Beiträge von BigBerlinBear

    Hallo van Rossum,


    ich habe Lotte Backes, die sich vor allem als Komponistin von Vokal (Chor) Werken verdient gemacht hat, ganz gut gekannt. Ihre meistens harmonisch
    traditionell komponierten Werke, haben, ich sag wohl besser HATTEN, in Kreisen, wo geistliche Chormusik interpretiert wurde, einen guten Klang, aber spätestens ab den 70gern des letzten Jahrhunderts, als in die geistliche Chormusik, Elemente aus Jazz (H.W. Zimmermann) oder auch serielle Bezüge (S.Reda) Einzug hielten, galt ihr Stil als hoffnungslos antiquiert, so daß man sagen kann, daß sie eigentlich schon 20 Jahre vor ihrem Tod im Jahr 1990 "verschollen und vergessen" war. Sie hat das alles aber mit Humor und Gelassenheit hingenommen. Neben Ihrem Kompositionsstudium bei Franz Schreker in Berlin , war sie eine der letzten Schülerinnen des grossen Arnold Mendelssohn (1855-1933), der übrigens auch ein Violinkonzert schrieb, daß Dir sicher bekannt ist. Aber das gehört in einen anderen thread.

    Zitat

    Das Ganze wirkt so ziemlich lächerlich.


    Sorry, aber genauso wirkt es auf mich auch in der "seriöseren Fassung", ganz unabhängig davon, daß es andere für ein (wenn auch häufig verkanntes) Meisterwerk halten; das von Dir erwähnte "1812" erzeugt bei mir ein ähnliches Unbehagen. An der Phonstärke kanns also nicht liegen; die 4. von Schostakowitsch, eines meiner absoluten Favoritwerke, kommt nun wirklich nicht auf leisen Sohlen daher.


    Also wenn es denn unbedingt so etwas sein muss, dann bitte diese (ebefalls von TELARC) !



    :hello:

    Hallo Teleton,


    hättest Du ein wenig "hinter" meine Zeilen gesehn, wär Dir bestimmt aufgefallen, daß ich das Werk keinesfalls desavouire; ich sage lediglich, daß es sich dabei um Musik handelt, die mir nicht liegt und Beethovens "Schlachten-Schinken" befindet sich dabei in "ehrenwerter" Gesellschaft des fast vollständgen Opernrepertoires des 19.Jahrhunderts, (ausser Wagners "Parsifal".


    Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, daß ich mich musikalisch in einem sehr übersichtlich abgestecktem Terrain bewege, aber kann schon sagen, daß ich sehr vieles kenne und aufgrund meines Studiums auch (leider) kennenlernen musste, jedoch selber davon nur weniges und ausgewähltes wirklich schätze und liebe.
    Ich geb gerne zu, vielleicht nicht dazu in der Lage zu sein, eine Operette Eduard Künnekes von einem Werk Franz Lehárs unterscheiden zu können, aber von den ca. 100 Messen Palestrinas trau ich mir zu, die gute Hälfte nach dem Anhören weniger Takte namentlich zu benennen und (soweit das möglich ist), auch zeitlich zuordnen zu können. Ich denke, allein dieses rechtfertigt meine Anwesenheit und auch meinen weiteren Verbleib im Forum.


    Das von Dir monierte Avatar zeigt niemand anderen als mich selbst auf einem aktuellem, (und wie ich meine) völlig harmlos wirkenden Foto und sollte es den Zweck erfüllen, böse Geister bei Tamino fernzuhalten, wär es nur allzu gerechtfertigt, es beizubehalten. :pfeif:


    Über meine Kompositonen zu diskutieren , ist dieser lauten Kanonenschlägen
    und Trommeln gewidmete thread der falsche Ort. Ich kann jedoch soviel verraten, daß sich darunter KEINE Programm-Musik befindet ! :D


    PS: Wenn ich Dir im Dunkeln begegnete, könntest Du mcih ja nicht sehen, also so richtig schrecklich bin ich nur bei Tageslicht ! :hello:

    Lieber Peter,


    mir ist die Rezeptionsgeschichte dieses Werkes durchaus bekannt, aber selbst dann, wenn ich sie NICHT kennen würde oder auch der historische Hintergrund ein komplett anderer wäre, kräuselten sich mir die Nackenhaare ---


    Hermann Scherchen sei es unbenommen, "diese Sinfonie für eines der schönsten und ungezwungensten Werke der Musik" zu halten; ich kann, will (und muss) ihm da nicht folgen, weil ich nach meinem eigenen ästethischem
    Kanon antrete, der mir bislang bei der Orientierung durch Werke, Stile und Epochen immer recht hilfreich war. Die von Dir hervorgehobenen satztechnischen und harmonischen Subtilitäten sind mir nicht entgangen; allerdings fand ich darunter keine, von der ich reinen Gewissens hätte behaupten können, daß das "SO eben nur Beethoven" gekonnt hätte.


    Ich will gerne zugeben, daß es mir möglicherweise an dem von (Heinrich, Roland ?) Riethmüller zum Verständnis dieser Arbeit notwedigem "Kinderblick" gebricht, aber da das Leben nun mal kein Wunschkonzert ist, hab ich mich darein zu fügen.


    Es gibt aber eine andere "Schlachten-Musik", die meinem Ohre durchaus wohlgefällig tönt. Es handelt sich um das "Dettingen Te Deum" von George Frederick Handel Esq., das einen Sieg der Engländer auf deutschem Territorium feiert, was den aus Halle stammenden Komponisten aber offenbar wenig kümmerte. Diese Musik wiederum hat schlechthin alles , was mich an Tönen ergreifen, bewegen und begeistern kann.


    Liebe Grüsse

    Dieses Werk gehört für mich eindeutig zu jenen, von denen ich wünschte, sie wären NIE, (und schon garnicht von Beethoven) geschrieben worden; verkörpert es für mich doch für mich schlechthin alles, was ich an Musik nicht ausstehen kann. Andrerseits: diese unübertroffene Verbindung aus Schlachtenlärm und platter Plakativität hat natürlich was: im Sinne von Monty Python etwa... :D


    Sorry 4 that, aber ich sage mir: "Was wäre, wenn... von Beethoven NUR dieses eine Werk überliefert wäre ??? :pfeif:

    Zitat

    Aber auch hier beherrschen die Ausläufer des 19. Jh. (und schon späten 18. Jh.) mit allen Missverständnissen noch den interpretatorischen Luftraum, wovon wir uns endlich lösen sollten.


    Und wenn uns dann noch jemand von diesem wirklich unsäglichem thread erlöst, wär ich für den Rest des Tages wunschlos glücklich ?


    PS: mal was anders, hat jemand von euch in der letzten Zeit was von Loge gehört, gesehn, gelesen or what ever ? :D

    Zitat

    Schließlich überträgt man hier, glaiube ich, einen vagen Eindruck, den man vielleicht von einigen Klavier- und Orgelwerken gewinnen mag, unzulässig auf Stücke, die ihm überhaupt nicht entsprechend. Inwiefern die Matthäuspassion (oder eine von Zahlensymbolik strotzende Kantate) oder das 1. Brandenburgische Konzert auf "abstrakte" Weise schön sind, vermag ich nicht nachzuvollziehen.


    Dieser immer wieder kolportierte Unsinn, aus dem späten 19. jarhundert stammend, daß Bach "Mathematiker" gewesen sei, feiert bedauerlicherweise noch immer fröhliche Urständ. Andere Komponisten aus Bachs Umfeld und die meisten seiner (zeitlichen) Vor-Gänger, operierten ebenso fröhlich mit Zahlen und Symbolik wie der Herr Cappell-Directohr Bach, ohne daß wer auf die Idee käme, etwa in Graupner oder Heinichen "Mathematiker" zu sehen. Bach WAR vor allem Musiker, der sich auf vielfältige Weise die Formensprache seiner Epoche immer wieder neu "erfand". darin sehe ich schon eine Besonderheit als solche, aber mit der an anderer Stelle erwähnten "Annäherung an die Perfektion" hat das garnichts zu tun, denn die findet man auch bei anderen Barockkomponisten von Schütz über Fux und Caldara bis zu den "perfekten" Oratorien des späten Händel.

    Lieber Edwin, ich bejahe Deine Suggestivfrage bezüglich Banausentums bei dieser Art von Vergleich von Herzen gern mit JA, denn gemessen an solchen "Achttausendern" wie Josquin oder Schütz, (Machault spielt hier in einer anderen Liga und ich ersetzte ihn gerne durch Du Fay und Dunstaple) ist Macmillan denn dann doch eher nur eine kleine, wenn auch sehr schön bewaldete Erhebung. Dazu kommt noch, daß es sich überhaupt meiner Imagination verwehrt, mir vorzustellen, daß Du dergleichen Musik häufig bzw. gerne hörst, aber seis drum---


    Die 3. Sinfonie habe ich, weil mir bislang unbekannt, sofort geordert und nach meiner Rückkehr aus England und erfolgtem Hören dann von mir mehr darüber. Was Wulf wiederum als "modern" bei MacMillan empfunden hat, ist wohl eher die uralte Gegenüberstellung unterschiedlcher Instrumentaler (und vokaler) Gruppen. Wulf, WIE religiös jemand ist bzw. sein darf, darüber enthalte ich mich lieber der Stimme, gibt es doch da keine nach oben offene Richter-Skala, die den Wert und die Wertigkeit von Religiosität messbar und ablesbar beziffert. Zumindest ist er keiner jener Trittbrettfahrer auf dem Esoterik-Trip, um die Verkaufszahlen zu befördern, sein katholisches Weltbild ist eher konservativ ausgerichtet, aber all dieses hindert ihn nicht daran, gute Musik zu schreiben und vielleicht ist es ihm genau aus diesem Grunde überhaupt erst möglich, SO (und nicht anders) zu komponieren !
    :hello:

    Hallo Edwin, mir sagte der Komponist einmal, er "komponiere im Grunde "Alte Musik",was ja auf die von Dir erwähnten Hoqueti und enggeführten Imitationen zutrifft und mit seiner Affinität zum Modalen überhaupt, wurde er somit zu "meinem" Komponisten schlechthin.


    Nun gibts auf der einen Seite jene Musiker, die sich ständig, wie z.B. Boulez, "neu erfinden" und auf der andern eben solche wie MacMillan die sich innerhalb gefundener Ausdrucksweisen bewegen und dessen Vokalkompositionen, bei denen mir seine eigentliche Begabung zu liegen scheint ich persönlich mehr schätze als seine Orchesterwerke, aber das hat sicher mit persönlichen Vorlieben zu tun.


    Von einem "Aufderstelletreten" im stagnierenden Sinne würde ich bei ihm nicht sprechen, denn es sind erhebliche und auch deutlich hörbare Unterschiede etwa in "Mass" oder den verglichsweise neuen "Cantos Sagrados" und "Tenebrae" zu registrieren und besoders letztgenannte stellen für mich einen Höhepunkt der heutigen Motettenkompositionen (ja, es gibt so etwas ! :D )
    dar ! Hör doch enfach mal rein ! LG
    :hello:


    Hallo Peter,


    diese Nachricht macht mich sehr betrübt, kannte ich doch JBS seit seinen (damals noch) "West-Berliner" Anfängen. Er war in seiner Startphase hier (über die ehemalige HDK), vor allem darum bemüht,dem deutschen Publikum die musikalischen Schätze seiner Heimat näher zu bringen und viele hörten dank seines Einsatzes zum ersten Mal Musik von Purcell aber auch von damals fast nie gespielten Komponisten späterer Epochen.
    Seine Moderation von "Klassik zum Frühstück" war für mich ein absolutes Muss. Wieder ist einer aus meiner Generation plötzlich dahin und ich werde mir heute abend zu seinem Gedächtnis jene wundervolle CD anhören, die er mir nach ihrem Erscheinen 1988 so nachhaltig empfohlen hat:


    Media vita in morte sumus


    Zitat

    Und dann habe ich noch eine Frage: Hat Josquin irgendwas requiemartiges geschrieben? Ich meine, mich an sowas erinner zu können. Evtl. auf den Tod von Ockeghem? Wer weiß da bescheid?


    Hallo Pius, merkwürdigerweisem ist von Josquin kein Requiem überliefert, was aber nicht zwingend bedeutet, daß er keines geschrieben hat. Was Du meinst, ist die Trauermusik auf Ockeghems Tod; ich zitiere die Stelle aus dem Ockeghem-Thread hier noch einmal:




    Zitat

    Nymphen des Waldes, Göttinnen der Quellen, Kundige Sänger aller Nationen, Ändert euren klaren, schönen Gesang In durchdringende Schreie und Klagen. Denn Atropos, die fürchterliche Tyrannin, Hat euren Ockeghem gefangen in ihrer Falle, Den wahren Schatzmeister der Musik, dies Meisterstück, Gelehrt, mit eleganter Größe, nicht gedrungen. Großes Unglück, dass die Erde ihn nun bedeckt. Legt an eure Trauerkleidung Josquin, Perchon, Brumel, Compère, Und vergießt Fluten von Tränen: Verloren habt ihr euren lieben Vater. (Jehan Molinet) Josquin Desprez hat diese Verse auf seinen Mentor, der möglicherweise auch sein Lehrer war, anrührend komponiert.

    Zitat

    Dass Kegel eine Blacher-Platte gemacht hat, ist insofern nicht verwunderlich, als dass er einer von Blachers zahlreichen Schülern war. Blachers Bedeutung als Lehrer überstrahlt wohl seine kompositorischen Leistungen.


    Ich denke, daß das auf eine etwas zu einfache Formel gebracht ist: Kegel machte nicht nur diese Platte mit Orchesterwerken sondern er brachte auch Blachers bedeutendste Vokal-Komposition, das Oratorium "Der Großinquisitor"
    wohlgemerkt in der DDR zur Aufführung und Einspielung, die dem "Westberliner" Blacher alles andre als wohlgesonnen war. Der Widerstand, den es da zu überwinden galt, war ein erheblicher!


    Hätte Blacher nur dieses Oratorum und sonst weiter nichts geschrieben, wäre das schon Grund genug, ihn den bedeutenden deutschen Komponisten des
    20. Jh. zuzurechnen.

    Zitat

    Die "Complete Organ Works" mit Friedhelm Flamme (siehe weiter oben) sollte man sich schon wegen des wunderschönen Coverbilds gönnen.


    Grandioser Tipp, den ich leider beim CD-Kauf bislang noch nicht soo sehr berücksichtigt habe ! Ich schwöre Besserung ! :D


    Zum Komponisten: Sieht man sich seine Lebensdaten an, erstaunt schon das eher konservativ ausgeprägte Klangbild seiner Werke. Ich empfehle ihn gern, wenn jemand meint, mit "moderner" Musik eigentlich eher weniger am Hut zu haben, als "Einstiegsdroge", ich schätze das "Requiem" in beiden Versionen und auch seine a cappella-Werke, die ich als ausserordentlich "sangbar" empfinde.
    Den wirklich großen und prägenden Erscheinungen in der Musik des 20.Jh. würde ich ihn jedoch nicht zuordnen, doch einen unverwechselbaren Charme hat seine Musik allemal.

    Zitat

    "Untugenden" dieser Stimme. Was meinst Du hier genau?


    Lieber Christian,


    eigentlich alles das, was über falsettierende Männerstimmen immer wieder (auch hier im Forum) schon geschrieben wurde, wobei den Kritisierenden zum Großteil recht zu geben ist. Ich selber kann für mich die Countertenöre, die mir nicht unangenehm klingen, an den Fingern einer Hand aufzählen, allerdings gibt es auch unter den Altistinnen kaum eine (Lebende), die meinen Ansprüchen an diese Stimmfarbe gerecht würde, oder welche könnte schon einer Kathleen Ferrier das Wasser reichen....

    Ihre dritte CD legt das Münchner Ensemble "Stimmerwerck" jetzt vor und damit ist es an der Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen.
    Die Einspielung der Werke von Heinrich Finck hat Salisburgenis bereits an anderer Stelle lobend besprochen.


    Bereits die Programmgestaltung der ersten 2 Einspielungen ließ mich aufmerken, bevor ich auch nur einen einzigen Takt gehört hatte:


    Die CDs mit Werken des Heinrich Finck, der als einer der "Erzväter" der deutschen Musik gilt und die Scheibe mit den Werken des Adam von Fulda warfen schlagartig ein Licht auf eine Musik, die, von lauter "berühmteren Namen" überlagert, wohl für immer "unerhört" geblieben wäre.


    Die Formation verfügt über eine ausgezeichnete Ensemble-Kultur, die einzelnen "Vokalfarben"der Sänger sind genau aufeinander abgestimmt und das klingende Ergebnis wie ich es seit den "guten" Tagen des Hilliard-Ensembles nicht mehr hörte, traf mich gänzlich unvermutet, wurde nach ungläubigem Staunen, zum puren, ungebrochenen Glücksgefühl.
    Der Countertenor Franz Vizthum verfügt über keine jener "Untugenden", die dieser Stimme oft vorgeworfen werden.


    Anders erwa als bei "Amarcord" wird hier überwiegend an unbekanntem Repertoire gearbeitet. Die neuste CD, soeben erschienen, bringt Kompositionen aus dem Mensuralcodex St. Emmeram (um 1440) zu Gehör, eine der bedeutendsten Quellen für Vokalmusik aus jener Zeit überhaupt und um sich vorab schon einmal darauf einzustimmen, gibt es auf der Homepage von "Stimmerwerck" ein wundervolles "Quam pulchra es" des John Dunstaple (1390-1453) zu hören:


    Homepage von "Stimmwerck"


    Neben den ganz sicher lohnenswerten und seit einigen Jahren regelmässig veranstalteten "Stimmwercktagen" im Sommer ist als nächstes Aufnahmeprojekt eine Musik geplant, auf die ich schon sehr lange warte:


    Zitat

    Demnächst wird Stimmwerck die „Historia der Passion des Leidens unsers einigen Erlösers und Seligmachers Jesu Christi” (Nürnberg 1594) von Leonhard Lechner (um 1553 – 1606) aufnehmen. Diese ausdrucksstarke Johannes-Passion gilt als Höhepunkt der Gattung „Figuralpassion”. Außerdem stehen wunderbare vierstimmge, lateinische Motetten aus den „Motectae Sacrae” (1575) auf dem Aufnahmeplan. Man darf also gespannt sein! „Historia der Passion des Leidens unsers einigen Erlösers und Seligmachers Jesu Christi” Benedicamus patrem Thomas, qui dicitur Didymus Haec est dies Impetum inimicorum Quis dabit capiti meo Cantate Domino Illumina oculos meos Wohl dem, der den Herren fürchtet


    Das Lechner-Jahr 2006 wurde ja ansonsten von der Tonträgerinsdustrie nicht zur Kenntnis genommen, umso mehr bin ich auf diese Einspielung gespannt.


    Zitat

    WIRKLICH ein starkes "akustisches Anti-Depressivum"


    Ich empfinde das ganz ähnlich, denn mit sogenannter "heiterer" Musik kann ich nichts anfangen, weil ich entweder den spezifischen Tonfall nicht lange ertrage oder weil mich wohl eher prinzipiell nach aussen getragene Heiterkeit eher aggressiv macht; Muisk dagegen, die in den "schwärzesten Farben" daherkommt, die baut mich auf ! :D

    Als im Jahre 1623 der Jenenser Amtsschösser Burkhard Großmann wegen "Errettung aus grosser Leibes-Not" als Dank den 116. Psalm von 16 verschiedenen Komponisten vertonen ließ, unter ihnen befanden sich so illustre Namen wie Michael Praetorius, Heinrich Schütz und Johann Hermann Schein und eben auch Melchior Franck, von dem hier die Rede sein wird, war der letztgenannte durchaus präsent als "berümbter Meister" bei seinen Zeitgenossen , auch ausserhalb seines regionalen Wirkens.



    Einzig die WERKE des Melchior Franck, der offenbar gute Beziehungen zu den großen Druckhäusern in Nürnberg hatte, haben überlebt und scheinen zumindest für einen Komponisten, dessen wesentliche Schaffenszeit in die Zeit des 30jährigen Krieges fiel, ausgezeichnet dokumentiert.


    Er selber nennt sich "Zittanus Silesius", da jedoch die Kirchenbücher der Stadt Zittau aus jener Epoche nicht auf uns gekommen sind, sind weder Geburts-noch Taufdatum genau zu ermitteln.


    Das erste eruierbare Datum in Francks Leben ist sein Dienstantritt im Jahr 1603 als Hofkapellmeister in Coburg, ein Posten, den er sein Leben lang behalten sollte.
    Nach einer jener immer "Pest" genannten Epedemien , der seine ganze Familie und schliesslich auch sein Dienstherr zum Opfer fielen, geriet der Meister in bitterste Not.
    Drei Briefe von seiner Hand, die dieses erschütternd dokumentieren, sind bis heute in Coburg erhalten. "Geschlagen wie Hiob" starb Franck am 1.Juni 1639.


    Francks musikalische Zuordung macht ihn zu einem Meister, dessen Denken noch weitgehend von modalen Bezügen geprägt ist und worin er sich deutlich von seinen
    heute berühmteren Zeitgenossen Schein und Schütz abhebt.


    Die Möglichkeiten, die ihm das Arbeiten mit den Kirchentonarten gaben, nutzte er allerdings voll und effektreich aus, sein Hauptanliegen bestand in der Verdeutlichung des Textes, also schlechthin in dem, was Heinrich Schütz als "in die Music übersetzen" genannt hatte.
    Darin ist er der Generation eines Demantius, Dulichius und Gumpeltzhaimer im Geist näher als seinen komponierenden Zeit- und Altersgenossen.



    Franck hat sowohl weltliche wie geistliche Musik hinterlassen und Untersuchungen weisen darauf hin, daß die Urfassung des heute noch populären Weihnachtsliedes " O Tannenbaum"
    von ihm stammen könnte. Seinen Satz des Reigens "Kommt, ihr Gspielen" hatten ganze Generationen von von Chorsängern in ihrem Repertoire, doch die Hauptrichtung des Coburger Meisters lag ohne Zweifel im Bereich der geistlichen Musik. Die Werke sind heute grössten Teils zugänglich gemacht, wenn auch davon auf dem Tonträgermarkt kaum etwas zu spüren ist.


    Zwei Aufnahmen sind jedoch vorhanden, die es ermöglichen, sich ein Bild des Komponosten in seiner Vielfalt zu machen. Das Orlando di Lasso Ensemble hat 1998 eine sehr schöne CD veröffentlicht, die querschnittartig ein gutes Portrait vom Schaffen des Komponisten aus allen Schaffensperioden bietet.



    Die sechstimmigen "Bußpsalmen", für die zweifellos die gleichnamigen Werke Orlando di Lassos Pate gestanden haben, im Jahre 1615 veröffentlicht, wurden in einer großartigen Einspielung von Weser-Renaissance kürzlich bei CPO vorgelegt. Diese CD ist für alle, die sich mit der Musik jener Generationen vor Schütz beschäftigen wollen, ein absolutes Muß.
    In ihren (dem Thema geschuldet) dunkel timbrieten Farben, trifft diese Musik unmittelbar
    den Hörer für eine Sinneserfahrung der wirklich besonderen Art.


    Hallo pt_concours.


    ich freue mich immer darüber, wenn sich überhaupt jemand für Burkhard interessiert. Die von Dir nachgefragten Werke "Die Sintflut" ergänzt durch das großartige frühe "Ezzolied" erschienen 1995 beim Label "Ars Musici" in einer hervorragenden Einspielung durch die "Basler Madrigalisten" unte Fritz Näf.
    Nach 5 Jahren waren jedoch keine 100 Stück der Einspielungen verkauft und man begann sie zu "verramschen". Ich erwarb sie 2000 für einen symbolischen Preis von 2 DM ! ?(

    bachiana:


    Zitat

    Sie ist bestimmt genauso viel oder wenig perfekt wie die anderen hier genannten Einspielungen


    Hallo Kerstin, das von Dir als "wunderbar harmonisch" empfundene Solistenensemble ist mir in den Frauenstimmen für diese Musik ZU vibratoreich; das ansonsten gut verständliche Deutsch der Formation
    leidet unter phonetischen Verfärbungen, die mit einem guten Sprachcoach sicher vermeindbar gewesen wären. Neu ist die Idee, alle Motetten mit einer Choralzeile einzuleiten, na gut, warum nicht. In der "Leipziger Gottesdienstordung" gibt es allerdings keinen Hinweis darauf, daß dergleichen angewendet wurde. Bei den eher dramatisch intendierten Passagen stören mich die "Ausbrüche" Einzelner auf Kosten des Chorklanges.
    Mein Fazit: Eine gute, aber keine Aufnahme, die Referenzcharakter verdient, zumal diese Werke erfreulicherweise in vielen Einspielungen vorliegen, die zum Vergleichen geradezu "herausfordern" !
    Erste Wahl in Sachen "Bach-Motetten" bleiben für mich nach wei vor Gardiner,Jacobs und Kuijken (2. Aufnahme aus 2005)

    Was mich an Antonio Vivaldi fasziniert ............


    Zu den ersten Werken, die wir während meiner Kindheit zuhause spielten, gehörten Sonaten von Vivaldi, die mir damals aufgrund ihrer ungebremsten Musizierfreude gut gefielen, aber halt nicht besser als ähnliche Musik Telemanns oder Händels.


    Zum ersten Mal RICHTIG auf den Komponisten aufmerksam wurde ich während
    einer Aufführung des "Gloria RV 589" und ich ging wie berauscht aus dem Konzert. Mein Eindruck, daß die eigentliche Domäne dieses für einige Ohrwürmer bekannten und sicher auch überstrapazierten Komponisten die geistliche Musik (noch mehr als die Oper) ist, bestätigte sich durch Erarbeiten weiterer Vokalwerke. Vivaldi from the best findet sich in dieser Box, die sowohl in editorischer Hinsicht und auch vom Repertoirewert Referenzcharakter verdient:


    Zitat

    Collegium Vocale mit Gesualdos Madrigalen??? Wann, wo, was??? Das verwechselst Du doch mit „Les Arts florissants“ oder???


    Collegium Vocale


    Nein, hier wird nichts verwechselt; Collegium Vocale, Leiter: Wolfgang Fromme, ist ein deutsches Ensemble und hat natürlich nichts mit William Christies
    "Les Arts florissants" zu tun.


    Siehe hierzu auch Zitat Gurnemanz:


    Zitat

    Die Aufnahme, die meine Begeisterung damals entfacht hat, scheint nicht mehr erhältlich zu sein: eine Einspielung des V. und VI. Madrigalbuchs mit dem Collegium Vocale Köln, Leitung: Wolfgang Fromme, auf einer CBS-Doppel-CD (gekoppelt mit 12 Madrigalen aus dem II. Madrigalbuch Monteverdis). Muß mal wieder hineinhören.

    Die Einspielung von Collegium Vocale galt lange Zeit als vorbildlich. Mir gefielen jedoch die vibratoreichen Stimmen nie so recht.
    Eine wirklich rundum empfehlenswerte GESAMTEINSPIELUNG ist derzeit NICHT auf dem Markt. Eben wieder aufgelegt das 5.Buch mit dem "Consort of Musicke" unter Rooley, das mit solchen hervorragenden Protagonisten wie Emma Kirkby aufzuwarten weiss. Das wäre zum "Einhören und Kennenlernen" mein Vorschlag.



    Die ersten drei Bücher "Madrigali a cinque voci Libro I-III" wurden vom Gesualdo Consork Amsterdam ganz hervorragend eingespielt. Hierbei handelt es sich um die erste nennenswerte Aufnahme dieser, gemessen an den späten Büchern immer zurückstehenden Werke. Leider ist der CPO-Edition nicht zu entnehmen, ob die Absicht besteht, Libri IV-VI folgen zu lassen.


    Zitat

    Mit dem "il principe dei Musici" kann ich mich nicht so ganz anfreunden. Formal hat er an schon damals uralten Vorbildern festgehalten, sich kein Stückchen bewegt. Generalbass und Monodie waren ihm schnurz. Und wenn man ihn als psychotisch chromatisch bezeichnet, ist das zwar böse, aber nicht falsch.

    :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    Moin Hadubrand !


    Der Fürst ist vor allem was für jene Leut, und das sind bekanntlich nicht wenige, für die Musi erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt und die sonst aus freien Stücken nie ein Madrigal oder eine Motette hören würden ! :D


    Auf seinen formalen Konservatismus wies ich in meinem 1. Beitrag ja schon hin.
    Unwiderlegbar ist jedoch, daß Schütz beim Verfassen seines 1. und leider einzigen Madrigalbuches von seinen Arbeiten Kenntnis gehabt haben muss, denn dadrin schlägt sich eben MEHR nieder als die bloße "MittelzumZweck-Chromatik" eines Marenzio oder Andrea Gabrieli.


    Mir ist Gesualdo vor allem als Kirchenmusiker wichtig: da gelingt ihm durchaus
    etwas, was andere seiner Zeitgenossen NICHT haben. Ausserdem ist er für mich das frühste, mir bekannte Beispiel eines Komponisten, der im Glauben Halt sucht und ihn nicht findet. Vorstufen davon gibt es allenfalls in den "Lagrime" des Orlando Lasso.


    Standardwerk zur Biografie ist immer noch dieses, (mit dem legendären Strawinsky-Vorwort), das bis Ende der 80ger Jahre immer erkenntnistechnisch auf Vordermann gebracht wurde.


    Glenn Watkins: Carlo Gesualdo di Venosa: Leben und Werk eines fürstlichen Komponisten. Matthes & Seitz, München 2000



    Edwins Anmerkung, Monteverdi sei der bedeutender Melodiker von beiden, kann ich hier nicht gelten lassen, da Gesualdos Intentionen in eine ganz andere Richtung gingen; er hatte mit "schönen Melodien" nichts am Hut.


    Das als Gradmesser für die Musik des "VorDurMoll-Zeitalters" anzulegen, erscheint mir unglücklich, denn aus dieser Sicht wäre dann Heinrich Schütz der einfallsloseste Melodie-Erfinder überhaupt, was ihn jedoch nicht daran hinderte, einer der grössten Komponisten aller Zeiten zu werden.


    Die wirkliche Verstrickung des Fürsten um den Tod seiner 1. Frau konnte anhand der heute noch verfügbaren Unterlagen nicht nachgewiesen werden.

    Ich will nicht verhehlen, daß ich lange damit gerungen habe, einen Gesualdo-Thread zu starten und ich gab es dnan aus verschiedenen Erwägungen doch auf. Deshalb sei Blackadder an deiser Stelle ganz herzlich gedankt.


    Mit Gesualdo verhält es es ähnlich wie mit Stradella: Die Biografie überlagert (und verhüllt) das Werk auf fatale Weise, denn in beider Lebensläufte spielen Mord-und Totschlag eine Rolle, beim Principe da Venosa als Täter und bei Stradella als Opfer.


    Obwohl die Ausgabe der Werke Gesualdos vergleichwise früh verfügbar war, zeichnet die Werbetrommel Igor Strawinskys dafür verantwortlich, daß der Komponist einer breiteren (staundenden) Öffentlichkeit präsentiert werden konnte. Das von Edwin erwähnte Madrigal, wohl das berühmte "Lasso moro" befindet sich im 6. Madrigalbuch.


    Bei aller harmonischen Zuspitzung, die sich übrigens auch schon in den ersten Büchern seiner Madrigale finden, sollte man nicht vergessen, daß das Grundraster seiner Kompositionen ein eher rückwärtsgewandtes ist.


    Formal sind ihm vor allem Giovanni Gabrieli und auch der junge Monteverdi definitiv überlegen, an gestalterischer Kraft und harmonischer Fantasie ist ihnen der Fürst jedoch in jeder Hinsicht ebenbürtig.


    Ich mag an dieser Stelle, es wird sicher nicht mein letzter Beitrag zum Thema sein, nicht länger nur palavern sondern möchte hier eine Einspielung vorstellen, der heute schon bedenkenlos das Prädikat "Jahrhundertaufnahme" verliehen werden kann: wer sie nicht hat kann über den Meister "einfach nicht mitreden"


    Ich meine die Einspielung der "Responsorien" durch das Hilliard-Ensemble, die in ihrer schmerzlichen Zuspitzung, ihrer dunklen Klage und dem verschlungenem Weg durch seelische und harmonische Schattenreiche unübertroffen ist: