Es ist Zeit den Thread über Janacek fortzuführen denn Janacek ist nicht nur für mich einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts.
Außerdem wurden einige für mich bedeutende Werke Janaceks bis jetzt noch nicht behandelt. Dazu zähle ich auch die Oper „Die Ausflüge des Herrn Broucek“ – „Výlety Pana Broucka“, ein im wahrsten Sinne des Wortes phantastisches Werk, das bisher noch kaum bekannt ist. Ich hatte das Vergnügen es im Jahr 2004 unter Sir Charles Mackerras und mit Jan Vacík in der Titelrolle in Brünn sehen zu können und auch die Produktion der Volksoper Wien mit Heinz Zednik unter Julia Jones war nicht schlecht. Besonders Zedniks Broucek war trotz der deutschen Sprache das reinste Vergnügen.
Das Werk (Uraufführung am 23.4.1920 in Prag) handelt von zwei „Reisen“ des Prager Spießbürgers Brou
ek und basiert auf zwei Novellen des tschechischen Schriftstellers Svatopulk ech: „Ausflug des Herrn Broucek auf den Mond“ und „Neuer epochaler Ausflug des Herrn Broucek, diesmal in das XV. Jahrhundert“. Janacek, er verfasste auch das Textbuch, lässt die Handlung in einem Prager Wirtshaus beginnen. Broucek ist betrunken auf dem Heimweg und beginnt, angeregt durch den Mond am Himmel, über das Leben auf dem Mond laut nachzudenken. Der Betrunkene fällt hin, schläft ein und „erwacht“ auf dem Mond. Die Menschen dort gleichen zwar seinen Freunden aber sie beschäftigen sich mit „erhabenen“ Dingen und da es außerdem auch keine Würstchen mit Sauerkraut gibt, gefällt es ihm dort nicht. Auf dem Pegasus fliegt er zurück zur Erden. Sein nächster Ausflug führt ihn in das Prag der Hussitenkriege. Hier geht es zunächst um theologische Probleme, was ihm nicht gefällt, aber als von ihm der Heldentod erwartet wird desertiert er, wird erwischt, in ein Fass gesteckt – er soll hingerichtet werden und erwacht wieder in seinem Prag.
Es existieren leider meines Wissens nur zwei „wirkliche“ Gesamtaufnahmen dieses Werkes in Originalsprache - zu diesen kann ich nur sagen: beide sind von hoher Qualität
Frantisek Jilek hat den Broucek 1980 in Prag aufgenommen. Er verfügt vor allem über zwei Trumpfkarten: erstens ein auch im Chor und Orchester rein tschechisches Ensemble und zweitens Vilém Pribyl in der Titelrolle, und auch die Tontechnik ist nicht schlecht. Jilek ist ein erfahrener Janacek-Dirigent der diese Aufnahme liebevoll realisiert.
Jiri Belohlávek hat 2007 in London weder einen tschechischen Chor noch ein tschechisches Orchester zur Verfügung und auch Jan Vacík ist kein Pribyl aber trotzdem hier gilt die Summe der Teile ist besser als die Teile selbst: Die Aufnahme hat Stimmung und Schwung. Die Kräfte der BBC sind ganz ausgezeichnet und der Londoner Broucek, ich hatte ich schon in Brünn ganz hervorragend erlebt, bestätigt mit seiner Leistung meine positive Erinnerung.
Hier hat der Kunde wirklich die Qual der Wahl. Ich konnte mich nicht entscheiden und besitze daher beide Aufnahmen.
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Außerdem existiert noch ein Mitschnitt der deutschsprachigen Erstaufführung unter Keilberth aus München – für mich, trotz der ausgezeichneten Besetzung, nur ein interessantes Dokument.
Wer Janacek Opernschaffen nur aus der Erfahrung einer „Jenufa“ oder „Katja Kabanova“ oder gar „Aus einem Totenhaus“ erleben konnte, wird erstaunt sein, wie die Klangsprache Janaceks auch in diesem phantastisch-heiteren Werk zur Geltung kommt.