Beiträge von Honoria Lucasta

    Hier auch noch einmal der Hinweis auf den ersten Blue-ray-Rigoletto mit dem verehrungswürdigen Nucci:


    Für mich ist er immer noch einer glaubwürdigsten Rigolettos - seine Stimme ist nicht mehr taufrisch, aber das ist in dieser Partie keine Katastrophe - immerhin singt er sie noch immer besser als viele andere. Seine nuancierte, in jeder Geste überlegte Darstellung ist phänomenal.


    Grüße!


    Honoria

    Vieles ist in dem Zusammenhang sicher auch zeittypisch, was mir am Sonntag auffiel, als ich zappend auf ARTE landete und eine hochinteressante Dokumentation über die Wechselwirkungen zwischen deutscher und französischer Operette zu Ende sah. Da tauchte dann mehrmals Margit Schramm auf, die mir zwischenzeitlich völlig aus dem Bewußtsein entschwunden war, die aber zu ihrer Zeit- 60er und noch in den frühen 70er Jahren -als quasi die einzig mögliche Besetzung für jede Frauenhauptpartie in jeder Operette galt - heute schaut man sie sich an und findet sie ganz nett (immerhin konnte sie singen), aber das war's dann auch - die Zeit ist über sie wie über viele andere sehr schnell hinweggegangen, und die Gleichsetzung Schramm = Operette kann man heute kaum mehr nachvollziehen.
    Das gleiche wird mglw. mit einigen Ikonen der heutigen Zeit geschehen. Ich wage da mal ein paar ketzerische Vermutungen (in etwa 10-20 Jahren darf man diese dann evaluieren... :pfeif:):
    - bereits jetzt beginnt man einzusehen, daß Pavarotti spätestens seit Mitte der 70er Jahre nur noch von der -immerhin stimmlich wie räumlich reichlich vorhandenen- Substanz sang und zumindest dem Katalog der Aufnahmen nichts Bedeutendes mehr hinzugefügt hat;
    - weiß noch jemand, wer Jessye Norman war?
    - Oder Jane Eaglen?
    - oder die Sängerin, deren Namen nicht genannt werden darf, um mal mit Harry Potter zu sprechen - ach ja, wer war eigentlich nochmal Paul Potts?


    Ergo: wirklich große Sänger überleben auch unseren Streit um den ihnen zukommenden Platz in der Geschichte. Das Gute bleibt.


    Grüße!


    Honoria

    Ich denke, den meisten Menschen, die sich ernsthaft mit Musik beschäftigen, geht es so wie Thomas Knöchel: persönlicher Geschmack und Vorlieben bilden und verändern sich mit der Zeit und vor dem Hintergrund gemachter Erfahrungen.


    Dabei bleiben wahrscheinlich aber doch einige Konstanten: anders kann ich es nicht erklären, warum ich im Gegensatz zu früher selbst schrägste Schöpfungen noch lebender Komponisten (früher für mich ein Grund, einige Konzertsäle weiträumig zu umfahren) hören kann und manche auch schätze, aber beim Hören Brahms'scher Lieder immer noch und fast schlimmer als früher tödliche Langeweile empfinde und mich dem einfach weder zuhause noch im Konzert aussetzen möchte...Ich mag aber seine Symphonien.


    "Verdauliche" Klassik verkommt im übrigen ja auch oft zum Gassenhauer, dann kann man einiges einfach nicht mehr ertragen: bei Moldau, Nachtmusik, Tschaikowski Nr. 1 und 9. Symphonie von Beethoven muß man manchmal ein paar Jahre in den kalten Entzug gehen, um sie wieder für sich zu entdecken.


    Grüße!


    Honoria

    Natürlich muß Meinung subjektiv sein können, und wenn man sie nicht mehr pointiert und bisweilen auch überspitzt ausdrücken darf, kann man Foren wie dieses gleich ganz begraben. Eine mehr oder weniger objektive Analyse kann sich doch eigentlich auch nur aus dem Vergleich verschiednener subjektiver Meinungen formen, wie soll das sonst gehen?
    Aber damit einhergehen muß schon eine kultivierte Art der Auseinandersetzung; ich erschrecke manchmal, wenn ich lese, wie schnell, heftig und gnadenlos manche kontroversen, vielleicht spontanen Beiträge von Mit-Forianern mit vernichtenden Adjektiven belegt werden. Da kann einem das Drauf-los-Diskutieren bisweilen vergehen....


    Grüße!


    Honoria


    oder eben blue ray, wie es neudeutsch heißt.
    Vorausgeschickt sei: Bild und Ton sind wirklich so phantastisch, daß man sich an VHS - Zeiten oder grob kopierte DVDs nurmehr schaudernd erinnert.
    Zur Ausführung:
    Rigoletto: Leo Nucci 5 (was gibt es zu ihm noch zu sagen? Er verkörpert diese Figur so genial wie keiner zur Zeit, und daß seine Stimme nicht mehr taufrisch ist, stört hier nicht)
    Duca: Piotr Beczala 4 (es fehlt noch ein bißchen an der Darstellung, und die Stimme wird in der Höhe manchmal etwas enger, als es nötig wäre, aber verglichen mit vielen anderen ist das hier eine mehr als ordentliche Leistung)
    Gilda: Elena Mosuc 4,5 (fast perfekt - perfekt gesungen, aber an der inneren Beteiligung mangelt es ein wenig, daher sozusagen Abzug in der B-Note)
    Sparafucile: László Polgár 5 (ein gewinnender Gentleman-Verbrecher,
    stimmlich und darstellerisch)

    Maddalena: Katharina Peetz 4,5 (engagiert und stimmschön, macht optisch was her, und hoffentlich darf sie demnächst nicht nur Maddalenen singen)
    Die anderen Partien sind rollendeckend besetzt, da bleibt kein Wunsch offen.
    Chor und Orchester der Zürcher Oper: 5
    Nello Santi: bleibt ohne Bewertung - der Mann ist einfach die Verkörperung der italienischen Oper. Sein enzyklopädisches Wissen und seine Stilsicherheit, sein perfektes Sich-Einfühlen auf die Sänger dürften unerreicht sein.


    Insgesamt also irgendwas zwischen 4,5 und 5, besser geht es m.E. kaum.


    Grüße!


    Honoria

    Guten Morgen aus Sarajewo,


    mir fällt dazu spontan ein, daß der Unterschied zwischen der Erhabenheit der Musik und der relativen Belanglosigkeit der Ausführung des Librettos (nicht des Stoffes an sich) bei Fidelio eben besonders dramatisch ist - es geht um Leben, Freiheit, Revolucion o muerte, um die wesentlichen Dinge des Lebens also, etwas, das über Einzelschicksale hinaus weist, und das Libretto entspricht dem nicht - allein, was jeder für sich im Quartett (Mir ist so wunderbar) singt, überhört man lieber. Der Zuhörer sieht also seine Erwartungen an den Stoff etwas enttäuscht, denn von der Wolke des erhabenen Gefühls beim Hören der beethoven'schen Musik wird man durch den nachfolgenden Dialog nach jeder Nummer eben brutal wieder heruntergerissen, was manche Regisseure (mir zuletzt in Essen erinnerlich) dazu veranlaßt hat, den Dialofg vollständig zu streichen und die Musik sozusagen en suite zu spielen. Das war gut!


    Dagegen geht es weder im Freischütz noch bei der Entführung um mehr als Einzelschicksale, und ob da nun die Blonden und Agathen plappern und dummes Zeug reden, ist ohne Belang: das tun sie im wirklichen Leben ja auch und regt eine dumme Geschichte mehr oder weniger niemanden mehr auf. Daß die Musik an mancher Stelle, gerade bei der Entführung, die Blödigkeit des Textes Lügen straft und den aufmerksamen Hörer schauernd in seelische Abgründe blicken läßt, ist eine andere Sache: rein vom Libretto her lassen sich Entführung und Freischütz belang- und emotionslos inszenieren und verstehen. Beim Fidelio geht das nicht wirklich.


    Grüße!


    Honoria

    Ich setze Jessye Norman auf diese Liste - die orgelnde Gleichmacherei des gesamten Repertoires von Mozart-Liedern bis Isolde und darüber hinaus finde ich fürchterlich.


    Bei Bartoli stimme ich nur bedingt zu: sie hat sich früher klug bei dem aufgehalten, was ihrer Stimme entsprach - und ihre alten Aufnahmen kann man sich gut anhören; aber seitdem sie meint, außerhalb ihres Faches ihre geläufige Gurgel beweisen zu sollen, muß sie sich eben auch mit anderen messen lassen. Das geht meist, s. Donna Elvira, nicht zu ihrem Vorteile aus.


    Grüße!


    Honoria

    Noch ein Nachsatz sine ira et studio:


    es hat doch alles immer auch wenig mit dem Anspruch zu tun, mit dem man antritt. Bayreuth war jahrzehntelang das Sinnbild eines Olymps, auf dem große Sänger und ebensolche Dirigenten das Werk eines der maßgeblichen Komponisten unserer Kultur zelebrierten, und die Festspielleitung, gerade auch die neue, vertritt diesen Anspruch weiterhin und ungeschmälert. Eben damit habe ich Schwierigkeiten. Sicher war früher nicht jede Aufführung in jedem Jahr stil- und niveaubildend, aber allein der Umstand, daß man an sehr vielen der -auf Film oder Tonträger konservierten- Produktionen der 50er bis 70er Jahre nicht vorbeikommt und einem fast keine aus jüngerer Zeit einfällt, wenn man sich ein Bild vom Möglichen in diesem Bereich machen möchte, beweist doch, daß wir den vergangenen Zeiten schon ein wenig nachtrauern dürfen.


    Vielleicht gibt es Titanen des Wagner-Gesangs derzeit einfach nicht - Windgassen, Nilsson, G. Jones, die ganze Besetzung des Jahrhundert-Rings von Boulez - mir fällt es leider wie vielen sehr schwer, heute in Ansätzen dem auch nur so ungefähr Entsprechendes zu finden. Und einige Stimmen, die sehr wohl auch in Bayreuth Großes gesungen haben, wie z.B. Waltraud Meier, sind nicht weiter verpflichtet worden oder aus Frust gegangen.


    Grüße (aber mild und leise...)!


    Honoria


    P.S. Eben sehe ich bei Erstellung der Vorschau den Beitrag von m.joho - sehr wahr!

    Der Hügel sieht mich nämlich vor allem wegen der mittelmäßigen bis grottenschlechten Sänger nicht wieder, auch nicht sozusagen virtuell am Radio.
    Mir widerstrebt dabei nicht so sehr das Sich-Einlassen auf Regiekonzepte eines Herrn Schlingensief - ich finde die meisten heutigen Bayreuth-Inszenierungen, soweit sich mir das aus der Lektüre der Kritiken und aus einigen Ausschnitten im Fernsehen mitteilt, nur noch peinlich. Aber es müßte doch möglich sein, Sänger zu finden, die die innere Wahrheit der Wagner-Figuren stimmlich und schauspielerisch erfassen können; früher ging's doch auch (Jess Thomas, Kollo, Gwyneth Jones, von Kräften der 50er Jahre mal ganz zu schweigen). Diejenigen, deren Namen ich dort heute auf dem Besetzungszettel sehe, haben sich in den meisten Fällen ja auch überhaupt nicht bisher durch Gestaltung von Wagner-Partien hervorgetan, sondern singen sozusagen mehrheitlich auf Kredit. Das rechtfertigt weder die Preise noch den, um es mal neudeutsch auszudrücken, hype, der von den Bayreuther Mädels angeheizt jetzt nur noch stärker Platz greift.


    Vielleicht sollte man dort einfach mal 5 Jahre Pause einlegen und hoffen, daß sich in der Zeit mal jemand entwickelt, der Wagner wirklich singen kann. Oder überhaupt die Sache, wie das andere große Bühnenweihespiel im Süden Bayerns es vormacht, gleich erst alle 10 Jahre stattfinden lassen.


    Grüße!


    Honoria

    Kesting schreibt nicht sehr viel Positives über Milnes - ich finde, er ist da ein bißchen hochnäsig gegenüber einem Naturtalent. Wahrscheinlich leidet Milnes' Bekanntheit (und Beliebtheit) im Forum auch etwas unter dem Umstand, daß er seine Bühnenkarriere ganz überwiegend nicht in Europa hatte und daher bei uns eher auf Schallplatten/CDs präsent ist, wo man von seinem großen Schauspieltalent halt nicht so viel mitbekommt.


    Ich bin jedenfalls auch dankbar für diesen Thread und werde noch einmal meine Milnes - Bestände sichten und ergänzen.


    Grüße!


    Honoria

    Sherill Milnes war in den 70er und 80er Jahren als Bariton omnipräsent - er sang in vielen MET-Übertragungen, machte viele Aufnahmen, vor allem auch mit Domingo. Ich finde, die beiden paßten auch stimmlich gut zusammen.


    Seine für mich beeindruckenste Leistung ist diese:



    Ausnahmsweise gefällt mir da mal die Tomowa-Sintow, und Vasile Moldoveanu ist für seine Verhältnisse auch ganz gut, aber die Ernsthaftigkeit, die vokale Gestaltung von Milnes' Rollenprotrait sind immer wieder am beeindruckendsten. Ich meine mich zu erinnern, daß Milnes einmal geäußert hat, der Boccanegra liege ihm ganz besonders am Herzen - man merkt's. In Zeiten, in denen so viel einfach runtergesungen wird von ageblichen Stars, ist das eine Erholung!


    In seiner Gestaltung des Scarpia kommt Milnes auch nach meiner Meinung den größten Kollegen (Gobbi, Raimondi) gleich.


    Grüße!


    Honoria

    Armer Basti, mußtest Du so viel leiden...


    Erhole Dich mal hierbei:


    Ernani: L. Pavarotti 4,5 (KEIN Abzug wegen der wenig räuberischen Optik, sondern wegen des fehlenden sängerischen Temperaments, aber singt wirklich alles, was in der Partitur steht, das schaffen nicht alle Tenöre bei Ernani)
    Elvira: L. Mitchell 4,5 (hoch engagiert und mehr als rollendeckend)
    Don Carlo: Sherill Milnes 4,5 (sängerisch phänomenal für seine Verhältnisse, schauspielerisch sehr gut)
    Silva: R. Raimondi 4,5 (genial böse, optisch wie stimmlich)


    Met-Chor und Orchester 4, Levine 4,5


    Ich finde, es ist eine der besten Ernani-Aufnahmen, die auf dem Markt sind.


    Grüße!


    Honoria

    Ich habe Cheryl Studer nur ein einziges Mal live erlebt, und zwar in Bayreuth, 1998 oder 1999 oder 2000 (ich hab's verdrängt, der Hügel wird mich wohl nicht wieder sehen)- da sang sie Senta und patzte in der Arie zweimal so grauselig, daß sich selbst das schon damals Sängerkummer gewöhnte Publikum sehr befremdet ansah.


    Es gibt einige ganz ordentliche Scala-DVDs mit ihr (Vespri, Attila) und ich kenne auch die von Jolanthe erwähnte CD (Domingo - Live from Covent Garden, eine EMI-Produktion) , aber begeistern konnte ich mich für sie eigentlich nie - für mich hatte ihre Stimme kein Gesicht, das nun gerade mich angeschaut hätte.


    Aber, um der Gerechtigkeit die Ehre zu geben: das haben andere auch nicht, die besser gefahren sind mit Fachüberschreitungen, Stress mit dem Management und dem ALTER, das manche eben früher packt als andere: Frau Studer hat mglw. einfach ein bißchen viel Pech gehabt. Wenn sie es schafft, das zu akzeptieren und aus ihrem reichen Erfahrungsschatz etwas an Studenten weiterzugeben, wäre aber immerhin nicht alles vergebens - aus Niederlagen, und sei es aus denen anderer, lernt man vielleicht besonders viel.


    Grüße!


    Honoria

    Meine Liste der Opern, für die ich Karten allenfalls geschenkt nähme:


    - Zar und Zimmermann
    - Wild- und Freischütz
    - Midas'in kullaklari
    - Daphne, Schweigsame Frau und Frau ohne Schatten.


    Außerdem gehört dazu fast alles, was nach dem 2. Weltkrieg geschrieben wurde, mit Ausnahme des einen oder anderen Menotti.


    Grüße!


    Honoria

    O Siegfried,


    ich fürchte, bei den dicken Sängern (sehr stattlich nannte man das in früheren, höflicheren Zeiten) wird es ganz und gar zur Geschmackssache - erträgt man z.B. eine Jane Eaglen optisch 5 Stunden lang als Isolde, eine Jessye Norman ebenso lange als Kundry ?Ich tu's eher nicht - Oper ist nicht nur Musik, sondern auch Schauspiel, und da sind mir solch statuarische Erscheinungen nicht nur bei Sängerinnen, sondern auch bei Sängern eher unlieb. Und niemand kann mir erzählen, eine gewisse Stimmkraft, ein spezielles Timbre - um mal das Thema des Threads aufzunehmen- verlangten eben nach ein paar Kilos mehr. Das stimmt nicht, es gibt ja genügend hervorragende Sängerinnen und Sänger, die ihre Kleider nicht beim Zeltmacher arbeiten lassen müssen ;).


    Grüße!


    Honoria

    Ich habe jede der geschilderten Varianten erlebt:
    - in der Ankaraner Oper gab es Carmen, und die Ouvertüre wurde von einigen anwesenden Jugendlichen heftig mitgeklatscht, worauf sich der Dirigent umdrehte und in's Publikum zischte, wenn hier jetzt nicht sofort Ruhe einkehre, breche er ab - das half;
    - in der Bonner Oper -bei irgendetwas Weihevollem, ich weiß aber nicht mehr was- warf eine beherzte Zuhörerin einige quasselnde Störer aus den letzten Reihen eigenhändig hinaus
    - und jedes Mal im Konzert erlebe ich, daß die beiden aufgedonnerten Damen (es sind jeweils andere, meist mittleren Alters), die sich vorzugsweise während längerer Piano-Passagen ausdauernd miteinander unterhalten, SMSe schreiben, wobei die Tastaturen im Tempo und der Lautstärke von Katchaturians Kosakenritt behämmert werden, sowie ausgiebig und für jeden hör- und sichtbar den Inhalt ihrer Handtaschen ordnen - ja, daß die gerade hinter mir sitzen.Mein böser Blick wirkt mal mehr, mal weniger nachhaltig, und ich bin ja auch nicht der Kulturpolizist - wenn das Ganze nur nicht so störend wäre...


    Vorbildlich übrigens die Disziplin auch der kleinsten Hörer in russischen Konzertsälen - das sollte man sich, wenn möglich, ab und wann mal gönnen, damit man nicht vergißt, wie man konzentriertes gemeinsames Hören auch erleben kann.


    Grüße!


    Honoria

    Mich hat bisher bei fast jeder Aufführung von Hoffmanns Erzählungen, die ich in der Oper oder im Fernsehen verfolgt habe, befremdet, daß jeder Regisseur meint, hier könne man sich -wohl auch wegen der unüberschaubaren Editionslage- interpretatorisch mal so richtig austoben. Ich habe diese Oper daher schon im Irrenhaus, in einer schwarzen Kiste mit gelben Marionettenfiguren u.ä. spielen sehen, und nichts, absolut nichts anderes davon mitgenommen als Mitgefühl für den armen Jacques Offenbach, der in seinem Grabe wie am Drehspieß rotieren muß angesichts der Respekt- und Instinktlosigkeit, mit der sein Werk da behandelt wird. Es gibt ja rühmliche Ausnahmen (DVD aus der MET mit Domingo und Covent Garden, wenngleich einen bei Shicoff ja immer das Gefühl beschleicht, er sei eigentlich mehr Hoffmann als Shicoff, auch das ist schon wieder eine Übertreibung, die dem Stück nicht bekommt...), aber meist tut es nur weh, das Werk auf der Bühne zu sehen. Dabei enthält es so viel wunderschöne Musik, daß es bei anderen Komponisten glatt für 2 Opern gereicht hätte - nur gönnt man sich diesen Reichtum tatsächlich besser auf der CD als visuell, oder eben allenfalls in diesen beiden o.a. Aufnahmen.


    Grüße!


    Honoria

    Dragi moji vsi,


    das war nun auch leider nichts besonderes. Ich habe die Alt-Rhapsodie auch schon gesungen und weiß nur zu gut, welche tückischen Fallen sie bereithält - Mme Barcellona tappte leider in viele davon. Dabei hat sie eine schöne, volle Stimme und durchaus das Potential, aber alleine ihre fehlerhafte Aussprache verkorkste an manchen Stellen den Eindruck...


    Hat aber wahrscheinlich außer mir und einigen anwesenden Deutschen und Österreichern keiner gemerkt.


    Grüße!


    Honoria

    Verehrter Oolong,


    weise gesprochen!


    Außerdem ist man ja auch in dem Tempeln der Heiligen Kunst nicht davor gefeit, approbierte Künstler zu erleben, die sich ihrer Aufgabe mit noch schlechterem Ergebnis stellen als der nun wirklich nicht unbegabte Potts. Allein der Umstand, daß jemand irgendeine Ausbildung durchlaufen hat, garantiert noch keine Leistung, die über der eines fähigen, aber eben ungeschliffenen Amateurs stünde. Das Ergebnis zählt - und ich bin für jeden Hörer dankbar, der, angerührt vom Aschenputtel-Image eines Nobodys mit einer akzeptablen Stimme und bewegt von der Schönheit der Musik Puccinis, die sich einem auch mitteilt, wenn sie viel schlechter dargeboten wird als von Potts, mal in das andere Verkaufsregal greift und sich mutig dem ungewohnten Repertoire aussetzt.


    Grüße!


    Honoria

    Ich würde mir ja so sehr wünschen, den Tenor des 21. Jahrhunderts irgendwo zu hören und zu sehen, nur fürchte ich, daß Fides und andere kritische Geister recht haben: manches Talent wird mit Blick auf den schnellen Euro wie eine Zitrone ausgequetscht und dann entsorgt. Es fehlt heute den meisten stark beworbenen Sängern die kontinuierliche Arbeit in einem Ensemble, in dem man wachsen und sich in Ruhe seine Felder erarbeiten könnte. Das scheint völlig aus der Mode gekommen zu sein, gerade für Tenöre gilt wohl das Gegenteil: in dem Moment, in dem einer, der mglw. auch noch pasabel aussieht, ein hohes C herauszuschmettern vermag, muß er sich fortgesetzt und coram publico durch alle Hits von der Bildnisarie bis zu Nessun dorma quälen.


    Von den genannten Talenten begeistert mich Juan Diego Florez - wen begeistert der nicht? Die anderen sind zwar sehr gut, aber ich befand mich nie in Gefahr, irgendeiner dieser Stimmen mit Haut und Haaren zu verfallen. Da fehlt einfach das gewisse Etwas im Timbre, in der Persönlichkeit, im Gesicht der Stimme. Oder verlangen wir zuviel? Tappen wir in die Falle der Musikindustrie, die uns so oft eine Jahrhundertstimme verkaufen will, daß wir meinen, es müsse tatsächlich in jedem Jahrhundert einen Tenor wie Caruso geben?


    Grüße aus dem bald 40°C heißen Sarajewo!


    Honoria

    Bei den Opern von Richard Strauss bin ich manchmal mit mir selbst nicht eins - manche mag ich sehr, andere finde ich zum Davonlaufen und könnte mich wirklich gar nichts dazu bringen, mir davon eine CD zu kaufen - Ansehen und Anhören, live in der Oper, geht natürlich immer, sonst kann man sich ja auch kaum ein Urteil erlauben.


    Den Rosenkavalier liebe ich wegen seiner Melodienfülle, Ariadne hat wunderbare Momente (gibt es etwas Zauberischeres als "Es gibt ein Reich", gesungen von Maria Cebotari?), Salome muß einfach sein (findet sogar mein musikalisch stockkonservativer Mann, den ich mit Bangen mal zu einer Salome mit Camilla Nylund in die STOP schleppte und der meinte, das müsse er nun nicht jeden Tag haben, aber er finde es sehr ertragbar und interessant...) und Elektra ist einfach so radikal, daß man dieses Werk mit nichts anderem vergleichen kann, ein Solitär eben.


    Die anderen, insbesondere Daphne, Frau ohne Schatten und Schweigsame Frau mag ich gar nicht, weil ich wenig Melodie und Struktur höre; das kann natürlich auch mein Fehler sein; sicher ist es Geschmackssache.


    Als Sänger kann man aber, glaube ich, nicht anders, als Strauss' Lieder zu lieben. Melodiös und rhythmisch manchmal vertrackt, immer eine Herausforderung an Verständnis und Gestaltungsvermögen des Künstlers, aber man merkt bei jedem Takt, daß Strauss mit einer Sängerin verheiratet war und mehr von Atemtechnik und Phrasierungserfordernissen verstand als so mancher Gesangslehrer. Das allein macht ihn mir wert.


    Grüße!


    Honoria

    Für Sarajewo, die vor allem kulturell ausgeblutete Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina, war der gestrige Abend schon etwas Besonderes. Schickten kurz nach dem Ende des Krieges viele europäische Staaten -wohl auch zur Beruhigung ihres schlechten Gewissens gegenüber einem Land, dessen Tragödie sie viel zu lange weitestgehend tatenlos zusahen- en suite namhafte Künstler und große Ensembles hierher, so hat sich dies mittlerweile doch gegeben; schon daher war der Auftritt von Orchester und Chor des Maggio Musicale Fiorentino unter Riccardo Muti ein absoluter Höhepunkt einer ansonsten außergewöhnlich faden Saison.
    Brahms' Alt-Rhapsodie und Schicksalslied eröffneten den Abend in der einzigen wirklich großen Halle Sarajewos, die eigentlich für sportliche Großveranstaltungen konzipiert ist und in der jeder Ton künstlich verstärkt werden muß, damit die ca. 6000 Zuhörer des gestrigen Abends überhaupt einen unmittelbaren Eindruck bekommen konnten. Beide Stücke, deren ernster Charakter sicher nicht für eine Aufführung bei Großveranstaltungen dieser Art spricht, wurden korrekt dargeboten und höflich beklatscht; mehr leider nicht. Nach der dann stattfindenden Ehrung des Maestro, der vor 12 Jahren schon einmal mit dem nämlichen Programm in Sarajewo aufgetreten war und dessen Kommen jetzt im Zusammenhang mit der Spendeneinwerbung für Stipendien an Nachwuchsmusiker stand, wurde Beethovens Eroica gespielt, auch dies eine Reverenz (so Muti in einer kurzen Ansprache) an die Einwohner der Stadt Sarajewo, die während der drei Jahre dauernden Belagerung vor allem durch das Festhalten am Geist der europäischen Kultur überlebt hätten.
    Muti dirigierte den 1. Satz schlank, fast tänzerisch elegant; der 2. Satz rührte in seiner traurigen Schönheit einige der Zuhörer zu Tränen, Scherzo und Schlußsatz waren kraftvoll und so klangschön, wie sie in der Umgebung eben sein konnten. Auch die Eroica ist kein Programm für die große Masse; die reine Dauer hat manche der jüngeren Zuhörer schon arg gefordert. Nach sehr freundlichem, aber nicht überbordenden Applaus gab es dann noch -quasi als menschheitsverbindende Zugabe- den Gefangenenchor aus Nabucco. Dem Chor des Maggio Musicale dabei zuzuhören war schon ein Erlebnis: so schön singen DAS halt nur die Italiener.
    Zusammenfassend tritt der rein musikalische Eindruck dieser Nacht (es begann um 21.00 Uhr, man kann sich vorstellen, wann ich dann zu Hause war) zurück hinter der rückhaltlosen Bewunderung, die den kundigen Thebaner ergreift, wenn er einen Meister bei der Arbeit sieht - Muti allein dirigieren zu sehen ist schon ein Erlebnis. Die Kraft und Präzision seiner Gesten, das vollkommene und geradezu greifbare Einverständnis mit dem Orchester sind beeindruckend und tief berührend.


    Und nun haben wir unser Konzert gehabt, und die Stadt sinkt wieder zurück in den Status der tiefsten Provinz, bis im August mit dem Sarajevo Film Festival eine ganz andere Klientel zu ihrem Recht kommt...


    Grüße!


    Honoria

    Heute abend werde ich mit schätzungsweise 6000 Gleichgesinnten Riccardo Muti und dem Orchester des Maggio Musicale Fiorentino lauschen - in der gigantischen Zetra - Halle (erbaut für die Winterolympiade in Sarajewo 1984) werden Beethovens Eroica und Brahms' Alt-Rhapsodie erklingen. Da hier ansonsten nicht viel los ist, freue ich mich ganz besonders darauf, wenngleich mir Massenveranstaltungen sonst immer ein bißchen suspekt sind.


    Grüße!


    Honoria

    Zum Tagesbeginn:


    Puccini, Messa di Gloria


    William Johns, Tenor
    Philippe Huttenlocher, Baß


    Chouer Symphonique et Orchestre de la Fondation Gulbenkian de Lisbonne
    Michel Corboz


    Aufnahme von 1974, scheint nicht mehr auf dem Markt zu sein. Ich schieb' sie immer mal wieder in den CD-Spieler und freu mich dran.


    Grüße!


    Honoria