Tatsächlich ist mir nicht einmal klar, ob ein grundsätzliches Problem vorliegt.
Das einzige für mich erkennbare Problem entsteht, wenn jemand etwas verstehen möchte aber nicht versteht, sich aber auch nicht nachzufragen traut. Aber ganz ehrlich: Dafür fühle ich mich dann auch nicht verantwortlich. Die hier gestellte Forderung, "Fachbegriffe" zu vermeiden, ist jedenfalls praxisfern: Was soll man denn statt "Subdominante", "Kadenz" oder "Rondo" sagen? Nehmen wir als Beispiel hingegen an, jemand würde nach der Bedeutung der genannten Begriffe "Modulation", "Ausweichung" und "Rückung" fragen, dann würde ich ungefähr so antworten:
Eine Modulation ist der Gang von einem tonalen Zentrum zu einem anderen. Eine Ausweichung ist hingegen das vorübergehende Sich-Entfernen von einem tonalen Zentrum, ohne aber das ursprüngliche Zentrum aufzugeben. Und eine Rückung ist die unvermittelte Verschiebung des tonalen Zentrums, oft (aber nicht immer) in Sekundschritten. Bei Modulation und Rückung (nicht bei der Akkordrückung als Stilmittel) entsteht mit dem neuen tonalen Zentrum auch ein neues "Grundtongefühl", bei der Ausweichung bleibt das alte hingegen wirksam, und das neue steht in harmonsicher Spannung zu ihm (deshalb kann auch ein drei- oder viertaktiges Liedvorspiel nicht "mehrere Modulationen durchlaufen"). Die Grenze zwischen Modulation und Ausweichung kann übrigens je nach Hörer etwas unterschiedlich verlaufen: Wo der eine sich sozusagen noch an das alte tonale Zentrum "erinnert", ist der andere bereits ganz in der neuen harmonischen Umgebung "zu Hause" und erwartet auch keine Rückkehr. (An dieser Stelle der Erklärung würde ich "im Ernstfall" noch Beispiele bringen, die das Gesagte hörend nachvollziehbar machen.)
Jetzt frage ich: Was sollte daran "peinlich" sein, diese Begriffe nicht zu kennen und nach ihrer Bedeutung zu fragen? Angenommen, mein Arzt würde mir eine "Juvenile myoklonische Epilepsie" diagnostizieren und dabei gerade vergessen, dass ich Musiker und kein Mediziner bin, dann würde ich vermutlich auch einfach nachfragen
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Angenommen, ich wollte jetzt über harmonische Besonderheiten sagen wir in einer Schubert-Sonate schreiben, einem Komponisten, bei dem alle drei beschriebenen Vorgänge von zentraler Wichtigkeit sind: Wie sollte ich dann ohne die genannten Fachbegriffe auskommen? Und wie umständlich wäre es bzw. wie unlesbar würde der Text, wenn ich jeweils bei ihrer Verwendung die Erklärung gleich mitliefern würde? Ich müsste dann ja auch "tonales Zentrum", "Akkordrückung", "Sekundschritt" usw. erklären, denn auch da kann ich ja nicht davon ausgehen, dass jeder weiß, was die Begriffe bedeuten. Was bleibt mir also übrig? Wenn ich nicht gänzlich darauf verzichten will, das zu schreiben, was ich (z.B.) bei Schubert wichtig finde, dann schreibe ich weiter wie bisher, vertrauend darauf, dass es hier Leser gibt, die mir folgen wollen und können, in Kauf nehmend, dass das nicht für alle gilt, und darauf hoffend, dass die anderen bei Bedarf nachfragen werden. "Problem" gelöst, würde ich sagen
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