Die anderen Sätze finde ich tendenziell etwas hausbackener, beim zweiten Satz des zweiten Konzerts fehlt mir etwas der letzte dramatische Wumms.
Ich finde dadurch vor allem das Verhältnis der beiden ersten Sätze zueinander falsch: Der erste Satz ist überschrieben "Allegro non troppo", der zweite "Allegro appassionato". Bei Levit klingt aber der erste wesentlich mehr "appassionato" als der zweite, der dadurch im dramaturgischen Gesamtzusammenhang (auf mich) etwas deplatziert wirkt und außerdem zu wenig Kontrast zum dritten hat. Wenn das ein bewusstes Konzept ist, habe ich es nicht verstanden.
Insgesamt eine durchaus ansprechende Aufnahme der beiden Konzerte, die es aber sicherlich nicht in den Zimerman-Bernstein-et-al.-Olymp schafft.
Ja, so kann man es sagen. Meine Enttäuschung kommt eher daher, dass ich Levit mehr als "Ansprechendes" zutrauen würde, wenn er sich wie z.B. der besagte Arcadi Volodos vor einer Aufnahme erst einmal ein paar Jahre Zeit mit der Musik ließe . Bei den späten Stücken gibt es jedenfalls zahllose Details, die er nicht (oder zumindest nicht hörbar) reflektiert hat. Brahms schreibt z.B. im Intermezzo op. 116 Nr. 2 bei den beiden ersten (eintaktigen) Phrasen jeweils einen "Schweller" zur Taktmitte, bei der folgenden längeren (zweitaktigen) Phrase aber nicht. Wenn dann ab dem 9. Takt das ganze Thema variiert wiederholt wird, ist es umgekehrt: Der "Schweller" steht nur bei der dritten Phrase. Wenn man das (zusammen mit der von p zu pp veränderten Grunddymanik) genau realisiert, verändert sich dadurch beim zweiten Mal die musikalische Aussage. Bei Levit ist das kaum bis gar nicht zu hören, es wird nur insgesamt etwas leiser. Oder beim Beginn von op. 118 Nr. 2: Das Stück beginnt piano, dann folgt piano dolce, dann pianissimo und schließlich pianissimo dolce. Wenn man weiß, wie extrem wichtig Brahms solche Vorschriften waren, wie oft er sie bis zur Drucklegung noch gestrichen, geändert oder ergänzt hat, dann sollte man das als Interpret schon sehr ernst und genau nehmen und wirklich vier dynamische bzw. klangliche Abstufungen hörbar machen, statt sich einfach auf seine "landläufige" Musikalität zu verlassen und so schön wie möglich zu spielen. Oder in der Romanze op. 118 Nr. 5 (die Levit ansonsten wie gesagt sehr schön spielt): Dort gibt es in T. 12 eine Stelle, bei der die Achtelbegleitung links jeweils kurz das Melodieintervall von rechts imitiert, wovon man wiederum bei Levit (wie allerdings auch bei den meisten anderen) nichts hören kann (im Notenbeispiel jeweils farbig markiert):
Ich finde es ausdrucksvoll, schön und auch einfach strukturell sinnvoll, das dezent aber dennoch deutlich zu zeigen, so dass sich eine Art heimlicher Dialog zwischen führender rechter und "zustimmender" linker Hand ergibt.
Und so weiter: Solche Dinge gingen mir beim Hören wirklich ständig durch den Kopf. Hier etwas überspielt, dort nicht konsequent, hier zu schnell drüber weg und so weiter. Dass Levit ein hervorragender Pianist ist, der trotz allem keinen "Mist" abliefert, ist klar, aber gemessen an seinen Möglichkeiten und auch an wirklich herausragenden Brahms-Pianisten wie Julius Katchen oder eben Volodos ist mir persönlich das zu wenig.