gestern Abend konnte ich im heimischen Theater Wolfsburg eine tolle Aufführung von Lortzings komischen Oper Zar und Zimmermann erleben. Auch wenn ich kein Freund komischer Sujets und Opern bin und mich eher im Musikdrama wohlfühle, so entschloss ich mich spontan die Oper zu besuchen. Ich habe es nicht bereut - und die gerade mal 250 Zuhörer im fast 750 Plätze bietenden Theater gewiss auch nicht.
Obgleich Detmold in Wolfsburg einen eher schlechten Ruf als Regietheatermacher par excellence haben, kamen wir doch in den Genuss einer wirklich traditionellen, rundum ästhetischen und detailverliebten Inszenierung von Wolf Widder. Als Pluspunkt werte ich schonmal, dass die Ouvertüre bei geschlossenem Vorhang erklang - ich verstehe nicht, warum diesen viele Regiesseure nicht mehr als dramatisches Mittel nutzen...Der Vorhang hebt sich und blicken auf einen weiteren Vorhang mit dem Bild einer heutigen Werfthalle. Der Erzähler (der die Dialoge ersetzt, aber davon einiges aufgreift) erklärt, dass heute so die Schiffe gebaut werden, lenkt aber den Blick auf die Vergangenheit, wobei sich auch dieser Vorhang öffnet und den Blick auf das Bühnenbild freigibt.
Man befindet sich in einer großen, fast sakral anmutenden Werfthalle. In der Mitte stehen Zimmermänner auf Holzgerüsten und arbeiten an den Spanten eines Schiffes. Die Halle ist offen und gewährt den Blick auf das Meer. Alles ist sehr detailverliebt in Szene gesetzt: Alte Sackkarren, Holzhämmer, historische Sägen und Hobel, und, und, und. Alle Personen tragen historische Kostüme - vom Bürgermeister in Amtstracht mit Perücke, über den Marquis in wallendem Gewand bis zum einfacher Arbeiter in Leinenhosen und - hemden.
Wolf Widder machte wirklich lebendiges Theater - es gab so viel zu sehen. Die Figuren agieren natürlich miteinander, die Personenführung ist konventionell, aber funktioniert hervorragend. Es wird nicht zwanghaft versucht witzig zu sein, der Witz funktioniert aus Lortzings Libretto heraus, und wenn die Sängerdarsteller etwas mit hineingeben, wirkt es nicht übertrieben sondern echt komisch.
Musikalisch möchte ich vorallem das Orchester unter der Leitung von György Mészáros hervorheben. Leichtigkeit, Esprit, ein nahezu perfektes Zusammenspiel zwischen Bühne und Dirigent und angenehm zügige Tempi, machten es zu einem reinen Vergnügen den nie zu dick auftragenden Klängen aus dem Graben zu lauschen.
Die Sänger gefielen mir bis auf Jeanne Seguin in der Rolle der Marie allesamt sehr gut (sehr, sehr schlanker Sopran...). Bürgermeister van Bett war natürlich meine Lieblingsfigur. Mit prachtvollem Bass und viel Humor, ideal für die Spieloper geeignet, brillierte Christoph Stephinger, der in den Höhen jedoch manchmal etwas kehlig wurde. Auch Markus Gruber in der Rolle der Peter Iwanow konnte mit einem strahlenden Tenor überzeugen, war allerdings schauspielerisch der schwächste in dem sonst sehr guten und textverständlichen Ensemble. Julian Orlishausen als Zar Peter war mit seinem kräftigen Bariton eines Zaren würdig und verfügt über eine große Bühnenpräsenz. Der Marquis von Stephen Chambers war ebenfalls hervorragend. Stählernd, jedoch etwas knödelig in der Höhe, war er eines der Highlights am Abend.
Alles in allem war es ein wirklich schöner Opernabend, der etwas von der guten alten Zeit (die ich natürlich nie miterlebt habe) aufleben lässt. Besonders hat mich der Holzschuhtanz erfreut, der als Ballett im Stück gegeben wurde. Wahrscheinlich eine der wenigen Ballettmusiken, die in der Oper nicht gestrichen wird, oder?
Auf jeden Fall ist dieser Beitrag vom Theater Detmold etwas für unsere Regietheater-Feinde. Anbei der Trailer.
Beste Grüße
Christian