Ich beurteile Musik nicht nach dem Preis, eher sind solche Beiträge wie der von Yorick oder Glockenton Abschreckung genug.
Es ist sicher auch eine große Dummheit, Musik nach ihrem Preis zu beurteilen, zumal in Zeiten, in denen großartige Aufnahmen in billiger Aufmachung verschleudert werden, während gleichzeitig die ersten Gehversuche sogenannter 'Stars' im Hochpreissegment landen.
Was allerdings sollte, wenn doch diese Einsicht vorherrscht, der Hinweis auf den Preisverfall der Thielemann-Aufnahme?
Eine allerdings noch weitaus berechtigtere Frage ist, inwieweit Glockentons umfassende und sachliche Analyse, die in diesem von geschmäcklerischen Plattitüden beileibe nicht ganz freien Thread so angenehm heraustritt, abschreckend sein kann.
Es ist ja durchaus legitim, sich ausschließlich auf einen straffen, durchsichtigen Beethoven zu verlegen und andere Ansätze abzulehnen. Es spricht für Beethovens Musik, dass sie so viele Sichtweisen zulässt. Aber insofern ist Glockentons Beitrag doch wohl eher hilfreich, weil man durch ihn feststellt, dass Thielemann nicht der eigenen Präferenz entspricht.
Aus dem abschreckend aber spricht dieselbe Haltung wie aus dem durchsichtigen Verweis auf den billigen Thielemann im Gegensatz zum wertigen Chailly: Hier wird aus einer persönlichen Einseitigkeit heraus etwas, was einem nicht gefällt, schlechtgemacht.
Mir persönlich liegt Thielemann weitaus mehr als Chailly, ich habe ihn oft live gehört, desöfteren mit Beethoven live gehört - und er vermochte mich meist zu begeistern. Chaillys Beethoven - den ich noch nicht live gehört habe, was vielleicht die Wahrnehmung auch verfälscht - löst in mir weit weniger Begeisterung aus. Aber ich würde ihn deswegen keineswegs als 'schlecht' oder 'falsch' apostrophieren. Ich kann nur nichts damit anfangen, übrigens genauso wenig wie mit Thielemanns Mozart, den ich todlangweilig finde.
Aber dieses strändige Sticheln gegen großbesetzte Beethoven-Interpretationen, die einem romantischen Klangbild näherstehen als einem noch im Barock verwurzeltem frühklassischen, ist einfach platt und überflüssig.
Beethoven legte den Grundstein für eine Entwicklung der Symphonik in eine Richtung, die etwa ein Furtwängler in seine Interpretationen stark einfließen lässt. Das ist aber erst mal genauso legitim, wie Beethovens Ursprünge in kleinbesetzten, noch mehr dem leichten Klang des Menuetts als der mächtigen Ausdruckskraft des Scherzos verpflichteten Klangbildern nachzuzeichnen. Ursprünge mithin, die Beethoven vermittels seiner Schöpfungskraft hinter sich ließ, um ein Tor in neue musikalische Welten aufzustoßen.
Thielemann zeigt sich ohnehin von den Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis nicht völlig unbehelligt. Er lässt ja nicht Furtwängler wiederauferstehen, sondern präsentiert seine eigene Sicht auf Beethoven, die keineswegs immer deckungsgleich mit der spätromantischen Tradition ist. Er geht vieles mit kammermusikalischer Feinheit an, agiert schnell und macht den Klang transparent, wo gegeben. Dass er sich dennoch auch der Freiheiten bedient, etwa bei Tempovariationen, die die Aufführungspraxis des 19. Jhdts. geprägt hat, ist eben der andere Teil seiner Sicht.
Diese Freiheiten sind aber eben auch eine Errungenschaft der interpretatorischen Tradition, die die Sicht auf Beethovens Werk erweitert haben. Wer sie rundweg ablehnt, verschließt seinen Blick vor dem, was Beethovens Musik jenseits aller ideologischen und vor allem auch modischen Scheuklappen inhärent ist.
Es ist auf jeden Fall ein großes Verdienst von Thielemanns Zyklus (den ich übrigens beileibe nicht unbedingt durchgängig unter meine persönlichen Referenzen reihen würde), dass er sich jener Mode widersetzt, der die Beethoven-Deutung momentan unterliegt. Ich wage keine große Prophezeiung, wenn ich sage, dass spätere Zeiten jenen schlanken, vermeintlich metronomgenauen, unverzierten Beethoven als Ausdruck des Zeitgeschmacks sehen werden und keineswegs als den einzig wahren Beethoven.