Ich habe zwar nicht sehr viel über für das sog. Regietheater, aber hier bin ich ausnahmsweise einmal undogmatisch: wenn einem begnadeten Regisseur wirklich ein großer interpretatorischer Wurf gelingt und die Sache stimmig ist, kann Oper auch als Regieoper ein großartiges Erlebnis sein.
Leider ist nicht jeder ein Genie, der sich dafür hält, und bei modernen Opernregisseuren scheinen Fehlperzeptionen hinsichtlich der konzeptionellen Kompetenz Opern betreffend irgendwie endemisch aufzutreten - das Publikum, Kummer gewohnt, nimmt das leicht oder mittlerweile auch hörbar grummelnd hin, weil Opern ja auch im schlimmsten Fall noch durch Sänger gerettet werden können. Wenn allerdings der Event-Charakter zu vorherrschend wird, werden auch Spitzensänger nichts mehr retten können, und es scheint ja, daß das Publikum sich zunehmend weniger beeindrucken läßt von Produktionen, die mehr dem Regisseur als dem Werk huldigen, und kräftig buhen. Ich fände zwar, die bessere Option wäre eisiges Schweigen und sofortiges Verlassen des Theaters, aber diese Disziplin bringt ein Publikum am Ende eines langen frustrierenden Abends möglicherweise nicht mehr auf.
Ich fürchte, viele heutige Regisseure haben für Oper eigentlich nicht sehr viel übrig. Sie inszenieren sie trotzdem, weil sie sich dort einmal ordentlich austoben können, im Gegensatz zum Sprechtheater, wo ein inszenatorischer Mißerfolg durch nichts wegzudiskutieren ist: in die Oper geht man vornehmlich wegen der Musik, s.o., und auch mißratene, unpopuläre Produktionen bleiben lange im Programm, weil die Kosten so ungeheuerlich sind, daß auch inszenatorische Katastrophen quasi zum Überleben verdammt sind.
Ich wünsche mir, daß es irgendwann wieder Regisseure vom Schlage eines Otto Schenk oder Jean Pierre Ponnelle geben möge, die den Mut haben, erst einmal spielen zu lassen, was in der Partitur steht: bringt man die Geschichte, wie sie ist, auf die Bühne, ist das schon einmal mehr als die Hälfte der Miete und zeigt im übrigen den Respekt vor der Leistung des Komponisten, den viele moderne Regisseure in eitler Selbstüberschätzung schmerzlich vermissen lassen. Das schließt intelligente Personenführung, überraschende Einfälle und die eigene Handschrift des Inszenierenden beileibe nicht aus: es ist nur erheblich mehr Arbeit und Dienen am Werk, mehr, als wenn man Mozart, Verdi oder Wagner zur Illustration eigener Lebensanschauungen hernimmt. Regisseure, die Oper lieben (und es sollte doch möglich sein, solche zu finden !), wird dieser Respekt vor dem authentischen Werk nicht davon abhalten, uns unvergeßliche Abende zu bereiten.
Dies hoffend grüßt
Honoria