Beiträge von novecento

    Die Kritik an dem ersten Konzert halte ich persönlich für nicht nachvollziehbar. Ich habe es als Rundfunkmitschnitt und schon oft gehört.
    Natürlich, wenn ich jetzt die drei besten Aufnahmen nennen müsste, wäre diese nicht dabei. Auch wohl nicht unbedingt bei den besten fünf.


    Aber bei einem Werk, bei dem so eine Unzahl an Interpretationen besteht, heißt da noch lange nicht, dass es mithin ein Mitschnitt ist, "der nie hätte veröffentlicht werden sollen".


    Gerade den langsamen Satz finde ich sehr intensiv. Hier trifft für mich zu, was Christian B anführte, dass man ein "vermeintlich bekanntes und geliebtes Werk wieder neu hört". Dass Herr Hurwitz ein Problem mit den "Begleitgeräuschen" hat, ist erst mal nicht so verwunderlich, es fällt schon sehr auf - andererseits ist es aber auch sehr kleinkariert.
    Es ist eine Liveaufnahme; und die emotionale Intensität der Interpretation, die sicher nicht den großen Zug und die Straffheit eines Serkin besitzt, dafür aber wunderbar intime Momente, wird durch die gleichsam physische Präsanz der Pianistin sogar noch verstärkt.


    Und auch Nelsons Dirigat ist so schlecht nicht.


    Alles in allem eine unangemessene, völlig überzogene Kritik an einer Interpratation aus dem guten Mittelfeld, die durch schöne Binnenmomente ihre eigene Qualität bekommt.

    hier geht es doch garnicht um den Einsatz zeitgenössischer szenischer Mittel. Sondern hier geht es doch um Verunstaltungen des Werkes durch nicht adäquate Verlegung von Zeit und Ort einer historischen Geschichte (auch wenn sie in Schauspiel und in der Oper nicht exakt mit den historischen Tatsachen übereinstimmt) und vor allen der völligen Entstellung der Originalhandlung, die häufig sogar dem gesungenen Text widerspricht. Keiner hat etwas dagegen, dass die moderne Bühnentechnik angewandt wird, mit der man - wie die schon genannten Beispiele zeigen - auch nicht entstellte Inszenierungen schaffen kann.


    Ob eine Transposition von Zeit und Ort als Verunstaltung anzusehen ist, unterliegt ja doch sehr subjektiven Bewertungskriterien, die zudem auf Seiten Traditionalisten sehr reflexhaft erscheinen. Für mich stellt das jedenfalls keineswegs automatisch eine Verunstaltung dar.


    Und von Bühnentechnik sprach ich meinem Beitrag mit keinem Wort. Sondern von szenischen Mitteln.
    Aber ist ja immerhin schon mal was, dass nicht gefordert wird, dass Drehbühnen und Vorhänge nur von Hand bedient werden dürfen... ;)

    Da aber - vor allem in Deutschland - so etwas wie in Wien kaum noch möglich ist, kann der Protest - wie schon häufig gesagt - nicht lautstark genug sein und auch nicht verstummen. Einzelne (ich nenne wiederum keine Namen) hier hätten natürlich gerne, wenn wir uns wirklich den Mund verbieten ließen, aber das wird nicht geschehen.


    Das will ja auch niemand - mir zumindest liegt nichts ferner. Kunst soll immer diskutiert werden.


    Aber bei der Lautstärke, Vehemenz und Endgültigkeit, mit der die Kritik am Regietheater hier vorgebracht wird, muss einfach auch widersprochen werden.
    Denn die Ablehnung zeitgenössicher szenischer Mittel ist eben nicht der Konsens der Opernbesucher, auch nicht hier im Forum.
    Und das herauszustellen, ist mir wichtig. Nur eine differenzierte Bewertung von Strömungen und Haltungen kann konstruktiv sein.
    Denn wenn man sich manche Beiträge wider jeden modernen Ansatz hier durchliest, dann kann man die insgeheime Freude manch eines Regisseurs über die allfälligen Buhrufe - oder, wie Richard Straus es formulierte, die "allgemeine Verblüffung und Wut darüber, daß ich [...] den faulen Menschen Kopfzerbrechen verursache" - durchaus nachvollziehen.


    Freilich, auf generelle Verweigerung des Neuen mit immer platteren Provokationen zu antworten, ist selbstredend auch kein konstruktiver Weg.

    Zitat von Novecento: Jede Inszenierung einer Oper, eines Theaterstückes, jede Interpretation einer musikalischen Komposition lässt das originale Werk in seiner 'Substanz' (dieser sehr materialistische Begriff wird dem eigentlichen Punkt natürlich nur beschränkt gerecht, hier geht es ja nicht in erster Linie um ein Stück Papier, sondern um 'geistige Substanz') unangetastet. Es ist eine Momentaufnahme, ein Ausdruck subjektiver Beschäftigung mit der Substanz. Diese Substanz aber, das Werk selbst, bleibt davon unberührt.


    Lieber Novecento,
    das ist es ja gerade, was wir anders sehen. Die Inszenierungen des sogenannten Regietheaters zerstören das Werk in seiner Substanz gewaltig.


    Bitte, nocheinmal,


    mir ging es gar nicht einmal darum, dahingehend zu widersprechen, wie irgendjemand den Begriff 'Substanz' definiert, wenngleich mir obige Auslegung doch sehr als Missverständnis erscheint.
    Was mir wichtig war, ist aufzuzeigen, dass die physisch-materielle Substanz eines Gemäldes definitiv nicht mit der Aufführung eines szenischen oder musikalischen Werkes gleichzusetzen ist.
    Eine Aufführung ist letztlich noch näher an der Reproduktion, um in Terminologien der bildenen Kunst zu bleiben, wobei das Original in diesem Fall natürlich auch nicht physisch existent ist. Insofern ist der Vergleich mit der Zerstörung der physischen Substanz des Originals eines Gemäldes einfach völlig widersinnig und nichts weiter als effektheischerisch.


    Über alles andere können wir gerne reden, die Qualität der Diskussion nimmt ohnehin schon erfreulich zu im Vergleich zum Anfang.
    Aber bei Begrifflichkeiten wie Substanz, Substanzverlust, Eingriff in die Substanz und Reversibilität, Begrifflichkeiten, deren präzise Verwendung für mich quasi alltäglich ist, maße ich mir doch an, hier auf nomenklatorische Korrektheit zu pochen.
    Es mag kleinlich erscheinen, aber gerade in einer Diskussion, in der ständig auf Nebensächlichkeiten, und seien sie noch so unbedeutend, herumgeritten wird, ist es wichtig, hier genau zu sein.
    Denn Argumente, die auf falsche Vergleiche gründen, sind nun mal keine.


    Gustav Mahler, "Das Lied von Erde". Otto Klemperer, Christa Ludwig, Fritz Wunderlich, New Philharmonia & Philharmonia Orchestra

    Ebenso, ohne einer Anregeung zu bedürfen, Mahlers Lied von der Erde.


    Bei mir quasi aus 'erster Hand':



    Die oben von hasiewicz gezeigte Aufnahme kenne ich - merkwürdigerweise - noch gar nicht. Und: Das alte Klemperer-Cover war ja richtig toll!
    Aber die Zeiten guter Graphikgestaltung sind wohl im Tonträgerbereich leider weitestgehend vorbei.
    Wenn nicht gerade eine hübsche junge Interpretin darauf zu sehen ist ;) , gibt es kaum mehr Anlass zur Freude.

    Meine Ordnung ist schon so kompliziert genug (Nach Geburtsjahr des Komponisten- und innerhalb dessen nach Werksgattungen.....


    Chronologische oder alphabetische Ordnung? Ein leidiges Thema.


    Bei den CD's hält sich bislang die Vorgehensweise, dass es mit 'A' (also so richtig eigentlich mit 'B') beginnt.
    Im Bücherregal stehen zumindest die Monographien momentan in frei chronologischer Reihenfolge. Das mit dem Geburtsjahr als Maß hat ja auch so seine Nachteile. Die Zuordnung zur Zeitströmung - was für mich aus kunsthistorischer Sicht die entscheidende Chronologie wäre - hält sich oft nicht an Jahreszahlen. Jung Gestorbene und Epigonen machen einem oft einen Strich durch die Rechnung.
    Mithin ist meine Chronologie mehr eine gefühlte denn eine streng mathematische. Und irgendwie ist mir das bei der Musik zu diffizil. Schon schlimm genug, dass man bei Interpreten-CD's nie weiß wohin damit...

    Ein Nachtag, man will sich ja ausnahmsweise auch mal zum eigentlichen Thema äußern...


    Meine 'historischen' Aufnahmen stehen natürlich genau da, wo die anderen auch stehen.


    'Alt' oder 'Neu'; historisch oder zeitgenössisch ist für mich im Bereich der Kunst bedeutungslos. Es gibt Kunst, die mich begeistert und Kunst, die dies nicht tut. Die jeweilige Zeitstellung ist dabei für mich weitgehend unerheblich.
    Nachdem mir die Aufnahmetechnik in der Bewertung zu bedeutungslos ist, um deshalb eine eigene Abteilung aufzumachen, gibt es keine Differenzierung.
    Die Sichtweise, Dokumente einer eventuell historisch gewordenen Interpretationshaltung 'auszusondern' - sollte dies das Kriterium sein - widerstrebt meinem Kunstempfinden.


    Obwohl aufgrund meiner Profession eher mit Historikerblick ausgestattet, genieße ich es auch, Kunst erst mal ahistorisch zu rezipieren und gleiche Bewertungskriterien zeitübergreifend anzusetzen. Die Bezüge und Analogien, die einem dabei aufgehen, sind oftmals sehr bereichernd.

    Ich habe überhaupt keine historischen Aufnahmen, weil die technischen Voraussetzungen so miserabel sind, dass man von den jeweiligen Stimmen und Orchestern keinen gültigen Eindruck gewinnt. Ich habe ja auch kein Schwarz-Weiß-Fernsehen mehr. Auch von meiner alten Pentax mit den Wechselobjektiven habe ich mich getrennt.

    Das scheint mir aber doch gar zu apodiktisch.


    Schließlich gewöhnt sich ja die akustische Wahrnehmung sehr schnell an gewisse Unzulänglichkeiten und blendet diese weitgehend aus. Eine Beethoven-Interpretation Furtwänglers aus den 40ern ist doch definitiv mit Gewinn zu hören. Zwar mögen vielleicht Feinheiten der Klangfarben manchmal verlorengehen, doch die Grundzüge der interpretatorischen Intention sind sehr wohl erkennbar. Gleiches gilt für Klavieraufnahmen, bei denen der Verlust durch die beschränkte Klangtechnik meines Erachtens sogar noch geringer ausfällt.
    Lediglich bei historischen Gesangsaufnahmen stimme ich zu, dass es hier schon etwas schwierig sein kann - aber keineswegs so, dass es einem keinerlei Aufschlüsse vermittelt.


    Man ist ja auch in der Lage, die großen Werke antiker Baukunst zu würdigen, obgleich sie nur in Ruinen überkommen sind.
    Oder gewinnt man etwa von der Schönheit der Venus von Milo keinen gültigen Eindruck mehr, bloß weil die Arme fehlen?

    [...] optisch etwa in der hier gezeigten Qualität und Stil:
    [siehe Verlinkung oben]


    Das ist aber gerade sehr dystopisch. Sollte das je Realität werden, so hoffe ich doch inständig, dass es dann wenigsten noch genug konzertante Aufführungen gibt. :whistling:


    Ich glaube, gerade dieses Wunschdenken von Alfred zeigt, dass die ganze Debatte hier aus subjektiven Vorlieben einzelner geboren wurde.
    Denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die auf mich einfach nur gewollt und hochgradig kommerziell wirkende Ausstattung dieser Quoten-Historien-Unterhaltung im Fernsehen dem entspricht, was der ästhetische Konsens ALLER Opernfreunde ist.
    So wie auch sicher nicht jeder Inszenierung mit einem Großaufgebot an unbekleideten Statisten, bei denen sich diese Blöße niemand wirklich wünschen kann, das Streben der Avantgardisten gilt.


    Es wird bei jedem Ansatz Kritiker geben, doch alle Kritik macht nur dann Sinn, wenn sie aus der Warte der Aufgeschlossenheit und Reflexion kommt.


    Ansonsten kann man dieses Block-Denken solange weiterführen, bis entweder die zeitgenössiche Praxis einen Weg einschlägt (denn DAS Regietheater gibt es nicht, es wird sich immer weiterentwickeln) der auch bei den Traditionsfundamentalisten (bitte vielmals um Entschuldigung, aber wenn schon hier von Mafia und Verbrechern gesprochen wird...) konsensfähig ist (was wohl sehr unwahrscheinlich ist), oder alle Konservativen schlichtweg ausgestorben sind (was wohl ebenfalls unwahrscheinlich ist...) Aber davon lebt ja unter anderem dieses Forum.

    Nach dem Regietheater-Englisch Wörterbuch der sehr beliebten und erfolgreichen Facebookgruppe "Against Modern Opera Productions" bedeuten die von dir verwendeten Wörter "Neugierde" und "offen" so etwas wie "Masochismus" und "gehirngewaschen"

    Gibt es auch ein Wörterbuch "Konservative Aufführungen - Deutsch"?
    'Librettotreue Umsetzung' = 'Gepflegte Langeweile'


    Nun, ich würde so ein Wörterbuch in seiner Einseitigkeit keines Blickes würdigen.
    Es gibt viele sehr gute 'konservative' Inszenierungen. Aber eben auch genügend solche, die nur noch unreflektiert-behäbiges Herunterspulen des Gewohnten sind; in Kitschkulissen, die eher an den Musikantenstadel gemahnen als an Hochkultur.


    Oper muss begeistern, berühren. Der Musik, so sie direkt aus der Feder eines wirklich Großen stammt, gelingt das bei guter Wiedergabe auch ohne Eingriffe immer wieder aufs Neue. Und auch die wenigen überlieferten, herausragenden Ausstattungen - notabene der Schinkel-Prospekt, also das Werk eines Künstlers, der in seinem Gebiet durchaus in die Liga eines Mozart einzuordnen ist - können noch nach großen Zeitspannen begeistern. Aber nicht jede historische Inszenierung ist auf dem Niveau des überzeitlichen. Und so wirkt sie eben irgendwann überkommen. Doch etwas, das nur noch schrullig-antiquiert wirkt, wie viele der Kostümschinken-Inszenierungen aus den 60ern und 70ern, wird einer großartigen Komposition einfach nicht mehr gerecht.


    PS Ich musste das jetzt zitieren, da sich der Wortschatz der Befürworter ständig wiederholt........ :angel:

    Na, über soviel Selbstironie freut man sich dann schon wieder!



    Und noch ein letztes von jemandem, der sich selbst intensiv mit der Bewahrung von historisch und künstlerisch Wertvollem beschäftigt:


    Wer die Umdeutung einer Oper, also etwas jederzeit revidierbares, nur momenthaftes, der irreversiblen Übermalung, mithin der Zerstörung eines Werkes der bildenden Künste gleichsetzt und hier nach derselben Strafe (!) schreit, macht damit nicht gerade als kompetenter Diskussionpartner von sich reden.
    Jede Inszenierung einer Oper, eines Theaterstückes, jede Interpretation einer musikalischen Komposition lässt das originale Werk in seiner 'Substanz' (dieser sehr materialistische Begriff wird dem eigentlichen Punkt natürlich nur beschränkt gerecht, hier geht es ja nicht in erster Linie um ein Stück Papier, sondern um 'geistige Substanz') unangetastet. Es ist eine Momentaufnahme, ein Ausdruck subjektiver Beschäftigung mit der Substanz. Diese Substanz aber, das Werk selbst, bleibt davon unberührt. Nur eine Gleichschaltung der Ausdeutung über einen langen Zeitraum könnte dazu führen, dass sich das Werk in der Wahrnehmung in so verzerrter Form etabliert, dass es sich eigentlich nicht mehr vernünftig rezipieren lässt. Und selbst dann ist das Werk an sich noch unberührt, bereit, es wieder in seiner Reinheit neu erstehen zu lassen.
    (Falls sich übrigens hier jemand berufen fühlen solllte, der 'Regiethater-Mafia' solche Gleichschaltung vorzuwerfen: Nur wer in Schwarz-Weiß-Abstufungen denkt, kann alle zeitgenössischen Inszenierungen über einen Kamm scheren. Sie sind in Wirklichkeit so grundverschieden, dass sie einem eine Vielzahl von Blickwinkeln auf das Werk ermöglichen.)


    Und? Wie gefiel die Aufnahme? Ich bin mir nicht sicher, ob das der Live-Mitschnitt oder eine nachträglich angefertigte Studioaufnahme ist. Das Konzert vor eineinhalb Jahren habe ich jedenfalls großartig gefunden und dann auch die Live-Übertragung im Radio mitgeschnitten, die ich seither schon desöfteren mit Genuss hörte.

    Ach was! Wer legt denn fest, dass die Bilder der KOB- Zauberflöte "hoch ästhetisch und kunstvoll" sind? Du?

    Das will ich aber meinen!



    Ich gebe gern zu, dass bei dieser Zauberflöte ein Aufwand betrieben wurde, der den meisten Kleiderkammer-Produktionen krass entgegen steht und dass hier mal keine Pornographie und auch keine Nazis bemüht wurden. Deshalb falle ich aber noch lange nicht vor Dankbarkeit auf die Knie.
    Im Gegenteil: Ich finde es lächerlich, eine Königin der Nacht als Mischung aus Skelett und Riesenspinne darzustellen und Stummfilmklassiker wie Nosferatu zu verwursten. Für mich hat das mit der Zauberflöte nichts zu tun und ist weder interessant noch fesselnd. Wenn ich Stummfilme der Zwanziger Jahre schauen will, dann tue ich das. Dazu benötige ich aber nicht Mozarts Musik als Untermalung.

    Na, immerhin wird's hier - wenigstens auf den ersten Blick - endlich mal differenziert. Der Eindruck, die Filmästhetik der 20er Jahre sei bloßer Selbstzweck, die Mozartsche Komposition nur Untermalung kann natürlich aus dem Zusammenschnitt schon leicht entstehen. Doch genau das hatte ja Caruso an der Aufmachung des Videos auch kritisiert. Um hier fundiert urteilen zu können, müsste man die ganze Produktion gesehen haben. Dies ist bei mir nicht der Fall - doch da ich hier offensichtlich nicht der Einzige bin, sollte Kritik an diesem Punkt besser ausgeklammert werden.


    Kommen wir nun zur angesprochenen Darstellung der Königin der Nacht. Nun, wie sieht denn die typische Königin der Nacht so aus? Ach ja, eine Phantasiegestalt! Sollte man hier denn nicht doch zugestehen, dass der Phantasie denn auch Raum eingeräumt wird?


    Nur weil das übermächtige Bild der sternflammenden Königin im schwarzen Mantel unterm Sternenzelt in allen Köpfen ist, müssen doch grundlegend andere Deutungsansätze nicht gleich lächerlich sein. Zur Klarstellung: Ich finde Schinkels Prospekt über alle Maßen genial und auch mir fällt es schwer, bei der Zauberflöte ein anderes Bild vor mein geistiges Auge zu bringen. Aber diese Inszenierung löst sich einfach so konsequent und in sich schlüssig von jeglicher Reminiszenz an Schinkels Deutung (die Macht des Bildes durchdringt die Charakterzeichnung jeder der Königinnen, die unter dieser Himmelskuppel antreten), dass ich sie in diesem Moment nicht vermisse.
    Und das Übereinanderprojezieren mehrerer assoziativer Bilder auf die Person der Königin - ist die Spinne nicht doch eine sehr bedeutungsvolle Metapher? - passt m.E. durchaus zu dieser Figur.


    Und noch mal - das gestalterische Konzept, die Bildregie ist absolut gekonnt und, da dies die Absicht war und es somit aus der Qualität der Umsetzung resultiert, auch ästhetisch. Mag auch diese Art von Ästhetik wie jede andere auch immer noch differierenden persönlichen Geschmacksurteilen unterliegen. Aber wer so apodiktisch argumentiert, der sollte nicht wider beseres Wissen [?] subjektives Gefällt-mir-Gehabe über ein Urteil auf Grundlage objektivierbarer Deutungsaspekte stellen. Die Bilder sind nun mal gut gemacht; Umdeutung der Oper hin oder her. Wer das nicht wahrhaben will, dürfte vermutlich mit so ziemlich allem, was in der Kunst nach dem Historismus kam, ein Problem haben (Und damit eigentlich auch mit dem davor, latent zumindest...)

    Doch, ich schon. Du hast es ja selbst richtig zitiert: ein Opern-Happening. Wer dort hingeht, will genau das erleben. Ob es mit dem eigentlichen Werk noch was zu tun hat, ist den meisten Besuchern dann sicher genauso egal wie einem Fan von Mario Barth oder Cindy aus Marzahn, dem es auch egal ist, ob sein Idol witzig oder ganz einfach nur niveaulos ist. Wenn also Mario Barth oder Cindy ganze Fußballstadien füllen können, wundert es mich gar nicht, wenn das Zauberflöten-Happening so einen Erfolg verbucht. Wirklich aussagekräftig sind die von dir zitierten Zahlen:


    Wunderbar! Dass, wo nur irgendwie geboten, alle Fakten zur Untermauerung von Klischees und Vorurteilen herangezogen werden, das kennt man ja zu Genüge von allen Schwarz-Weiß-Denkern.
    Aber was, wenn die Fakten plötzlich mal wirklich gegen das so bequem zurechtgelegte Weltbild sprechen? Na, dann werden sie einfach so zurechtgebogen und verdreht, bis es am Ende wieder passt.


    Übrigens: Wem die wirklich hoch ästhetischen, kunstvollen Bilder der Zauberflöte an die Ergüsse irgendwelcher Unterschichten-Kabarettisten gemahnen, dessen Urteilfähigkeit in Fragen von Kunst und Gestaltung muss man doch sehr in Frage ziehen. Zumindest losgelöst von vorgefestigten Erwartungen an eine Zauberflöte müsste einem die Qualität der szenischen Umsetzung doch auffallen. Deshalb; bitte: Wenn man etwas nicht versteht, sollte man immer erst den Fehler bei sich selbst suchen, bevor man sich anschickt, den Gegenstand des Unverständnisses zu zerreden.


    Wieso kann denn nicht mal von der Befürworterseite traditioneller Aufführungen eine fundierte und von Sachverstand zeugende Analyse einer modernen Inszenierung vorgenommen werden, um vielleicht den Versuch zu wagen, die eigene Meinung auch mal durch Argumente zu untermauern und nicht nur dadurch, dass man am lautesten schreit? Die hier genannte Zauberflöte würde sich doch eignen: Niemand muss unbekleidete Menschen oder die Zurschaustellung von Gewalt ertragen, nur ein paar harmlose Bilder, die man doch bitteschön auch mal etwas genauer und ohne ideologische Scheuklappen betrachten möge.



    Ach, und wenn wir gerade bei Verständnisproblemen sind - auch wenn Caruso das schon abgehandelt hat; der Vorwurf ging ja an mich:


    Bei diesem Satz muß ich lachen!! Keiner der RT-Gegner hat eine schlechte musikalische Qualität beanstandet. Beim RT geht es in erster Linie um die szenische Umsetzung, um die Zeitverschiebung, um Verdrehung der Inhalte, um Faschingskostüme bis hin zu nazistischen Deutungen oder Ratten als Darsteller u.s.w.
    Das alles kann man doch in keinem Konzert einschl. konzertanter Aufführungen bemängeln! Dein Beitrag, Novocento, geht am Sinn der Regietheaterkritik völlig vorbei!!!

    Das sollte man nochmal eingehender betrachten... Das einzige, was definitiv am Sinn von etwas vorbeigeht, ist obige Erwiderung, und zwar am Sinn meines Beitrages. Darüber freilich zu lachen, verbietet mir der Respekt gegenüber anderen Disputanten.

    RT-Gegner werden in nahezu jedem Thread irgendwann direkt oder indirekt persönlich angegangen. Auch hier hat es nicht lange gedauert. Mir ist das mittlerweile völlig schnuppe, aber ich kann durchaus verstehen, wenn sich andere User dadurch diskreditiert fühlen.

    Oh weh, die armen. Nun könnte diese anderen Threads in der Regel so gar nicht gleichende Vehemenz der Reaktion durchaus mit dem Impetus der RT-Gegner zu tun haben, mit dem sie irgendwelche Argumente vorbringen. Dass ein Dirigat mit solch unflätigem Vokabular beschrieben wurde, wie es hier ständig Inszenierungen zuteil wird, kam mir jedenfalls noch in keinem Sinfonie-Thema unter. Selbst wenn auch da schon oftmals hitzig diskutiert wurde.


    Insofern braucht sich eigentlich keiner wundern, wenn auf einen groben Klotz auch mal ein grober Keil gesetzt wird. Maßvoller, feinsinniger Widerspruch wird ja in der Regel ignoriert, lässt er sich doch so leicht überhören.

    Nichts liegt mir ferner, als mich hier in den Schützengraben zu begeben.


    Doch nach kurzem, ich gestehe, mehr flüchtigem Lesen bin ich auf die Videos zur Inzenierung der Zauberflöte gestoßen, die Caruso dankenswerter Weise hier eingestellt hat, wohl in dem Versuch, die Diskussion zu versachlichen.


    Das was ich da gesehen habe, dieser hoch ästhetische Bilderrausch, dieses fantastische Aufflackern assoziativer Szenerien, hat mir nach einem langen, anstrengenden Tag echte Freude bereitet.
    Aus dem visuellen Teil dieser Inszenierung - soweit man das aus dem kurzen Video ersehen kann - spricht ein sehr intensiver und tiefgründiger Gestaltungsprozess, der zu einem wirklich hochwertigem, stimmigem Ergebniss geführt hat. In wie fern diese perfekte Bildinszenierung in eine sinnhafte Handlungsdeutung eingebunden wurde, erschließt sich mir, der ich die Oper nicht gesehen habe, natürlich nicht. Aber allein die Qualität der Bilder verdient größte Hochachtung.


    Wenn auch diese, im ernsten und aufrichtigen Sinne des Wortes, einfach schöne Bilderwelt mit dem hier gebrauchten Begriff "Schmutz" gemeint sollte, erübrigt sich für mich jeder weitere Austausch mit den entsprechenden Disputanten. Denn dann leben wir in so weit voneinader entfernten Geisteswelten, dass jeder Versuch, die Sicht des anderen nachzuvollzihen, wohl wahrhaft widersinnig ist.


    Schade, dass die Opernthemen hier im Forum nicht ähnlich bereichernd sein können, wie die 'normalen' zu nicht szenischen Themen. Soweit zu diesem kurzem aktiven Ausflug in das große Theater.


    Ich las gerade; der Begriff "Schmutz" erfuhr gerade eine Verdeutlichung mittels seines etwas vulgäreren Synonyms "Dreck".
    Offenkundig ist man hier bedacht, das Niveau des Vokabulars dem vermeintlichen Niveau der kritisierten Inszenierungen anzupassen. Nun denn...

    Historische Strauss-Interpretationen:



    Clemens Krauss dirigiert einen präzisen, agilen, mitunter schalkhaften Strauss. Sehr pointiert, gerade auch im Till, aber immer auch sofort mit größter inniger Klangschönheit, wenn Strauss' traumschöne lyrische Episoden aufflackern.


    Und die Tonqualität ist für Anfang der 50er Jahre wirklich gut. Wobei hier der kleiner besetzte Don Quixote natürlcih im Vorteil ist.

    Momentan sehr oft Dvoraks Siebte.


    So und so



    Chungs Interpratation ist wirklich ganz große Klasse. Einen so energischen, drängenden Kopfsatz habe ich sonst noch bei keinem gehört. Bernstein gönnt sich natürlich durchwegs richtig satten Klang und große Gesten. Aber spannungsmäßig ist Chung das Maß der Dinge.


    Gustav Mahler
    Symphonie Nr. 2 "Auferstehungssymphonie"


    Janet Baker - Sheila Armstrong
    Edinburgh Festival Chorus
    London Symphony Orchestra
    Leonard Bernstein


    Die Zweite schlechthin. Bernstein ist live beim Edinburgh-Festival (mit ganz großen Solisten - Janet Baker!) unglaublich frei. Er zelebriert den Geist des Augenblicks in einer Intensität, die zu erreichen selbst großen Künstler nur selten vergönnt ist.
    Man spürt, wie er sich in die Musik hineinfühlt, ihre Gefühlswelten ergründet, Klangfarben erforscht, durchdrungen von dem Werk, quasi für die Dauer der Aufführung in ihm lebend, Betonungen, Akzente setzt, die man so nicht kennt und die in diesem Moment doch genau so sein müssen.
    Ein pures Emotionsdirigat, ungemein subjekt und suggestiv.


    Nichts für Puristen, für Partituranalytiker, sondern ein dyonisiches Rauscherlebnis.

    Aufnahmetechnisch mit was vom Besten, was in Sachen furtwänglerscher Tondokumente zu haben ist, ist seine 1te Brahms aus Hamburg.
    Die Aufnahme entstand 1951 mit dem Symphonieorchster des NDR und liegt bei Tahra sogar als Remastering in SACD-Qualität vor.


    Nebenbei bemerkt kommt die Aufnahme auch interpretatorisch dem non plus ultra (was ja letztlich immer ein Desiderat bleiben muss) bei diesem Werk sehr, sehr nahe. Nicht nur innerhalb von Furtwänglers Einspielungen der Symphonie, sondern generell.
    Besonders der letzte Satz ist ein Monument der Interpretationskunst. Wenn Furtwängler hier das Orchester vorwärts peitscht, bis die Anspannung kaum mehr zu ertragen ist und sich schließlich fast brachial entlädt, hält man unwillkürlich die Luft an, um danach umso mehr das musikalische Ausatmen zu genießen, das Furtwängler in bestechender Präzision und doch so frei zelebriert. Er lässt die Musik nach Momenten höchster Anspannung dann regelrecht fallen, frei hinabgleiten in eine luftige Ruhe, ehe der vorwärtsstürmende Duktus sich erneut aufzubauen beginnt.
    Mich begeistert seither bezüglich der Dramaturgie ansonsten nur noch Wand, alle anderen (Böhm, Sawallisch) schätze ich mehr wegen bestimmter Einzelmomente, die ich manchmal genau so hören will.

    Ich präferiere ja an sich moderne Inszenierungen mit gut gestalteten Bühnenbildern und tue mir meist eher schwer, 'historische' Ausstattungen nicht als geschmacklosen Kitsch einzuordnen.


    Aber das, was hier in den Bodensee gestellt wurde, ist wirklich Abfall.

    Smartphones passen in die heutige "Multitasking-Kultur", sie sind ein "Musthave" unserer Zeit. Sie haben es in die Riege der Statussymbole geschafft.


    und


    Es werden immer noch prima die großen Alten verkauft, ganz einfach weil Klassik mit diesen Namen verbunden wird.

    Hier werden zwei klischeehafte Behauptungen angeführt, die - so gut dürfte ich meinen geschätzten Disputanten Sternberg inzwischen kennen - subjektive Aversionen des Autors unterstreichen. Zur ersten übrigens kann ich nur meine Zustimmung geben, nebenbei bemerkt.


    Allerdings zielen die beiden bemühten Beispiele in so konträre Richtungen, dass deren Letzteres das Erste leider grandios widerlegt. :baeh01:
    Denn gerade das Gegenteil von Modeerscheinung, Schnelllebigkeit und medial protegierten Kurzzeitphänomenen stellt es doch dar, wenn ein 'Großer Alter' (so ein dämlicher Ausdruck...) wie Furtwängler noch immer gehört und geschätzt wird.


    Denn eine verrauschte Aufnahme eines Wilhelm Furtwängler, in der ein hoch subjektiver Beethoven von einem strengen alten Mann präsentiert wird, passt so gar nicht in das Klischee des Smartphone-Nutzers, der sich von Werbung, Hoschglanzcovern und virtueller Dauerverfügbarkeit seichter Information und Unterhaltung beeinflussen lässt.
    Furtwängler ist als Person total 'out', sein Interpretatorischer Stil ist 'out', und für die technischen Aspekte der Aufnahmen ist das Wort 'out' schon gar nicht mehr hinreichend.
    Ich glaube, wer sich dafür entscheidet, eine solche Aufnahme anzuhören, der tut dies sehr wohl bewusst und nicht, weil ihn irgendwer manipuliert hätte. Es mag vielleicht seine Präsenz hier im Forum bei geringer Reflexion diesen Eindruck erwecken, aber an sich ist Furtwängler, abgesehen von sehr selektiven, differenziert konsumierenden Klassikhörern - und auch Musikern! - sicher kein 'Must-Have'.


    Dass Furtwängler gehört wird - oder sonst irgendein historischer Dirigent - ist eher ein schlagkräftiges Argument gegen die Manipulierbarkeit des Klassikhörers.
    Denn bei den Werbestrategen der großen Plattenfirmen spielen derart alte Einspielungen aus leicht nachvollziehbaren Gründen keine große Rolle. Die Beeinflussung via Vermarktungsstrategie dürfte also fast ebenso überschaubar sein wie der Stellenwert solcher Einspielungen als Stautussymbol.


    Im übrigen könnte eine Aversion gegen die 'Großen Alten' und ein beständiges Hinweisen auf zeitgenössische künstlerische Strömungen konsequenterweise dazu führen, dass man sich nicht mehr weiter mit dem 'Großen Alten' Beethoven und seinesgleichen beschäftigt, sondern mit Komponisten, die im Hier und Jetzt leben.
    Denn auch die Werke Beethovens sind, wie die jedes anderen Komponisten, nun zwangsläufig dem Zeitgeschmack verhaftet. In jedem Kunstwerk gibt es überzeitliche und zeitgebundene Elemente. Der Anteil dieser beiden Aspekte zueinander nimmt Einfluß, ob ein Kunstwerk überdauert, ob es uns auch in der heutigen Zeit zu berühren vermag. Reine Modeerscheinungen verblassen rasch, doch nichts kann seine Entstehungszeit verleugnen.


    AETATI ARS!

    Vor einer Reise in den Süden:



    F. Mendelssohn-Bartholdy
    Symphonie Nr. 4 'Italienische'


    Wiener Philharmoniker
    Dohnanyi


    Frischer, mitreißender Mendelssohn. Besonders der dritte Satz ist herausragend musiziert. Auch wenn die Schottische interpretatorisch die bessere ist.



    R. Strauss
    Aus Italien


    Staatskapelle Dresden
    Kempe


    Im Gesamten meines Erachtens die beste Einspielung des Stücks. Auch wenn ich in Mutis Aufnahme einige Details über alles liebe.


    :jubel::jubel: