Beiträge von ChKöhn

    Nur hätte Ravel auch darauf verzichten können, durch die Notierung von Balken Gruppen so (Phrasen analog!) symmetrisch zusammenzufassen, die in der Ausführung als Triller in dieser Weise sowieso nicht mehr hörbar sind. Das zeigt, dass er eben noch in solchen Kategorien denkt bzw. diese Jahrhunderte alte Tradition der musikalischen Rhetorik auch bei ihm noch wirksam ist.

    Der Grundpuls in "Ondine" geht ab dem ersten Themeneinsatz bis zum Schluss bei wechselnden Taktarten in Vierteln. Dass die darüberliegenden 32stel in Achtergruppen notiert sind, hat nichts mit Riemannschen 8er-Perioden zu tun (die es in diesem Stück wie gesagt nicht gibt), auch nichts mit der "Tradition der musikalischen Rhetorik", sondern es zeigt einfach, dass Ravel rechnen und korrekt 32 durch 4 teilen konnte. Du hast doch selbst angemahnt, einfache Erklärungen komplizierten vorzuziehen.

    Es gibt auch in diesem Stück keine Triller, und so sehr ich mich auch bemühe, "verstehend nachzuvollziehen", was Du statt dessen gemeint hast, wenn Du "Triller" schreibst: Ich weiß es nicht.


    Diese Diskussion führe ich jetzt auch nicht weiter

    :hahahaha:

    Man kann das was er da schreibt ja in (2+2) = 4 und (4 + 4) = 8 einteilen. Dann hat man die Struktur einer Riemannschen 8taktigen Periode, obwohl das keine ist.

    Es ist vor allem deshalb keine, weil die Vierer- bzw. Achtergruppen nicht aus Takten sondern aus 32steln bestehen. Die Einleitung ist eineinhalb Takte lang, das Thema fäng sechstaktig an (vier Vierer und zwei Dreiertakte), um dann in seinem zweiten Teil von 4/4 über 3/4 auf 2/4 zu verkürzen, was zusammen 19 Viertel ergibt. Bei so etwas wäre Riemann aller Voraussicht nach vom Stuhl gefallen.


    Da ist dann der Versuch, das tatsächlich Gehörte (!) als eine einfache Betonungsrhythmik darzustellen, schon ziemlich konstruktiv um nicht zu sagen Krampf. Man kann es - je nach Analysestandpunkt kann man so ziemlich alles begründen - nur entspricht das dann nicht mehr dem, was man tatsächlich auch hört.

    Nein, man kann keineswegs alles begründen, weil die 32stel irregulär (also nicht in der Logik der notierten Vierergruppen) zwischen Akkorden und Einzeltönen wechseln. Das ermöglicht bestimmte Strukturen, aber nicht "so ziemlich alles" (anders als z.B. bei Stockhausens Klavierstück 9). Und "konstruktiv" ist es nicht, über die möglichen Strukturen nachzudenken, sondern wäre es, eine von diesen Strukturen durch Akzentuierung zu betonen. Die Kunst besteht darin, den Hörern alle Möglichkeiten offen zu lassen. Nicht das, was "man" hört, ist durch die Musik determiniert, sondern die Uneindeutigkeit verschiedener, aber definierter Möglichkeiten. Dass auch tatsächlich verschiedene Hörer bei dieser Einleitung verschiedene Strukturen hören, hat ja u.a. die Diskussion hier gezeigt.

    Auch Bechstein macht durch Aktionen wieder auf sich aufmerksam.

    Ich war im vergangenen Monat bei Bechstein in Seifhennersdorf (Oberlausitz) und habe mir die Produktion angesehen. Wo sich zu DDR-Zeiten die Klavierbaufirma Zimmermann befand, hat Bechstein (bzw. Vorstandsvorsitzender und Mehrheitseigner Stefan Freymuth) einen sehr modernen Betrieb aufgebaut, bei dem mich besonders die Kombination von Handarbeit und moderner Computertechnik beeindruckt hat. Das führt zu einer beeindruckenden Präzision z.B. bei der Einpassung von Gussplatte und Resonanzboden in den Rim (Flügelgehäuse), beim Steg oder bei der Rastenkonstruktion. Einzigartig dürfte die Fertigungstiefe sein, die jetzt schon extrem hoch ist, aber in Zukunft noch weiter ausgebaut werden soll. Statt alle möglichen Teile zuzukaufen, produziert Bechstein gegen den Trend das meiste selbst. Selbst die Software für die zahlreichen CNC-Phräsen usw. wird zum großen Teil selbst programmiert. Die Produktion eigener Hammerköpfe macht nicht nur unabhängig von Renner - vor allem seit dieser wichtigste aller Zulieferer von Steinway übernommen wurde - sondern wird auch für Konkurrenz sorgen, denn Bechstein verkauft diese Hammerköpfe auch an andere Hersteller und Klavierbauer. Überall, wo mit moderner Technik präziser gearbeitet werden kann, werden modernste Maschinen verwendet, alles andere geschieht nach wie vor in traditioneller Handarbeit von ausgewiesenen Fachleuten. Sehr beeindruckend fand ich auch das Ausbildungsprogramm mit (wenn ich mich recht erinnere) über 30 Azubis. Der ganze Betrieb machte bis hin zu den einzelnen Mitarbeiter-Arbeitsplätzen einen sehr durchdachten, geordneten Eindruck, die Arbeitsatmosphäre war konzentriert. Nebenan entsteht gerade ein erheblicher Erweiterungsbau. Das Ganze ist natürlich eine Wette auf die Zukunft, aber meines Erachtens mit vielen richtigen Ansätzen und guten Chancen.


    Tags zuvor hatte ich noch einige Flügel im Bechstein-Zentrum Dresden (direkt an der Frauenkirche) ausprobiert, darunter einen ganz hervorragenden Concert-B in der Größe 212 cm. Ein solches Modell haben wir jetzt für unsere Hochschule in der Ausschreibung; ich werde ihn dann zusammen mit einem Kollegen aus mehreren Exemplaren aussuchen. Es wird sich zeigen, wie er sich im Hochschulalltag bewähren kann, aber nach dem Gesehenen bin ich sehr optimistisch. Bechstein-Zentren gibt es auch in Berlin und seit dem letzten Jahr in Wien (am Naschmarkt).

    Was sagst Du zu den Aufnahmen von Samson Francois und Aya Nagatomi (Spotify), die sich meines Erachtens für eine Variante entscheiden?

    Ich kann da problemlos mehrere Varianten hören und finde auch nicht, dass eine davon bevorzugt wäre (zumindest bevor das Metrum durch die Achtel im Thema links stabilisiert wird). Neben der normalen 4-4-Aufteilung kann ich auf 3-3-2 und auch auf 2-3-3 "umschalten". Letzteres ist bei mir eine Spur unnatürlicher, wahrscheinlich weil der Dreiertakt mit verkürzter Zählzeit drei bei anderen Werken häufiger vorkommt und deshalb vertrauter ist als der mit verkürzter Eins. Bei Samson Francois ist ist 2-3-3 am Anfang gut möglich, weil er die beiden ersten 32stel im Tempo anlaufen lässt, was man auch ohne Akzent als eine Art Betonung hören kann. Vielleicht ist das Hören dieser metrischen Schichten so ähnlich wie bei diesen 3-D-Bildern, die vor ein paar Jahren mal große Mode waren: Wenn man sich die in ziemlich kurzem Abstand vor die Augen hielt und dann "absichtslos" nach hinten über die Bildfläche hinaus blickte, konnte plötzlich ein dreidimensionales Bild erscheinen. Ich hatte immer Mühe, das zu sehen, und es hat auch nicht immer geklappt, aber möglich war es. Ravel finde ich einfacher :).

    Bei den allermeisten Interpreten, auch ABM, höre ich eine gleichförmig fließende Bewegung ohne Akzente. Ein „Umschalten“ zwischen zwei Rhythmen/metrischen Systemen ist mir nicht möglich und ich halte es auch für sehr unwahrscheinlich, dass ein Interpret es daraufhin anlegt. Denn wie Köhn oben sagt - und das widerspricht seiner These von mehreren parallelen metrischen Möglichkeiten - ein Interpret muss sich beim Spielen für eine Variante entscheiden. Wenn dem aber so ist, kann der Hörer nicht nach Belieben unterschiedliche metrische Systeme hören. Hier finde ich die Argumentation nicht zwingend, und wie gesagt höre ich bei den allermeisten Interpreten ohnehin eine sehr gleichförmige Wellenbewegung ohne jegliche Akzente. Ausnahmen sind Samson Francois, Vlado Perlemuter und vor allem die junge asiatische Pianistin Aya Nagatomi auf ihrem beeindrucken Ravel-Album.


    Da die Gleichförmigkeit der Bewegung das wesentliches Element ist, finde ich auch die ausufernde Diskussion über betont/unbetonte Verfüße usw. geradezu grotesk am Werk vorbei gedacht, muss ich sagen.

    Du hast die Sache falsch verstanden: Die Gleichförmigkeit ist gerade die Voraussetzung für die Hörbarkeit verschiedener Varianten. Dass sich ein Interpret dabei für eine Möglichkeit entscheiden muss, steht dazu keineswegs im Widerspruch. In der Neuen Musik, vor allem bei György Ligetis "Illusionsrhythmik" ist dieses Prinzip noch weiter entwickelt und auf die Spitze getrieben: Z.B. spielt der Pianist in der 6. Etüde ("Herbst in Warschau") durchgehend einen einfachen 4/4-Takt in Sechzehnteln, aber man hört - in dem Fall durch Akzente hervorgehoben - alle möglichen Metren und Tempi bzw. Rhythmen, die der Interpret so gar nicht spielt (deshalb der Name "Illusionsrhythmik"). Bei "Continuum" hat Ligeti sogar extra ein Cembalo gewählt, weil die Gleichmäßigkeit dort durch das Instrument vorgegeben ist: Die hörbaren Strukturen entstehen durch die Häufigkeitsverteilung der Tonhöhen. Auch dort hört man also rhythmische Strukturen, die der Cembalist nicht spielt und andere, als er technisch denkt. Bei "Ondine" denkt der Interpret wie gesagt in der Regel in Achtel-Gruppen aus jeweils vier 32steln, aber weil gleichzeitig die Struktur der Akkorde und Einzeltöne als irregulärer Wechsel zwischen Zweier- und Dreiergruppen verstanden werden kann, sind beim Hörer auch ganz andere metrische Muster möglich. Alle diese Stücke sind so angelegt, dass der Interpret eine einfache Grundstruktur in 2/4 oder 4/4 spielt, dass aber durch verschiedene Techniken wesentlich komplexere Metren hörbar werden. Dass das nicht jeder hört, sagt natürlich nichts über die Hörbarkeit aus.

    Für den Pianisten scheint es mir allerdings wirklich eine Herausforderung zu sein, die Bewegung so zu spielen, dass kein homogener Klangbrei entsteht, aber auch keine Überbetonung einer einzelnen Metrik ....

    Ja, und die Herausforderung wird dadurch noch größer, dass man, wenn man eine gleichmäßige Kette von 32steln spielt, ja wohl gar nicht anders kann, als sie im Kopf in irgendeiner Weise metrisch zu gruppieren. Man kann das hörend z.B. beim Anfang von Stockhausens Klavierstück 9 ausprobieren, bei dem derselbe Akkord 142 Mal und dann 87 Mal angeschlagen wird, bei jeweiligem Diminuendo: Die meisten Hörer werden feststellen, dass sie unwillkürlich eine Ordnung in größeren Einheiten ergänzen, die repetierten Akkorde also innerlich in Vierer- oder auch Dreiergruppen zusammenfassen. Das kann sich im Laufe der Passage ändern oder verflüchtigen, aber den vorgeschriebenen 142/8-Takt in Form gleichwertiger Zählzeiten wird man ohne gedachte Unterteilung kaum wahrnehmen können. Im Grunde ist das auf simplerem Niveau eine ähnliche Idee wie bei Ravel: Die gleichmäßige Oberfläche erlaubt verschiedene metrische Deutungen. Bei Ondine muss der Pianist sich für eine von mehreren metrischen Varianten entscheiden, dabei aber so ebenmäßig spielen, dass auch alle anderen Varianten wahrnehmbar sind. Normalerweise wird das spätestens ab dem Themeneinsatz links die notierte Variante in Achteln (also Vierergruppen) sein, weil sonst ja Thema und Oberstimme metrisch asynchron wären.

    Ich finde als Gesamtaufnahme Ashkenazy/Haitink schwer zu übertreffen, trotz großartiger Alternativen wie z.B. Wild/Horenstein oder Janis/Kondrashin. Beim d-moll-Konzert gehört Ashkenazy zu den wenigen, die mich auch mit der großen Kadenz, die ich eigentlich kompositorisch schwächer finde als die kleine, rundum überzeugen.

    Als Alternative zu fast allen Aufnahmen finde ich Bolet/Fischer hervorragend: Bolet spielt den ersten Satz zügiger und den letzten langsamer als üblich (und begründet das auch im Booklet), wodurch z.B. die Zwei-gegen-Drei-Rhythmen im Finale fantastisch transparent zu hören sind und der Satz insgesamt eine besondere "Größe" bekommt, während der erste an Eleganz gewinnt. Die (kleine) Kadenz im ersten Satz baut er stimmig und spannend bis zu einem Höhepunkt auf, der an die Grenzen seines (Bechstein-)Flügels geht. Die sehr gute Decca-Aufnahmetechnik trägt ihren Teil dazu bei, dass diese Aufnahme bei mir - neben anderen - immer noch in der ersten Reihe steht.

    Aus jüngerer Zeit hat mich wenig so sehr beeindruckt wie Lukas Vondraceks Live-Darbietung beim Finale 2016 des berühmten Concours Reine Elisabeth in Brüssel (sowie seine Aufführung im Opernhaus Hannover Anfang 2020). Inzwischen hat er alle Rachmaninow-Konzerte auch auf CD eingespielt, allerdings leiden die Aufnahmen unter einem vergleichsweise mittelmäßigen Orchester.

    Der vor ein paar Jahren bei DG erschienene Mitschnitt mit Sokolov/Tortelier ist ebenfalls hervorragend, extrem risikofreudig, mit maximalem, leidenschaftlichen Ausdruck, aber leider auf einem katastrophal verstimmten Flügel. Erstaunlich, dass Sokolov das trotzdem freigegeben hat. Er spielt am Ende als einziger (von denen, die ich gehört habe) die Variante mit Oktaven in Sechzehnteln statt in Triolen. War ihm vielleicht sonst nicht schwer genug :).

    Sehr gute, aber aus der Fülle der Alternativen nicht unbedingt herausragende Einspielungen gibt es natürlich wie Sand am Meer.

    Die Frage ist eben: Was für ein Grundelement und was für eine Gruppe? Das hier ist eine motivische Analyse und keine rhythmische. Der Rhythmus war aber das Thema und nicht die Motivstruktur. Bei der Komplexität dieser Musik sollte man eben klar definieren, was man analysieren will und was nicht. Sonst redet man aneinander vorbei.

    Die Frage hatte ich klar beantwortet, aber meinetwegen noch mal: Die Gruppe besteht aus einem Akkord, einem halbtönig darüber liegenden Einzelton und wieder dem Akkord. Diese Gruppe wird zweimal wiederholt, beim dritten Mal ist sie um den abschließenden Akkord verkürzt. Jetzt klar? Sonst frag ruhig noch einmal nach.



    Und der "Trick" von Christian Köhn ist immer wieder, in seinen Grafiken die von Ravel notierten Balken (die eben die Vierergruppen betonen) einfach wegzulassen.

    Jetzt wird es wirklich komplett absurd. Wenn Du jetzt plötzlich die notierten Vierergruppen für das einzig wirksame Metrum hältst und die auch noch "betont" haben willst, dann fällt Deine 2-3-3-Teilung natürlich ebenso raus wie 3-3-2 oder 3-2-3. Du solltest vielleicht immer am Beginn Deiner Beiträge kurz erwähnen, welche Teilung bei Dir gerade die ist, die Ravel "so und nicht anders" gemeint hat. Bei dem Tempo, in dem Du diese Überzeugung wechselst, kommt ja sonst keiner mehr mit. Schön wäre natürlich, wenn Du für die jeweilige Behauptung auch noch eine Begründung hättest.

    Ich finde das gerade interessant, scheine aber ziemlich alleine zu sein :( .

    Das macht doch nichts. Wenn es Dir gefällt, ist doch alles gut!


    Auch der unvermeidliche David Hurwitz ist kein wirklicher Freund dieser Aufnahmen und hört an vielen Stellen auch noch zu wenig Orchester.

    Hurwitz hat meine Aufnahmen zweimal gelobt, also ist er toll. Als Musiker ist man ja immer von der überragenden Qualität jener Kritiker überzeugt, die einen loben, und von der peinlichen Inkompetenz der anderen :).

    Haben auch andere Taminos diese Aufnahme und können etwas dazu sagen?

    Ich habe im Stream reingehört und war eher enttäuscht. Natürlich manuell über jeden Zweifel erhaben, aber im Vergleich z.B. zu der Neueinspielung mit Trifonov recht glatt und routiniert, mit zu wenig Leidenschaft. Ganz zu schweigen von herausragenden Aufnahmen der Vergangenheit wie z.B. der von Krystian Zimerman (leider nur Konzerte 1 und 2), bei dem schon der erste Klaviereinsatz im fis-moll-Konzert so klingt, als würde einen ein Tiger anspringen. Wer diese Konzerte heute einspielt, hat halt schon eine gewalitge Konkurrenz im Nacken...

    Hier geht es darum, einen einheitlichen Rhythmus aufzuzeigen, also dass in allen Einzelrhythmen dasselbe rhythmische Grundelement nachweisbar ist. Das aber so, dass dies auch sinnvoll ist, d.h. bei einem Wahrnehmungsphänomen, dass es auch so wahrgenommen werden kann (sonst ist die Analyse eine willkürlich Konstruktion).

    Ja, und ich hatte bereits gezeigt, dass bei der Teilung 3-3-2 genau das gegeben ist. Extra für Dich noch einmal im Detail:



    Wie man sehen kann, beginnen alle drei Gruppen mit dem Akkord, gefolgt von einem Halbtonschritt in der Oberstimme; die letzte Gruppe ist um ein Element verkürzt. Das ist eindeutig und problemlos als "dasselbe Grundelement" zu hören, nicht anders als beim Finale aus "Scaramouche". Dass Du dazu (nach eigenem Bekunden) nicht in der Lage bist, beweist natürlich nur, dass Du eben nicht alles kannst, was andere können. (Übrigens ist es auch falsch, dass ein Rhyhtmus nur erkennbar ist, wenn er aus denselben Grundelementen zusammengesetzt ist, aber lassen wir das jetzt mal außer Acht, denn hier ist es dasselbe Grundelement.)

    Bei Deiner aktuell als einzig richtig erkannten Teilung (gestern war es ja noch eine andere) 2-3-3 passiert exakt dasselbe, nämlich drei Gruppen in gleicher Grundstruktur, von denen eine um ein Element verkürzt ist:



    Du kannst noch so wortreich drumherum reden: Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass Ravel nur die letztgenannte Variante "so und nicht anders" gemeint habe. Der Witz an der Stelle ist im Gegenteil, dass es eine solche Eindeutigikeit nicht gibt. Den hast Du aber leider immer noch nicht verstanden.


    Und damit ist für mich hier endgültig Schluss!

    ^^

    Kann man das für Steinway nicht so zusammenfassen: Absatzmarkt China?

    Sicher, aber das würde ja keine Sorgfalt beim Audio- und Videoschnitt oder bei der Klavierstimmung ausschließen. Es gibt auch in China Musikhörer, denen so etwas auffällt... Und umgekehrt hat sentimenale Verkitschung auch hierzulande ihre Anhänger. "Absatzmarkt" ist hier wie dort das richtige Stichwort.

    Der Rhythmus muss ja als einheitlicher Rhythmus erfasst werden können und nicht nur als bloße Summierung von unterschiedlichen rhythmischen Elementen. Genau das ist bei 3 + 3 + 2 hier bei Ondine nicht möglich - expliziert in die rhythmische Struktur Senkung-Hebung, betont-unbetont ( - = unbetont, ´ = betont) heißt das nämlich:


    (- ´ -) (- ´ -) ( - ´)


    Das ist nun die bloße Aufsummierung zweier inkompatibler rhythmischer Elemente (einer Dreier- und einer Zweierstruktur) und kein einheitlicher, alle Elemente durchziehender Rhythmus.

    Das ist einfach falsch. Die drei Elemente sind nicht "inkompatibel" sondern haben, wie man auf einen Blick erkennen kann, dieselbe Grundstruktur, lediglich ein Element ist um einen Baustein gekürzt (nicht anders übrigens als bei Deiner jüngsten Lieblingsfolge). Wenn das nicht ohne Probleme als zusammenhängender Rhythmus erkennbar ist, dann müsstest Du schon erklären, warum das bei der Folge 2-3-3 anders sein soll. Dass Du diese nach 1-3-3-1 von heute morgen jetzt plötzlich als einzig richtige entdeckt hast, zeigt immerhin sehr schön die Pluralität an Möglichkeiten. Vielleicht kommt ja morgen noch 3-2-2 als weitere hinzu, dann hätten wir die schönste Einigkeit erzielt.

    Zu Deiner privaten Rhythmus-Definition ist zu sagen, dass nach ihr nicht nur der zweite Satz aus Tschaikowskys Pathétique und das Finale aus Milhauds Scaramouche sondern z.B. auch "Sacre du Printemps" und weite Teile der Neuen Musik Werke ohne Rhythmus wären, von variablen Metren, Polyrhythmik oder Illusionsrhythmik ganz zu schweigen. Was für ein Schmarrn...

    Sind im Taktzitat die elf Akkorde und die fünf Einzeltöne hörbar?

    Ist das für den Pianisten eine technische Herausforderung?

    Die Akkorde und Einzeltöne sollten heraushörbar sein, weil sonst die besagten metrischen Effekte in einem einzigen Klang verschwimmen (deshalb auch das Tempo "Lent"). Eine technische Herausforderung ist das durchaus, und zwar aus mehreren Gründen: Schwer sind die Dynamik "ppp", die absolute Gleichförmigkeit ohne jeden Akzent, die Balance zwischen den Dreiklängen und den Einzeltönen, und die Last der Hauptarbeit für die beiden Außenfinger (wenn man nicht 3-5 statt 4-5 spielt). Man benötigt in der Hand eine vergleichsweise große Stabilität, die aber auf keinen Fall zulasten der Beweglichkeit von Unterarm und Handgelenk gehen darf. Die Bewegungen müssen minimal, aber absolut präzise sein, mit ständigem Kontakt der Fingerspitzen zur Taste ("in der Taste"). Es ist eine ganz spezielle Technik, die man so ansonsten kaum benötigt und sich deshalb erst einmal aneignen muss. Das ist am Anfang sehr schwer und geht dann irgendwann in eine Art Körpergefühl über.

    Betrachten wir doch noch einmal den Notentext:



    Das ist das, was Ravel notiert hat. Also zwei Viertel Auftakt, durch die Balkensetzung unterteilt in vier Achtelgruppen von jeweils vier 32steln, von denen durch den sekundären Balken jeweils zwei zu Vierteleinheiten verbunden werden. Wenn man das vollkommen gleichmäßig und ohne jeden Akzent spielt (worauf neben dem Fehlen jeglicher dynamischer Differenzierung auch der überlange Legatobogen über den ersten viereinhalb Takten hinweist), ist diese Gruppierung allerdings nicht bzw. nur als eine von mehreren Möglichkeiten hörbar. Ich hatte als denkbare und hörbare Alternative die Aufteilung 3-3-2 vorgeschlagen:



    Dr. Kaletha meint hingegen, es sei eine andere Aufteilung gemeint, die "ziemlich eindeutig und unzweideutig" einen Daktylus darstelle ("Der duft aus dem garten noch leis"):



    Da stellt sich schon einmal die Frage, warum diese Aufteilung "eindeutig" gegenüber der anderen zu bevorzugen sein soll. Das wird noch fragwürdiger, wenn man eine weitere, bisher ungenannte Möglichkeit betrachtet, nämlich 2-3-3:



    Von all diesen Möglichkeiten scheint mir die Kalethasche mit Abstand die unnatürlichste zu sein, weil sie erstens aus der metrisch schweren ersten Note gegen den Notentext eine Auftaktnote macht, und weil zweitens am Anfang und am Ende der Viertelgruppe jeweils ein einzelnes 32stel für sich steht. Wenn man das letztere zu einer Zweiergruppe mit dem Beginn der nächsten Einheit verbindet, hat man genau die Aufteilung 3-3-2, von der Kaletha (fälschlicherweise) behauptet, sie ergäbe "gar keinen Rhythmus". Möglich ist auch diese recht komplizierte Variante, aber mit welcher Begründung soll sie "ziemlich eindeutig und unzweideutig" die sein, welche der Komponist "genau so und nicht anders gemeint" hat? Kalethas Begründung dafür ist, dass im Notentext jeweils "zwei Vierergruppen mit einem Balken zusammengefasst" sind, aber das wäre natürlich bei allen anderen Varianten genauso möglich (ich habe das in den Notenbeispielen nicht gemacht, weil ich auf die Schnelle die Funktion für die sekundären Balken nicht gefunden habe).


    Mein Fazit ist: Die komponierte Struktur erlaubt mehrere metrische Varianten, sowohl auf Seiten des Spielers als auch des Hörers. Die jeweils wahrgenommenen Strukturen müssen nicht einmal bei beiden identisch sein, sondern es kann der Hörer etwas anderes wahrnehmen als der Spieler denkt und umgekehrt, und beide können beim Hören bewusst oder unbewusst von einer Variante zur anderen umschalten. All diese Möglichkeiten sind im Notentext angelegt.

    Das sind so weit die analytisch belegbaren Fakten. Über mögliche Konsequenzen in der Umsetzung hatte ich weiter oben etwas geschrieben. Korrigieren muss ich mich in einem Punkt: Ich hatte bisher nur von zwei möglichen metrischen Varianten geschrieben, tatsächlich sind es mehr, neben den bisher genannten z.B. auch noch 3-2-3. Dass dieses Vexierspiel, diese komponierte metrische Unklarheit der Kern der Sache ist, zeigt sich übrigens auch an den zwei Vierteln Auftakt, mit denen das Stück beginnt: Es ist, wenn man nicht (gegen den Notentext) die Eins im ersten Volltakt betont, völlig unmöglich, das übergeordnete Metrum herauszuhören, und der Einsatz des Themas in der Linken kommt zu einem unvorhersehbaren Zeitpunkt. Das ist also im Großen eine ähnliche Idee wie die beschriebenen metrischen Gleichzeitigkeiten im Kleinen.





    Hier bei Ravel sind nunmal Vierergruppen notiert und keine Dreiergruppen (was er ja auch hätte tun können, warum hat er es denn nicht getan?). Also ist der Hinweis auf Messiaen usw. zwar interessant (in anderer Hinsicht passt er schon, wenn man den Thread nur durchliest, wird man finden, dass ich da vor 15 Jahren auf Messiaen hingewiesen hatte) hier unangebracht.

    Du hattest behauptet, die Aufteilung 3-3-2 "ergibt keinen Rhythmus". Es überrascht nicht, dass Du Gegenbeispiele als "unangebracht" empfindest.


    Der Daktylus, so wie er notiert ist, ist einfach als fließender Rhythmus viel leichter auszuführen als 3-3-2. Auch das ist Fakt. Das kann jeder ja mal versuchen, der ein bisschen Klavier spielen kann und sollte es eigentlich merken.

    Erstens ist kein Daktylus notiert. Den kann man wie gesagt nur konstatieren, wenn man entweder einen Auftakt erfindet, der nicht da steht, oder falsche Betonungen annimmt. Zweitens kann ich ein bisschen Klavier spielen und kann nicht bestätigen, dass dieser Anfang in der gedachten Ausführung in Vierergruppen leichter zu spielen ist als bei der Aufteilung 3-3-2. Beides hat manuell Vor- und Nachteile: Bei Vierergruppen folgen die gedachten Schwerpunkte gleichmäßig aufeinander, liegen aber leider immer abwechselnd beim Akkord und beim einzelnen Ton auf dem fünften Finger, was die Gleichmäßigkeit des Anschlags erschwert. Bei der Version 3-3-2 hat man dieses Problem nicht, weil die (wieder nur gedachten) Schwerpunkte immer auf den Akkord fallen, dafür sind sie in ihrer Abfolge inegal. Beides finde ich alles andere als leicht, aber doch deutlich leichter als Deinen Vorschlag, einen Daktylus zu denken und dafür den Volltakt zum Auftakt umzudeuten. Es liegt auf der Hand, dass sich eine solche willkürliche Veränderung des Notentextes nicht mit dem Argument verträgt, dort seien aber nun mal Vierergruppen notiert.


    Hier bei Ondine liegt eine solche Sinnwidrigkeit schlicht nicht vor, wenn man den Daktylus auch rhythmisch so herausspielt. Insofern ist der Vergleich unangebracht und mir damit wieder mal "beweisen" zu wollen, dass ich dumm bin, einfach nur töricht und nur Ausdruck von Eitelkeit, demonstrieren zu müssen, dass man alles besser weiß.

    Das ist ein Zirkelschluss: Wenn man Deinen Daktylus rhythmisch herausspielt, ist er da. Ach was. Ansonsten hat hier niemand geschrieben, dass Du "dumm" bist, sondern ich habe Dir widersprochen. Es ist Dein Problem, dass das für Dich offensichtlich dasselbe ist.

    Vierergruppen sind nunmal eindeutig notiert und nicht Dreiergruppen.

    Wie gesagt: Beim Klavierkonzert hattest Du kürzlich genau umgekehrt argumentiert. Dort sei ein Walzer gemeint, obwohl Zweiergruppen notiert sind. Es ist nicht meine Schuld, wenn Du Dir wieder einmal selbst widersprichst.


    Ich kann das jedenfalls nicht - ich verlängere automatisch die "2" und dann holpert es.

    Dass Du das nicht kannst, beweist genau was? Ich z.B. kann das problemlos, und andere haben hier ja auch schon bestätigt, dass sie das können.


    Das ist mal wieder der typische Pöbel-Stil von Christian Köhn

    Nein, es ist eine ernst gemeinte Frage. Du sagst, "die semantische, musikhermeneutische Ebene" "muss" zur Analyse des Notentextes hinzukommen, und ich frage, warum sie das "muss".


    Aber noch einmal zu Deiner Analyse:

    Ich weiß nicht genau, was Du mit "ziemlich eindeutig und unzweideutig" meinst (und wo der Unterschied zwischen beidem ist), aber bei Deiner Deutung unterschlägst Du die Kleinigkeit, dass Ravel die Vierergruppen gerade nicht auftaktig beginnt. In Deinem Textbeispiel wäre also die Betonung "Der duft aus dem garten noch leis". Dein Daktylus funktioniert also nur mit einer falschen Betonung oder alternativ mit einem hinzufantasierten Auftakt.

    Die Aufteilung 3 - 3 - 2 widerspricht erst einmal der Notentextnotierung und sie ergibt auch gar keinen Rhythmus. Zum Rhythmus gehört das Fließen (griech. rhythmos kommt von rhei = "fließen").

    Die Aufteilung 3-3-2 ist z.B. in osteuropäischer Volksmusik und im Jazz elementar. Das ist dann nach Deiner Definition also alles "Musik ohne Rhythmus". Nach Platon ist Rhythmus "die Ordnung der Bewegung". Heutzutage bezeichnet man damit einfach generell die Struktur bzw. den Ablauf der musikalischen Zeit. Der Satz "Die Aufteilung 3-3-2 ergibt auch gar keinen Rhythmus" widerspricht offensichtlich beidem. In Bezug auf die Balkensetzung hattest Du übrigens im Falle des langsamen Satzes des G-Dur-Konzertes genau umgekehrt argumentiert und behauptet, Ravel habe dort einen Walzer-Rhythmus gemeint und nur "aus Pedanterie" Zweier-Gruppen geschrieben.


    So aufgeteilt kann man nämlich wenn man es versucht nicht durchgehend 32tel spielen.

    Warum das? Natürlich kann man das. Das ist doch gerade der Witz der Stelle: Man kann beide rhyhthmische Strukturen denken, spielen und hören.


    Allein durch eine "positivistische" Analyse der Struktur des Notentextes kann man das m. E. nicht begründen, da muss dann die semantische, musikhermeneutische Ebene hinzukommen.

    Warum "muss" sie das? Weil Dr. Kaletha das verlangt?

    Ich habe allerdings keine Idee im Hinterkopf, dass es nur eine einzige Interpretation geben müsste, die dem Werk gerecht würde, bin also ein Verfechter von mehreren Interpretaionen, denen ich etwas abgewinnen kann.

    Da bin ich im Prinzip ganz bei Dir. Der Begriff der "Interpretation" ist grundsätzlich problematisch, weil er zum Beispiel außer acht lässt, dass es möglich und legitim ist, eine Partitur auch "gegen den Strich" zu lesen. Ich bin aber ein großer Anhänger davon, den "Strich" trotzdem zu kennen, weil eine entgegengesetzte Lesart meist erst aus dieser Spannung funktioniert. Schaut man z.B. auf den Anfang von Ondine, dann stellt man fest, dass in der Oberstimme das besagte Übereinander von zwei entgegengesetzten metrischen Ordnungen wirkt, also eine mit quasi grafischer Klarheit komponierte Uneindeutigkeit. Das nach eineinhalb Takten links einsetzende Thema steht dazu in extremem Kontrast: Ravel schreibt nicht nur ausdrücklich "très doux et très espressif" sondern wählt auch eine andere Tonart (gis-moll statt Cis-Dur), eine andere Bewegungsart und einen entgegengesetzten Charakter, außerdem ist das Thema metrisch vollkommen klar. Die Oberstimme ist wegen ihrer besonderen Struktur aber nicht einfach nur eine vorbereitende "Begleitung" für das "Hauptthema" sondern ihrerseits genauso "Hauptsache". Damit wäre für mich klar, dass man beide Elemente möglichst trennscharf gegeneinander setzt, damit sie gegeinander und ineinander wirken können. Naheliegend ist dann natürlich, die Rechte mit mechanischer Präzision und gläsern transparent zu spielen und die Linke "très espressif" und durchaus mit romantischer Phrasierung. Allerdings ist das zwar naheliegend aber keineswegs zwingend: Man könnte z.B. auf die Idee kommen, den Kontrast gerade umzudrehen, also dem flirrenden Anfang Ausdruck und innere Ordnung zu verleihen, indem man der Uneindeutigkeit die Logik einer Phrase entgegensetzt (immerhin beginnt das Stück auftaktig; man könnte also zum ersten Volltakt hin phrasieren), um dann das Thema links kühl, streng und stabil dagegen zu setzen. Oder man könnte dem Thema das Verlangen nach romantischem Espressivo bewusst verweigern, es gewissermaßen unter den Zwang der mechanischen Rechten stellen und beides kühl und streng spielen, um die Auswirkung des Anfangs auf das Thema zu betonen. Ob irgendetwas davon funktioniert oder nicht, kann sich natürlich nur in der Praxis zeigen. Sicher wären auch noch ganz andere Lösungen möglich, aber mir fehlt die Fantasie, dass darunter auch eine sein könnte, die beide Elemente romantisch espressiv deutet. Auch das (also dass mir die Fantasie fehlt) ist natürlich kein Beweis dafür, dass es nicht möglich ist. Bei Hameling scheint es mir jedenfalls nicht gelungen zu sein.

    Auch, wenn seine Ondine sich an einer Stelle verschluckt, ich mag sie sehr! Ich finde die Einspielung ausgezeichnet, meine aber auch in Scarbo kleinere ungenauigkeiten gehört zu haben. Man muss aber bedenken, dass es offensichtlich ein Konzert ist.


    Auf der anderen Seite bin ich begeistert, wie er bei Ondine und Scarbo die Stimmen behandelt. So differenziert und klar!

    Ich habe jetzt nur Ondine gehört und bin ehrlich gesagt nicht so begeistert. Der kurze Aussteiger kann passieren, aber ich vermisse so etwas wie ein gestalterisches Konzept. Am Anfang gibt es z.B. einen äußerst raffiniert ausgetüftelten rhythmischen Schwebezustand, bei dem man die durchlaufenden 32stel sowohl in Vierergruppen (also als Achtel) als auch in der Teilung drei-drei-zwei hören kann:


    Diese Gleichzeitigkeit zweier grundverschiedener metrischer Modelle ist meines Erachtens der Kern dieses Beginns, und das ist bei Hameling überhaupt nicht hörbar. Michelangeli spielt in dieser Aufnahme nur leicht langsamer, aber bei ihm kann man als Hörer sozusagen zwischen beiden metrischen Varianten wählen oder sich sogar beim Hören von einer zur anderen treiben lassen. Diese in aller Strenge komponierte Uneindeutigkeit erinnert vielleicht an Grafiken von M. C. Escher und ist meines Erachtens ganz wesentlich für den kühlen, eisigen Ausdruck dieses Beginns. Hameling weicht das durch sein extremes Tempo sowie (auch im weiteren Verlauf) mit romantischer Phrasierung und traditionellem Rubato auf. Im Ergebnis ist das eine sehr emotionale Darstellung (der "Unfall" beim Höhepunkt ist so gesehen nicht zufällig ;)), was dem Stück meines Erachtens aber nicht entspricht.

    Auch, wenn seine Ondine sich an einer Stelle verschluckt, ich mag sie sehr! Ich finde die Einspielung ausgezeichnet, meine aber auch in Scarbo kleinere ungenauigkeiten gehört zu haben. Man muss aber bedenken, dass es offensichtlich ein Konzert ist.


    Auf der anderen Seite bin ich begeistert, wie er bei Ondine und Scarbo die Stimmen behandelt. So differenziert und klar!

    Ich habe jetzt nur Ondine gehört und bin ehrlich gesagt nicht so begeistert. Der kurze Aussteiger kann passieren, aber ich vermisse so etwas wie ein gestalterisches Konzept. Am Anfang gibt es z.B. einen äußerst raffiniert ausgetüftelten rhythmischen Schwebezustand, bei dem man die durchlaufenden 32stel sowohl in Vierergruppen (also als Achtel) als auch in der Teilung drei-drei-zwei hören kann:


    Diese Gleichzeitigkeit zweier grundverschiedener metrischer Modelle ist meines Erachtens der Kern dieses Beginns, und das ist bei Hameling überhaupt nicht hörbar. Michelangeli spielt in dieser Aufnahme nur leicht langsamer, aber bei ihm kann man als Hörer sozusagen zwischen beiden metrischen Varianten wählen oder sich sogar beim Hören von einer zur anderen treiben lassen. Diese in aller Strenge komponierte Uneindeutigkeit erinnert vielleicht an Grafiken von M. C. Escher und ist meines Erachtens ganz wesentlich für den kühlen, eisigen Ausdruck dieses Beginns. Hameling weicht das durch sein extremes Tempo sowie (auch im weiteren Verlauf) mit romantischer Phrasierung und traditionellem Rubato auf. Im Ergebnis ist das eine sehr emotionale Darstellung (der "Unfall" beim Höhepunkt ist so gesehen nicht zufällig ;)), was dem Stück meines Erachtens aber nicht entspricht.

    Ich habe (angeregt durch diese Diskussion) die Zimerman-Bernstein-Aufnahme vor einigen Tagen gehört.


    Meine Herren, was für eine Aufnahme!

    Der Video-Mitschnitt der Zimerman-Bernstein-Aufnahme ist eigentlich vergriffen, aber beim Werbepartner konnte ich ihn als Japan-Import mit knapp zwei Wochen Wartezeit noch bekommen:



    Es ist weitgehend dieselbe Aufnahme wie auf CD, allerdings unkorrigiert, wie man an ganz wenigen, kaum hörbaren Fehlgriffen feststellen kann. Das macht Zimermans phänomenale Leistung noch ein Stück beeindruckender. Wer mit 28 Jahren auf einem technischen und künstlerischen Niveau spielt, das im Grunde keine Weiterentwicklung mehr erlaubt, hat ein Problem... Zimermans späterer Hang zum Über-Perfekten, manchmal auch zum Übertriebenen dürfte darin begründet sein. Auch das hat zu teils großartigen Ergebnissen geführt, aber die völlig unangestrengte, selbstverständliche Natürlichkeit seiner früheren Aufnahmen hat er für mein Empfinden später nicht mehr erreicht. Ein weiteres Beispiel ist auch seine Einspielung von Chopins Andante spianato et grande Polonaise brillante op. 22 mit Guilini, die (zumindest unter Pianisten) einen legendären Ruf hat. Da war er 24.

    Wie schön wäre es, wenn ich an diesem "ignoranten Unsinn" Schuld wäre, aber dafür sind doch Größere verantwortlich.

    Für das, was Du schreibst, bist Du allein verantwortlich:

    Es hat sich bewährt, diese Sinfonien überhaupt nicht zu hören. Dann entgeht einem gar nichts.

    "Ignorant" ist noch das harmloseste Adjektiv, das mir zu so einem Satz einfällt.

    Zum Geck verkürzt erklärt: Pingel schreibt was, bekommt Kloppe, Geck unterstützt das

    Ich habe hier längst nicht alles gelesen, aber wie ist eigentlich das Gerücht aufgekommen, Martin Geck hätte dafür plädiert, die "ungeraden" Symphonien nicht zu hören? Ihr könnt mir glauben: Das hat er nicht. Das Urheberrecht an diesem ignoranten Unsinn liegt allein bei Pingel.

    Danke für Deine Antworten; ich hatte schon befürchtet, dass meine vorsichtigen Einwände und Nachfragen falsch angekommen wären...


    Haydn hätte die Vorzeichen schon am Anfang des Satzes am Zeilenanfang setzen können, das wäre die übliche Vorgehensweise gewesen. Ich glaube es macht für einen Spieler schon einen Unterschied ob er von Anfang an weiß, dass er in H-Dur ist, oder das erst Mitten in der Musik realisiert. Die Modulationen sind in diesen Abschnitt sehr ungewöhnlich (drei davon wieder mit Tonleitern eingeführt), so das Hans Keller gar von Beginn der Atonalität schreibt (diese Meinung teile ich übrigens nicht).

    Das Notenbild wäre vor allem bei den Themeneinsätzen in B-Dur und As-Dur sehr kompliziert und unübersichtlich geworden, wenn dort schon H-Dur vorgezeichnet wäre, denn da diese Tonarten keine gemeinsamen Töne mit H-Dur haben, müssten dann im Notentext vor jedem einzelnen Ton Auflösungszeichen und zum Teil zusätzlich noch neue Vorzeichen (b's) gesetzt werden. Ich glaube deshalb, dass es nur praktische Gründe hatte, in der ersten Hälfte auf eine vorgezeichnete Tonart zu verzichten. Die Modulationen, die ja fast eher "Rückungen" von einer Tonart zur anderen sind, sind wirklich extrem ungewöhnlich, geradezu experimentell. "Atonal" sind sie natürlich nicht, da stimme ich Dir zu.


    Mit “natürlich wichtiger” meinte ich, dass das mit den Vorzeichen zwar interessant ist, die Musik (hier die Fuge) aber wichtiger.

    Du hast Recht, die Fuge schließt den Satz zwar nicht ab, kommt aber doch ziemlich gegen Ende. Ich habe die Coda immer als eine Fortführung der Fuge empfunden und sehe das Ganze als eine Einheit, das ist aber nur meine Sichtweise.

    In meiner Wahrnehmung sind die wiederholten "Anfänge" des immer selben Themas in Tonarten, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben, die eigentliche Sensation an diesem Satz. So etwas kenne ich zumindest bis dahin von keinem einzigen Musikstück, während ein Fugato mir schon an der ein oder anderen Stelle begegnet ist ;). Deshalb meine Nachfrage.

    Ich habe ihn lange Zeit gegen manche Kritiker verteidigt, die mir oft zu sehr an Äußerlichkeiten hängen blieben und von einer gewissen Grund-Gehässigkeit geprägt waren, aber inzwischen fällt mir das immer schwerer. Die folgende Peinlichkeit hat Steinway vor ein paar Jahren mit den Worten "may be the greatest live performance ever captured of this masterpiece. The feedback on this video has been overwhelming and it promises to be viewed by millions for generations" beworben. Anscheinend ist weder dem Steinway CEO Ron Losby noch sonst jemandem aufgefallen, dass der Pianist an zwei Stellen einen rhythmischen Anfänger-Fehler macht und sich bei der Zahl der Überleitungstöne verzählt, also sozusagen "Für Elise" in der Extra-Lang-Lang-Version... Das wäre schon schlimm genug, aber diese sentimentale Verkitschung, dieses schematisch wiederholte Rubato, als wäre es einfach immer wieder abgespielt worden, diese pornomäßig vorgetäuschte Ausdruckstiefe, das alles ist noch viel schlimmer. Dazu kommen ein schlecht gestimmter Flügel (damit hat wie gesagt Steinway geworben!) und eine miserable Bildregie (an einer Stelle blickt Lang Lang vor dem Kamerawechsel verzückt gen Himmel und sofort danach versunken in die Tasten).


    Ich habe in meinem Beitrag mit meinen Mitteln versucht, etwas mehr zu sagen, als eine Lobeshymne.

    Ich meinte auch mehr die oben zitierten Rezensionen aus SZ, dem "Standard", der Kronenzeitung, von Christopher Axworthy usw.. "Einer der besten Pianisten der Welt" finde ich zum Beispiel maßlos übertrieben überraschend :). Ich finde z.B. auch den oben verlinkten Kopfsatz aus dem zweiten Brahms-Konzert viel zu brav "in der Mitte", vor allem für einen so jungen Musiker.


    Des weiteren fehlt mir natürlich ein umfänglicher Vergleich mit der Fülle anderer erstklassiger Pianisten. Ich hatte schon mal angedeutet, dass ich auch bei völlig Unbekannten über ihr Können überrascht war. Das impliziert natürlich auch eine gewisse Zufälligkeit oder Glück bei den gerade Gehypten Pianisten. Ansonsten bin ich halt auf Veröffentlichungen angewiesen.

    Einen "umfänglichen Vergleich" habe ich auch nicht, aber ich kenne eine ziemliche Zahl von ihnen. Ansonsten reicht es, bei den Halbfinal- oder Finalrunden der großen internationalen Wettbewerbe zuzuhören (die ja heutzutage fast immer gestreamt werden und danach als Aufzeichnungen zugänglich bleiben), um festzustellen, dass es hunderte, wenn nicht tausende von technisch sehr gut ausgebildeten Pianisten nahe der Grenze zur Perfektion gibt. Es gehört viel künstlerische Persönlichkeit dazu, aus dieser Masse herauszuragen. Mich persönlich haben in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren von den Jüngeren am meisten Daniil Trifonov, Lukas Vondracek, Seong-Jin Cho und Bruce Liu beeindruckt, mit manchem Repertoire auch Igor Levit. Aber natürlich gibt es ganz sicher noch mehr, die ähnlich gut spielen, die ich aber noch nicht live gehört habe.

    Lieber ChKöhn, war es dieses Konzert am 30. September 2023?

    https://b23.tv/hGpJc3c


    Dazu gibt es eine Kritik bei Bachtrack, die zwar auch nicht überschäumt vor Begeisterung, aber, wie ChKöhn, wohlwollend formuliert.

    https://bachtrack.com/de_DE/kr…harmoniker-september-2023

    Ja, das war das Konzert. Ich fand es anschließend in der Digital Concert Hall etwas besser als live im Saal, weil die Balance-Probleme da natürlich durch die Aufnahmetechnik behoben waren. Aber gerade das Cello-Solo von Martin Löhr war einer dieser ganz besonderen Momente, die mir beim Solisten einfach fehlten. Natürlich ist es auch alles andere als leicht, gegen ein solches Weltklasseorchester zu bestehen, erst recht wenn sie wie an diesem Abend in absoluter Hochform spielen. Sebastian Urmoneit (in der von Dir verlinkten Kritik) hat das ja anscheinend nicht komplett anders gehört als ich sondern formuliert es nur positiver und freundlicher. Ich bin halt ein schlechter Mensch ;(.

    Ehrlich gesagt wundern mich die Lobeshymnen etwas, denn als ich Kantorow zum einzigen Mal live gehört habe (im vergangenen Oktober in der Berliner Philharmonie mit Liszts zweitem Klavierkonzert) fand ich ihn sehr blass. Natürlich nicht "schlecht", aber auch in keiner Weise aus der Fülle von erstklassigen jungen Pianisten herausragend.

    Sorry, wenn ich ein paar Einwände und Nachfragen habe:

    Alle Themen des Quartetts basieren auf Tonleitern und nicht auf Dreiklängen

    Was ist denn z.B. mit dem Thema des dritten Satzes? Die 1. Violine spielt da nach einem kleinen, auftaktigen Schleifer ausschließlich Dreiklangstöne, rein akkordisch von den drei anderen Instrumenten begleitet.


    Der Höhepunkt des Satzes ist natürlich die Fuge die ebenfalls am Schluss kommt.

    Warum ist das "natürlich" so?


    Der zweite Satz bekommt seine Vorzeichen erst in der zweiten Hälfte, auch erst gegen Schluss.

    Naja, er hat in der ersten Hälfte auch schon Vorzeichen, nur stehen die direkt vor den Noten statt am Zeilenanfang. Das liegt daran, dass das Thema nacheinander in H-Dur, E-Dur, B-Dur, As-Dur und wieder in H-Dur kommt. Statt jedes Mal eine neue Tonart vorzuzeichnen, hat Haydn die Vorzeichen direkt in den Notentext geschrieben. Erst als sich das H-Dur einigermaßen stabilisiert hat, stehen die entsprechenden fünf Kreuze am Zeilenanfang.


    Wichtiger ist natürlich die wunderschöne Fuge mit der der Satz abschließt.

    Warum ist das "natürlich wichtiger"? (Das Fugato schließt den Satz nicht ab, sondern es folgt noch eine ausgedehnte Coda.)


    Das Finale schlussendlich (sorry!) ist im zweiten Abschnitt weit gewichtiger als im ersten

    Inwiefern ist die zweite Hälfte "weit gewichtiger"?