Beiträge von BigBerlinBear

    Michel Plassons schön dirigirte Aufnahme leidet unter der mangelnden Transparenz und Durchhörbarkeit des Chores, der nun einmal hauptsächlicher Träger des musikalischen Geschehens ist und dieser Mangel stuft die Einspielung leider herunter.


    Mark Minkowski, der Barockspezialist, geht das Werk so an, wie es von Wagner gedacht ist: fulminant zwar aber geprägt von den sächsischen Chortraditionen aus Leipzig und Dresden, in die Wagner dank seines Lehrers Weinlig hineinwuchs . Eine Veröffentlichung des Konzertes hätte die Chance, die Morris-Aufnahme , die noch immer 1. Wahl ist, abzulösen.

    Zitat

    In einem englischen Lexikon hab ich mal gelesen "German born English composer" ...


    Das bringt es genau auf den Punkt. Händel, der Deutschland sehr früh verlassen hatte, war der deutschen Sprache, die er zwar aus frühkindlicher Prägung heraus bis an sei Lebensende (Jephtha-Particell) immer wieder benutzte, nicht sonderlich mächtig. Woran das im Detail gelegen haben mag, soll hier nicht erörtert werden.


    Gäbe es von Händels Vokalwerken nur die wenigen in deutscher Sprache original komponierten, ("Brockes-Passion") würde er auf der Rangliste bedeutender Barock-Komponisten allenfalls einen gediegenen Mittelplatz einnehmen.


    Selbst seine Korrespondenz mit Freund Telemann wird in achtbarem französisch absolviert. Die wenigen erhaltenen deutschen Briefe (meist an Familienmitglieder) sind voll mit Unbeholfenheiten und zeugen davon, daß Händel die deutsche Sprache wenig geläufig war.


    Ganz anders dagegen, wenn er sich in italienisch oder englisch ausdrücken darfas es verständlich werden lässt, daß ihn sowohl Italiener wie auch Engländer sehr schnell als einen der "ihren" akzeptierten und feierten.


    Seine Beherrschung der englischen Diktion zumindest liesse Niemanden auf die Idee kommen, daß es sich um einen "Nicht-Muttersprachler" handeln könnte. Mit der englischen Aussprache dagegen soll er auf Kriegsfuss gestanden haben, wie mehrere Quellen glaubhaft überliefern.


    Händels Beitrag zur Stärkung des englischen Nationalgefühls wurde ganz folgerichtig damit honoriert, daß ihm die Nation eine Grablege dort gewährte , wo er zusammen mit Newton und Purcell die künstlerisch-geistige Elite des Inselreiches würdig wie kaum ein anderer repräsentiert und dabei spielt es keine Rolle, daß er zufällig in Halle geboren wurde.

    JR:


    Zitat

    Das Hauptthema der großen Fuge ist allerdings äußerst einprägsam und gut zu merken und nachzusummen


    Gut, das mag so, von Dir und mir aus betrachtet, zutreffend sein; die Mehrheit der Hörer dürfte es allerdings nach wie vor anders empfinden.


    Auch die von Zeitgenossen herb kritisierte A-Dur-Sinfonie hat heute längst Ohrwurmcharakter und es mag kaum nachvollziehbar sein, was Weber und Spohr meinten. In dem Zusammenhang unerwähnt blieb bislang der Begriff der musikalischen Prägung. Wer von früh an mit italienischen Operarien und den spritzigen Melodien eines Johann Strauss etwa in Berührung kam, der wird mit Beethovens späten Quartetten etwa oder auch der "Kunst der Fuge" schon so seine Probleme haben.

    Ich schätze ganz besonders genau das an Beethoven, was andere als "spröde", "hermetisch", "austernhaft verschlossen", gar "publikumsfeindlich" definieren, zum einen, weil es mir sympathisch ist, wenn jemand nicht einem als "Mode" ausgerufenem Zeitgeist dienen will, zum anderen aber auch deshalb, weil ich glaube, daß es für einen Komponisten wichtiger ist, sich selbst zu verwirklichen, als dem Publikum um jeden Preis gefällig zu sein.


    Wenn ich an die "grosse Fuge", die späten Quartette und die späten Klaviersonaten denke, waren genau sie es , die mir in komplizierten Lebenssituationen halfen, wieder auf die Beine zu kommen.


    Keines seiner "gefälligeren" Werke hätte dergleichen vermocht !


    Und im Übrigen ist Betthoven genau da in einer schönen Reihe mit Komponisten wie Heinrich Schütz, Bach und Hugo Distler zu finden, die ebenfalls bei vielen Hören als "spröde, schwierig und unzugänglich" gelten !

    Zitat

    Eine Nervensäge weniger! - gut so!!!


    Hätte jemand so auf einen Nachruf über Bernstein, Karajan oder Otto Klemperer reagiert: ein Aufschrei geballten Entsetzens wäre lawinenartig durch das "Forum" gerollt, aber da es sich jedoch "nur" um einen "selbsternannten" POP-Giganten handelte, bliebs hier vergleichsweise ruhig und "friedhofs-friedlich".


    Übrigens: MJ und seine Performances sind ganz gewiss nicht "my cup of tea" aber dazu, daß er mit seiner Verschmelzug aus Bewegung, Musik und Videoinstallationen das Genre revolutioniert und auch qualitativ angehoben hat, das zu erkennen bin selbst ich in der Lage...

    Daß ich Richard Strauss für einen überschätzten Komponisten halte, habe ich nie geleugnet und die Werke, die ich wirklich gern und bereichernd höre, sind wohl auf einer CD unterzubringen.


    Was jedoch nur wenige wissen: Strauss hatte eine ausserordentliche Begabung als Komponist für Chorwerke, die sich allesamt durch grosse technische Schwierigkeiten einerseits , aber andrerseits auch durch Klangerlebnisse auszeichnen, die diese Mühen des harten Erarbeitens wirklich lohnen:Deshalb als unangefochtene Nr. 1 meines kleinen aber feinen Strauss-Kataloges:



    Auch nach 16 Jahren seit der Veröffentlichung unübertroffen.Höchste Bewertung für Repertoirewert, Klangqualität und Interpretation.


    (Fast) gleichwertige Alternative zur vorgenannten ist diese hier:



    Das Meisterwerk "Metamorphosen" des alten Komponisten in exemplarischer Einspielung: Hier stimmt einfach alles:


    Hallo,
    Nein, von "Missachten" würde ich da nicht reden. Es gab bereits seit den 50ger
    Jahren des vergangenen Jahrhunderts das Bestreben, etwa Bachs "Orchestersuiten" oder seine "Brandenburgischen" in den großen Konzertsälen zu spielen; als Interpretenbeispiele für etliche andere seien hier Karajan und Klemperer stellvertretend für den "Rest" genannt. Die Ergenisse dieser Bemühungen jedoch sind in mehr als nur einer Hinsicht anfechtbar.


    Abgesehen von den Groß, bzw. "Freiluftwerken" Händels, dem im Bedarfsfall das vollständige musikalische Equipment des Vereinigten Königreiches zur alleinigen Verfügung stand, sollte man jedoch bedenken, daß die überwiegende Anzahl der barocken Orchesterwerke gewollt "intim" gedacht und konzipiert waren und dementsprechend auch die Räumlichkeiten zu berücksichtigen sind, in der sich eine solche Musik adäquat entfalten kann. Wenn hier, wie jetzt z.b., das "Freiburger Barockorchester" spielt, so treten die nicht in der Philharmonie sondern im geeigneteren "Kammermusiksaal" auf.

    Zitat

    Ein kleiner Schönheitsfehler: die Aufnahme ist nicht mehr lieferbar...


    Das ist nicht der einzige Schönheitsfehler dieser immer noch besten Einspielung der vollständigen Werksammlung. Mich stört der zum Teil arg kompakte Klang des Ganzen, die nicht deutlich von einander getrennten Chöre, die so rein garnichts vom venezianischen Musizieren Giovanni Gabrielis
    vermitteln und auch die hier als besonders unglücklich empfundene
    Anpassung der alten Luthertexte, (aus "Odem" wird "Atem") etc. nehmen der Aufzeichnung letzendlich weiter Pluspunkte weg.
    Auf eine in vielerlei Hinsicht vorbildliche Einspielung wird man also weiter warten müssen, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt....

    Mir sagt die Aufnahme unter Morris ganz besonders zu, nicht zuletzt schon deshalb, weil hier zwei nicht unumstrittene Werke in maßstabsetzenden
    Interpretationen gereicht werden, wie man sie sonst für dieses "Randrepetroire" gemeinhin nicht erwartet. Es grenzt wirklich an das "Un-Erhörte" was Wagner hier dem sonst eher Liedertafeln
    assoziierendendem Männerchor an irisierenden Klangfarben abgewinnt, aber auch das 2. Werk dieser beachtlichen Scheibe, Bruckners vielgeschmähtes "Helgoland" auf einen Text, bei dem sich mir, zugegeben, ob seiner Inferiorität, die Fußnägel kringeln, ist alles andere als ein Leichtgewicht, komponiert von einem Anton Bruckner, der sich ebenso wie der Dichter Grillparzer als Deutscher empfand, und bei dem das "Österreicher-Sein" auf verbale und emotionale Ablehnung stiess.

    Zween Meistern floss bislang der Ruhm nicht dick,
    er wird es künftig Vollerthun und schöner.
    Im einen liegt zwar kaum ein Gran Musik,
    im andern immerhin zwei Graener.


    (Hans Pfitzner)



    Georg Vollerthun, der u.a. Elsiabeth Schwarzkopf im Liedgesang unterrichtete, war Produzent diverser "heldischer" Opern, die so grauenhaft gewesen sein müssen, daß das Werk "Das königliche Opfer" über den Bittgang der Königin Luise allerdings in Ostpreußen durch den Gauleiter Erich Koch wegen der „tiefste(n) Erniedrigung und Schmach Preußens“ verboten wurde.... :D

    Zitat

    Die ausgezeichneten Musiker des Ensemble bringen diese Musilk des steyrischen Bauersohn, der viele volkstümliche Elemente in seinen Kompositionen verarbeitet, erlebnishaft zu Gehör.


    Die eindrucksvollsten Erlebnisse mit dem Clemencic-Ensemble sind die Stoßseufzer der Erleichterung, die man macht, wenn die Spielzeit der CD ENDLICH vorbei ist.
    Auch diese Scheibe gehört zu jenen, die bis zum Schluss zu hören, eine Strafe ist. Bei allen Verdiensten, die sich Celemencic schon sehr früh und explizit auch um Fux machte, SO bitte nicht !

    Lieber Walter,


    mir ging es mit der guten Amy Beach ganz ähnlich wie Dir: das ist alles sehr gut und sehr professionell gemacht, aber es bleibt, (zumindest bei mir) absolut "nichts hängen". Dasselbe Phänomen kenne ich allerdings auch bei einer Reihe von männlichen Kollegen der "wackeren Tonsetzerin" und fügt man noch persönliche Prägung und temporäre Seelenverfassung, eine Affinität zu bestimmte Musikstilen hinzu, wird es eben immer wieder geschehen, daß man bei manchen Werken einfach freundlich-zersteut weghört und das zu Gehör gebrachte schon wieder vergessen hat, bevor der letzte Ton verklungen ist.


    Möglicherweise hat mich die Musik dieser guten Frau einfach auch nur zur falschen Zeit und am falschen Ort getroffen, aber was damals meine Ohren lauwarm umspülte, hat mich nicht neugierig gemacht, meine Kenntnisse zu vertiefen. Vielleicht ging es ja anderen damit besser. Dir jedenfalls herzlichen Dank für den schönen Eröffnungsbeitrag und freundliche Grüsse aus dem winterlichen Berlin.

    Zitat

    Rationale Argumente wie "meisterliche Polyphonie"?


    Hallo KSM, also ich würd garnicht soweit gehen. Hildebrandt hat zurecht darauf hingewiesen, daß ein Vergleich der Bach-Telemann-Suiten zwangsläufig beide Komponisten und deren Herangehensweise an den "Gegenstand" in Schieflage versetzt. Der Lullist insistiert Bach unterschwellig trockene Gelahrtheit und ist generell der Auffassung, daß Bach "überschätzt" sei und genau an dem Punkt setzt mein Widerspruch ein.


    Übrigens verstand es auch Telemann, mit "meisterlicher Polyphonie" zu punkten, etwa in der Kantate "Du, Daniel, gehe hin" des Zwanzigjährigen , die dem alten Thomaskantor Johann Kuhnau eitel Staunen entlockte.

    Zitat

    Vermutlich trifft Deine vielschichtige Analyse nicht ganz den Kern der Dinge.


    Unser Lulliste hält ja seinen Meister auch für einen bedeutenden Compositeur von Kirchenmusik, aber dem wahrhaft Glaubenden ist nun mal mit rein rationalen Argumenten nicht beizukommen, aber ich find solche Statements schon geil, irgendwie, oder so...

    Die Spätwerke Igor Strawinskis sind, bald 40 Jahre nach dem Tode des Komponisten, noch immer weitgehend unbekannt. Michael Gielens Einpielung des "Canticum Sacrum", der Ballettmusik "Agon" und der "Requiem Canticle" von 1968, hier mit Retuschen im Präludium von letzter Hand des Komponisten
    aus 1971 erstmalig eingespielt, kann nur als sensationell bezeichnet werden.


    Ich kann nur hoffen und wünschen, daß das "Zentralwerk" des dodekaphonen Strawinsky, die Klanggewaltigen "Threni" aus 1958 noch "nachgeliefert werden!
    Chorklang und orchestrale Balance der Aufnahme lassen in puncto Durchhörbarkeit und Gestaltungswillen aller Beteiligten keinen Wunsch offen.
    Meine ganz persönliche Empfehlung für jene, die glauben, "fast alles" zu kennen. Strawinsky, quasi im "Klanggarten" Schoenbergs und Weberns "wildernd" sollet allen Aufnahmewilligen zur faszinierenden Erfahrung werden !


    Höchste Bewertung für Aufnahmequalität, Interpretation und Repertoirewert !



    Zitat

    Provokante Frage: Hätte eine Clara Haskil (welche innere und äussere Altersschönheit!) heutzutage „markttechnisch“ noch eine Chance?


    Ich frag mal andersherum: Hätte Thomas Quasthoff zu Zeiten, als Clara Haskil ihre unvergleichliche Podiumspräsenz hatte, überhaupt die Chance bekommen, jemals eine Bühne (ohne den Hintereingang nehmen zu müssen !) zu betreten ? Ich behaupte schlechtweg: nein !


    Aussehen und Vermarktung sind eben zum Glück NICHT alles.


    Herzliche Grüsse aus dem gänzlich unweihnachtlichen Berlin. Hier blühn bereits vereinzelt die Schneeglöckchen...

    Zitat

    Wenn Emma Kirkby die Kantate noch einmal aufnähme, würde ich mich natürlich freuen.


    Hallo Glockenton,


    ich hatte das traurige Vergnügen, die besagte Sängerin mit genau diesem Werk in diesem Jahr live zu hören und der fatale Eindruck, den schon die vor 2 Jahren erschienene Einspielung von Buxtehude-Kantaten bei Chandos, (hier Vol.2) machte, bestätigte sich. Die Stimme einer 60jährigen ist, auch bei guter Pflege, für diese Musik nicht mehr geeignet und Frau Kirkby tut sich keinen Gefallen, an dgl. weiterzuarbeiten.
    Referenz ist für mich derzeit doch Sampson/Suzuki, auch wenn ich hier und da eine andere Gestaltung der Tempi für wünschenswert gehalten hätte,

    Zitat

    Original von HolgerB Diee beiden Hinze Sinfonien habe ich sehr wohl gehört ! Die find ich aber auch nicht soo doll, die beiden.


    Stimmt. ich mag die Kunze-Sinfonien auch viel lieber, die sind wenigstens Musik ! :pfeif:

    Zitat

    Die Frage nach dem breiten Publikum wird immer wieder gestellt. Aber ist das breite Publikum für Bedeutung und Qualität wirklich relevant?



    Um Himmelswillen, bloß nicht, denn ginge es nach dem "breiten Publikum", wären Carl Jenkins und Andrew Lloyd-Webber,Justus Frantz und Gotthilf Fischer, die "3 Tenöre" und AN die "Mount Everests" der klassischen Musik.
    Mit Relevanz, Bedeutung und gar Qualität hat das wahrlich NICHTS zu tun !

    Hallo Liebestraum,


    Böhms "Zauberflöte" und "Cosi" werden nach wie vor von den Liebhabern der Sänger Wunderlich und Schwartzkopf geordert, und die gingen auch über den Ladentisch, wenn der Dirigent Otto Müller-Lüdenscheid hiesse.


    Was den "Berliner" Boulez-Mahler-Zyklus angeht, wäre es vorteilhaft gewesen, diese "negativen" Kritiken nicht pauschal wie einen Sack Kartoffeln in den Keller zu werfen, sondern die Aussage zu präzisieren. Ich könnte, sprengte das nicht den Rahmen dieses Threads, der ja von Aura und Charisma handelt von gewiss ebensovielen "positiven" Kritiken zu diesem Thema berichten...



    Böhm, den ich nur einmal live erlebte, interessiert mich als Mozart-Dirigent garnicht, umso mehr jedoch als grossartiger Interpret von Bergs "Wozzeck" und "Lulu". Für diese Musik hatte er eine ausserordentlich glückliche Hand und genau die richtigen Sensoren.


    Und noch etwas: Edwin schreibt hier unter seinem "real name", der Baumgartner und nicht Baumgarten lautet. Ich denke, auch Dir gefiele es wenig, anstelle von "Liebestraum" mit "Liebestöter" apostrophiert zu werden.


    in diesem Sinne :hello:

    Lieber Edwin,


    natürlich hatte der Senat von den ganz sicher überzogenen Anforderungen des alten Egomanen die Schauze gestrichen voll und ich hab noch sehr gut einen hier nicht zitierbaren Ausspruch der damals zuständigen Senatorin zu diesem Thema im Ohr. Kein Zweifel: als Zirkusattraktion für ein zahlendes Publikum taugte HvK auch in seinen späten Jahren noch allemal und seine Konzerte waren immer bis zum letzten Platz ausgebucht.


    Ich war aber damals gewiss nicht der Einzige, er aufatmete, als HvK incl. Eliette und Entourage in Richtung Wien/Salzburg davondüste...


    Abbado hielt ich wirklich für einen Glücksfall für das Orchester und das Publikum und wenn ich an diese Ära denke, komm ich sonst eher unsentimentaler alter Knochen ins Schwärmen....


    Der derzeitige "inhaber des Thrones in Berlin" ist wahrlich nicht zu beneiden; die ihm seinerzeit zugsprochenen Tugenden verloren sich hier sehr schnell und jetzt ist er jemand, der, in Abwandlung Hugo von Hofmannsthals "eine große Zukunft hinter sich hat" !


    Chailly ist nicht nur ein großer Zauberer bei der Wiedergabe von Mahlers 7. sondern er ist für mich derzeit DER Dirigent für die von Dir ungeliebte 3. dieses Komponisten, die einmal zu hören ich Dir dringend anrate.

    Zitat

    War das wirklich soviel anders? Fußte das Zerwürfnis zwischen HvK und dem Orchester nicht ebenso primär auf "interne Zustände und Probleme"? Hatte er wirklich auch die Gunst des Berliner Publikums verloren?


    Hallo Theophilus, nun, ich denke schon, daß vor allem die Chemie zwischen Orchester und Dirigenten nicht mehr stimmte, ganz unabhängig davon, wie Karajan-Gegner oder Karajan-Befürworter ihr Hassobjekt bzw.Idol sehen.


    Ich war damals (und bin es auch heute noch), der Auffassung, daß der Berliner Senat zu wenig getan hatte, Karajan zu halten, denn ganz ohne Zweifel war Karajan in einer Stadt, die am Subventionstropf des Bundes hing, ein Publikumsmagnet erster Klasse, den ich auch aus rein wirtschaftlichen Gründen nicht so ohne weiteres preisgegeben hätte, ganz unabhängig davon, daß ICH diesen Dirigenten nach wie vor für überschätzt und überbewertet halte.

    Lieber Alfred, natürlich ist auch das eine Frage der Einstellung und des Geschmacks, WEM man Charisma zubilligt und wem nicht !


    Bei den Dirigenten der von Dir hier in Betracht gezogenen Generation fallen mir auf Anhieb Kent Nagano und Riccardo Chailly ein, zwei Pultlöwen, wie sie eigentlich unterschiedlicher kaum sein könnten und die doch ,was man (wenn auch durchaus unterschiedlich und für mein Verstehen zu verschwiemelt ausgedrückt, genau das haben was man etwas pathetisch als "Aura" oder von mir aus auch als "Charisma" bezeichnet.


    Der Vergleich, auf welche Art Abbado aus Berlin "hinwegkomplimentiert" wurde, hinkt schon deshalb, weil es sich dabei überwiegend um interne Zustände und Probleme handelte und nicht weil er etwa die Gunst des Publikums verloren hatte. Und Du wirst Dich sicher erinnern, daß HvK alles andere als einen glänzenden Abgang aus Berlin hatte, was seine Hagiographen ganz gewiss nicht davon abbringen wird, daß er der "grösste HvK aller Zeiten" war!

    Zitat

    Weil Strawinskij vielleicht doch, auch wenn man's nicht wahrhaben will, eigentlich sehr recht gehabt hat?


    Hallo Edwin, natürlich hatte Strawinski, der ja bekanntermassen mit Genuss boshaft war, rechtgehabt, hat er doch auf seine flapsige Weise das "Strickmuster" dieser Orchesterwerke offengelegt.
    Er hat sich auch sehr negativ über Rameau geäussert, den er keneisfalls den wirklich bedeutenden Komponisten zugeordnet wissen wollte.
    Zu seiner Entschuldigung ist anzubringen, daß er offenbar weder Vivaldis Geistliche Musik noch Rameaus Opern kannte.


    Übrigens, als hauptberuflicher Kritiker, der ausserdem auch noch ein beachtlicher Komponist von Graden war, fällt mir spontan nur Virgil Thomson
    (1896-1989) ein, den als Kiritiker zu erleben, in seinen fortgeschrittenen Jahren schlief er gerne HÖRBAR während einer Vorstellung ein !) ich noch die Gelegenheit hatte.