Beiträge von Albus

    Morgen,


    dann ist da auch noch Wilhelm Furtwängler mit der Grossen Fuge op. 133; die Fuge soll ihn durch die Jahrzehnte beschäftigt haben (Karl Schumann), resultierend in der Auffassung, sie käme nur in orchestraler Version zu gehöriger Aufführung. So seine Heliodor-Schallplatte (Heliodor 88023) mit den Berliner Philharmonikern. 740 Takte Mächtigkeit in Musik.


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    Albus

    Tag,


    gestern auf Deutschlandradio Kultur gehört; Walter Levin und das LaSalle Quartett, eine musikalische Biografie in 26 Folgen, die 16. Folge. Walter Levin berichtete und hatte musikalische Beispiele aus den Jahren 1930-1961 mitgebracht: Arturo Toscanini spielte in seinen Orchesterkonzerten regelmäßig (!) Streichqaurtette in Fassungen für Streichorchester. Es sei Toscanini ein Anliegen gewesen, diese Bereicherungen zu bringen; Mendelssohn, Brahms, Beethoven, Schubert, etc. In seinem NBC-Orchester hatte er eine nicht geringe, nämlich nicht zufällig bei ihm engagierte Anzahl namhafter Quartettmusiker angestellt. Levin brachte die Namen aus dem Umfeld der europäischen Emigration und dem Kolisch Quartett.


    Das musikalische Beispiel höchsten Lobes aus dem Munde von Walter Levin war dann der letzte Satz aus dem op. 135 von Beethoven.


    Wenn Bernstein das op. 131 machte, wird er von der Vergangenheit wohl vorgeprägt sein.


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    Albus

    Morgen,


    ich erwähnte den Sinn einer Äußerung von Wilhelm Furtwängler zur zeitgenössischen Musik; die Quelle ist hier korrekt: Wilhelm Furtwängler, Gespräche über Musik, Atlantis-Verlag, Zürich, 3. Auflage 1950. Es sind wörtliche Mitschriften von sechs Gesprächen mit Walter Abendroth, ergänzt um ein nachträgliches siebentes Kapitel, im dem Dr. Furtwängler sich freimütig zur Musik der Gegenwart äußert (Seiten 101-132), ferner ein nachgeschriebenes Nachwort des Dirigenten, Seite 133 ff., beginnend: "Das letzte Kapitel dieses Buches, das sich mit den Grundlagen der modernen Musik befaßt, ist viel mißverstanden worden. Es bewahrheitet sich dabei, was ich zu Beginn schrieb: daß ich dadurch, daß ich dies 'heiße Eisen' angreife, weder mir selbst noch anderen einen Gefallen erweise."


    Dr. Furtwängler geht der mangelnden Durchschlagskraft der modernen Musik auf den Grund.


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    Albus

    Tag erneut,


    an der gesetzten Position festhalten, lohnt - man muss eben mit Absicht gegen die der Psychoakustik innewohnenden Modi der Gestaltbildung antreten/antönen wollen - oder schlicht scheitern. Was aber auch zum Geschäftsleben der Musikkultur gehört, das Scheitern. Wer singt schon Stockhausen unter den Dusche?


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    Albus

    Morgen,


    erneut sinnierend geantwortet: Zeitgenössische Musik hat zuwenig Durchschlagskraft zu bieten. Wie das? Für mich gesprochen.


    Musik und Resonanz. Musik ist (mir; die Spezialisierung lasse ich dann im Weiteren weg) Dreiheit von Klang, Imagination und Aktion. - Klang (Hörereignis; überkommen, neuartig; einmalig, wiederholt, sporadisch, periodisch). Imagination (Eindruck; Anregung der Einbildungskraft; vorübergehend, bleibend, plötzlich und ungewollt wiederkehrend, den laufenden Moment dazu noch bindend). Aktion (Wendung zum Nachsehen, Nachforschen, Wunsch zur Tieferlegung der Fundamente, Anreichern durch ein Vergleichen). - Klang und Imagination müssen erfüllt sein = Resonanz, dann kommt es zur Aktion. Sind Klang und Imagination nicht erfüllt, so bleibt die dem Musikereignis potenziell zuwachsende Aktion aus. Mit einem Wort: Das ist der Fall von zuwenig Durchschlagskraft. Merksatz zu den Resonanzbedingungen: Je virtuoser und deutlicher (Prägnanzgrad) die Gestaltbildungsvoraussetzungen erfüllt werden, desto größer die Chancen einer Aktion auslösenden Resonanz = tragenden Resonanz. Die Erfüllung der Bedingungen von Resonanz ist bei Kammermusik (siehe: Spring Music, Beaux Arts Trio) sicherlich eher möglich als bei großsinfonischer Neuen Musik. Fetzen der Spring Music halten sich schon einige Tage, aber nicht für Wochen, Monate, Jahre.


    Zeitgenössisches, durch die Jahre mit wechselnder Intensität gehört, in Konzerten, in Kirchen, in Wohnräumen, darunter: Lutoslawski, Ligeti, Penderecki, Schnittke, Kagel, Stockhausen, Boulez, Kurtag, Salonen, Carter, Zender, Zacher, Allende-Blin, Schnebel, Szathmary, Takemitsu, Reich, Adams, Reimann, Fortner, Stephan, natürlich Strawinsky (Dirigent seines Auftragswerkes Treni), B.A. Zimmermann... - was mir so erinnernd hoch kommt. Was in den Neue Musik Szene-Sendungen alles namentlich vorkommt, oder in Auszugsschnipseln vorkommt, dass erinnere ich gar nicht.


    Es wächst von zeitgenössischer Musik keine tragende Resonanz zu. Aus den Jahrzehnten des 'Lebens mit Musik' ist allein von einem Konzert etwas Resonantes geblieben: Lutoslawski, der Anfang einer Sinfonie, Dirigent Zdenek Macal, NDR-SO - drei harte Schläge auf einen Selbstklinger-Holzstab; das tönende Bild kommt immer wieder einmal in mir hoch, absichtslos, in beliebiger Situation. Die Publikumsreaktion auf die Aufführung: freundlicher Beifall und einige Buhrufe, denen sich Herr Macal entgegen beugt, dankend.


    Das Publikum kann die zeitgenössische Musik nicht beurteilen, das kann das Publikum nicht - antwortete Wilhelm Furtwängler in einem Gespräch ("Gespräche mit Wilhelm Furtwängler, Artemis Verlag, ca. 1949). Womit die Frage der Kommentarbedürftigkeit erreicht ist, und wer soll zeitgenössische Musik kommentieren? Nicht das Publikum, welches es nicht kann. Aber, kommentieren sollte, was auch geschieht: der ausführende Musiker, der Dirigent, der Solist,... Der Dirigent Ingo Metzmacher hielt derartige Konzerte ab, Neue Musik erklärend.


    Und ja, auch die Große Sonate für das Hammerklavier ist kommentarbedürftig. Die Tradition ist eine Reihe von Kommentaren zum Werk. Die nächste Aufführung, die nächste Interpretation ist ein Kommentar zur Tradition und zu den letzten Hammerklaviersonaten-Erscheinungen (beispielsweise, zu Tempo und Charakter). Jörg Demus und Paul Badura-Skoda kommentierten und spielten die Beethoven-Sonaten einst für Radio Bremen ein; Volker Banfield die Hammerklaviersonate. Zugleich ist eine Bekräftigung der einmal gefundenen Auffassung durch einen Musiker auch eine prakisch kommentierende Pointe gegen sämtliche (uU alle anderen) Konkurrenzmodi, einschließlich neueste Moden der zeitgenössischen Musik, etwa zur Form oder deren Formlosigkeit. Werk gegen Stück ausspielend.


    Mir genügt das jetzt.


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    Albus

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    das zeitgenössische blanke 'Pling' ist mir dann eben zu wenig geboten. Die Frage hier lautet auf "Was hat die zeitgenössische Musik zu bieten?" - In Beethoven u.v.a.m. kann ich mich reichhaltig vertiefen, ich kann Romane um Beethoven lesen, Musikgeschichte studieren, auf dem Klavier Versuche anstellen, ein Metronom mitlaufen lassen, fast beliebig in Konzerttermine gehen, da ist immer etwas los und geboten.


    Wenn ein Vertiefen ins Zeitgenössische nicht sein soll, dann ist mir das eben zu dünn (dürftig).


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    Albus

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    'Stockhausen : Beethoven' war nur ein Wörtermoment, nichts sonst.


    Das "zu bieten" hat eine weitere Schwierigkeit: Moderne Kunst ist kommentarbedürftig. Will man sich bereitwilligst dem Geschehen (Performance als Entgrenzung oder in Begrenzung, wie auch je...) nähern, bedeutet das für 'Stockhausen und die anderen' (soziologisch etikettiert genommen), man hat sich für Gestalttheorie und moderne Statistik zu interessieren. Die Gestalttheorie, in Ordnung, aber die moderne Statistik will ich überhaupt nicht. Nicht mein Gebiet. Nicht mein Horizont.


    Und, die Musik-Szene, die bringt auch die Supporter in Sprachschwierigkeiten, gehe ich von den Einführungstexten in den Rundfunksendungen aus. Wie kann denn dann dem Hören noch geholfen werden; wie soll sich das Hören an Derartiges gewöhnen können? Hat die moderne Musik-Szene eine Sprache, die sie dem Hörer anbieten könnte, zusätzlich zu den Klangen, Geräuschen, Aktionen...? Nur Musik sein zu wollen, dass geht nicht mehr (Kommentarbedürftikeit).


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    Albus

    Tag erneut,


    Stockhausen - Beethoven, ja, ja - im Interview kam die Frage "Ist Stockhausen der Beethoven des Zwanzigsten Jahrhunderts?", die Antwort war eine markante Verneinung (Namen halte ich zurück). Nur dem Moment geschuldet.


    Wenn, wie jetzt vorsichtig markiert, dann also mit Benjamin Britten. Und dessen Werk ist nun ein Zeichen von Rang, die Welt von Benjamin Britten, ich möchte sie nicht missen. Und gerade auch wegen der Verbindung zur Literatur.


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    Albus

    Tag,


    "Was hat...zu bieten" - hat schon auch mit der Schwierigkeit des "Wann denn überhaupt zu hören"zu tun. - Wenn gelegentlich zu hören, dann hat das Zeitgenössische allerlei Schönes zu bieten; zum Beispiel die Beaux Arts Trio Produktion "Spring Music" - Komponisten Rorem, Adams,... Nimmt man sich das Zuhören vor, dann bietet der Rundfunk (NDR) eine wöchentliche Sendung unter dem Titel "Neue Music Szene". Ach Mensch, was für eine Titelei: eine Szene ist kurz vorbei, 45 Minuten als eine Art von Potpurri.


    Gut beschäftigt sind zeitgenössische Komponisten durchaus, so war für eine Veranstaltung mit Auftragskompositionen bei den Herren Reimann, Adams, u.a.m. von "vollen Auftragsbüchern" wiederholt die Rede, weshalb John Adams ein unfertiges Resultat vortragen liess. Die Bandbreite der Szenen-Einfälle (internationale Komponisten waren die Auftrageempfänger) war beschränkt: zweimal Rilke-Lieder. Davon, den (frischen) Auftragskompositionen (für Orchester sämtlich), hatte mir nichts gefallen können. Szene finde ich nicht gut.


    Das Kammermusikalische kann mir gelegentlich gefallen. Wie gesagt, wenn es einem denn zu hören kommt. Ich suche die Szene nicht.


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    Albus

    Tag,


    danke für den Hinwweis auf die Veröffentlichung der Aufnahmen aus Schwetzingen. - Unter dem Gedanken der Einheit der Auffassungen in der Dauer der Jahrzehnte (Arrau: Warum soll ich die Sonaten erneut aufnehmen, meine Auffassung hat sich nicht geändert) ein wuchtiges Zeugnis von Darstellungskunst. Gewissermaßen, als ob hier für ein Mal die je innere Form vergegenwärtigt worden sein, was sonst in der Objektität der Klanggestalt mehr verdeckt ist (die Appassionata ist im Zeitmaß der Philips-Aufnahmen, bis auf die Sekunde im ersten Satz, 10:53 Min.).


    Peter Cossé, in der Überschrift zum Begleittext, sagt etwas mit dem Ausdruck von "schöpferischer Aufgeregtheit" - wenigstens ein Etwas.


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    Albus

    Morgen,


    Claudio Arrau, wenn von Interesse: die Dauern nach den Philips-Langspielplatten von 1965 (Kassette 67 47009 13 LP):


    op. 109 (11/1965)
    6'28'' und 16'15''


    op. 110 (10/1965)
    6'53'' und 13'25'' (so nur ausgewiesen)


    op. 111 (10/1965)
    9'12 und 19'40''


    Die Wiederveröffentlichung als CD 468 912-2 weicht im Ausweis der Dauern nur in wenigen Sekunden ab, höchstwahrscheinlich technisch bedingt (Trackgrenzen).


    Im Beitext zur LP-Kassette findet sich ein Text von Arrau, Umfang ca. 1 1/2 DIN A4-Seiten, daraus zitiere ich den Passus zu Opus 111, Beilage Seite 3:
    "Im Opus 111 sind die Variationen, die der Arietta folgen, mit Recht nicht mehr Variationen genannt, denn es sind keine Variationen im üblichen Sinne, sondern Transformationen und Transfigurationen des Themas. Hier erreicht Beethoven kosmische Räume, die sich in die Unendlichkeit öffnen, in einem Zustand mystischer Ekstase, den Goethe den 'Fall nach oben' genannt hat und den Thomas Mann im 'Dr. Faustus' so wunderbar erläutert."


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    Albus

    Tag,


    mein Mann für Francois Couperin ist Rafael Puyana, die 2 LP-Kassette der Philips aus ca. 1980 (?) enthält Ordre VIII, XI, XIII und XV. Das zweite Cembalo spielt Christopher Hogwood; das Haupt-Instrument ist ein Ruckers-Taskin aus einer französischen Museumssammlung, das zweite erinnere ich nicht. Im Beiheft mit Abbildungen.


    Schöne Klangfarben, wenn es erlaubt ist so zu sprechen - ein immer männlicher Vortrag. - Nach erstem Anhören vor Jahren verlangte unsere Tochter nach einem Cembalo, vorher galt der heftigste Wunsch stets einem Cello.


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    Albus

    Tag,


    gestern erneut den Fandango gehört, (nur) mit Rafael Puyana. Zunächst die 13.02 (Decca/L'Oiseaux Lyre), dann die Philips von 1967; mit der Philips hat es etwas Fehlerhaftes in der Werklistung zur CD (die LP habe ich leider nicht). Der Fandango steht angezeigt als die Nr. 1 mit 5.17, tatsächlich erklingt d e r Fandango jedoch erst als die Nr. 3, Spieldauer dann 9.46. - Ich konnte mir auch nicht gut denken, dass Puyana sein Glanzstück so weit verkürzt wie einst Frau Elizabeta Choinacka (Erato), deren Spieldauer entschieden zu kurze 5.22 (LP).


    Die Philips- CD mit Soler-Werken für Cembalo (ursprünglich 1967) ist ein warenökonomisches Fehlprodukt: die Tonspur wurde offensichtlich von einer Langspielschallplatte abgenommen - die weitere Bearbeitung hat das Laufgeräusch der Plattenoberfläche nicht entfernt, an einer massiven Akkordballung war der Tonabnehmer überfordert (die Verzerrungen sind noch fast durchhörbar); ADD, aber das mittlere D hat man sich wohl als unerfüllt zu denken. Erschienen war die CD aus Anlass eines Spanischen Jahres 1992 (Festival?).


    Puyana packt.


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    Albus

    Morgen,


    wenn die Klassische Musik von der enormen Substanz ist, die im Forum (großmehrheitlich) als Selbstverständlichkeit in Geltung ist, dann kann keine PR der Klassischen Musik etwas anhaben. Welches Schnarren, Klappern oder Imaginieren auch immer, die Klassische Musik bleibt unversehrt.


    Wenn aber nicht, dann setzte irgendwann das Sorgen, Klagen, Zagen ein, über die in die Klassik eindringenden Übel, etwa der Bäuche...


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    Albus

    Tag,


    so zeigt die PR-Aktion als Parallelaktion zur dümpelnden Elbphilharmonie-Kampagne: "Hamburger! Die Klassische Musik ist schon heute auf der Höhe (Michel-Turm) , die mit der zukünftigen Elbphilharmonie (Konzerthalle auf bestehendem Gebäude) erst erreicht werden soll. Da ist die Musik doch längst. Hört den Brahms, die Philharmonie Hamburg!"


    Wartet nicht auf die Elbphilharmonie. Oder so ähnlich. Gestisch.


    Ein Verbreitungshindernis für Klassische Musik ist mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass das Kathartische meist zu lange auf sich warten lässt - nach vielen Minuten oder gar einer Stunde oder mehr ist die Reinigung der Affekte erst erfolgt. Klassik ist zu langsam für das Leben von heute. Der Erfolg von Musik im Rundfunk mag als Stützungsbeobachtung herhalten, kurze Einheiten mit klar umrissener Pulsgestalt sind beliebte klassisch-musikalische Hörstücke. Anspannung - Entspannung. Pop-Musik ist einfach weniger langsam (auch die Resultate von Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede, deuten darauf hin, Klassik ist durchaus bekannt und geschätzt, aber zu langsam).


    Im Übrigen findet die Selbstinszenierung der Mittelschichten zu E-Musikveranstaltungen einerseits statt, andererseits aber auch nicht: nicht zu den öffentlichen Generalproben. Und überhaupt, was soll's denn?


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    Albus

    Tag,


    aber, aber - Klassische Musik ist Massenphänomen neben dem Massenphänomen des Schlagers, sonst gäb's keine Subventionen. Die bürgerliche Musikkultur der Vergangenheit war Massenphänomen im Klassengefüge; heutzutage ist Klassische Musik Massenphänomen im Gefüge der Folklore des Prestiges. Klassische Musik soll einen mindestens feinen sozialen Unterschied machen (hier im Tamino-Forum noch stets zu lesen).


    Nun: Die Berliner Philharmoniker haben also begriffen, Klassische Musik als modernes Massenphänomen gehört in den Bestand technischer Möglichkeiten der gängigen Massenkommunikation: Folglich spannt man im Internet zusammen mit prestigeträchtigen Akteuren, hier Deutsche Bank AG. Konzerte im Internet - auch im Abonnement (ein Konzert € 9,90, das 30er Abo zu € 149,00). Klarer Fall denn, wo Massenkommunikation ist (Internet), kann Absatz werden. Was die Folklore des Prestiges angeht und etwaige Bonifikationen im Markt des Prestigeskampfes für Anbieter oder Bezieher: der Partner Deutsche Bank AG war bis kürzlich eine gute Wahl gewesen, die Berliner Philharmoniker sind's allemal.


    Die ganzseitigen Ankündigungs-Anzeigen in der Printpresse wenden sich an ein Massenpublikum. Eben drumm, die Werber sind doch nicht blöd. Die Werber wissen, Klassik ist Massenphänomen.


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    Albus

    Tag,


    so wird es endlich objektiviert: Klassische Musik ist banales Freizeitvergnügen neben anderen Freizeitvergnügungen (Zeitvertreib, das wusste Aristoteles schon; Politik 1341b40). Gesellschaftliche Stellung der Klassik? Pah! - Brahms' Zweite Sinfonie vom Michel herab über der Stadt dirigieren, verfolgt vom Stadtteil-verteilten Publikum bei Currywurst, CocaCola, Bier und Fischbrötchen. Das ist es dann: Event, neben anderen Events. Den Müll hat die Stadtreinigung für Extraschichten mit Überstundenvergütung. Danke dafür.


    Klassische Musik vom Michel (CD zu kaufen nach der Veranstaltung?) steht konkurrenzierend neben und in Reihe zu Frühlingsdom, Alstervergnügen, Hafengeburtstag, Hamburg Marathon, Vattenfall CyClassics (Radrennen), Bundestagswahl. Highlight folgt auf Highlight.


    Stadtmarketing in action. Klassik macht in Stadtarchitektur.


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    Albus

    Tag,


    die Nr. 76 - die Sinfonie mit dem "verrückten Staccato" (Roy Goodman) im zweiten Satz. Die verharmlosende tänzelnde Hinleitung schläfert die Hörgeister gerade ein, da - da !! bricht das Plötzliche los, Staccato für wenige Takte, mit einer Wiederholung. Die Takte sind durch, und schon wieder herrscht ruhige Verlaufsgestalt.


    Doch der Gedanke des verrückten Staccato hängt untergründig bis zum Finale mit darinnen. Nur, es kehrt nicht wieder. Aber, da war es doch gewesen. Wie ein kluger Gedanke in einem Text nicht ungeschehen gemacht werden kann, wenn auch die Textbewegung weiter läuft, sich auch mal verläuft. Da war vor kurzem Gold gefunden worden.


    Dorati verschläft das Staccato, unterschlägt die Wiederholung; Roy Goodman redet im Booklet anerkennend davon, verhält sich mit seiner Hanover Band dann aber zu konventionell, Fischer hängt zwischen beiden durch. Dagegen: Günter Wand, in Hamburg einst wie in London mit den NDR-Sinfonikern (er wusste, was die Londoner mit Vergnügen hören), hatte die passende Raffinesse drauf. In Nr. 76 gibt es Haydn'sches Gold zu hören - der Dirigent (im fortgeschrittenen Alter) swingt das Staccato als Plötzliches heraus, und er lässt es uns bis zum letzten Ton mit-vermissen.


    Ein tolles Stück Musikidee diese Sinfonie Nr. 76 von Joseph Hadyn.


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    Albus

    Tag,


    keine gesellschaftliche Stellung der Klassischen Musik, da zwar zum Bestand des Kollektiven Gedächtnises zu zählen, aber nicht als Nationales Erbe (wie etwa Bibel, Deutsche Sagen, Grimms Märchen, Deutscher Fußball).


    Kurz: Für eine gesellschaftliche Stellung der Klassischen Musik genügt im Alltag das Mythenbildnerische des Totalen Sozialen Phänomens Klassische Musik nicht.


    Anders: La Paloma pfeifen, aber keine Zähne im Mund - das ist los mit der gesellschaftlichen Stellung der Klassischen Musik.


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    Albus

    Tag,


    keine gesellschaftliche Stellung ohne gesellschaftlichen Nutzen. - Was ist der gesellschaftliche Nutzen der Klassischen Musik von heute?


    Nutzen ist das, was sich erfüllt. Sind die Warenumsätze, die Berufe, die Subventionen, die Musikfrömmigkeit, etc. ein Nutzen, der überhaupt je für eine gesellschaftliche Position taugt?


    Was kann die Musik, was andere symbolische Konfigurationen nicht auch oder besser können? Ist da noch Etwas? - Große Vergangenheit als Traditionsbestand genügt nicht.


    Freundlich
    Albus

    Morgen,


    auf die Frage "Was ist eigentlich Musik?" lautet meine Antwort, in einem Satz das Allgemeine und das Besondere meinend:


    "Musik ist Soziale Institution neben anderen Sozialen Institutionen; ist Objektiver Geist und Universum von Regeln über Klänge, Töne, Geräusche und Lärmen."


    Das war's denn.


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    Albus

    Tag,


    also, um ein Ende zu machen. - Unter dem 'eigentlich' in der Frage "Was ist eigentlich Musik?" finde ich endlich diese Antwort wieder:


    Musik ist eine soziale Institution neben anderen sozialen Institutionen.


    Diese Feststellung gilt sowohl für 'kalte' Kulturen (traditionsgeleitet-statische Kulturen oder Gesellschaften) als auch für 'heiße' (modern-dynamische Kulturen oder Gesellschaften). Einer sozialen Institution folgen heißt, einem Universum von Regeln folgen. Doch auch Traditionen weisen innere Bewegungen und allmähliche Erweiterungen auf. Die Spielarten des nach den Regeln Zulässigen nehmen in der Ordnung langer Dauer zu (Soziale Diifferenzierung). Vieles ist heute Musik, was ehemals so nicht begriffen worden war. Und es geht ständig weiter.


    Im Einzelfall des Musikobjektes kann es sich lohnen, im Offenkundigen ein Verborgenes zu suchen. Da ein gegebenes Musikobjekt (unter der Tatsache der sozialen Institution, objektiver Geist) als vermittelnde Unmittelbarkeit in Erscheinung tritt, ist im Einzelfall nicht auszuschließen, es findet sich hinter dem Rhythmus ein Metaphysisches oder Heidnisches. Findet jemand Derartiges, ist es kein Gnadengeschenk der Erkenntnisse von den Wiesen der Frommen, vielmehr Tradiertes. Tradiertes ist unter Umständen Verschmelzung von einerseits Natur, Psyche, Geist sowie andererseits Geschichte, Gesellschaft, Person - in einem Musikphänomen, dass der Einheit der Sinne mehr oder weniger Fassbarkeit abverlangt. Mehrschichtigkeit von Musik ist nicht zwangsläufig gegeben. Viele moderne Musik ist in voller Absicht auf Einschichtigkeit angelegt; hinter den Tonreihen ist nichts als Klangschwerpunkt und Klanghelligkeit etwa. Oder, wenn in der Warenform, das Image und die Aktion des Geldes.


    Jetzt ist es an der Zeile, "Aus Albus!" zu sagen.


    Freundlich
    Albus


    NS: Zur sozialen Institution Musik gehören in der Moderne selbstverständlich auch die technischen Apparaturen ('Instrumente' hat einen mehrfachen Sinn); sowohl in Komposition, Tonstudiotechnik als auch Wiedergabesituation (Wohn- oder Hörraum). Längst ist der Übergang von der Produktionsästhetik zur Rezeptionsästhetik im Musikgeschäft mit Tonträgern vollzogen (Mastering Audio für "Profit and Fun", Bob Katz).
    A.

    Tag,


    auf den Artikel von Gunter Scholtz im HWBPh Band 6/242-257 war schon hingewiesen worden. Die Literatur ist schier endlos, welches leitende Interesse man auch gerade wählen mag (ein Etwas wird zu einem Bestimmten erst durch die jeweils gesetzte Sprache). Beiseite.


    Mir war Musik immer lebendige Ordnung, auch als Mittel zur Ordnung. Vor Jahrzehnten wählte ich nacheinander für Ordnungszwecke Brahms' Klavierkonzerte. Natürlich Nr. 1 anfangs, der massiven Einleitung wegen; daran direkt anschließend Konzert Nr. 2. War das Cello-Solo erst erreicht, war die Ordnung der Jünglings-Kräfte wieder hergestellt.


    Dank dieser Ordnungsmacht der Musik - was eine antike Einsicht war - gelang das Einfädeln in nächtliche geistige Versuche ganz entschieden deutlich besser als ohne diesen Außenhalt durch Musik.


    Musik ist mir noch heute wesentlich eine tonliche Ordnungskraft. Heute wähle ich die Diabelli-Variationen mit Vorliebe. Der 'rohe' Marsch, der das fließende Thema distanziert, erzeugt Bindung, die gelöst aufgehoben ist, wenn die Nr. 32 (die Fuge) und die Nr. 33 verklungen sind. Dann sind die Kräfte (Psyche, G...?) wieder bereit.


    Freundlich
    Albus

    Tag erneut,


    zur Gestalttheorie in der Musikwissenschaft siehe:
    http://www.amazon.de/s/ref=nb_…C+and+Computing&x=18&y=22


    Darunter auch in geduldiger Anwendung auf Musik von Stockhausen.


    Darf denn nun Derartiges (Gegenwartskulturelles) wie Madonna, Metallica, Motörhead und all die anderen aus dem Pop/Rock-Segment unter den gesuchten Begriff von Musik gerechnet werden oder nicht? Musik nur als Hochkutur wie Sprachkultur? Mit: Sprache nur als Sprachkultur im Sinne von Text von kulturellem Rang?


    Gibt es in dem gesuchten Verständnis (oder Begriff) von Musik keine Banalitäten?


    Freundlich
    Albus


    NS: 1. Ich hoffe der Link funktioniert. 2. Der 'Sack' ist der Leib des Hörers.
    A.

    Morgen,


    ich habe mich tatsächlich gefragt, ob hier die Frage unter Einbezug von Bob Dylan, Metallica, Manowar, Madonna, Udo Jürgens und den vielen anderen, die weltweit in Musik machen, gemeint sein kann oder gemeint sein darf. Der Musikwissenschaft hat jemand jedenfalls in einer MERKUR-Ausgabe vor wenigen Monaten den Vorwurf gemacht, dass diese Wissenschaft sich nie bis Bob Dylan etc. vorgearbeitet hat. Kunst oder Nicht-Kunst oder als Kunst nichtig oder nichts als eine Nichtung von Kunst. Wieso ist oder war Musik denn überhaupt sofort Kunst?


    Was ist Musik - nur die abendländische Kunstmusik?


    Genealogisch scheint mir diese Antwort auf die Frage "Was ist Musik" naheliegend, und unter Einschluß von Bob Dylan etc.:


    "Musik ist vegetativ-animalische Lebensenergie, mehr oder weniger durch Geist veredelt und ins Akustische transformiert, von wo das Etwas weiteren Transformationen überlassen ist."


    So kann man mit Blick auf Beethovens Streichquartette als Gebilden von "Emotion und Ästhetik" sprechen (Vegetativ-animalisches und Geist), von Manowar oder Metallica aber mindestens erwarten, dass es im Hören dieser Musik zu einer Akustik kommt, die einen umhaut, 120 dB, und in den Sack durchschlägt.


    Musik ist eben ein Allerwelts-Phänomen. Wieviel Musik ist doch jenseits der gemeinten Kunstmusik!? Und, wenn nun die Allerweltstechnik zur Musik herüberrückt, die Mittel mitschleifend, ist es, das solche Etwas, dann erst Musik, wenn es sich den - welchen - Gestaltgesetzen unterwirft?


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    Albus

    Tag,


    was den Status von Interpretation angeht hatte Horowitz offenbar eine entschieden durchdachte Position. - Im kurzen Beitext zu einer Zusammenstellung von Kompositionen von Schumann (die Kreisleriana von 1969, CBS, die Toccata, das Blumenstück, die Träumerei darunter, eine CD) findet sich eine Antwort auf den Frager Robert Frost zur von ihm (Frost) mehrfach beobachteten Variablilität von Darstellungen eines Werkes (Stückes), insbesondere zur Bedeutung des Momentum einer Darstellung.


    Horowitz hält fest, seine Interpretationen gründen immer in Brain, Mean und Heart, in der Weise eines entschiedenen Ganzen, was mit dem deutschen Wort 'Auffassung' gesagt ist, das 'Conception' fasse die Bedeutung von Auffassung nicht. Nie spiele er in einem Mangel von Brain, Mean, Heart (Feeling wird auch genannt). Ohne Brain gebe es ein Fiasko (fiasco), ohne Mean resultiere der Vortrag einer Maschine, ohne Heart fehle die Inspiration. Der Moment des Realisierens der Auffassung als Interpretation eines Werkes (Stückes) lässt plötzliche Variationen zu, stößt sie an, das ist die Situation als Einzelfall (Auffassungs-Moment).


    Die mehr oder weniger berühmten Bilder einer Ausstellung aus der Carnegie Hall zeigen Horowitz als Experimentator könnte ich sagen; ich vermeine einmal, dass er die Eingriffe in das Stück (gelangweiltes Husten und Räuspern im Publikum) nicht wiederholt hat.


    Freundlich
    Albus


    Nachsatz: Vor Jahrzehnten hatte ich eine 45er-Platte der Mondscheinsonate - die war maschinenhaft gespielt. Horowitz weiß, was er tut, wäre ich bereit zu meinen.
    A.

    Tag,


    mit Beethoven ist's einfach wie mit Kant, beider Werke kann man studieren wie die Natur. Der Anfang ist dann auch noch mit Kant gemacht: "Der Himmel über mir und das Moralgesetz in mir! Kant!!!" - so heißt es doch in einem der Konversationshefte.


    Freundlich
    Albus

    Tag,


    noch einen Satz nur in dieser Sache von mir, des bestrittenen Politischen wegen. -


    Das Wortfeld mit 'entarten, entartet, Entartung', bereits gängig im Gebrauch der deutschsprachigen geisteswissenschaftlichen und poetischen Literatur des 18. Jahrhunderts (siehe Hermann Paul, Deutsches Wörterbuch, 10. Auflage 2002, S. 274f.) wurde nur und nur erst durch das Politische und die politische Aktion und Propaganda (als der Intensitätsgrad der Assoziation und Dissoziation von Menschen, Der Begriff des Politischen, Carl Schmitt) mittels des Freund-Feind-Schematismus aufgeladen - und in der Folge dieses Politischen (das zu einer Unpolitik gehörte) heutzutage zu einem Tabu-Wortfeld.


    Freundlich
    Albus

    Tag,


    das überkommene Zeremoniell des kulturellen Mißvergnügens im deutschsprachigen Raum gehört aber doch als unterschieden erkannt von der Agitprop-Organisation des Hasses. - Die Echolosigkeit von Kunstfraktionen ist eine Banalität des Lebens, unzerstörbar wie eine Plastikflasche. Nur ist die Echolosigkeit keine Propaganda gegen Musik, von der man in böser Zuspitzung sagt, es sei "Entartete Musik", Düsseldorf 1938.


    Wenn etwa Theodor W. Adorno in seiner Kennerschaft des Alten und des Modernen aber vom Jazz ahnungslos und abfällig spricht, dann ist das ohne Wert.


    Die Musik bleibt, als Klassische wie auch als je Moderne.


    Freundlich
    Albus