Beiträge von Lilith

    Zitat

    Original von Ulli
    ...ist es Zufall oder Absicht, daß im ersten Akt in jener Szene, als Monostatos Pamina und Papageno "erwischt", höhnisch die kleine Nachtmusik erklingt?


    Hm, interessante Frage... was meinst Du?


    - Eine sehr reizvolle Lesart der Zauberflöte ist die von E. Bronfen in dem Buch "Tiefer als der Tag gedacht" im Prolog angeboten wird. Ich möchte das mal kurz andeuten.


    Ganz grundsätzlich werden hier die sternflammende Königin und das Reich Sarastros als gegensätzliche Prinzipien verstanden, aus deren Machtkampf letztlich Sarastro als der Inhaber der hellen, vernünftigen, disziplinierten Seite des Umgangs mit der Welt als Sieger hervorgeht.


    Die namenlose, die sternflammende, nächtliche Königin repräsentiert als Intrigantin die dunkle Sphäre der Nacht: die magischen Kräfte, das Chaos, die Emotionalität, die undurchsichtige und unbeherrschbare Irrationalität und auch die Ambivalenzen- kurz: das Furchterregende- aus einer Perspektive, die angesichts des Unwägbaren und Unberechenbaren eben Angst und Grauen umtreibt.


    Die Zauberflöte lässt sich so lesen als Prozess der Entmachtung dieser irrationalen Seite- auch im Zusammenhang mit dem Opernpublikum des aufgeklärten Europas kurz vor der franz. Revolution. Was nun "Aufklärung" eigentlich ist, und in welchen Zusammenhängen das betrachtet werden will, ist noch mal eine ganz andere Sache. Zumindest gibt es vielfache Beschreibungen, die sich ja tatsächlich in einer solchen Lichtmetaphorik bewegen (und das Helle gegen das Dunkle stellen, das finstere Mittelalter... uvm). Weiterhin ist das "Vernunft vs Unvernunft- Thema" als Muster immernoch hochaktuell, auch wenn man die philosophischen Versuche im weitesten Sinne zu dem Themengebiet betrachtet. Aber zurück zur Zauberflöte..


    Nun ist folgendes sehr interessant wie ich finde: Sarastro ist einerseits der Erlösende, der Tamino und Pamina in das Reich der Sonne führt- weg von den Schrecken der finsteren Welt der Königin der Nacht. Man kann sich über die Wahl der Mittel aber schon mal ein paar Gedanken machen... und das nicht nur im Zusammenhang mit der Ungnade gegenüber Monostatos. Bei Sarastro gibt es Gesetze, Strafen und Belohnungen, Pflichten und Beherrschung - Dominanz als Mittel gegen die gefürchtete Dominanz des Unbegreiflichen, was eben nicht grade Ausdruck eines Reiches ist, das auf "Mitleid und Erbarmen" gegründet ist. Wer Sarastros Weltinterpretation nicht anerkennt, "verdienet nicht, ein Mensch zu sein". Wie lichtdurchflutet ist eine solche Vorgehensweise?


    Zwar stellt das Sonnenreich die Welt der Vernunft dar, jedoch scheint es auch in dieser Welt Verdunklungstaktiken zu geben. Beim Kontakt mit der nächtlichen Königin fällt Tamino zunächst in dunkle Ohnmacht, um dann nicht mehr orientiert zu sein ("Ist's Phantasie, dass ich noch lebe?") Als er auf die heiligen Hallen des Lichts trifft, erhält Tamino aber beispielsweise gerade keine erhellenden, rationalen Auskünfte, sondern wird vom Priester einfach abgewiesen - wenn er sich nicht fügt.


    Außerdem ist die Liebe, die Pamina und Tamino überhaupt erst zueinander geführt hat und die sich dann im Sonnenreich abspielen soll, ebenfalls nicht in der Sphäre der Gesetze, der Vernunft etc geboren, sondern ganz im Gegenteil in der Welt der Bilder und der magischen Zaubermächte. Es gäbe noch vieles zu schreiben, aber ich stoppe hier mal wegen der Länge...


    Ich hab' gelesen, dass die meisten eine Abneigung gegen derartige- auch psychodynamische- Lesarten hegen. Mir geht das anders, ich finde das äußerst interessant, weil sich eben so viele Bedeutungsschichten auftun. Die Zauberflöte war auch meine erste Oper (IN der Oper)- und auch mir wurde gesagt, sie sei eine Einsteigeroper- später hörte ich, sie sei das Größte von Mozart überhaupt und eben unantastbar. Ich persönlich liebe die Musik und auch das Libretto- man kann von jeder Interpretation absehen oder eben auch in irgendwelche möglichen Tiefen vordringen. Deswegen ist die Zauberflöte bis auf weiteres meine Lieblingsoper.. aber das kann sich mit zunehmender Kenntnis durchaus ändern. "Der Stein der Weisen" wird gekauft... das ist alles sehr interessant.



    Liebe Grüße,
    L.

    Hallo, diese habe ich auch: Weber, Der Freischütz, DG 1973 mit Carlos Kleiber...warum bekommt Max (Peter Schreier) von Euch kaum die Bestnote 5? Kann mir jemand beschreiben, was da fehlt? Ich kann das gar nicht begreifen, ich find' ihn so toll!


    Liebe Grüße,
    Lilith

    Einen wunderschönen guten Abend,


    heute hörte ich im Radio, Adorno hätte Händel totlangweilig gefunden. Das würde eventuell an der Spielweise gelegen haben... wenn er heutige Aufnahmen hören könnte, würden sie ihm gefallen haben.... das habe ich aber schon mal gehört- dass Barockmusik totlangweilig sei. Ist das einfach Unfug? Oder woher kommt dieses Klischee? Ausserdem dachte ich, mit Händel wären wir bei Rokoko (Entschuldigung für diesen inkompetenten Beitrag, wird noch öfter vorkommen)


    Liebe Grüße,
    Lilith

    Lieber Louis,


    ja, ich lese grade den Thread "Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist nur ein kleiner Schritt - Das Phänomen Richard Wagner"... Merci. Und ich sollte mir Literatur kaufen, ja. Und dennoch würd' ich gern wissen, wie man ganz persönlich mit dieser Wucht umgehen kann.. Schließlich ist es ja nichts, was einem "geschieht" - man sucht es ja auf, indem man die Musik aufsucht. Warum?


    Liebe Grüße,
    Lilith

    Guten Morgen allerseits,


    als totale Anfängerin muss ich hier einmal von meinen Überlegungen erzählen.


    In diesem Thread ist mir aufgefallen, dass Tristan und Isolde ziemlich polarisiert, wobei Parsifal meistens unter den ersten Plätzen rangiert.


    Mit Tristan und Isolde habe ich es wirklich versucht, weil ich davon mal etwas im Radio hörte und völlig schön- schrecklich verstört war. Zu Hause mit der Aufnahme hat diese Verstörung nun aber wirklich nicht nachgelassen. Ich komme nicht sehr weit, weil mir das den Boden unter den Füßen wegreißt, und weil es unerträglich ist, es aber trotzdem so anzieht. Ich muss das dann ausmachen.. sonst bekomme ich wirklich - weiss nicht, Angst, wenn ich ehrlich bin. Das ist auch kein Getue, das ist wirklich so! Ist das normal?! Und ist das noch "Genuß"? Es scheint mir eher eine Qual. Kann es Genuß w e r d e n? Was soll ich tun, es einfach sein lassen- oder mich zusammenreißen?


    Jetzt habe ich ein bisschen über Parsifal gelesen aufgrund dieses Threads.
    Thomas Mann schreibt in einem Brief an seinen Schriftstellerkollegen Ludwig Ewers am 23. August 1909 nach einer Parsifal-Aufführung:
    "Obgleich ich recht skeptisch hinging und das Gefühl hatte, nach Lourdes oder zu einer Wahrsagerin oder an sonst an einen Ort suggestiven Schwindels zu pilgern, war ich schließlich doch tief erschüttert. Gewisse Stellen namentlich im III. Akt, die Karfreitagsmusik, die Taufe, Salbung etc., dann aber auch das unvergessliche Schlussbild – sind bedeutend und durchaus unwiderstehlich […] Eine so furchtbare Ausdruckskraft gibt es doch wohl in allen Künsten nicht wieder. Die Akzente der Zerknirschung und Qual, an denen Wagner sein ganzes Leben lang geübt hat, kommen erst hier zu ihrer endgültigen Intensität … "
    (Wikipedia)


    So fühle ich mich eher gewarnt als motiviert. Und ich frage mich: wie haltet ihr das aus? Wahrscheinlich werdet ihr jetzt sagen, bei mir ist die Zeit noch nicht reif... aber bedeutet das nicht einen gewissen Abstumpfungsprozeß? Oder ist das Gegenteil der Fall? Wenn man es irgendwann aushalten kann, was ist damit gewonnen und was verloren?


    Viele Grüße,
    Lilith

    Hallo,


    Zwielicht: Udo Samel- ja, das war diese... so lang ist das schon her =) Was Du schreibst, ist ja sehr interessant.. Ich hielt das bisher für außergewöhnlich. Einen Boxring kann ich mir auch nur schwer vorstellen, muss ich sagen..


    Die Schlafsack- Szene hatte für mich zwei Effekte. Als völlig naive Zuhörerin konnte ich einen Bogen spannen zwischen der Musik, die mir so fremd war, dass sie mich zunächst nicht anzugehen schien- die Darsteller in Jetzt- Zeit- Erscheinungsbild sozusagen verknüpften mich aber damit. Das ist denke ich schon ein wichtiger Aspekt, der aber nur für ganz, ganz neue Neulinge greift und für Kenner wohl etwas sinnlos anmutet.


    Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass diese schroffe, schwarze, irgendwie existenzialistische Darstellung tatsächlich einen Zusammenhang gestiftet hat - die Winterreise hat auch etwas mit Isolation, "Obdachlosigkeit", Freiheit, Individualismus zu tun, oder?


    Ohne "Szene" hätte ich so eine Brücke nicht gehabt, das muss ich ehrlich sagen. Mitlerweile "bräuchte" ich das aber nicht mehr. So würde ich das beschreiben: eine Art Vehikel.


    Liebe Grüße,
    Lilith

    Hallo ihr Kenner,


    erstaunlich, wieviel da über die Winterreise zusammengekommen ist. Sie war mein erster Kontakt mit Liedern überhaupt. Ich hatte ein intensives Erlebnis in Frankfurt- es waren allerdings zwei Sänger in zerissenen Jeans und Turnschuhen, teils tatsächlich im Schlafsack auf dem Bühnenboden liegend- das war schon ein eigenartiger Kontrast. Findet ihr solche Arrangements für einen "klassischen" Liederabend unangemessen? Ich war überrascht und würde gern wissen, wie die Kundigen zu solchem stehen..


    Ich habe zwei Aufnahmen: die erste mit Dietrich Henschel und Irwin Gage, und dann die wie ich finde, sehr sensible mit Gerold Huber und Christian Gerhaher.



    Liebe Grüße,
    Lilith

    Hi Barbirolli,


    ja, wahrscheinlich sollte ich mir diese Box wirklich mal zulegen...wie schön, dass Du noch weitere Trios mitaufgenommen hast, Bud Powell, auch ganz besonders...Über Oscar Peterson, der wohl 2007 verstorben ist, habe ich mal ein herzzerreißendes Feature im Radio gehört- über den Schlaganfall, den er erleiden mußte und wie er danach wieder lernte, zu spielen.


    Sollte man noch Erroll Garner, Art Tatum, Herbie Hancock mitauflisten? Ich bin mir da nicht sicher, inwiefern sie zu der "Trio"- Liste gehören können.


    Welche Sachen von Bill Evans magst Du denn besonders- und warum?


    Liebe Grüße,
    Lilith

    Was Keith Jarrett angeht, muss ich auch sagen, dass mir des öfteren das Unwort "Kitsch" in den Sinn kam, auch bei dem Album "Somewhere Before" mit Charlie Haden und Paul Motian. Ich kann mir dann allerdings nie erklären, wieso ich das so empfinde. Vielleicht kann man das nicht vergleichen, aber wenn man das Bill Evans Trio kennt, kann man sich Keith Jarrett gar nicht mehr anhören, ist meine völlig inkompetente Ansicht =)


    Meine bisherigen Lieblings- Alben vom Bill Evans Trio sind
    - The Village Vanguard Sessions mit Scott LaFaro und Paul Motion (hab ich sogar auch auf Platte, nur der Plattenspieler fehlt...)
    - Portait in Jazz (auch LaFaro und Paul Motion)
    - und vor allem The Paris Concert 1 & 2 mit Marc Johnson und Joe La Barbera, hier vor allem das unglaubliche "Nardis", das bis zum Clou nach glaube ca. 7 Minuten unerträglich spannend ist (ist schon manchmal fast unangenehm, diese Spannung finde ich, woran liegt das überhaupt?!)


    Von Bill Evans liebe ich auch die Alben mit Jim Hall, Undercurrent und Intermodulation, ich weiss nicht wieso. ich liebe Bill Evans.


    Dass Essbjörn Svensson umgekommen ist, wußte ich nicht. Tragisch. Ich hab drei Alben (Winter in Venice, From Gagarins Point of View, Good Morning Susie Soho) und ich mag sie alle drei sehr gern- von Brad Mehldau kenne ich nur "Places"... Kann mir daher wohl gar kein Kommentar erlauben- na, ich mag's nicht so sehr.


    Es gibt sicher noch sehr viele andere Trios- die Jazzwelt ist ebenso schier unendlich, will mir scheinen...


    Liebe Grüße,
    Lilith