführer steht an erster Stelle. Diese nehme ich sehr ernst, weil ich mit vollem Namen unterzeichne, gegoogelt werde, und auf diese Tätigkeit meinen Weltruhm als Publizist stütze. Hat eigentlich schon zur vollen Zufriedenheit geklappt, denn von einigen Beiträgen muss nur der Titel ins Suchkästchen eingegeben werden, dann erscheint schon Engelbert! Alle andern hinken hinterher oder treten gar nicht in Erscheinung. Wenn ich dann den Namen des Forums eingebe meinen vollen Namen anhänge kommt etwas mehr. Dann gibt es die Zeile: Sollen übersprungene Beiträge auch gezeigt werden, dann kommt alles in tadelloser Unordnung sortiert. Damit will ich den Forianern sagen, es gibt keinen leichteren Weg zu Weltruhm zu gelangen, als über Tamino. Nur ein bisschen publikumsgeil sollte man sein und im Ansatz ein bisschen Fleiß produzieren. Die Suchmaschine bewertet nicht, auch Schwachsinn wird bloßgestellt. Deswegen verwende Ich auch viel Zeit darauf, Albernheiten zu dosieren, nicht immer klappt es.


    An zweiter Stelle steht das Beantworten von Threads. Diese werden sortiert nach Dringlichkeit und Leichtigkeit. Meistens wird der Beitrag länger als geplant. Wo ich unmittelbar selbst angesprochen bin, diejenigen kommen zuerst. Häufig muss ich mir im Kopf auch etwas zurecht legen. An dritter Stelle steht dann, das Entwerfen eines Threads in der Erwartung, dass daraus eine Schlange entsteht. Mit dem Ausschmücken von Bildchen will ich sparsam umgehen, weil ich nicht als Warenkatalog auftreten will. Lieber die Farbskala benutzen. Wenn ich es nicht vergesse benutze ich noch die Rechtschreibkontrolle und die Sonderzeichentabelle. Ich achte darauf, dass es keine halbgefüllten Zeilen gibt und im Bedarfsfall schalte ich zurück und starte neu.


    Die größte Freude ist dann, wenn die Übertragung geklappt hat.


    Engelbert

    Philhellene


    Durch Dich bin ich überhaupt dazu gekommen, mich mit Janácek auseinander zusetzen, weil Du ihn als Deinen Lieblingskomponisten bezeichnet hattest. Den Spuren bin ich nachgegangen und habe mit der Jenufa, die ich für sein Hauptwerk halte, begonnen und eine Zeile-für-Zeile-Analyse des Librettos vorgenommen. Sofort habe ich Feuer gefangen. Das Resultat ist eine komplette Inhaltsbeschreibung der Oper, die Du an anderer Stelle als Beitrag von mir im Internet wiederfindest. Um zu einer gültigen Bewertung zu kommen, muss man alle Janacek-Opern nicht nur hören, sondern auch studieren und das beginnt grundsätzlich mit der Analyse des Librettos. Es besagt nichts, dass bis auf "Osud" alle Janacek-Opern in meinem Regal stehen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass mir die übrigen Janacek-Opern auch gefallen werden und möchte mit dem „Schlauen Füchslein“ fortsetzen.


    Anspruchsvolle Opern sind in der Regel nicht für Primadonnen geschrieben, weil ihnen die großen Melodienbögen fehlen. Die Bühnenweihwestspieloperette "Turandot" hat es daher bedeutend leichter, auf der Beliebtheitsskala hochzuklettern. Ähnlich verhält es sich mit Richard Strauss. Seine Elektra ist ein Knaller, obwohl ich die expressionistische Sprache v. Hofmannsthal’ „Hast du nicht die Kraft, dein Angesicht heraufzuschleppen zu mir“ erst nach über einem Zeitraum von 30 Jahren Wartezeit akzeptieren konnte. Aber mit der Erkennungsszene „Oh lass deine Augen mich sehen, Traumbild, mir geschenktes Traumbild“ hat Inge Borkh mich vom ersten Augenblick an vom Hocker gehauen. Mein Plädoyer gilt auch eigentlich nur der "Elektra" und dem Schlussgesang der "Daphne". Trotzdem kommt Richard Strauss bei mir sehr gut weg, weil ich ihn nicht an seinem Müll messe, sondern sehe „Die Frau ohne Schatten, Rosenkavalier und Salome auch als Meisterwerke an. Als Lieder-Komponist steht er für mich an erster Stelle.


    Janacek verwendet bei seinen Kantaten sehr triviale Texte, genau so sind die Literaturvorlagen für seine Sinfonischen Dichtungen (des Spielmanns Kind) fragwürdig. Das finde ich schade! Auch gibt es keine „Janacek-Sängerin“ wie es aber eine Menge „Strauss-Sängerinnen“ gibt. Ich kenne nur eine Sopranistin, die geneigt war, eine Janacek-Arie in ihr Recital aufzunehmen, es ist Nadezda Kniplova mit einer Arie aus „Die Sache Makropulos“. Trotzdem, Kaviar hat als Delikatesse mehr Qualität als Kartoffeln, die aber häufiger gegessen werden.


    Stellenweise hat die Oper einen sehr feinen Humor, wenn zum Beispiel die Jenufa im dritten Akt singt. „Jeder von euch hat köstliche Vorzüge, Stewa die Schönheit und Laca die gütige Gottesseele“. Der Beginn des dritten Aktes ist amüsant, wie die Küsterin den Zynismus der Richterin pariert. Kernpunkt der Jenufa sind für mich die Argumente wie die Küsterin versucht, den Kindesmord vor sich selbst zu rechtfertigen. Das Hauptbewusstsein findet die Entschuldigung, aber das Unterbewusstsein, verkörpert durch das Gewissen, verweigert und lässt sich nicht beschwatzen, sondern Übt Druck aus, bis der Kessel platzt.


    Engelbert


    N.S.
    Handelt es sich bei der Einspielung der Jenufa mit Grace Bumbry um eine italianisierte Fassung?

    Die Esoteriker behaupten, dass Wolfgang Amadeus Mozart überhaupt kein Wunderkind war, weil ein Knirps normalerweise die Fülle des ausgebreiteten Wissens und Könnens gar nicht haben kann. Man geht davon aus, dass bei seiner Geburt die Erkenntnisse aus seiner letzten leiblichen Existenz infolge eines Mißgeschicks der Natur nicht restlos
    gelöscht wurden und er aus einem verbliebenen Trümmerhaufen noch schöpfen konnte.


    Mozart die Reinkarnation von Vivaldi? Das kann nicht sein, denn dann wäre er 15 Jahre in der Warteschleife gehangen. Selbst glaube ich nicht an die Theorie vorhandenen Restguthabens, denn Nannerl war schließlich auch begabt.


    :angel:

    Ich hatte mich entschlossen, meine LP-Sammlung zu behalten und eine etwas grössere Wohnung zu nehmen. Mit Brettern vom Baumarkt habe ich die Regale dann selbst gebaut, die bis an die Decke reichen.


    Es ist nicht die Musik allein, sondern auch die Texte, die Interpretenfotos und die schönnen großen Titelcover an denen mein Herz hängt. Ich kann doch Frau Moffo und Frau Sutherland nicht einfach auf den Müll werfen. Was würden diese dazu sagen?


    Aus dem Antiquariat kaufe ich manchmal noch Sängerporträts dazu, wenn diese nur zwei Euro kosten. Mit der Musik von der LP ist man "am Klang näher dran" als von der CD.


    Die DVD hat einen großen Vorteil, trotzdem kommt es nicht sehr oft vor, weil Bild und Ton gleichzeitig zu konsumieren, die volle Konzentration auf das Medium abfordern.


    Ich rate jedem, nichts wegzuwerfen, sondern in genormte Umzugskartons packen, die Wohnzimmerwand 50 cm vorzurücken und dahinter zu verstauen. Die Lps sind dann nicht mehr zugänglich, aber noch da.


    :angel:

    @Edwin


    Tut mir leid lieber Edwin, aber in der Beurteilung der Jenufa muss ich Dir auf der ganzen Linie widersprechen. Janacek hat es nun wirklich nicht nötig, mit Folklore zu ködern, um sich interessant zu machen. Das hochwertige Libretto ist in seinem Aufbau von einmaliger Geschlossenheit, der Janacek musikalisch akribisch folgt. Für „Polka und Furiant“ ist da überhaupt kein Platz, weil das Libretto hierzu keinen Anlass bietet. Der dramaturgisch bedingte Einschub – Befreiung vom Militärdienst – ist nur eine kleine Episode. Alle Konflikte, ausgelöst durch die Unbeständigkeit Stewas und das vergebliche Bemühen Lacas, kündigen sich schon im ersten Akt an und von der „Verkauften Braut“, von der Du sprichst, ist wirklich weit und breit nichts zu sehen. Dem Komponisten „Bauernfängerei zu unterstellen“ halte ich für völlig absurd. Die Musik rutscht auch nicht in Richtung Folklore ab, dafür ist die Harmonik viel zu kühn.


    Ich finde auch nicht, dass Janaceks Opern selten gegeben werden. Die Hauptschwierigkeit bietet bestenfalls der Chor, wenn er nicht tschechisch kann. Bei kleinen Häusern wird vom Band zugespielt und bei Studioeinspielungen muss Bratislava aushelfen.


    Es ist grundsätzlich keine Besonderheit heutiger Komponisten, ungewöhnliche Themen als Opernlibretto zu verwenden. Das Animalische, die durch den Bariton gestörte Liebesbeziehung zwischen Sopran und Tenor, ist inzwischen doch weitgehend von der Opernbühne eliminiert. Martinu mit seiner „Griechen Passion“ ist gleich der Nächste, der ein ungewöhnliches Thema anbietet. Dann kommt Cikker mit dem Motiv der Massenhysterie in seiner Oper „Das Erdbeben von Chile“. Nah heran an die Jenufa wagt sich der Ungar Petrowics mit „Crime and Punishment“. Die Erlösung vom Druck erfolgt durch das eindeutige Schuldbekenntnis. Der Täter macht unausgesetzt Andeutungen über seinen Mord an der Pfandleiherin, damit er entdeckt wird. Aber die Umwelt will seine Gewissensnöte nicht zur Kenntnis nehmen. Ungewöhnlich ist bereits Pfitzners Palestrina, bei der es um die Neuordnung der Liturgie geht, auch ein Thema woran ein „normaler Komponist“ nicht denkt.


    Was Gerd Albrecht da nun von sich gegeben haben soll, kann man weder bestreiten noch befürworten. Für mich sind die drei bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts Messiaen, Schostakowitsch und Britten, obwohl ich zu letzterem überhaupt keinen Zugang habe. Wenn ich ihn vornehmen würde, wäre der Anfang wahrscheinlich der „Prinz der Pagoden“. Wo wollen wir hinkommen, wenn wir Janacek als den Super-Komponisten des 20. Jahrhunderts bezeichnen würden. Was ist mit Prokofieff , Strawinsky und Bartok, um nur einmal im slawischen Raum zu bleiben.


    Sei mir bitte nicht böse, lieber Edwin, wenn ich Dir deutlich widerspreche, aber im Falle der Jenufa hast Du Dich meines Erachtens ein bisschen vergaloppiert Im Prinzip schätze ich Dich und Deine Beiträge sehr, weil umfangreiches Wissen, aus dem Du schöpfst, das Fundament ist. Sieh also meine energische Reaktion rein rhetorisch. Ich freue mich auf Deine Gegendarstellung.


    Engelbert

    Mit dem Libretto der „Jenufa“ und der Einspielung unter Bohumil Gregor habe ich mich letzten Monat eingehend beschäftigt. Man kann die Oper trotz schöner Hochzeitstrachten und der malerischen Mühle nicht als Folklore-Oper oder Bauerntheater abtun. Sie ist ein echter Psychothriller. Für eine moderne Inszenierung durchaus geeignet, wenn man den rustikalen Schnickschnack weglässt und bei sparsamen Ausstattung die differenzierten Seelenlandschaften ausleuchtet.


    Das vorzügliche Textbuch der Dichterin Gabriela Preissová, die auch das Libretto zur Josef Bohuslac Foersters einziger Oper „Eva“ erstellte, war bereits mit dem Jenufa-Thema unter dem Namen „Ihre Ziehtochter“ als Stück für das Sprechtheater an die Öffentlichkeit getreten und wie Janácek auf erhebliche Abwehr gestoßen. Die Landbevölkerung fühlte sich provoziert, dass ein unerwünschtes Kind in kalter Winternacht unter die Eisdecke eines Baches geschoben wird. Natürlich schildert die Preissova ein Einzelschicksal, aber sie hat in einer ländlichen Dorfgemeinschaft gelebt und konnte sich gewiss über gesellschaftliches Gebaren mit den dazugehörigen Vorbehalten der Landbevölkerung ein Bild machen.


    Die Uraufführung fand in Brünn statt. Der Komponist musste endlos warten, bis man sich nach unerquicklichen Auseinandersetzungen über Text und Komposition in Prag endlich bequemte. Kaum zu fassen, man begründete zunächst „Die Partitur sei schlecht gearbeitet“. Janácek schrieb die Oper unter schweren psychischen Belastungen; er hatte den Tod seiner beiden Kinder zu beklagen. „Dem Andenken der Tochter Olga“ ist das Werk gewidmet


    Das Ausland hat den hohen Stellenwert seiner Kompositionen auch für Bühne und Konzertsaal bald erkannt. Obwohl die Musikgeschichte ihn noch als Spätromantiker einsortiert, steht er dem italienischen Verismo sehr nahe.


    Engelbert

    ZAUBER DER OPER



    Jean-Baptiste Lully (1632-1687)

    Phaëton


    Tragédie en musique
    in einem Prolog und fünf Akten
    Libretto: Philippe Quinault
    Quelle: Ovid, Metamorphosen
    Uraufführung am 6. Januar 1683 in Versailes, Théàtre de la Cour


    Das Geschehen spielt im Mittelmeerraum
    zu mythologischer Zeit


    Prolog
    Die Göttin Astrée liebt die Geselligkeit. In ihrem schönen Garten hat sie lustige Gefährten um sich versammelt, die sich bemühen, die Holde durch Tanz und Gesang und Würfelspiel zu unterhalten. Zauber und Verlockung soll man gezielt suchen, von allein kommt gar nichts. Zu viel Lärm ist auch nicht gut. In der Ruhe und der Besinnung liegt die Würze. Der Göttin selbst genügt es nicht, allein zufrieden zu sein, alle Sterblichen soll der Himmel glücklich machen, obwohl sie eigentlich gar nicht verdient haben. In ihrer Bosheit haben die Menschen einst die Göttin aus ihren Gefilden verjagt. Da sie aber nicht langfristig böse sein kann, will sie die Undankbaren nicht bestraft sehen. In Betrübnis hat sie die Erde verlassen und sie hofft, dass die Götter einem neugeborenen Universum ein glücklicheres Zeitalter schenken werden. Dann wird sie nichts daran hindern, wieder zurückzukehren. Unschuldige Freuden sollen ihre Ungeduld einlullen und süße Hoffnung ihre Sehnsüchte umschmeicheln, bis es soweit ist.


    Alles lacht ohne Unterlass und die Pfeile der Liebe tun nicht ernstlich weh. Saturn kommt zu Kaffee und Kuchen auf einen Sprung vorbei. Sein Gefolge ist ebenfalls gut drauf. Der Gott erklärt, dass die Klagen nun ein Ende haben werden und die Sterblichen sich freuen sollen. Die glückliche Zeit, die allen Menschen Hochgenuss verleiht, bricht nämlich gerade an. Die Gute soll doch einfach mitkommen. Ein Held der unsterblichen Ruhm verdient – möglicherweise ist Louis Quatorze gemeint – ruft sie zurück. Unter seiner Herrschaft beginnt von neuem das Zeitalter, welches den Menschen schöne Tage bereitet. Der Himmel ist dem Erhabenen gewogen und seine Wünsche werden durch ein aufstrebendes Genie schleunigst erfüllt– gedacht ist offenbar an den Komponisten Lully – denn tausend neue Konzerte werden die Musen zu Gehör bringen. Der Heros vermag es, die Spiele zu mischen und erwartet, dass seine Umgebung das gleiche Vergnügen empfindet, wie er selbst. Der Neid zittert vergeblich. Es wird getanzt und kräftig gehuldigt. Schrecklich sah man diesen Helden im Kampf, doch durch seine Tugend schuf er das Glück der Erde. Sein großartiges Schicksal ist es, von allen geliebt zu werden.


    Jetzt fängt die Oper an.
    Es stellen sich vor:
    Phaeton, Sohn der Sonne und der Clymene
    Tritton, Meeresgott, Bruder von Clymene
    Protée, Meeresgott, Hirte der Herden Neptuns
    Epaphus, Sohn Jupiters und der Göttin Isis
    Clymene, Tochter des Ozeans und der Thetys
    Merops, König von Ägypten
    Libye, Tochter von Merops, König von Ägypten
    Theone, Tochter von Protée
    Ein äthiopischer König
    Ein indischer König


    Ägypter und Ägypterinnen
    Ägyptische Hirten und Hirtinnen
    Äthiopier und Äthiopierinnen
    Inder und Inderinnen
    Priesterinnen der Göttin Isis
    Junge Menschen, die Opfergaben transportieren


    Furien und schreckliche Geister
    Die WINDE
    Die SONNE
    DIE STUNDEN DES TAGES
    DIE JAHESZEITEN mit vier Quadrillen
    Die Göttin der Erde
    Und schließlich Jupiter
    Das wäre es.

    HANDLUNG


    Erster Akt
    Libye sitzt allein in den Parkanlagen vor einer malerischen Grotte. Die gleichmütige Seele war bisher so zufrieden. Sie hat das unbestimmte Gefühl, dass es nicht so bleiben wird. Theone, ihre Gespielin kommt herbei und versucht die Verträumte aufzumuntern und erinnert sie an das fröhliche Leben bei Hofe. Theone behauptet, ihr Schicksal sei es zu lieben, um den Zauber des Träumens richtig zu fühlen. Denkt Libye etwa, sie sei gegen die Liebe gefeit? - Nein, aber der Vater wird ihr heute einen Gatten erwählen und sie weiß noch nicht, wer auf sie zukommt. Die beiden Gleichaltrigen schließen Freundschaft, in welcher Argwohn und Geheimnisse draußen bleiben sollen. Libye trägt die Nase hoch. Sie ist die Tochter eines Königs, der über Könige herrscht. Alle Länder, wohin der Nil sein fruchtbares Wasser ergießt, sind ihm untertan. Ein großes Schicksal steht ihr bevor. Aber auch der erste Thron dieses Erdkreises ist kein Zufluchtsort vor den Regungen des Herzens. Von dem Sohn des Jupiter wird sie geliebt - Epaphus heißt der Knabe - und ihm hat sie ihr Herz geschenkt, aber was wird sie tun, wenn Papa anders entscheidet. Theone ist auch verliebt, in keinen geringeren als Phaëton, den Sohn der Sonne. Er steht plötzlich hinter ihr, denn ein zärtliches Herz ist immer stürmisch. Die Königstöchter von damals stellten Ansprüche an Herkunft und Attribute des Geliebten, Halbgötter werden bevorzugt. Grundsätzlich ist es schwierig sich zu lieben, ohne sich auch zu ängstigen.


    Libye spürt, dass die beiden allein sein sollten und zieht sich taktvoll zurück. Phaëton behandelt Theone ein bisschen von oben herab. Als Sohn des strahlenden Gottes, der das Licht gibt, ist er nicht zu stolz, ihre Ketten zu tragen, sie kann ihn getrost lieben. Wenig empfindsam ist Phaëton heute für sie, rügt sie seine Sprüche. Der Angeredete reagiert gekränkt und entschuldigt seine Zerstreutheit damit, dass er auf die Ankunft seiner Mutter wartet. Welches Anliegen hat er? Sie selbst, Theone, steht offenbar nicht im Mittelpunkt. Gibt es etwa eine Rivalin? Der Sonnensohn bestreitet und ruft die Götter zu Zeugen seiner ewigen Liebe an. Aber wie soll sie ihm glauben, wenn seine Blicke ständig unruhig umherschweifen? Seine Kälte glaubt sie deutlich zu erkennen. Will der Undankbare sich ihr entziehen? Ach, wenn er doch ihre tausend Ängste beruhigen könnte.


    Die Mutter, die Königin Clymene, Tochter des Ozeans und der Thetys, hat die Szene betreten, was Theone veranlasst, sich mit dem Gefühl des Unbehagens zu entfernen. Der Sohn scheint betrübt. Darf die Mutter wissen, was ihn bedrückt? Jetzt kommt es heraus: Phaëton möchte nicht, dass der herrliche Epaphus die Prinzessin Libye heiratet, weil der Genannte dann König von Ägypten und er sein Untertan sein würde. Die Mutter meint, dass Libyes Vater aber diese Wahl treffen wird, zumal ein Sohn des Jupiter als Schwiegersohn nicht zu verachten ist. Aber was ist mit ihm, Phaëton? Ist der Sohn der Sonne, welche die Erde erleuchtet, etwa weniger wert? Auch wenn Theone ihm schön erscheint, kann er zur Not darauf verzichten. Clymene beteuert, dass sein Ruhm ihr einziges Sehnen sei. Aber auch sie hat Bekümmernisse. Nachdem ein Gott ihr die Ehre des Beischlafs gewährte, muss sie nun mit einem König vorlieb nehmen. Kann er Theone nicht aus seinem Herzen reißen und sich um Libye bemühen. Beide stimmen überein, dass der Ruhm wichtiger ist, als die Gefühle und mit Libye an seiner Seite beherrscht er Libyen und Ägypten. Mami wird die Sache richten und den König beschwatzen, obwohl es ihr schwer fällt, sich herabzulassen. Kein Funken göttliches Blut hat Merops in seinen Adern und alt und klapprig ist er auch. Sie rühmt den Ehrgeiz des Sohnes und lobt die edlen Gefühle einer stolzen Seele. Seine Liebe zu Theone sollte man einfach als Zeitvertreib betrachten. Liebe muss bereit sein, Opfer zu bringen, sobald der Ruhm es befiehlt.


    Protée, wenig wichtiger Meeresgott und Herdenhüter des Neptun, steigt aus dem Wasser und will die Grotte als Badekabine benutzen. Der Ozean ist ihm im Moment zu unruhig und er möchte ein kleines Nickerchen halten. Noch ein Meeresgott, Tritton kommt mit Gefolge an Land, die mit ihren Musikinstrumenten soviel Lärm machen, dass Protée davon wach wird. Der Gutmütige soll den Genuss der neuen süßen Gesänge - wahrscheinlich von Lully – mit ihnen teilen. Die reizenden Vögel werden mit ihrem Gezwitscher einsteigen. Vergnügen ist wichtiger als Weisheit, die oftmals verhindert, dass man nach dem Vergnügen schnappt. Protée, der auch wahrsagen kann, soll vor dem Lärm nicht davon laufen, sondern das vorwitziges Sehnen seiner Schwester Clymene stillen, die wissen will, was die Zukunft ihrem lieben Phaëton bringen wird. Nichts Gutes, deshalb macht Protée auch nur Andeutungen. Die ehrgeizige Mutter soll um ihr verzogenes Söhnchen erzittern, denn der Himmel lässt seinen Zorn erdonnern. Der Wahrsager fühlt, wie ihn das Entsetzen ergreift und gibt Fersengeld. Welch schreckliches Orakel!


    Zweiter Akt
    Die Würfel sind so gefallen, wie Phaëton und seine Mutter es sich gewünscht haben. Doch auf die Letztere hat das Orakel des Protée einen niederschmetternden Eindruck gemacht. Sie ängstigt sich um das Schicksal ihres Sohnes, und würde es nun gern sehen, wenn er sich Theone wieder zuwenden würde. Phaëton beschwichtigt, dass Protée eigene Ziele verfolge, schimpft auf den Wahrsager und ist sich der Entscheidung des Königs zu seinen Gunsten sicher. Allerdings weiß er nicht, ob Libye bereit ist, den Partner zu wechseln, schließlich war sie mit Epaphus glücklich. Theone klagt, dass so viel Kälte auf so viel Feuer folgt. Ständig hat er falsche Signale ausgesandt und sie hat ihm geglaubt. Libye empfindet noch heftiger, weil sie den Liebsten an die Freundin verliert, der sie nichts vorzuwerfen hat. Welch Unglück, welche Marter! Epaphus verliert beides, die Geliebte und den Thron. Das drohende Gewitter der himmlischen Götter vernimmt im Geiste Clymene. Trauer und Ratlosigkeit bestimmen die Empfindungen aller über deren Kopf hinweg einfach verfügt wurde. Nicht immer ist solche Liebe am beklagenswertesten, die am meisten klagt, antwortet Libye dem Epaphus, der ihr vorwirft, dass sie ihr Schicksal klaglos hinnehme. Die Götter sollen ihren Zorn und den grausamen König treffen, doch Libye bittet um Schonung ihres alten Vaters, der von Clymene beschwatzt wurde. Was es sie an Tränen kostet, nicht mehr demjenigen zu gehören, dem sie gehören wollte!


    Szenenwechsel
    Der Saal im Palast des ägyptischen Königs ist für eine Zeremonie festlich geschmückt. Merops selbst verkündet die Entscheidung. Seine zitternden Hände können das Zepter nicht mehr halten und ohne Hilfe vermag er die schwere Last der Krone nicht zu tragen. Er bestimmt, dass Phaëton sein Nachfolger und Libye Königin werden soll. Das Blut der Götter soll sich mit dem der Könige vereinen. Die zahlreichen vornehmen Gäste bestätigen, dass der Ruhm Phaëtons tausendmal wiederhallen soll.


    Dritter Akt
    Theone hat sich mit dem Verrat Phaëtons nicht abgefunden und weint bitterlich. Ist es möglich, dass er sein Wort brach und nun für eine andere empfänglich ist? Phaeton hat die Vorstellung, dass die Götter ihn dazu erschaffen haben, den Erdkreis zu regieren. Wenn er sich jetzt auch noch um die Liebe kümmern soll, ist er überfordert. Nur der Ruhm bindet ihn an die Prinzessin, die Liebe mischt sich da nicht ein. Theone beweist Ausdauer. Ihre tödlichen Schmerzen und ihre bitteren Tränen verachtend, dünkte ihm die Krone hundert mal schöner als sie selbst, behauptet die Verlassene. – Den Gesetzen seines Schicksals gehorcht er mit Bedauern, selbstverständlich ist er von ihrem Schmerz umgerührt. Ganz natürlich, dass er ihren Zorn verdient, sie soll ihn mit ihrem Hass strafen, aber endlich in Ruhe lassen. Theone gibt absolut keine Ruhe, ihr Gejammer ist ihm unerträglich. Trotzdem, welchen Zauber haben schöne Augen voller Tränen!


    Szenenwechsel
    Phaëton gedenkt sich in den Tempel der Isis zu begeben um - wie üblich - der Göttin feierliche Huldigungen darzubringen. Epaphus ist außer sich. Was hat er im Tempel seiner Mutter zu suchen? - Er will ihren Zorn besänftigen, was sonst. - Meint er wirklich, dass der gerechte Himmel auf seine Gebete antwortet? – Hat er doch bisher auch getan und ihm ein schönes Geschick gewährt. Je eifersüchtiger sein Rivale, desto süßer sein Glück. – Sein Papa, der olympische Jupiter ist noch göttlicher als seiner, wenn er seinen Blitz herunterschickt, bleibt von ihm, Phaëton, nicht mehr viel übrig. Und dann wäre da noch die göttliche Mutter, die sich auch keine Unverschämtheiten bieten lässt. Phaëton bleibt gelassen, es sind noch genug Götter da, die auf seiner Seite stehen. Alles folgt seinen Wünschen. Sieht Epaphus das nicht? Beide Kontrahenten protzen mit der Macht ihres himmlischen Papa. Jupiter geruhte einst, ihn als seinen Sohn anzuerkennen, aber die Legimitation des Sonnengottes für Phäti steht noch aus. Jedem steht es frei, an der göttlichen Herkunft zu zweifeln. Es genügt nicht, wenn lediglich die Mutti die ruhmvolle Abkunft behauptet. Ist er gar ein Bankert? Das ist für Phaëton zu viel. Es reicht ihm. Um die Legitimation wird er sich beizeiten bemühen. Sein Papa lässt ihn nicht im Stich.


    Der König naht mit Gefolge um der Messe im Isis-Tempel beizuwohnen. Opfergaben werden von den im Vorspann erwähnten Sklaven herbeigeschleppt. Die große Göttin soll die Gebete empfangen, die man an sie richten wird. Sie soll vor allem das Reich erweitern bis an die beiden Enden der Erde. Epaphus versucht seine Mutter, die göttliche Isis, zu überreden, die Opfergaben aus den Händen, die ihn beleidigten, nicht anzunehmen. Was keiner der Opernbesucher für möglich gehalten hätte, Isis reagiert sofort und die Pforten des Tempels knallen zu und lassen niemanden herein. Phaëton ruft nach dem königlichen Schlosser. Zuweilen sind die Götter ein bisschen zickig, wenn sie nicht die Aufmerksamkeiten in dem Maße erhalten, die man ihnen nun mal schenken muss, erläutert er. Clymene versucht, ihn zu bremsen. Plötzlich knallt die Haustür von allein wieder auf. Aber was die Anwesenden zu Gesicht bekommen, wie es da drinnen ausschaut, lässt sie erschauern. Die Spucke bleibt weg! Das innere des Tempels ist ein entsetzlicher Schlund, aus dem wie aus einem Vulkan Feuer gespuckt wird. Schreckliche Geister haben die Opfergaben umgeworfen und Furien sind auch in reichlicher Menge anwesend. Epaphus ist schadenfroh. Gut gemacht Mami! Phaëton kann es sich nicht leisten, Furcht zu zeigen und fordert die Umstehenden auf, sich zusammenzureißen und mitzukommen, um dem Spuk auf den Grund zu gehen. Clymene vergeht vor Angst. Der Himmel stört das Glück des jungen Paares, eine tödliche Gefahr ist im Anzug. Phaëton voller Trotz erhebt Anklage: Der Neid wagt es, seinen Ruhm und die Ehre der Olympier anzugreifen. Die bloße Erinnerung lässt ihn vor Wut erzittern. Da behauptet doch so ein Frechling, dass die Sonne nicht sein Vater sei. Phaëton erwartet jetzt auf der Stelle ein deutliches Zeugnis seiner göttlichen Herkunft, damit Paffi keine Zweifel mehr hat und sich in aller Form bei ihm entschuldigt. - Oh Götter, Königin Clymene ringt um Fassung. - Im Namen zärtlich Mutterliebe soll sie seinen Erzeuger darum bitten, dass er den Mund aufmacht. - Er soll doch nicht zweifeln, schwört Clymene, vom Vater des Lichts erhielt er sein Leben. Eines glorreichen Schicksals kann er sich rühmen. Der Sonnengott fühlt sich tatsächlich angesprochen und schickt eine Wolke, ein bisschen Wind dazu, Phäti setzt sich auf die Wolke, die sich nach oben bewegt. Na endlich passiert was. Das Wolkentaxi nimmt Geschwindigkeit an. Eine Aussprache wird alle Unstimmigkeiten klären. Der Ankläger wird in den Palast der Sonne vorgeladen. Der neidische Paffi kann nur noch ungläubig in die Weltgeschichte schauen bis her Vorhang sich schließt. Wer nun die Aufräumungsarbeiten im Tempel durchführt und die Demonstranten verjagt, erklärt der Librettist nicht. Mit Sicherheit muss Lachgas eingesetzt werden. Phäti ist erst einmal weg vom Fenster und befindet sich, wenn die Reise gut verläuft, bereits im Palast der Sonne.


    Vierter Akt
    Wie kostbar der Sonnentempel ausgestattet ist, hängt vom Budget ab, welches der Stadtrat dem Intendanten bewilligt hat. Lichtregie allein muss notfalls genügen, wenn im Sonnentempel auf Rokoko-Möbel verzichtet werden soll. Das Blattgold auf den Quadrillen sollte allerdings echt sein. Den Opernbesucher wird es erstaunen, wer da oben alles Wohnung bezogen hat. Anwesend sind: Die STUNDEN DES TAGES und die VIER JAHRESZEITEN mit Gefolge. Engel mit Instrumenten gibt es nicht. Die heilige Cäcilie passt auch nicht in die Mythologie. Auf Musik muss trotzdem nicht verzichtet werden. Der Chor der STUNDEN ist vorzüglich geschult und auf Jubel dressiert: Ohne den Gott, der beleuchtet, welkt alles dahin und nichts mag mehr gefallen. Deshalb mögen DIE STUNDEN mit Singen auch nicht aufhören, um die Wohltaten von seiner Majestät zu verkünden. Der Gott der Helligkeit ordnet das Maß der Tage, der Jahreszeiten und der Jahre. Frisches Grün und Blumen bringt die Kraft des Lichtes hervor und wohlschmeckende Früchte zum Verzehr, weiß die ERSTE STUNDE, die sich als Solistin hervorhebt, zu berichten. Auf den „Tanz der Stunden“ wartet der Opernbesucher vergeblich, denn den gibt es erst später in „La Gioconda“. Der HERBST gibt zu bedenken, dass Nacht und Schrecken vorherrschen würden, wenn die Erde nicht so ein günstiges Klima hätte. Zum besseren Verständnis muss hier eingefügt werden, dass im Sonnenpalast öfters Thronwechsel ist. Mal ist es Apollo, mal ist es Helios, im Moment ist es Louis Quatorze, der aber aus vornehmer Zurückhaltung namentlich nicht genannt sein will. DIE SONNE fordert die ganze Gesellschaft auf, ihren Frohsinn zu verdoppeln, denn der Herr Sohn nähere sich.


    Phäti ist mit seinem Wolkentaxi wohlbehalten angekommen und wird von den Stunden und den Jahreszeiten überschwänglich hofiert und zum Thron seines Erzeugers geleitet. Dieser begrüßt ihn „Tretet näher, mein Sohn, und wundert Euch über gar nichts!“ Weil es in der Empfangshalle sehr hell ist und Phäti seine Sonnenbrille nicht dabei hat, erklärt die Gottheit sich leutselig bereit, den Stromverbrauch ein wenig zu reduzieren und lässt aus dem göttlichen Stromkasten ein paar Sicherungen herausdrehen. - Weshalb seufzt der Kleine? Wer vermag es, ihm Unruhe und Traurigkeit einzuflößen. Das Blut, welches beide verbindet, erlaubt ihm, alles zu hoffen. Phäti wird sofort resolut, anstatt zunächst erst einmal ein bisschen die neue Umgebung zu erkunden. „Seele des Weltkreises, lebendige und fruchtbare Quelle aller Güter dieser Erde,“ eröffnet der Umschmeichelte, „wenn es ihm erlaubt sei, ihn Vater zu nennen, dann soll der Göttliche auch nicht die Hilfe verweigern, die er sich wünscht“. Der beschämende Vorwurf einer ruhmlosen Geburt, habe ihn grausam beleidigt. Im Namen väterlicher Liebe, soll er dem Paffi das Maul stopfen und ewiges Schweigen gebieten. „Keiner Täuschung ist er unterlegen und Clymene schwindelt nicht. Phaëton, in der Tat, Ihr seid mein Sohn.“ Deutliche Worte, die alle Zweifel ausräumen, die Stimme des Blutes hat sich geäußert. Doch was nützen sie, väterliche Liebe allein ist zu dürftig. Phäti braucht Beweise. Welches Pfand wünscht er von dem Blute, welches ihn zeugte? Was auch immer er erbitten würde, es soll ihm gewährt werden. Der Sonnengott gelobt beim Styx, und das will etwas heißen und ist nicht widerrufbar. Alle seine Schätze seien ihm zugänglich, die seine edle Kühnheit erlaubt, sich auszudenken. Keineswegs denkt Phäti noch an ein Dokument, welches diejenige STUNDE, die im Sonnenbüro die Buchhaltung macht, ausfertigen könnte. Phaëton ist anspruchsvoll will den Autoschlüssel vom Sonnenwagen, um selbst ein einziges Mal den Erdkreis zu erleuchten. Der erschrockene Vater rät dringend ab, denn Phaëton ist sterblich und wenn ihm unterwegs mit dem Auto etwas passiert, sehen seine Angehörigen ihn nicht wieder. - Aber sein Ruhm wird unsterblich sein, vor dem Tod hat er keine Angst. Der Sonnengott bekennt, dass er einen unüberlegten Eid geleistet hat, sein trauriges Herz ist von Verwunderung ergriffen. Ein Gott zittert um seinen Sohn, er soll doch seinem Vater an diesem Zeugnis erkennen. Was Paffi denkt ist doch egal. Phaëton sieht sich im Geist schon am Steuerrad der Luxuslimousine und ist von seinem Vorhaben nicht abzubringen. „Pappi, nur einmal, ein einziges Mal“ bettelt er. Jetzt kann nur noch Fortuna helfen und diese ist leider nicht geneigt. Am nächsten morgen heißt es früh aufstehen, dann geht die Fahrt los. Nun ist das Entsetzen auf der Seite Phaëtons, als er in der Garage die schrottreife Karosse sieht. Den Motor hat man ausgebaut und wie auf dem Cover der CD zu erkennen ist, werden zwei Ackergäule von ERATO vorgespannt, damit das uralte Gefährt sich überhaupt in Bewegung setzen kann. Die STUNDEN und die JAHRESZEITEN verabschieden sich von ihm und winken mit dem Taschentuch hinterher: Geh und verbreite Licht!


    Der Opernbesucher fragt sich, warum der Sonnengott nicht schon früher dem Sohn ein Wolkentaxi geschickt hat, um ihn in seinen stimmungsvollen Palast einzuladen. Die erste Probefahrt im Sonnenwagen hätte aus Sicherheitsgründen gemeinsam durchgeführt werden müssen. Die Mutter hätte sich auch gefreut einmal die Erde von oben betrachten zu können. Clymene ist mit ihren sechzig Lenzen und einem halbwegs erwachsenen Sohn immer noch attraktiv. Es ist doch viel netter, auch einmal die Familie um sich zu haben, als immer nur dem Gejauchze von STUNDEN und JAHRESZEITEN zuzuhören.


    Die Fahrt beginnt unproblematisch. Verkehrsschilder und Zebrastreifen fallen fort, Radarfallen sind nicht zu erwarten. Die Piste ist breit und die Gäule kennen ihren Weg. Ausreichend Fahrpraxis ist eigentlich von Haus aus vorhanden, denn Phäti besitzt selbst zwei Streitwagen mit vergoldeter Deichsel. Führerschein ist überflüssig. Die fetten Schimmel sollen endlich Tempo vorlegen, damit er am Abend pünktlich wieder zurück ist. Was er noch nicht ahnt, es gibt Gegenverkehr, ein Astroid wird seinen Weg kreuzen und Ross und Reiter zerschmettern.


    Fünfter Akt
    Es hat sich herumgesprochen, dass Phäti heute den Sonnenwagen kutschieren wird. Die Rezeption des Sonnenpalastes hat der Königin ein Mail geschickt, dass Phaëton zum königlichen Frühstück nicht erscheinen wird und um Entschuldigung gebeten. Clymene rührt die Werbetrommel. Jetzt wird Phäti zeigen, dass er vom Blut der Götter ist. Schaut zum Himmel! Der Papi hat ihm die Wagenschlüssel gegeben. Eine neue Sonne schenkt uns einen neuen Tag. Clymene in Begleitung zweier tributpflichtigen Könige schnappt fast über.


    Alle freuen sich bis auf Paffi. Den Rivalen sieht er triumphieren und man folgt dem Jubel seiner Mutter. Ihn überlässt man der unabwendbaren Verzweiflung. Solch einen schönen Wagen möchte er auch gern einmal lenken. Sein Vater Jupiter hat ihm überhaupt nichts anzubieten. Libye gesellt sich zu ihm und jammert mit, weil ihr zum Klagen zumute ist. Paffi soll jetzt bloß nicht von Liebe anfangen. Danach steht ihr der Sinn überhaupt nicht. Die Ehe ist nämlich etwas Heiliges. Phaëton gehört sie durch den höchsten Willen. Er soll bloß abhauen. - Die Liebe lebt von der Hoffnung! Wenn die Liebste ihm jedoch die Hoffnung raubt, nimmt er sich das Leben. Paffi stellt im Moment keine Ansprüche, noch ist sie nicht in seiner Gewalt. Es wird ihm schon süß ums Herz, wenn er sie sieht. Sein Papi, der Jupiter, ist Herr des Himmels und der Erde. Hoffen wir auf seine Unterstützung. Je höher der Rivale sich emporhebt, desto eher nähert sein Hochmut sich dem Donnerwetter.


    Die Szene hat sich bevölkert. Merops mit Gefolge, Clymene, zwei tributpflichtige Könige, ägyptische Schäfer und Schäferinnen mit vielen Schafen und sonstiges Volk sind anwesend und lauschen den Erläuterungen Clymenes. Eine neue Sonne schenkt einen schönen Tag. Niemals tauchte die himmlische Fackel so strahlend aus den Wellen. Der Chor der Schäferinnen empfiehlt, dass man so laut singen soll, dass alles wiederhallt, während die Schäfer sich auf Ballett konzentrieren. Blumen werden geboren und Herzen verzaubert. Man singt ein Loblied auf die Lust, doch Theone nervt wie üblich und klagt um ihre verlorenen Liebe.


    Clymene sieht es zuerst. Eine schreckliche Flamme breitet sich in den Lüften aus. Was ist passiert? Der Sonnenwagen ist umgekippt. Phäti kann nicht autofahren! Ein schrecklicher Sturz. Oh unglückselige Vermessenheit. Er soll aufpassen, er wird noch die Erde in Brand setzen. Hat er keinen Feuerlöscher im Wagen? Himmlische Kräfte sollen eingreifen. Die Göttin der Erde hat Angst, dass das Feuer sie verzehrt und ruft nach Jupiter. Solch grausame Qual hat sie nicht verdient. Bald wird die Erde ein Häuflein Asche sein. Die Flüsse werden austrocknen und die Wälder auch. Die eisbedeckten Berge werden schmelzen. Wenn es ihr beschieden ist zu sterben, dann nicht durch einen Verkehrsunfall, sondern durch den Kugelblitz des Jupiter. ihre Stimme wird schwächer und sie zieht sich in die Höhlen der Erde, die ihr als Luftschutzbunker dienen, zurück.


    Jupiter setzt sich endlich in Bewegung. Mit seinem Blitz setzt er das Gefährt endgültig außer Gefecht. Der Wagen ist schrottreif und der Fahrer und die Gäule sind verglüht. Nach den gelben Engeln wird telefoniert, damit sie einen Leihwagen herbeischaffen. Für ein paar Stunden wird Sonnenfinsternis verordnet bis die Fahrbahn wieder passierbar ist.


    Tamino 2006 – Engelbert Hellen.

    @ Siegfried


    Das Problem mit den Fratzenköpfen kannst Du lösen, wenn Du zwischen Ziffer und "klammer zu" einen Abstand setzt. Sieht nicht schön aus, ist aber nützlich.


    Verdi kann mit guten Librettisten nicht protzen. Ein gutes Libretto halte ich für unendlich wichtig. Ist es doch die halbe Miete.


    Verdi war mit einflußreichen und erfolgreichen Literaten befreundet. Er hätte bloss den Mund aufmachen müssen.


    Ein Libretto zu schreiben ist nicht so einfach, wie es aussieht. Der Handlungsaufbau muss stimmen und der Schmalz will in Worte gefasst sein. Das ist schwierig. Der romantische Überschwang ist ein Kontrast zur Ausrucksunmöglichkeit unserer Tage.


    Persönlich weiß ich ein gutes Libretto außerordentlich zu schätzen. Es gibt davon viele, die nicht als gut erkannt werden.


    Das Extremste was mir begegnet ist, nenne ich das von Steffanni " Enrico Leone" erleidet im Mttelmeer Schiffbruch und lässt sich in eine Tierhaut einnähen. Ein Greifvogel kommt zufällig vorbei und verschleppt die Tierhaut mit Heinrich als Inhalt in sein Nest. Heinrich metzelt die Jungvögel und hilft einem Löwen, der unter dem Baum mit einem Lindwurm kämpft. Das Wappentier gewinnt mit hilfe Heinrichs und erweist sich zutraulich. Auf einer Wolke, treten beide gemeinsam die Heimreise nach Lüneburg an und landen auf dem Kalkberg. Gerade rechtzeitig, um Mechtild aus der Bedrängnis eines unwillkommenen Freiers zu befreien.


    Das Libretto ist tadellos gearbeitet, nur der Regisseur und der Ausstatter sind gefordert, den Text bühnentechnisch umzusetzen. In den Comicheften der heutigen Zeit geht es reichlich doof und weitaus unlogischer zu. Man sollte nicht unterschätzen und für bare Münze nehmen, wenn der Librettist lediglich verulken wollte.


    Wenn der Autor schlicht und einfach nachlässig gearbeitet hat, was auch oftvorkommt, soll man ihn nicht in Schutz nehmen und Schlamperei rügen. Zweifel, ob man ihm damit gerecht wird, bleiben immer.


    :angel: