Nikolaus Harnoncourt gab irgendwann in den letzten Jahren sinngemäß die Äußerung von sich, es gäbe nur noch 3 Orchester, welche sich in der zunehmenden ´Globalisierung´ ihren eigenen Klang bewahrt hätten. Es seien dies das Concertgebouw Amsterdam, die Wiener Philharmoniker und die Berliner Philharmoniker. Folglich arbeite er auch nur noch fast ausschließlich mit diesen.
In einem der letzten Programmhefte des BPO äußerte sich Zubin Mehta, dass die Berliner Philharmoniker früher einen vielleicht noch individuelleren Klang gehabt hätten. Allerdings seien damals auch leider sowohl Bach, als auch Beethoven und Strawinsky mit diesem einheitlichen Klang gespielt worden, was heute glücklicherweise anders ist.
Ich selbst bin bei Leibe kein Lokalpatriot. Natürlich sind die Berliner mein Lieblingsorchester, was sich fast zwangsläufig ergibt, wenn man eines der weltbesten Orchester fast wöchentlich live erleben darf. Man hat ´seine´ Lieblingssolisten u.s.w. Aber ich würde mich nie an ´Ranglistendiskussionen´ beteiligen. ( Ein gutes Antibeispiel hierfür sind z.B. die berühmten ´Big Five´ - die angeblich besten amerikanischen Orchester - , deren Hervorhebung gegenüber anderen mir nicht mehr in jedem Falle gerechtfertig erscheint. )
Neben den elementaren Unterschieden - wie z.B. amerikanisches Blech gegenüber ´deutschen ´ Blechbläsern - die hört meist selbst der Unerfahrene - gibt es sicher weitere feinere klangliche Unterschiede. Ich würde mir aber nicht anmaßen, diese in jedem Falle im Blindtest herauszuhören. Die typischen Beispiele in ganz außergewöhnlichen Fällen vielleicht - aber beileibe nicht immer. Das ist wie mit den Weinproben: Früher waren die wenigen guten Bordeaux unverwechselbar, heute kommen aus vielen Teilen der Welt ähnlich gemachte gute Weine. Die Profis liegen meist daneben.
Aber wie gesagt, die Unterschiede sind trotzdem sicher da, sie müssen da sein: Das fängt mit den Instrumenten an, dem Konzertsaal in dem täglich geprobt wird, geht über Herkunft, Ausbildung, Alter der Musiker, bis hin zu den Chef - und Gastdirigenten, dem gespielten Repertoire, der Tradition.
Auch die eigentliche ´Formation" : Die Wiener sind ja sozusagen eine Eliteauskopplung des Opernorchesters der Wiener Staatsoper. Das heisst, viele Mitglieder spielen täglich in der Oper. Im Vergleich mit den Berlinern geben sie so viel weniger sinfonische Konzerte, während diese aber wiederum nur ein- bis zweimal im Jahr eine Oper aufführen. All das ergibt eine andere Art des Musizierens, und da Musik in erster Linie die Erscheinung von Klang in der Zeit ist, muss das natürlich im Klang manifestiert sein.
Ich muss aber gestehen, dass ich beim Kauf einer CD keinen so großen Wert auf das Orchester lege, da in der Regel ein mittelmäßiges Orchester unter erstklassiger Leitung bessere Ergebnisse erzielt, als die Berliner Philharmoniker unter einem Provinzkapellmeister.
Trotzdem gibt es einige Favoriten, so kaufe ich z.B. Brahms sehr gerne von den Berlinern. Und wenn ich Wiener Walzer kaufen würde, würde meine Wahl sicher nicht auf Chicago fallen. 
Gruß
Anti
[Dieser Beitrag wurde am 09.07.2004 - 18:35 von Antracis aktualisiert]