Auch ich musste mir während des Studiums ganz ähnliches wie das, was Edwin schilderte, anhören, wenn auch mit der ein wenig herablassend gemeinten
Zusatzbemekung, daß Lully als "Schöpfer der Französischen National-Oper" eben doch einige Bedeutung zuzubilligen sei.
Seine wirkliche, große Leistung, nämlich das Schaffen eines Stiles, der für die folgenden 150 Jahre verbindlich wurde, und der eben genau jenes ist, was der wenig erfahrene Hörer bis heute als den tönenden Inbegriff von Barockmusik empfindet, DIESEN Stil klopfte Lully in einsamer, solitärer Arbeit wie ein Bildhauer aus ungefügem Stein heraus und führte ihn zur ersten triumpfalen Vollendung !
Ohne die Arbeit etwa eines Corelli oder Stradella an der Erschaffung des spätbarocken Idioms schmälern zu wollen: DIESE gewaltige Wirkung über Geschmacks- und Ländergrenzen hinweg erreichten sie allesamt nicht.
Daß ich nicht mit allen seiner Opern so ganz glücklich werde, hat gewiss nichts mit seinem Können als Komponist und schon garnichts mit den in den meisten Fällen ausgezeichteten Texten, die er vertonte, zu tun.
Statt seinem untrüglichen Gefühl (er war der geborene Theaterkomponist!)für Klang, Farben, Dramaturgie und Proportionen zu vertrauen. gab es ab einem gewissem Punkt nur noch eines für Ihn: Was muss ich tun, daß das Werk Seiner Majestät uneingeschränkt gefällt, denn Majestät waren dafür berüchtigt,bei längeren Stücken schnell zu ermüden, um nichts zu sagen, ungeniert zu Gähnen und sich zu langweilen. Und um dieses zu verhindern war Lully bereit, auch wider besseres Wissen ALLES zu opfern, wofür er sonst mit seinem Leben eingestanden hätte !
In einem ansonsten großartig organisiertem Werk wie dem "Thesee" wird das überdeutlich. Alles ist schon wieder vorbei, bevor es überhaupt Gelegenheit hatte, sich in aller möglichen Fülle zu entfalten. Zumindest bei mir erzeugt das einen faden Nachgeschmack.
In der derzeit letzten Oper des Meisters, die ich in Gänze hörte, der "Psyche", sind die Proportionen stimmiger. Der "italienische Akt" etwa, dürfte die auf dem "Stiefel" komponierenden Zeitgenossen das Fürchten gelehrt haben, aus der Angst heraus,daß Lully nun in ihren "angestammten Revieren" zu wildern gedenke...
Der Aufstieg des Küchenjungen aus Florenz zum "Musikmacher der Welt" bleibt eine wahrhaft unglaubliche Geschichte, nicht frei von Elementen billigen Intriguenspiels und seifenopernhaften Charakters und man müsste sie glatt für von Moliere erfunden halten, würden nicht reichlich vorhandene Dokomente ihre Wahrheit bezeugen.