Ich habe mir die Aufzeichnung erst gestern ansehen können - mein Mann brauchte Platz auf der Recorder-Festplatte und stellte mich vor die Wahl - konservieren auf DVD oder nicht.
Ich habe ihm nach "Or sai chi l'onore" gesagt, daß er diese Aufnahme mal lieber schnell löschen soll, und war den ganzen Abend irgendwie deprimiert :wacky:.
Ich will jetzt auch nicht alles wiederholen, was hier schon richtig an die Adresse der Regie gesagt worden ist. Ich habe durchaus nichts dagegen, bei Operninszenierungen einen modernen Ansatz zu verfolgen, und manchmal gibt das ja auch ganz neue Eindrücke. So ist mir die äußerliche Umgebung meistens ziemlich egal, ob das nun ein Ambiente des 16., 18. oder 21. Jhdts. ist - Hauptsache, es bleibt stimmig. Das war es hier nun nicht, worauf Gregor und WotanCB schon hingewiesen haben - wenn man sich schon die Mühe der Verfremdung macht, muß die sich bitte schön auch aus dem Text ergeben. Ich wurde schon mißtrauisch, als die Präsentatorin am Anfang auf die gänzlich neuen Familienverhältnisse hinwies, mit denen wir uns jetzt bitteschön vertraut zu machen hätten: nochmal, wenn das die Ausgangsbasis ist, kann es m.E. schon nichts werden.
Einzeleindrücke bleiben positiv: den Leporello von Kyle Ketelsen mochte ich stimmlich - ihn in einem reichen Hause als leicht zurückgebliebenen Verwandten im Teenager-Alter (Turnschuhe! Lose Haarmähne!) herumgeistern zu lassen, war noch eine der witzigeren Ideen. Und daß auch ein Don Giovanni an einem emotionalen burn-out erkranken kann (mein Eindruck), war auch ganz gut.
Die Grenzen sind für mich überschritten bei Entblößungs- und Kopulationsszenen auf offener Bühne - da habe ich dann auch abgeschaltet. Derlei macht nie irgendeinen dramaturgischen Sinn, sondern zeugt lediglich von der Einfallslosigkeit des Regisseurs oder seinem mangelnden Vertrauen in den Sachverstand und die Intelligenz des Publikums.
Und vielleicht darf ich auch einmal eine Lanze für die Musik des Komponisten Mozart brechen: wieviel Respekt vor der Erhabenheit gerade dieses zentralen Werks der Opernliteratur verrät es, wenn man es gerade mal für wert hält, inszenatorisch auf das Niveau einer täglich ausgestrahlten Seifenoper (daily soap) aus dem Privatfernsehen herunterzubrechen? Viel kann das nicht sein, deswegen muß man das, ceterum censeo, nicht noch durch Anschauen unterstützen.
Grüße!
Honoria