Beiträge von BigBerlinBear

    Hallo,pt_concours


    Meines Wissens nach führt Rademann den "Schwanengesang" immer vollständig auf, bei der "Geistlichen Chormusik" achtet er jedoch darauf, daß das Programm als ganzes nie länger als 90 Minuten dauert, was bedeutet, daß er von 29 Motetten im Konzert etwa jeweils 10 NICHT zu Gehör bringt, aber wer unbedingt ALLE auf einmal hintereinander hören möchte, dem sei hier noch einmal Rademanns Gesamteinspielung der Motetten empfohlen:


    Hallo Sagitt,


    ich glaube, wir haben uns hier wohl missverstanden; ich definiere die WICHTIGSTEN Werke Schützens als jene, die er höchstselbst autorisiert hat und im Druck erscheinen liess. Und da vermisse ich die "Zwölf geistlichen Gesänge", 1657 erschienen, wirklich schmerzlich. Dafür halte ich anders Veröffentlichtes für durchaus entbehrlich, wie die bei CPO erschienenen "Weltlichen Werke", die schlagartig klarmachen, WER für das Fehlen groß angelegter Kompositionen zum "weltlichen Musizieren" verantwortlich zeigt, nämlich kein geringerer als der Komponist persönlich, der wohl gründlich dafür gesorgt hat, daß weder die "Daphne" aus 1627 noch die für den Dresdner Hof verfassten "Maskenspiele mit Mummenschanz und Gesang" auf uns gekommen sind,(dem Himmel sei Dank !), hätte sich doch Schüttz damit der (deutlich überlegeneren) Konkurrenz aus Italien stellen müssen. Weder die z.T. wirklich "jenseitigen" Texte noch die darin vorgegebenen Parameter für die Musikgestaltung hätten auch nur annähernd mit Monteverdis Arbeiten auf diesem Gebiet mithalten können und Schütz wusste das sehr genau...


    Ob sich in dem gedruckten Deckblatt mit des Sagittarius handschriftlicher Notiz
    wirklich das "Opus Ultimum" des "Urvaters der deutschen Musik" vom in Grimma (verändert) überlieferten "Deutschen Magnificat" abgesehen befindet, oder ob es sich hier um das Werk des Schütz-Schülers Christian Dedekind handelt, der sich annähernd zeitgleich ebenfalls der Komposition von Psalm 119 widmete, kann vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt beantwortet werden. Die seltsame Ortographie "Schüzze", "Schützius" (sic. !) -Schütz war immer der Sagittarius und die so völlig andere, viel expressivere Sprache der in Uppsala überlieferten, späten
    Schütz-Werke
    lassen zumindest genügend Raum für Skepsis und Spekulation und so etwa deute ich auch die Ablehnung von Manfred Cordes, sich des "Schwanengesanges" als Interpret zu verweigern.

    Diese Aufnahme ist 1993 erschienen und war von so guter Qualität, daß eine Überarbeitung Unsinn wäre. Es handelt sich aber in jedem falle um die Einspielung aus 1993 !

    Zitat

    Und ehrlich: zwar mit vielen Einzelaufnahmen, finde ich zu Schütz doch sehr gut ausgestattet.


    BBB erwidert:


    Das mag ja sein, trotzdem sind wesentliche Werke bislang noch garnicht oder ungenügend vorgelegt worden: Nicht einmal alle im Druck erschienenen Werke, wie z.b. die bedeutenden "12 Geistlichen Gesänge" aus 1657, die Schütz z.T. als "deutschen Palestrina" dokumentieren. liegen vor. Auch wurde meines Wissens der grandiose "Gesang der Jünglinge im feurigen Ofen" nochj niemals eingespielt, also bliebe da schon noch reichlich zu tun.

    Hallo Sagitt,


    Gardiners 1. Konzert in Berlin 1979, ich berichtete hier an anderer Stelle schon, war für mich eine Offenbarung, sowohl Chorklang wie auch Gestaltung der Werke betreffend, aber so richtig der "große Chor" war es nicht, denn ausser bei "Singet dem Herrn" und "Jesu meine Freude" wurden die andren Motetten in etwa "halbierter" Besetzung dargeboten; bei den Doppelchörigen Werken war, was ich als ungemein wohltuend empfand, der 2. Chor lediglich ein Quartett. Krönender Abschluss des konzertes damals war D. Scarlattis "Stabat Mater a 10" das
    mich als Hörer fassungslos zurücklies, hatte ich doch dergleichen vom Komponisten netter Cembalo-Miniaturen nicht erwartet...
    Nach über 30 Jahren würde mich Gardiners heutige Auffassung der Motetten sehr interessieren.

    Bach-Bernius


    Frieder Bernius zählt ganz sicher zu den "intelligenten" Chormusik-Gestaltern, die bei Ihrer Interpretation nicht nur ihr "Ohrenmerk" auf den Klang richten, sondern bemüht sind, bei wortgezeugter Musik dieses auch vermitteln zu wollen. Was mich an seiner Einspielung stört, sind die Größe und das Volumen des Chores, die so Bachs Absichten wohl kaum entsprochen haben, aber dies ist, wie so vieles andre auch "reine Glaubenssache" !

    Zitat

    d.h. er saß vom 06.11.1717 bis zum 02.12.1771 im Gefängniss.


    Also daß Bach über seinen Tod hinaus, (im ganzen 54 Jahre) im Gefängnis zubringen musste , ist nun wirklich unverzeihlich; da hilft auch keine noch so späte Reha darüber hinweg und als er am 02.12.1771 entlassen wurde , war er, der im Alter von 65 anno 1750 verstorbene, immerhin 86 Jahre alt ! :yes:


    PS: Nachkommen der Bach-Familie gibt es im Thüringischen und im Fränkischen reichlich, aber im Rahmen einer Verhandlung hätte Bach, der "wegen seiner Halßstarrigkeit ob verweigerter Demission" eh schlechte Karten vor Gericht gehabt hätte, wohl eher alt ausgesehen.


    Betrachten wir das ganze als gut gemeinten, wenn auch juristisch fragwürdigen Gnadenakt.

    Zitat

    Der Verfasser obiger Zeilen ist zugleich der Entdecker von BWV 1128. Man kann also schlecht verlangen, dass er es bei einem „so what?“ als Kommentar belässt.


    Natürlich geb ich unumwunden zu, wenn ICH das Ding gefunden hätte, wär keine Steigerung zu hochgegriffen gewesen, um es sensationsheischend an den Mann zu bringen.


    Bedenklicher stimmt mich allerdings dieses:


    Zitat

    Trotzdem zeigt sich in dessen Fantasie bereits die hohe, von keinem seiner Zeitgenossen erreichte Kunst der umschichtigen Kombination aller Stimmen bei intensiver Durchdringung von Textinhalt und musikalischem Material.“


    Das halte ich für eine unbewiesene Behauptung denn genau das können Böhm und mehr noch Buxtehude auch, die Bach in dieser Hinsicht um nichts nachstehen. HIER steht Bach noch ganz im Schatten seiner Vorbilder und das vermutete Entstehungsjahr 1705 halte ich für verglechsweise spät angesetzt.


    Schade, daß ich Anfang Juli zum "Fest Alter Musik im Erzgebirge" bin und Martins Konzert in Berlin nicht hören kann, aber die Weinberger-CD steht auf meinem Merkzettel.

    Wie Du sicher schon bemerkt hast, suche ich mir immer aus, ob ich etwas verstehen will, oder ob ich es missverstehe. Aber dahinter steht immer eine Absicht, dem Zufall bleibt nichts überlassen ! :D


    Nach Einsichtnahme in die Noten gehöre ich offenbar zu den wenigen , welche die Euphorie, diesen Fund betreffend, NICHT teilen. Ist das Stück wirklich besser oder beeindruckender als die Fanatsien von Tunder, Buxtehude, Böhm ?


    Meine Antwort ist ein klares "Nein". Ein unbekanntes "freies" Bach-Werk oder gar ein Buxtehude-Stück NACH 1685 komponiert wäre sensationell gewesen, aber da das Leben bekanntlich kein Wunschkonzert ist, muss man das eben nehmen wie es ist.

    Lieber Edwin, ich brech ja keine Stäbe über etwem, hatte aber selbst ob folgenden Bonmots um ein Haar einen Prozess an der Backe:


    "Das schönste Geschenk der Deutschen an die englische Nation war George Frederick Handel und die Engländer bedankten sich herzlich bei den Deutschen dafür, indem sie ihnen grosszügig Houston Steward Chamberlain und Winifred Wagner überliessen" !


    PS: Natürlich weiss ich, wen Du meinst und ich weiss ebenso, daß dergleichen kein Einzelfall ist !

    Hallo Hadubrand, für meinen ungwönlichen Charme bin ich berüchtigt, ob der aber etwas spezill berlinisches hat, weiss ich nicht, denn schliesslich bin auch ich, wie fast alle Berliner, "nur ein Zugereister" ! :D


    Mit einer leichten, aber durchaus werbewirksamen Veränderung ihres Nachnamens waren die Trampel(i) keinesfalls die ersten, sondern begonnen hatte dieser Spaß schon mit dem Erbauer der sogenannten "Sonnenorgel" zu Görlitz, Eugen Caspar, der sich wohllautend Eugenio Casparini nannte, worauf sich Johann Jacob Donat sagte: "was der kann, kann ich schon lange" und seinem halbwegs geeigneten Nachnamen ein klitzekleines "i" anhing. Auf diesen ungebremsten Zug der Modetorheiten sprang schliesslich auch der alte Trampel auf ! :D


    Die Orgelbauer Sachsens hatten nach dem erfolgeichem Auftreten Silbermanns, der seinen "Start" in seinen Geburtslanden ausserordentlich werbewirksam in Szene setzte, folgendes Problem: nach etwa 20 Jahren Bautätigkit des Freiberger Meisters hatte sich allenthalben herumgesprochen, daß seine Orgeln einfach weniger reparaturanfällig seien als die der Konkurrenz
    und genau da setzen jene Orgelmacher wie Oehme, die Donatis der dritten Generation und eben auch die Trampels an:


    Noch Carl Eduard Schubert behauptet, daß seine im Jahr 1879 vollendete Orgel für die St. Marienkirche zu Marienberg "streng nach Silbermann" gebaut sei, was aber lediglich auf den Bereich der Materialien und der Mechanik zutrifft; natürlich wurde dieses Instrument nicht mehr modifiziert mitteltönig gestimmt, sondern man kann darauf, wenn man dergl. Musik schätzt, auch wunderbar Reger oder Rheinberger spielen. Auch sind fast alle Orgeln dieser "Silbermann-Clone", um sich eines gehobenen wissenschaftlichen Terminus zu bedienen, insgesamt grundtöniger
    angelegt als vergleichbare Werke Silbermanns.


    Auf der Steinmüller-Orgel zu Wolkenstein (ca. 1810) kann man ganz hervorragend romantisches Repertoire spielen, auch die Orgeln Oehmes, eines Silbermann-Schülers, eignen sich hervorragend zur Wiedergabe von Musik NACH 1750. Unter den Trampeli-Orgeln befinden sich sehr ungleichwertige Instrumente mit z.T. nur noch bescheidnener originaler Substanz.


    Ich generalisiere meine meine Einschätzungen übrigens nicht, sondern beschränke mich auf mir persönlich bekannte Istrumente und die Aussagen ihrer Restauratoren, (bei den hier gelisteten überwiegend die Fa. Wegscheider Dresden).


    Wenn Dich das Thema, wie ich fast befürchte, wirklich brennend interessiert: Darüber kann man gut nachlesen bei: Oehme: Orgeln im Königreiche Sachsen (4 Bd.) und Dähnert: Historische Orgeln in Sachsen. Ob die Trampels in Leipzig, wie immer wieder kolportiert wird, wirklich "Schrott" gebaut haben, wird sicht nichtmehr beweisen lassen können, da diese Instrumente samtsonders verschwunden sind. Ob sie wirklich so gute Marktstrategen waren
    wie Du hier glauben machen möchtest, kann auch angefochten werden, spricht doch die mir bekannte Firmengeschichte eine andere Sprache.

    Oh wie liebe ich doch den Widerspruch um des Widerspruchs willen !
    Auf Krebs trifft das zu was auch für andere gilt: das Bessere ist und bleibt nun mal der Feind des Guten und ich denke, ich konnte ausreichend und nachvollziehbar begründen, warum ich KEINEN Lobgesang auf den eben doch nicht genialen Krebs anstimmen konnte, auch wenn Du mir unterschwellig unterstellst, daß ich Krebsens Leistung in irgendeiner Weise mindern möchte.


    Was bei Krebs das Finden sogenannter "blitzdurchfahrender" Stellen angeht, ist das weniger ein logistisches, sondern eben doch ein qualitatives Problem.


    Mir gefällt er genau dann am besten, wenn er vergisst, daß er eben jetzt und sofort einen ganz gewissen Zeitgeist bedienen muss, sondern ohne sich selber permanent zu hinterfragen, "darauf los komponiert". Überzeugend hat das Irmtraut Krüger in ihrer Auswahl eingefangen, die unmittelbar nach der Wende in Altenburg entstand und von der ich meine, daß sie genau das enthält, was ein interessierter Hörer von Krebs kennen sollte. Wem das nicht ausreicht, der kann immer noch auf die diversen Gesamteinspielungen nach seinem Gusto zurückgreifen. Hier also meine persönliche Krebs-Empfehlung:



    Die Schramm-Orgel in Wechselburg als "Silbermann-Klone" abzuwerten, wird weder Donati/Schramm noch Silbermann gerecht, vielmehr verweist die ausgesprochen herbe Klanglichkeit dieses Instrumentes auf die Orgeln die Christoph Donat im Altenburger/Leipziger Raum baute. Ich weiss nicht, welche der Trampeli-Orgeln Du gespielt oder gehört hast, mir persönlich ist die Orgel der Kirche in Markersbach (Landkreis Aue-Schwarzenberg) besonders vertraut.


    Wesentliche Bereiche aus der Silbermannschen Mechanik übernahmen fast alle Orgelbauer Sachsens, bis hin zu Mende (gest. 1852) oder Schubert, (gest. 1901), der sich übrigens makabrerweise im Gehäuse der Silbermann-Orgel in Reichenbach/Voigtland erhängte. Klanglich jedoch knüpft Trampeli nicht an Silbermann an, gäbe es eine sogenannte "empfindsame" Orgel, das Markersbacher Insturment verdiente dieses Prädikat.


    Die Krebs-CD Nr. 10 ist wirklich empfehlenswert aber ich hatte mich bewusst für die 9 entschieden, weil weder Orgel noch Orgelbauer hinlänglich bekannt waren, das Naumburger Instrument dagegen sich großen (verdienten) Ruhmes erfreut !

    Ich bin im Besitz einiger Krebs-Aufnahmen unter Felix Friedrich aus dem Hause "Querstand".


    Die Gesamtaufnahmen der Krebsschen Werke werde ich mir wohl NICHT zulegen, dafür sind die Kompositionen einfach zu ungleichgewichtig und der Bach zugeschriebene Spruch "vom eynzigen Krebs in meinem Bache" wirft eher ein Schlaglicht darauf, wie grundlegend sich Geschmack und Orgelkultur in Deutschland nach ca. 1740 gewandelt hatten. Krebs ist hin-und hergerissen zwischem dem, was Bach als "letzter Vertreter der norddeutschen Orgelschule" aus dem Stylus Phantasticus eines Buxtehude und Reinken zu erlesener später Blüte brachte, und dem Vokabular des zur "Empfindsamkeit" hin gewandelten musikalischen Geschmackes. Der Versuch, beide Stilrichtungen zu vereinigen, muss als gescheitert angesehen werden, denn die Kraft, das sozusagen "unvereinbare zu vereinen" ist bei Krebs nicht vorhanden, dazu hätte es eines Genies bedurft


    Ungeachtet dessen gibt es, sowohl im alten, wie auch im neuen Stil schöne Stücke, die die sichere Hand des Profis verraten, aber mir persönlich ist keine Stelle bekannt, wo sozuagen "der Geist über Krebs" kommt und sich das Gute zum Ausserordentlichen erhebt.


    Die Friedrich-Aufnahmen sind für mich vor allem interessant wegen der verwendeten Orgeln, wie z.b. hier die wundervolle Orgel Johann Jacob Schramms in der Stadtkirche zu Wechselburg in Sachsen, eines Meisterschülers von Johann Jacob Donati, der mit diesem Werk die fast 300jährige Tradition im Orgelbau der Familie Donat/Donati an die Schwelle des 19. Jahrhunderts führte.


    Zitat

    P.S.: Über Wagner als Mensch schweige ich. Ich halte es für eine Tragödie sonder gleichen, daß ausgerechnet dieser -Brocken ein derartiges Genie war, ohne das der Musikgeschichte eine ihrer tragenden Säulen fehlen würde.


    Und das Dilemma ist, daß man daran leider auch häufig bem Hören seiner Musik denken muss. Viel einfacher wäre es, wir hätten nur wenig oder garkeine Kenntnis von seiner Biografie, wie etwa im Falle Shakespeares, und selbst wenn ich meinen geliebten "Parsifal" höre, geht mir der Spruch, "es sollten alle Juden in einer "Nathan"-Aufführung verbrennen", nicht aus dem Kopf...
    Dieser Mann ist ein Paradebeispiel dafür, daß ein großer Künstler durchaus ein fieser Mensch sein kann. Die Geister werden sich weiter an ihm scheiden,

    Zitat

    Diese Gabe besaß aber auch mein geliebter Dvorak Und Tschaikowskijs Gabe der Melodieerfindung ist ja auch nicht gerade von schlechten Eltern.


    Lieber Wulf,


    mit dieser besonderen Gabe der Melodieerfindung meint Edwin nicht jene rhythmisch und metrisch fest umrissene Melodik von Dvorak, Verdi und anderen: bei Wagner ist die "Melodie" (vielleicht ist der Begriff in dem Zusammenhang garnicht so glücklich in ununterbrochnener Bewegung, ein "unendliches Fliessen", eben jene "Fülle des Wohllauts", von der Thomas Mann so bewegend Zeugnis ablegte. Wagner gleicht darin durchaus den großen Meistern der Gotik und der frühen Renaisscance, die quasi ihre "Kathedalen aus Klang" in geradezu schwindelerregende Höhe emporwölbten und auch genau dieses unterscheidet ihn grundlegend von seinen komponierenden Zeitgenossen, mit denen man ihn schon aus diesem Grunde eher nicht vergleichen sollte. Mir persönlich geht es seltsam mit ihm: ich bewundere ihn, aber ich liebe ihn nicht, weil mir vieles in Person und Werk unangenehm bis widerwärtig ist, aber daran, daß dieser "kleine Sachse" (gä verninfdsches word mähr heide) eine der gewaltigsten schöpferischen Potenzen der abendländischen Kunst war, besteht kein Zweifel.


    Liebe Grüsse aus Zürich


    :hello:

    Edwin:


    Zitat

    (Obwohl ich gestehen muß, daß es bei mir gerade der "Parsifal" war, der meine Wagner-Euphorie auslöste.)


    Mir ging es ebenso: Alles andre, was sich von Wagner gehört hatte, war mir entweder "zu opernhaft" (ich oute mich hier erneut als Verächter des Genres)
    oder wie im Falle vom "Tristan" und dem "Ring", die mir beide a: zu lang: b: zu wirr waren und die ich in Gänze bis heute auch nie vollständig gehört habe, stellte sch bis zum Tage das Verlangen nicht ein, meine Kentnisse zu vertiefen.
    Allerdings habe ich die Dichtungen mehrfach gelesen und den Klavierauszug des "Tristan" ausführlich studiert.
    Beim "Parsifal" jedoch war ich sofort "mittendrin" und von der ersten bis zur letzten Note fasziniert.

    Zitat

    Seine Sakralmusik interessiert mich mehr als seine Opern (die ich aber leider bis auf wenige Ouvertüren noch nicht kenne).


    Hallo TB, im Falle Hasss liegt eine echt bizarre Markt-Situation vor: der gefeierte Opern-Meister ist auf Tonträgern derzeit vor allem mit Kirchenmusik präsent. Bühnenwerke in exemplarischen Einspielungen dagegen gibt es kaum.
    Ob sich hier eine "Umbewertung" des Bergedorfer Vollblut-Italieners anbahnt, sollte man beobachten ! :D

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    Sicher waren Monteverdi, Rameau und Lully der "breiten Masse" damals nicht zugänglich, und zwar in jedem Sinne des Wortes. Andererseits sind die Kirchenmusiker des 16. bis 18. Jahrhunderts, Bach, Mozart, Bellini und Verdi (und auch Lortzing, Offenbach und Johann Strauß etc.) bis heute die tragenden Säulen der Klassik und waren dennoch die "Hitproduzenten" ihrer Zeit.


    Auf Rameau und Lully mag das mit der fehlenden Zugänglichkeit für die breite Masse zutreffen, weil beide "hauptamtlich" Musiker waren, deren Bühnenwerke
    für die Höfe und das dort verkehrende Publikum bestimmt waren.


    Monteverdi jedoch, der in erster Linie Kirchenmusiker war und dessen "weltliches" Schaffen lediglich eine (wenn auch bedeutsame) Episode in seinem Werke-Kanon darstellt, schrieb vorrangig Kompositionen für die Gottesdienste, die natürlich jedermann bei freiem Eintritt zugänglich waren.


    Die "breite Masse des Publikums" war im 17. und 18. Jahrhundert gewiss "gebildeter", als das wohl heute der Fall ist, in Sachsen und Thüringen komponierte zwischen dem 16. bis 18. Jahrhundert fast jeder Dorfkantor selbst und seine Protagonisten waren die Gemeindemitglieder.


    Die von Dir gelistete Konstellation kristallisierte sich SO erst in der 2.Hälfte des 19. Jahrhunderts heraus und kann auf die heutige Zeit bezogen, keine Gültigkeit mehr für sich beanspruchen. Die hier benannten Kirchenmusiker des 16. bis 18. Jahrhunderts würde ich keinesfalls als "tragende Säulen der Klassik" bezeichnen, obwohl mich das als Kirchenmusiker ja freuen sollte. Bach stellt da eine Ausnahme da, aber eben auch erst seit ca. 1850, als in aller Welt verkündigt wurde, daß er "groß" sei. Weder Schütz, Palestrina oder Fux schrieben "Hits" sondern ordneten ihr Schaffen selbst etwa so ein, wie Bach es anschaulich reimend formuliert hatte:


    "Dem Höchsten Gott allein zu Ehren/Dem Nächsten draus, sich zu belehren. "


    Die Mehrheit dieser Musik erfährt heute eher ein Nischendasein, während sie dagegen in der Zeit ihrer Entstehung wirklich "tragende Säule" war. Jetzt scheint der bürgerliche Musikbetrieb nochmals im Wandel zu sein und was da letztendlich auf uns zukommen wird, bleibt abzuwarten.

    Zitat

    Was mir auch nicht gefallen hat, ist die implizite Aussage Aussage, daß sich bei WOZZEK die "gebildeten" von den "ungebildeten" unterscheiden. Diese Aussage ist ein Sophismus und hat zum Ziel, jeden der diese IMO unanhörbare Musik diskriminiert zu stigmatisieren. Sie ist ein Affront gegen alle erzkonservativen Musikhöre, sozusagen eine Breitseite, gegen die ich mich auf das Schärfste verwahre.


    Lieber Alfred, diese Aussage erinnert mich schon ein wenig an jenen ominösen Museums-Besucher, der kopfschüttelnd vor einem Bilde Picassos innehält und jenes hinlänglich bekannte Statement: "Das hätte meine vierjährige Tochter genauso gut gekonnt !", von sich gibt.


    Natürlich bin ich mir der näselnden Arroganz dieses wirklich dummen Vergleichs
    zwischen "gebildeten" und "ungebildeten" Muikhörern bewusst. In die Mülltonne mit ihm, denn da gehört er hin !


    Die zu akzeptierende Tatsache, daß Bergs "Wozzek" für Dich unanhörbar ist, sagt weder etwas über den Komponisten und sein Werk, sonden lediglich etwas über Dich aus.


    Auch wenn es sich möglichersweise Deiner Imagination entziehen mag: es gibt Menschen, die durchaus beim Hören dieser Musik einen ästhetischen Genuß empfinden und die beim Abspielen von Mozarts "Kleiner Nachtmusk", dargeboten durch Herrn Rieu jun. wehklagend das Weite suchen und das ist auch gut so, denn genau in jener Vielfalt der Meinungen, Aussagen, Einlassungen beruht die Stärke von "Tamino".


    Liebe Wochenend-Grüsse von einem eigentlich eher "konservativem" Musikhörer ! :hello:

    Die Dombrecht- und auch die Rademann-CD kann man unbedingt empfehlen; die Güttler-Einspielungen sind zumindest für meinen Gusto unbefriedigend, ganz abzüglich der tasache, daß ich Güttler nicht mag, bleibt hier alles an der Oberfläche. Wer sich jedoch mit Hasse ernsthaft auseinandersetzen will, kommt an Güttlers Einspielung von Hasses letzter Messe, die die Krönung seines kirchenmusikalischen Schaffens darstellt, nicht vorbei, einfach aus dem Grunde, weil keine andeer auf dem markt ist:



    Meine Hasse-Favoriten:


    Rademann mit dem "Miserere", einem Werk das damals europaweit Furore machte und von dem sich Abschriften von Stockholm bis Neapel finden:






    Lieber Edwin,


    nun habe ich die 3. Sinfonie auch gehört und kann Deinen Ausführungen weitgehend zustimmen. Nein, mit einem "schlackenlosen Meisterwerk" haben wir es hier ganz gewiss nicht zu tun, aber perspektivisch gesehn scheint der Komponist auf einem guten Weg zu sich selbst zu sein.


    Übrigens kommen die Achtel- oder Sechzehntel-Sextolen nicht nur in seiner Instrumentalmusik vor, auch die Vokalwerke sind damit zum Teil mehr als ausreichend gut bestückt. Daß hier die Gefahr der "Marotte als Methode" besteht, liegt ganz offensichtlich auf der Hand und vielleicht sagts dem Komponisten ja einfach mal jemand...


    Die stärksten Momente hat die Sinfonie für mich an jenen Stellen, wo das Klanggeschehen fast zum Erliegen kommt und genau hier scheint mir, wird auch ein Höchstmaß an Konzentration erreicht. Man darf also auf Kommendes gespannt sein.

    Ich käme mit relativ wenigen Mozart-Werken aus, aber diese geniessen dann auch einen ganz besonderen Stellenwert, So stehen für mich ganz vornean:


    1. Die "Da-Ponte-Opern" (Fiagaro, Giovanni, Cosi)
    fast noch faszinierender als die Musik selbst ist für mich Mozarts Zeichnung der Charaktere, die er bis in ihre letzten Tiefen (und Untiefen !) auslotet !
    Vergenwärtigt man sich dann noch, daß das alles in einem quasi vor-psychologischem Zeitalter geschah, wird meine Bewunderung noch größer.


    Gäbe es, ähnlich wie für Werke der Architektur eine "Weltkultur-Liste", rangierten diese 3 Kompositionen ganz oben. Mag auch andre Musik aus jener Epoche bedeutend sein bzw. "ähnlich" klingen, DAS macht so Mozart keiner nach.


    Mozart sagte von sich selbst, daß er sich ganz besonders zum Komponisten
    von Kirchenwerken berufen fühlte. Leider gibt es davon, lässt man hier die zahlreichen, vor allem Salzburger Werke im "Hasse-Stil", beiseite, nur 2 Kompositionen, die seinen Ansprüchen an sich selbst gerecht werden und die beide unvollendet blieben: die "Grosse Messe in c-moll" und das "Requiem".


    Im Bereich der Instrumentalmusik muss sich Mozart den Ruhm mit anderen teilen, bei der Komposition von Sinfonien halte ich die Brüder Haydn für die
    bedeutenderen schöpferischen Potenzen.


    Bliebe als Nachtrag noch, daß ich, ohne Wertung jetzt, das Klavierkonzert Nr.
    9, das sogenannte "Jeunnehomme-Konzert" ganz ausserordentlich schätze, auch die kurze Motette "Ave verum corpus" aus seinen letzten Lebensmonaten ist ein Beispiel für geradezu überirdische Vollkommenheit.

    Lieber Edwin, also um Noten für die Vokalswerke sieht es gar nicht so übel aus, der Carus-Verlag und auch Merseburger haben etliches davon in ihrem Programm. Bei den Konzerten der jüdischen Kulturtage mit dem Kaliningrader Orchester in 2004 wurde beim Violinkonzert, wenn ich mich richtig erinnere, aus Abschriften gespielt...
    Ebenfalls und sogar relativ preisgünstig zu haben sind bei ZVAB nben diversen Noten auch seine Aufzeichnungen zur Musik unter dem Titel "Gott Welt und Kunst. Aufzeichnungen." :hello:

    Dieser Beitrag über den Komponisten Arnold Mendelssohn ist kein verspäteter Nachtrag zum 1. April, sondern es soll hier der Versuch unternommen werden, einen Komponisten zu würdigen, um dessen Person und Werk nun seit Jahrzehnten das Gras des Vergessens höher und höher wuchert, so daß zu befürchten ist, daß sowohl Name, Werk und Person binnen kurzer Zeit vollständig aus dem "kollektiven Musik-Bewusstsein" getilgt sein werden.


    Gleich zu Beginn: eine Verwandtschaft zu dem "berühmten" Mendelssohn besteht, wenn sie auch als eher weitläufig zu bezeichnen ist. Im weitverzweigtem Hause Mendelssohn gab es nicht nur Philosophen, Finanzgenies und MusikerInnen. Der Vater Arnolds, Wilhelm Mendelssohn, war einfacher Bahnhofsvorsteher in Ratibor in Schlesien, der Geburtstadt Joseph von Eichendorffs und Arnolds Onkel (2ten Grades!) war "unser" berühmter Felix Mendelssohn Bartholdy. Nach dem frühen Tod des Vaters im Jahr 1866 übersiedelt der Rest der Familie über Potsdam nach Berlin, wo sie Unterstützung durch die "reichen Verwandten" findet und wo arnolds musikalische Begabung erstmals intensive Förderung findet.



    Arnold Mendelssohn (1855-1933)


    In Berlin wurde Mendelssohn einer der letzten Schüler des "Berliner Palestrina",des legendären August Eduard Grell (1800-1886), der lange Jahre als Direktor der "Berliner Singakademie" vorstand.
    Grell erteilt ihm ein förderndes Zeugnis, in dem er ihm “bedeutendes Talent für Composition” bescheinigt.



    August Eduard Grell (1800-1886)


    Seine erste eigene Stelle als Kirchenmusiker bekommt Mendelssohn 1880 als Organist und Chordirigent der “Neuen evangelischen Kirche” in Bonn. An der Rheinischen Friedrich Wilhelms Universität unterrichtet er zudem die evangelischen Theologiestudenten in Orgelspiel und Harmonielehre.
    Weitere Stationen in seiner Laufbahn waren Bielefeld,Köln und Frankfurt(Main), wo er unter anderen Paul Hindemith, Kurt Hessenberg und Kurt Thomas unterrichtete. Zu allen Zeitens seines Schaffens stand jedoch Geistliche Vokalmusik im Zentrum seiner Bemühungen und jeder, der In Deutschland zwischen 1960 und 1980 evangelische Kirchenmusik stundierte, kennt den gebetsmühlenartig wiederholten Ausspruch, daß Mendelssohn einer der "Erzväter der Erneuerung der ev. Kirchenmusik" in Deutschland sei, ohne daß man jemals eine einzige Note von ihm gesehen hatte.


    Seine Herkunft aus der späten Romantik, einer manchmal geradezu überbordeneden "Sexten-Seligkeit" bekam nach den Erschütterungen des 1. Weltkrieges, einen "heilenden" Dämpfer, die musikalischen Strukturen werden linearer, das Klangbild transparenter, der Überschwang der frühen Jahre weicht resignativer Trauer.


    Mendelssohn, der sich nach 1914 verstärkt der Instrumentalmusik zuwandte, starb genau rechtzeitig, unmittelbar nach der sogenannten "Machtübernahme"
    durch Hitler im Jahr 1933 und BEVOR man ihn brandmarken, demütigen oder wie auch immer desavouieren konnte und am Ende jenes Jahres 1933 konnte sein Freund Karl Straube noch en letztes grosses a-cappella-Werk seines toten Freundes zur Uraufführung in Leipzig bringen.
    Danach sank der Vorhang für Arnold Mendelssohn, der sich bis zum heutigen Tage nicht wieder gehoben hat.


    Die musikalischen Interessen im Nachkriegs-Deutschland waren der Beschäftigung mit einem Komponisten, der sich "traditioneller" satztechnischer Methoden bediente, wohl wenig förderlich und auch der "berühmte Name" dürfte sich in seinem Falle als eher hinderlich für eine wirkliche Renaissance erwiesen haben. Die (wenigen) und sicher gutgemeinten Versuche, in den letzten Jahren das eine oder andere Werk aufzuführen, änderten an der traurigen Gesamtsituation im Grunde nichts.


    So kann es auch nicht weiter verwundern, daß die diskographishe Ausbeute im Falle Arnold Mendelssohns sich bescheiden ausnimmt, aber wenigstens gibt es, wenn auch nur auszugsweise, seine "Geistliche Chormusik" op. 90 von 1920 in einer durchaus kompetenten und klangschönen Einpielung zu erwerben. Darin befindet sich eine meiner Lieblings-Motetten übehaupt, das geniale "Also hat Gott die Welt geliebet", das quasi in Ausdruck, Form und Struktur als Kompilaton der Bemühungen von Brahms,Bruckner und Reger um diese Gattung zu sehen ist.


    Das Violinkonzert war, wenn ich mich richtig erinnere, nur für Orgelbegleitung vorgesehn, wohl aus dem Pragmatismus der Komponistin heraus, niemals ein Orchester zur Verfügung zu haben, aber die Hand dafür ins Feuer legen kann ich nicht. Leider habe ich keine Ahnung davon, wo ihr Nachlass abgeblieben ist, um dahingehend Recherchen zu machen. Es gibt aber so engagierte Bücher über Komponistinnen, vieleicht wirst Du da fündig !
    Vom Arnold-Mendelssohn-Konzert gibt es natürlich KEINE Aufnahme, aber an das Notenmaterial heranzukommen, sollte keine Schwierigkeiten bereiten.

    Zitat

    Nunja, ich würde sagen, ein Genie sollte sowohl eingängige Themen komponieren als auch in anderen Dingen, die gute Musik ausmacht, seine musikalische Genialität zeigen können.


    Stimmte das, wären Palestrina, Schütz, aber auch Varese keine Genies, denn diese interessierten sich nicht oder bzw. kaum für "eingängige Melodien"!


    Will sagen, sämtliche Musik des "modalen Zeitalters" (bis ca. 1600) aber auch wesentliches, das NACH 1945 komponiert wurde, fiele gemäß dieser etwas platten Theorie gnadenlos durch den Rost.


    Und was bitte sind die "anderen Dinge", die gute Musik ausmachen ? Das Talent, sich an den jeweils herrschenden Zeitgeist nahtlos anzupassen ? Wär es wirklich an dem, wären LLoyd Webber und Co. die grössten Komponisten aller Zeiten.