Beiträge von Bernd Kloeckner

    Ich hatte die Premiere am 08.04.09 live am Radio mitverfolgt und notierte damals:


    Mit noch warmen Ohren: eine gelinde Enttäuschung! Aus meiner Sicht eine
    viel zu romantische Auffassung eines Stückes, das doch zumindest schon im
    Übergang zur Moderne steht; und das noch nicht mal richtig durchgezogen.
    Bei aller Zurückhaltung im Vergleich zwischen einer live erlebten
    Aufführung und einer Radioübertragung: das hat Markus Stenz in Köln
    neulich wesentlich besser gemacht! Da war das ganz und gar eine Oper des
    20. Jahrhunderts, mit deutlich voneinander abgesetzten
    Orchestersektionen, stark perkussiv, hervorgehobenes Blech; von "Vec
    Makropulos" oder "Totenhaus" her gedacht statt als "mährischer Puccini".
    Nur der - abgesetzte - Schluß wie eine romantische Reminiszenz, das dann
    aber richtig! Das war bei Petrenko vglw. dünn.


    Wenig gefallen hat mir auch, daß von den Sängern so viele "veristische"
    Gesten kamen, soviel Schreien und Schluchzen, aus dem Gesangston fallen.
    Das ist mE bei Janácek (mehr noch als bei anderen Komponisten) völlig
    fehl am Platz. Ohne das wäre Polaski sicher eindringlicher gewesen,
    obwohl ihre Stimme auch schon in dieser Rolle nicht mehr 100% mitspielt
    (die repetierten h'' am Ende des Monologs im 2. Akt rutschen ihr böse
    ab). Sehr interessant Stefan Margita, dessen Tenor ein wenig farbarm
    wirkt (was aber nur in der Schlußszene ein Manko ist), aber offenbar
    ohne hörbare Anstrengung alle anderen deutlich überstrahlt. Recht
    enttäuschend fand ich Eva-Maria Westbroek, deren Stimme schon viel an
    Jugendlichkeit verloren hat und oft der Polaskis schon viel zu ähnlich
    ist (besonders störend in der Szene mit Jano).


    Daß Helga Derneschs Stimme eigentlich nicht mehr vorhanden ist, schadet
    in der Rolle ja nicht allzusehr. Wahrscheinlich war sie in den beiden
    Szenen mit der alten Burya trotzdem Mittelpunkt der Bühne. Ich hab' sie
    vor einigen jahre in D'dorf als Kabanicha (in Kat'a Kabanová) gesehen:
    Singen konnte sie schon da kaum noch - aber *wie* sie das konnte!


    Und wo ich einmal am rummäkeln bin: die Toningenieure hätten den Weg vom
    Souffleurkasten zu den Mikrofonen vielleicht etwas besser abschirmen
    sollen ...


    Bernd

    Zitat

    Original von Fairy Queen


    ich muss eine dringende Warnung machen: nehmt die CD Nummer 60 hinaus und werft sie ungehört in die nâchste Mülltonne. Bewahrt euch eure Illusionen und tut euch das nciht an!


    Na, anfangen sollte man mit der CD nicht gerade, aber Mülltonne ist entschieden zu hart!


    Zitat

    Die Fidelio-Leonore hat trotz aller stimmlichen Makel noch den reizvollen italienischen Charme, die dramatische Ausdruckskraft und im langsamen Teil eine anrührende Emotionalität zu bieten


    Eben! Gegen Ende wird's allerdings z.T. schaurig, vor allem kriegt sie die schnellen Läufe nicht mehr hin, ausgerechnet Callas!


    Zitat

    Maria Callas:[i]
    "Ma voix est là , oui , mais mes nerfs n'y sont plus".


    Frank hatte das nebenan zitiert. Das müßte man dann ja wohl unter "völlig falsche Selbsteinschätzung" verbuchen.


    Zitat

    [i](Fairy Queen)

    Zitat

    aber spätestens beim Oberon wird die Sache unerträglich.


    Nicht nur dass Callas mit dem englischen Idiom überhaupt nciht in ihrem Klangelement ist,


    Du meinst, da kommt die Bronx durch? :P Ich finde das völlig in Ordnung!


    Zitat

    nein, die ganze Arie klingt gequâlt, streckenweise regelrecht falsch und ich kann nicht ein Gran Schönheit darin finden. ;( ;( ;(


    Nun ja, das muß man dann wohl mit den Ohren des amateur hören. Wie hätte sie das ein paar Jahre früher singen können!


    Zitat

    Nur gut, dass die wenigsten Hörer da viele Vergleiche haben, was dann aber für die genauso katastrophale Contessa leider überhaupt nciht gilt!
    Welcher Teufel Callas hier geritten hat, ausgerechnet dieses Stück einzuspielen, ist mir absolut rätselhaft.


    Volle Übereinstimmung. Das ist unterirdisch.


    Zitat

    Leider konnte ich danach nichts mozärtliches mehr ertragen


    Das ist dann aber wieder besser. Hier gilt jedoch ebenfalls: man muß sich dabei denken, wie sie das mit früheren stimmlichen Mitteln hätte singen können. (Ob CD 68 da einen Hinweis gibt, weiß ich nicht; Non mi dir gibt es da aus dem Jahr 1953. Diese Aufnahmen sind erst lange nach ihrem Tod veröffentlicht worden.)


    Zitat

    und bin zur übernächsten Cd gewandert, wo Rossini und Donizetti, also Belcanto-Repertoire auf dem Programm standen.


    [...]


    Warum sind diese Aufnahmen noch autorisiert worden und im Handel geblieben?


    Jürgen Kesting ist der Meinung, daß erst ihr letztes Recital (CD 67) diesbezüglich den Tatbestand der Ehrabschneidung erfülle.


    Zitat

    Hatte Callas keine Selbstreflektion oder schlechte Berater? Hat sie sich das nicht vorher angehört oder einfach "quandmême" gedacht?


    S. ihr Zitat oben. Und warum hat sie 1973/74 noch eine "Abschiedstournee" gemacht?


    Aber - das gehört mE zu den nicht so interessanten Fragen =)


    Bernd

    Hallo Peter,


    Zitat

    Original von oper337


    Ich habe eine LIVE Aufnahme der Tosca aus der MET von 1965
    mit Franco Corelli als Cavaradossi und Tito Gobbi als Scarpia, :jubel:


    Es wäre auf jeden Fall interessant, die Live-Aufnahmen hinzu zu nehmen; manche Rollen, in denen sie als maßstäblich gilt (z.B. Lady Macbeth), gibt es ja nur in Live-Aufnahmen.


    Ich bin ja noch recht neu hier, aber wenn ich das recht sehe, bist Du nicht derjenige, der nur ab und an mal in die Oper geht/Oper hört - und Du schreibst:


    Zitat

    Eine der besten Aufnahmen die es gibt,


    Was ist das besondere daran? Ich will ja immer 'rauskriegen, warum Callas (andere Sänger auch, aber sie offenbar besonders) so ungeheuer viel Eindruck gemacht hat und immer noch macht!


    Viele Grüße,
    Bernd

    CDs 12 und 13: La Traviata


    Coro Cetra; Orchestra Sinfonica di Torino della RAI, Dirigent: Gabriele Santini
    Aufgenommen September 1953 im RAI-Studio Turin.
    Callas hatte die Rolle seit Anfang 1951 im Repertoire. Die Aufnahme entstand noch für Fonit-Cetra.


    Ich halte es angesichts dieser insgesamt weniger empfehlenswerten Aufnahme diesmal kurz. Callas demonstriert eindrucksvoll, daß eine dramatische Sängerin den ersten Akt singen kann (und nicht nur die Zwitschersoprane), und daß die komplette Rolle nur ein dramatischer Sopran singen kann. Im Vergleich zu ihrem (mitgeschnittenen) Mailänder Debut im Mai 1955 (unter Giulini) ist ihr Portrait der Rolle noch unvollständig. Im Duett mit Vater Germont im zweiten Akt ist sie fast zu kühl für das, was der Figur da angetan wird, was den Ausbruch auf "Amami, Alfredo" und den folgenden Absturz und die Rückkehr zum Kurtisanendasein nicht so recht erklärlich macht. OK, das ist von ihren späteren Aufnahmen her rückwärts betrachtet.) Eindrucksvoll, wie sie Germonts Brief im Schlußakt liest (wie mag sie wohl Mozart-Dialoge gesprochen haben; Konstanze hat sie an der Scala gesungen!).


    Ihre Partner sind z.T. eher dritt- als zweitklassig. Singt Ugo Savarese noch einen einigermaßen brauchbaren - wenn auch sehr grobschlächtigen - Vater Germont, ist Francesco Albanese als Alfredo schlicht grauenvoll: er singt, als habe ihm einer einen Kloß in den Mund gesteckt (nix gnocchi, frängghische Mammutknödel). Seltsamerweise wird das im Schlußakt erträglicher. Santinis Dirigat ist ordentlich, aber nicht sonderlich erwähnenswert.


    Eine zweite Studio-Aufnahme der Oper hat sie nicht machen könnnen. Zum Glück gibt es die (technisch/akustisch allerdings unzureichenden) Live-Aufnahmen aus Mailand, London und Lissabon, die eindrucksvoll demonstrieren, daß sie mit der Traviata (wie mit der Norma und der Troubadour-Leonore) eine völlig sollizitäre Erscheinung war. Keine andere Sängerin des letzten Dreivierteljahrhunderts ist der Rolle vollständig gerecht geworden! Nein, ich kenne natürlich nicht alle ;-)


    Die Aufnahmequalität dieser Cetra-Einspielung ist - im Vergleich zu den anderen Aufnahmen aus derselben Zeit - miserabel. Vor allem ist sie voller Verzerrungen (Übersteuerung) und gleichzeitig stark nivellierter Dynamik (Einheitslautstärke).


    Bernd
    (04.04.09)

    CDs 10 und 11: Tosca


    Chor und Orchester der Scala, Dirigent: Victor de Sabata
    Aufgenommen August 1953 in der Scala. Es war ihre erste vom Produzenten Walter Legge betreute Aufnahme für EMI und gilt auch aufnahmetechnisch als Meilenstein der Schallplattengeschichte.
    Callas hat die Tosca zum ersten Mal im Sommer 1942 (als achtzehnjährige) in Athen gesungen, die erste ihrer professionellen Karriere fand im Juni 1950 in Mexiko statt. Ihre letzte Aufführung überhaupt war die Tosca vom 5. Juli 1965 in London.


    Zitat

    Quanto? ... Il prezzo!


    Wer sie je gehört hat, braucht nur diese drei Wörter zu lesen, und er wird sie erneut hören. Wird sie nicht nur wieder hören, sondern sie auch sehen. Wird vor Augen haben, wie sie zitternd, verzweifelt und haßerfüllt den Polizeichef Scarpia nach dem Preis für das Leben des Mannes fragt, den sie liebt. Wird beim genaueren Hinhören schon spüren, daß sie sich in der Frage schon der Antwort bewußt ist. [...]
    Nur "quanto?" singt sie als Frage. "Il prezzo" ist eine Feststellung, vielleicht schon Herausforderung, und so steht es im Text von Victorien Sardou. [...] Sie singt das nicht. Sie spricht das nicht. Sie überführt eine dramatische Situation, eine Sturmflut von Gefühlen, von Angst und Haß und Wut und Entschlossenheit, in eine Gebärde. Es ist nicht die übliche Gebärde, nicht die mechanische Illustrationsgeste des naturalistischen oder realistischen Theaters, sondern eine höchst artifizielle. Sie formt im Klang eine Plastik, in der das innerste Wesen der menschlichen Gebärde versammelt ist.


    Über diese Tosca-Aufnahme sind so viele Superlative geäußert worden - was soll man da noch hinzufügen. Warum Callas auch in einer Rolle, die ihre stimmlichen Mittel kaum fordert, von anderen Sängerinnen Lichtjahre entfernt ist, hat Jürgen Kesting mit der zitierten Einleitung seiner Callas-Biografie illustriert. Sie war weit mehr als nur eine herausragende Sängerin und Schauspielerin. "Was für eine Darstellerin! Was für eine Königin! Was für eine Aura!" ruft angesichts meines Beitrags zum ersten Callas-Recital ein an ihrem Repertoire wenig interessierter Mitschreiber in de.rec.musik.klassik aus (mit Bezug auf Pasolinis Medea-Film) und weist auf die Intensität hin, mit der sie von den unterschiedlichsten Seiten her wahrgenommen wurde und wird.


    Giuseppe di Stefano hat einen seiner allerbesten Tage erwischt, der Verismo liegt seiner Kunstauffassung wohl auch mehr, und vor allem in "o dolci mani" zeigt er, was für eine außerordentlich schöne Stimme diesem Sänger zur Verfügung gestanden hat. Tito Gobbi ist Callas als umfassender Darsteller - jedenfalls in diesem Stück - annähernd ebenbürtig; und er hat als Scarpia keines seiner sängerischen Probleme zu bewältigen, die viele seiner Verdi-Aufnahmen zu (idR erfolgreichen, aber:) Gratwanderungen machen. Ein englischer Kritiker (?) nannte ihn mal "a Dennis Hopper in sound"; etwas widerwärtigeres (i.e. eine bessere Darstellung des Widerwärtigen) als sein "la povera mia cena fu interrotta" habe ich, glaube ich, noch nie gehört. Victor de Sabata dirigiert das Stück - korrekt - als brutalen und vulgären Reißer, und das mit äußerster Perfektion. Die akustische Brillianz der Aufnahme (mono) wird auch heute noch nur sehr selten erreicht oder gar übertroffen - was für ein Unterschied zu der nur wenige Wochen danach entstandenen Traviata unter Santini (für Cetra). Ein Meilenstein für die Schallplatte ist das wohl auch, weil hier erstmals in größerem Umfang die technischen Möglichkeiten für eine akustische Darstellung ("Theater für die Einbildungskraft" nennt Kesting das) genutzt worde. So ließ Legge Callas die drei "Mario"-Rufe beim Auftritt der Tosca aus drei verschiedenen Scala-Logen singen.


    Bernd
    (18.04.09)

    Per PM gab es inzwischen zwei unterschiedliche Vorschläge :-) Vielen Dank dafür jedenfalls!


    Eva Randová erscheint mir zweifelhaft, weil ich mich an sie wegen einer noch beeindruckenderen Ortrud in Duisburg einige Jahre zuvor wahrscheinlich an sie erinnert hätte. Helga Dernesch könnte es eher gewesen sein. Aber ich habe da ja eine Erinnerungslücke.


    Ich hab's jetzt mal mit einer Anfrage bei der Kölner Oper probiert; wenn die's nicht wissen ...


    Bernd

    CDs 9: Cavalleria rusticana


    Chor und Orchester der Scala, Dirigent: Tullio Serafin
    Aufgenommen Juni und August 1953 in der Basilica di Santa Eufemia in Mailand.


    Die Rolle der Santuzza hat Maria Callas erstmalig am 2. April 1939 im Olympia-Theater in Athen gesungen - als Fünfzehnjährige! Ohrenzeugenberichte gibt es mW nicht. Ihren letzten Bühnenauftritt in dieser Rolle hatte sie bei einer Kriegsaufführung für deutsche Soldaten ebenda am 16. Juli 1944; während ihrer professionellen Karriere hat sie die Santuzza nur für diese Schallplattenaufnahme gesungen.


    Serafin dirigiert eine leicht unterkühlte Cavalleria mit viel Gewicht auf musikalische Genauigkeit. Auch die Chorszenen exemplarisch sauber, aber ein wenig fade. Callas bietet - vielleicht zu viel für diese Rolle - ein ausgefeiltes Rollenportrait, fällt auch hier, wie gehabt, nie aus dem Gesangston, nicht einmal bei "a te l'amara pasqua" (im Duett mit Turiddu), wo Lina Bruna Rasa in der chaotisch dirigierten Mascagni-Aufnahme so viel Effekt macht (grandiosen, aber außermusikalischen Effekt!). Die brennende Intensität von Bellincioni oder gar Muzio (von denen ich aber nur "Voi lo sapete" kenne) erreicht sie auch nicht. Sie ist sicher großartig, aber es ist nicht wirklich ihre Rolle. Panerai gibt den Grobian Alfio auch etwas zurückhaltend und vielleicht zu gut gesungen; Turiddu ist mit di Stefano gut besetzt, die Verismo-Rollen liegen ihm mehr, keine außergesangliche Effekthascherei, die dem Stück nicht ohnehin angemessen wäre - "Mamma, quel vin è generoso" ist nunmal eine larmoyante Nummer.


    Bernd
    (18.04./23.04.09)

    Hallo Zauberton,


    Vielen Dank für die ausführliche Antwort in Bezug auf Giuseppe di Stefano.
    Wie nebenan schon gesagt: eigentlich mag ich diese Stimme! Den Hinweis darauf, daß er live oft besser war, behalte ich mal im Gedächtnis. Für den Ballo von 1957 kann ich das bestätigen; insb. der Faust täte mich sehr interessieren: seine frühen Aufnahmen, soweit ich sie kenne, zeigen eine Stimme von wunderbarer Zartheit bei großer Klangfülle und -farbe. Seinen Cavaradossi in der Tosca von 1953 habe ich schon gelobt (kommt noch). Und was den Edgardo angeht, den ich einen Totalausfall genannt habe: ich finde die CD nicht mehr, auf der ich das gehört habe :untertauch:. Im Ernst: ich kann das beim Wiederhören der Schlußszene in der Tat nicht bestätigen. Er ist nicht der Edgardo meiner Träume, er ist für mich zu sehr "il tenore della maledizione" statt "il tenore della bella morte" (ich habe da immer Tito Schipa im Ohr); aber das Urteil "Totalausfall" ist ein solcher meinerseits, und ich möchte das bitte zurückgenommen haben!


    Was mich an ihm - und gerade im Zusammenhang mit der Bewertung von Callas - stört, ist das veristische Singen, die naturalistisch-direkte Herangehensweise in Rollen, die (aber zugegeben: das zeigt sich in der Zeit durch Callas ja erst eigentlich) eine weitgehend artifizielle Interpretation brauchen, um zu "funktionieren". In den "moderneren" Rollen ist er stilistisch besser aufgehoben, und deshalb gefällt mir sein Cavaradossi ja so gut, und auch sein Turiddu (nur das über den Gesang weit hinausgehende Gejammer etc. geht mir persönlich nun mal auf den S***, weshalb ich auch mit seinem eigentlich gelungenen Canio unterm Strich nicht sonderlich glücklich werden kann).


    Beste Grüße,
    Bernd (der froh ist, daß er in Forza mal alternativ über Tucker wird lästern können)

    Zitat

    Original von GiselherHH
    Gobbis Wozzeck von 1955 ist momentan bei Myto erhältlich:


    Wow, daß hätte ich nicht gerdacht, sogar als GA. Dazu das Violinkonzert mit Szigeti! Peter hat mich zurecht gewarnt, daß mein Geldbeutel hier in Gefahr gerät!


    Zitat

    Im übrigen bin ich von Deinen ausführlichen Besprechungen der Callas-Box ebenfalls begeistert.


    Danke!


    Zitat

    Allerdings habe ich Mühe, bei Deinem Hörtempo mitzukommen... :D


    Hehe, da hätte ich selber Mühe - aber ich hatte schon vor einigen Wochen (im usenet) angefangen, und stelle das hier nach und nach auch ein.


    Bernd, Cavalleria in der pipeline

    Hallo zusammen,


    Ich hoffe, ich bin halbwegs richtig in diesem Brett, denn es geht um eine Aufführung, die nicht gerade erst gestern war ;-)


    Es muß in der Saison 85/86 oder 86/87 gewesen sein, als ich in Köln eine unvergeßliche Elektra gesehen habe; es müßte sich um die Everding-Inszenierung von 1983 gehandelt haben. Einen Programmzettel gibt es nicht mehr. Ich weiß aber noch, daß Janis Martin die Titelpartie sang und Nadine Secunde die Chrysothemis; Dirigent des Abends war - als Einspringer! - der damalige GMD Marek Janowski.


    Ganz und gar unvergeßlich ist mir aber die Klytämnestra geblieben: eine ebenso majestätische wie furchterregende Erscheinung mit einer Bühnenpräsenz, wie ich sie nur sehr selten erlebt habe. Nur: wer war das?


    Wäre schön, wenn sich einer der Kölner Operngänger daran erinnern könnte.


    Grüße und Dank im Voraus,


    Bernd (kann das Anny Schlemm gewesen sein?)

    CDs 7 und 8: I Puritani


    Chor und Orchester der Scala, Dirigent: Tullio Serafin
    Aufgenommen Ende März 1953 in der Basilica di Santa Eufemia in Mailand.
    Die Elvira war die Rolle, die Callas - zwischen ihren Brünnhilden - als Einspringerin für Margherita Carosio im Januar 1949 im Fenice in Venedig übernommen hatte.


    Das ist ein merkwürdiges Stück: nicht allein, daß der Geschichte der historische Hintergrund (die Cromwell'sche Machtergreifung im England des 17. Jh.) einigermaßen gleichgültig ist; so recht will die Konstellation der Ereignisse nicht einmal zu der des Hintergrundes passen. Der Monarchist Talbot (Arturo; der Tenor) wird erst von den Cromwellianern (=Puritanern) als Bräutigam für die Tochter ihres Anführers willkommen geheißen; als er dann seine Königin aus deren Händen befreit (Überraschung!), bricht gleich der große Haß (samt Krieg) aus. Der Bariton (Riccardo) verhindert die Flucht der beiden aus eigennützigen Motiven nicht: so wird er den Rivalen in Bezug auf den Sopran (Elvira) los. Die "Bekehrung", die ihm der Baß (Giorgio) angedeihen läßt, auf daß er den Sopran aus dem Wahnsinn, dem er anheimgefallen ist, befreie, mündet - statt in eine Auflösung der Situation - in gemeinsames Kriegsgeschrei. Am Ende bringt nicht sein Einlenken Elviras Rettung, sondern sein Auftritt als "reitender Bote"; und derlei Merkwürdigkeiten mehr. Dies als Vorspann, auch weil ich mir so erkläre, daß dieses Stück so selten aufgeführt wird - von seiner Dramaturgie her verständlicherweise.


    Bellini hat diesem etwas hilflosen Libretto jedoch höchste Aufmerksamkeit gewidmet und macht, wenn schon nicht aus dem Ganzen, so doch aus den einzelnen Szenen, Folien für die (durchaus dramatische) Gestaltung virtuoser Sänger; und so kann aus einem dramatisch schwachen Stück ein funktionierendes Drama entstehen.


    Das ist mE in dieser Aufnahme gelungen. Serafin und dem Scala-Orchester gelingen durchweg die riesigen Bögen, die oft über eine ganze Szene, ja einen ganzen Akt reichen (Wagner war, wie ich meine nicht zufällig, ein großer Bewunderer Bellinis), er läßt in den wenigen etwas reicher instrumentierten Abschnitten das Orchester aufblühen und bringt diese Musik mit jenem unbedingt notwendigen "timing", daß diese Melodien brauchen, um nicht leblos zu erscheinen.


    Und auch den Sängern gelingt das durchweg! Giuseppe di Stefano ist einerseits mit der enormen Tessitura der Tenorrolle völlig überfordert (sie war Giovanni Battista Rubini, dem "letzten Belcantisten", auf den Leib geschrieben), und geht die Spitzentöne (er geht bis zum des) völlig falsch, d.h. mit dem forcierenden Hochtreiben der Mittelstimme an (man könnte auch "Knödeln" sagen); diese acuti, und noch schlimmer einige nicht ganz so hoch liegende Noten im Übergang, sacken ihm ab, er quetscht sie wieder hoch usw. - alles Unarten, an die man sich leider bei ihm gewöhnen muß (und sich z.B. Pavarotti in diese Aufnahme wünscht; nein, nicht wegen des albernen f''!). ABER: im Gegensatz zu den meisten seiner Aufnahmen aus dieser Zeit (seine - kurze - Glanzzeit waren die späten 40er gewesen!), singt er nicht alles außer den Spitzentönen lieblos und in Einheitslautstärke 'runter, sondern ist deutlich um ein Rollenportrait bemüht, auch wenn vieles dabei äußerlich (veristisch) bleibt. Jedenfalls nicht der Totalausfall, den man bei ihm oft zu erwarten hat.


    Wunderbar der Giorgio von Nicola Rossi-Lemeni, den ich nie besser gehört habe (er ist ja in sehr vielen Callas-Aufnahmen zu hören): eine Stimme mit der Gewalt, Eindringlichkeit und Majestät von Boris Christoff, aber mit etwas von der Eleganz und Sonorität, die Ezio Pinza hatte. Auch Rolando Panerai legt in dieser Aufnahme jegliche bei ihm vorkommende Attitüde des (vor-)lauten und eigensinnigen ab, ohne auf ein phänomenales as' im zweiten Aktschluß verzichten zu müssen. Auch die virtuosen Passagen der Partie gelingen ihm sehr gut.


    Callas gelingt ein nuanciertes Rollenportrait, daß die Primitivität des Librettos endgültig vergessen macht. Ihr (und Bellini) gelingt es, die verschiedenen Zustände von Elviras Seelenleben sowohl offenzulegen, als auch ineinander zu überführen - von der mädchenhaften Angst im Duett mit Giorgio über die mitreißend jubelnde Freude in "Son vergin vezzosa" zu ihrem Schock am Ende des 1. Aktes. Die Wahnsinnsszene (Elviras Wahnsinn ist aber - anders als bei Lucia di Lammermoor - eher eine schwere Depression) gelingt ihr im Aufbau noch grandioser als im Recital von 1949, wenn auch nicht ganz mit der gleichen technischen Brillianz. Im Duett mit Arturo sing sie ihren Partner völlig an die Wand - aber der kommt da ganz einfach schon in der Höhe nicht mit (s.o.). Ein grandioses Plädoyer für die romantische italienische Oper!


    Ich kenne andere Aufnahmen zu wenig, um mir ein diesbezügliches statement erlauben zu können, aber: wenn es eine bessere gibt, dann hätte ich gerne die Empfehlung dafür!


    Bernd
    (13.04.09)

    Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    eine kleine Korrektur : Die spätere Berliner Aufnahme vom 29. September 1955 hatte als Orchester das RIAS Sinfonie - Orchester Berlin ( EMI ; 5 66441 2 ; digital remastered in der deutschen Edition 1997 ) .


    Danke! Ich habe aus der Erinnerung einfach Berlin -> Philharmoniker assoziiert :-/


    Zustimmung zu Deiner Auflistung der Vorzüge jener Aufführung.


    Zitat

    Braucht eine Lucia wie die Callas einen Dirigenten , der ihr zu folgen bereit ist ( Michael Scott , o. J. ) oder braucht die Lucia , wie sie Maria Callas interpretiert hat , nicht vielmehr einen begleitenden Dirigenten , der die Gesamtheit im Auge hatte wie dies Karajan in seiner Zusammenarbeit mit der Callas tat . ?


    Ich meine, man muß "oder" durch "und" ersetzen ;-)
    Zunächst einmal braucht die Musik des Callas-Repertoires einen Dirigenten, der den Sängern nicht nur folgen will, sondern ihnen auch Freiraum gibt; damit natürlich auch Sänger, die solchen Freiraum besetzen können (kein Wunder, daß Toscanini an Norma verzweifelt ist). Wenn man das einmal so erlebt hat, kann auch keine Rede mehr sein von Bellinis Armseligkeit oder von "Wirkung ohne Ursache" (Wagner über Rossini). Tut der Dirigent aber nur das, gehen - natürlich - musikalische und dramatische Strukturen verloren, was umgekehrt dann doch wieder nach "Poverität" klingt. Bei der Karajan-Lucia ist eben beides - und großartig! - gelungen.


    Und Serafin wird mE in dieser Hinsicht unterschätzt - er konnte gerade das besser als die meisten anderen. Und er war auch in jüngerer Musik ein genialer Operndirigent; ich habe mich gerade bis zu den Pagliacci durchgehört (demnächst in diesem Theater) und bin total begeistert von diesem Dirigat. BTW, er ist ja noch mit dem Verismo aufgewachsen. Die Florentiner Lucia ist aber wirklich nicht so toll.


    Zitat

    [Tito Gobbi]


    Ich meine, daß das ein Sänger mit eher mediokren stimmlichen Mitteln war - und dazu gehört auch eine begrenzte Klangpalette -, der daraus unerhört viel gemacht hat. Ich gebe Dir recht: wenn man nicht weiß, was er singt und erkennt, wie er das singt, kriegt man davon uU nicht so viel mit. Kein Sänger "für die Galerie". Er war übrigens der erste italienische Wozzeck - weiß jemand, ob es davon Aufnahmen gibt?


    Zitat

    Bei Giuseppe di Stefano , zum Zeitpunkt der Lucia - Aufnahmen sicherlich noch auf dem höhepunkt seiner Karriere , können wir auch deutliche Leistungsschwankungen hören .
    Die damalige Politik von Walter Legge ( EMI ) war es aber wohl durchgehend , die drei Protagonisten Callas , Gobbi und di Stefano möglichst nicht zu zerreissen . Ob dies sinnvoll war , das sei hier dahingestellt .


    Ich hacke ja dauernd auf dem guten Giuseppe di Stefano 'rum, dabei mag ich die Stimme eigentlich. Es ist nur so ärgerlich, wie hier einer seine reichen Mittel verspielt; der war - im schlechtesten Sinne - ein Sänger für die Galerie. Und offenbar arbeitsscheu - er mußte mit Callas aneinandergeraten!


    Zitat

    Vielleicht war die Interpretation der Lucia die revolutionärste Leistung im Opernbetrieb der damaligen Zeit überhaupt .


    Volle Zustimmung!


    Bernd

    Zitat

    Original von Fairy Queen
    [...]
    Für mich ist sie auf dieser CD bis auf die sehr störenden Tremoli in fast allen hohen Haltetönen noch eine excellente Technikerin, die die ganze Bandbreite einer Opernpalette nciht nur als Ausdrucksphänomen sondern eben auch als Stimmphänomen rüberbringt.
    Und das über drei Oktaven!
    Bitte mir jemanden ausser der Malibran und der viardot zu nennen, der das in dieser Weise nachmachen kann/konnte. (und selbst die konnten keine Titania singen!)


    War ja auch noch nicht komponiert ;-)
    (OK, Viardot war Mitte vierzig, wäre noch gegangen)


    Zitat

    Dass sie die Stimme unter die Gestaltung zwingt, kann ich nur sehr bedingt unterschreiben- bei der Louise ist ganz sicher so , aber sonst stehen ihr m.E. die notwendigen stimmlcihen Mittel so hinreichend zur Verfügung, dass sie sich darum keine grossen Gedanken machen muss


    Ich meine ja auch nicht, daß ihr technische Mittel in nennenswertem Maße gefehlt hätten (rein stimmliche schon eher!), sondern daß ihr die Rollengestaltung über alles geht und sie diesem Ziel alle ihre Möglichkeiten unterwirft. Sie war ja auch als probenwütig bekannt und ist öfters mit Kollegen deswegen aneinandergeraten. Die Lousie-Arie ist ein gutes Beispiel dafür: für ein beliebtes Paradestück, das sie nur ein paar mal im Konzert gesungen hat, und mit dem sie beim Publikum immer gut angekommen wäre, macht sie sich eine Gestaltungsmühe, die manch andere für die komplette Rolle (in zwei Opern BTW) nicht aufgebracht hätte.


    Zitat

    [Stimmzerrüttung] es gibt viele Gründe dafür.
    Darüber zerbrachen sich ja nciht eben wenige Leute schon den Kopf.


    Ja. Aber macht doch immer wieder Spaß :-P


    Bernd

    CDs 5 und 6: Lucia di Lammermoor


    Coro e Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino, Dirigent: Tullio Serafin
    Aufgenommen Ende Januar/Anfang Februar 1953 im Teatro Communale von Florenz, wo sie die Partie quasi gleichzeitig auch in 4 Aufführungen sang, allerdings unter dem Dirigenten Franco Ghione und mit Ettore Bastianini als bösem Bruder. Ein halbes Jahr zuvor hatte sie die Lucia erstmals in zwei (Test-) Aufführungen in Mexico City gesungen.


    Nach Fanny Persiani in der Uraufführung war die Rolle der Lucia (aufgrund der hohen Tessitura?) nach und nach an lyrische Koloratursoprane mit leichten Stimmen gefallen und dabei mehr und mehr zur Darbietung kanarienvogelartiger Mechanik verkommen. Um die Jahrhundertwende gaben etwa Marcella Sembrich oder Nellie Melba der Figur noch Farbe und Charakter; später hört man bspw. bei Luisa Tetrazzini oder Amelita Galli-Curci nur noch Gezwitscher. Callas' Ansatz stellt daher für diese Rolle (wie auch für Norma, Elvira, Traviata, Gilda u.a.m.) eine regelrechte Revolution dar, wofür sie auch z.T. recht rüde angegangen wurde.


    "Regnava nel silenzio ... Quando rapito in estasi" gestaltet sie als großen Szenenaufbau, von dem geheimnisvoll-verhaltenen (im Text schwülstig verschlüsselten) Geständnis der verbotenen Liebe bis zu dem jubilierend-exaltierten Bekenntnis in der Cabaletta (sie wird das übrigens im Troubadour in einer ganz ähnlichen Szene noch grandioser wiederholen), in der sie einige der perfektesten Triller setzt, die ich je gehört habe - da hätte selbst die Melba blaß werden müssen.


    "Il doce suon" beginnt sie mit pianissimi, bei denen sie ihrer Stimme gelegentlich ein leichtes Flackern gestattet (sie spielt eine Wahnsinnige!), das sie bei "il fantasma" zu einem entsprechenden forte steigert und wieder zum piano zurücknimmt. Im weiteren Verlauf verschwindet dieses "Flackern" immer mehr, bis die Stimme bei "Ardon gli incensi" auch im piano ganz fest geführt wird. Es ist (mein subjektiver Eindruck), als ob der Wahnsinn nach und nach von ihr weicht, bis die Einbildung der Hochzeit mit dem "Richtigen" (den Falschen hat sie ja gerade umgebracht) bei "Spargi d'amaro i pianti" zur zweiten Wirklichkeit geworden ist. Beide Schlußtöne (in Arie und Cabaletta, jeweils ein Es''') liegen eine Spur zu hoch und sind daher nicht frei von unangenehmer Schärfe. Die Wahnsinnsszene leidet im übrigen etwas unter dem wenig sensiblen Flötisten.


    Überhaupt ist die Aufnahme ist ein bißchen eine One-Woman-Show - die übrigen Beteiligten können nicht mithalten. Das Orchester hat bei weitem nicht die Klasse, die man z.B. einige Jahre später von den Berliner Philharmonikern hören wird; Gobbi singt den Enrico recht eindimensional (Scarpia-mäßig, nur: hier paßt das nicht!) als bösen, bösen Bösewicht; di Stefano bellt und knödelt, was das Zeug hält und versaut die Schlußszene (die ja in dieser Oper dem Tenor gehört) so ziemlich komplett. Allerdings scheint mir Serafin vor allem an seiner Heldin interessiert und den anderen Darstellern nicht die gleiche Aufmerksamkeit zu widmen. Das Ensemble am Schluß des zweiten Aktes ("Chi mi frena in tal momento") bleibt recht belanglos. Wenn man hören möchte, was für eine grandiose Musik das ist, muß man zu Karajans oben erwähnter Berliner Aufführung greifen, die allerdings (Live-Aufnahme) in dieser Box nicht enthalten ist.


    Bernd
    (04.04.09)

    Zitat

    Original von Fairy Queen
    da ich gerade von einer Pollenallergie die leider auf die Bronchien übergriff, lahmgelegt bin,


    Gute Besserung!


    Zitat

    Nummer 58" Callas in Paris 1" (Dirigent George Pretre)


    Man findet keine Worte, das zu beschreiben, was auf dieser Aufnahme passiert.
    [...]
    Damit hat sie ausser der Soubrette, das gesamte weibliche Opernrepertoire bzw alle dazu gehörenden Stimmfächer auf einer Cd und DAS ist wirklcih absolut sensationell und unvergleichlich.


    In der Tat! An Mut hat es ihr offenbar auch zu Zeiten schwerer Stimmkrisen nicht gefehlt, wenn denn sowas nicht auch Ausdruck eines Willens ist, der die schwindenden Fähigkeiten nicht wahrhaben wiil.


    Ich ergänze mal ein paar biographische Details: Callas hatte bereits 1958 ein Jahr voller Absagen und erkämpfter Triumphe hinter sich, die Scala und die MET hatten mit ihr gebrochen. Bis zu dem ersten Pariser Recital hatte sie 1959 und 1960 ganze 16 Bühnenaufführungen gesungen, ihr Scala-Comeback im Januar 1960 hatte sie mit 5 Aufführungen als Paolina (in Donizettis Poliuto) hart am Zusammenbruch überstanden.


    Zitat

    Seltsamerweise zeigt sie m.E. die grössten Schwächen nicht in den extremen Enden der Skala, sondern in der Mitte, im zentral lyrischen Fach.
    Sie meistert sowohl die halsbrecherischen Koloraturen der Elfenkönigin Titania mit Bravour ,


    Bedingte Zustimmung. Schon im kurzen Rezitativ gibt es einige unschön intonierte Töne zu hören, danach braucht sie einige Zeit, bis die Stimme richtig gehorcht. Viele Töne sind nicht genau abgesetzt (bei Dessay kann man hören, wie viele von diesen verd**** kleinen Noten Thomas da geschrieben hat). Wie sie aber im "plappernden" Mittelteil die Gestalt der vor Lebenslust übersprühenden jungen Frau vor Ohren führt, ist nach wie vor begeisternd! Die Ketten sitzen nicht mehr so perfekt wie zu früheren Zeiten, aber immer noch sehr gut; Probleme hat sie am oberen Ende der Skala, vor allem mit dem b'' am Ende, bei dem die Stimme doch schon heftig tremoliert. Aber: Welche Sängerin hat so ein Bravourstückchen so charaktervoll gesungen?


    Zitat

    wie sie es auch fertigbringt ,die tiefen Brusttöne der Dalila bruchlos einzubinden und ihnen die notwendige Fülle zu geben.


    Bruchlos waren die Registerwechsel bei ihr ja nie, und zu dieser Zeit schon gar nicht mehr. Aber sie bindet - vielleicht meinen wir dasselbe - die deutlichen Schaltstellen oft so selbstverständlich in ihren Gesangsfluß ein, daß das gar nicht als störend empfunden wird.


    Zitat

    Wo sie aber versagt (die Aufnahme ist von 1961) sind die zahlreichen hohen gehaltenen Noten über dem f2 bei Louise. Die Töne flackern und haben ein so ausschlagendes Vibrato, dass es mir den Genuss leider verdirbt. Das c3 am Ende der Juliette Arie weist dieselbe Tendenz auf, fällt aber als einzelnde Note nciht so ins Gewicht wie die zahlreichen Exempel in "Depuis le jour".


    Ja, du hast recht, es ist unüberhörbar. Ein Zeichen schwindender Kraft? Fast das ganze Stück muß unter hoher Spannung in der Mittellage gesungen werden. Fehlt ihr dann die zusätzliche Kraft, wenn sie aufmachen muß? Diese Tremolos sind schon furchterregend. (Aber geh' mal ein paar CDs weiter, irgendwo muß die Eboli-Arie kommen; ich warne schon mal...)


    Dennoch ist diese Aufnahme von "Depuis le jour" für mich ein Meisterstück, ich könnte sie wieder und wieder hören. Denn mir steht hier sofort ein fast greifbares Bild einer jungen, glücklich verliebten Frau vor Augen, die weniger der verständnislosen Mutter als sich selbst, nein, der ganzen Welt ihr Glück verkünden muß. Obwohl ihre Stimmdefizite so deutlich sind, obwohl sie über diese Defizite so deutlich als die alternde Callas identifizierbar ist, verschwindet die Künstlerin hier völlig hinter der Figur, und das geht nur, weil sie diese große Künstlerin ist. Ich fürchte, ich versuche ein paradoxes Phänomen zu beschreiben, dem meine Ausdrucksmöglichkeiten nicht gewachsen sind. Wenn sie "et je tremble délicieusement" singt, möchte ich diese inexistente junge Frau am liebsten in den Arm nehmen!


    Zitat

    Dennoch muss man objektiv sagen, dass Callas rein technisch die gesamte Bandbreite nciht nur drauf hat, sondern ihr auch hinreichend Freiheit zur Gestaltung und Charakterisierung bleibt.


    Ich meine, es ist in gewissem Sinne umgekehrt: Sie nimmt sich die Freiheit für eine Gestaltung, wie sie sie postuliert und unterwirft ihre Stimme diesem Kunstwillen - koste es, was es wolle.


    Bernd

    Danke für diesen für Auge und Ohr wunderbar plastischen Bericht! Könntest du den Kölner Rezensenten evtl. mal Nachhilfe geben?
    Ich habe dieselbe Aufführung besucht. Darf ich mir ein paar Ergänzungen erlauben?


    Ricarda Merbeth habe ich nicht in guter Erinnerung. Auch der Schlußjubel litt unter einer insgesamt "flachen", engen und gepreßten Stimme, die nur mit Gewalt über das (wirklich sehr gezähmte!) Orchester kommt. Von Thomas Mohr war ich ebenfalls sehr angetan. Aber der Siegmund kommt einem ehemaligen Bariton auch entgegen (geht nur bis zum as); mit dem Max hat er sich erheblich schwerer getan. Begeistert war ich von Ralf Lukas, endlich mal ein Wotan, der sich ganz aufs Singen verläßt. Sensationell für den Kölner Opernbesucher der Mime von Johannes Preißinger, der ja sonst allenfalls Edelwurzen singen darf. Und auch hier einer, der sich dabei aufs Singen verläßt, in einer Rolle, die ja manchmal mit Leuten besetzt worden ist, die man gar nicht für Sänger halten möchte. Daß Stefan Vinke keine laute, "große" Stimme hat und dennoch in dieser strapaziösen Partie reüssiert, ist erneut ein Beweis, daß man den "Bayreuth bark" für diese Musik so sehr braucht wie einen Kropf. Und deshalb braucht man dafür auch keine Tenöre wie Albert Bonnema (meine französische Pausenbekanntschaft sprach von "tons aventureux"), wenn ich auch nach seinem Äneas auf weit schlimmeres gefaßt war. (Daß er, wenn er sich nicht so maßlos überfordert, auch anders kann, hat er in Katà Kabanová bewiesen).


    Volle Zustimmung auch zu Stenz' Dirigat. Hie und da ging zwar noch mal ein Sänger etwas unter, aber die Absicht, Wagners Text nicht in Orchesterfluten zu ertränken und einen "gesungenen" Wagner zu ermöglichen, wurde deutlich, und auch erfolgreich durchgeführt. Im Lohengrin war das noch besser gelungen, aber im Ring ist das ja wahrlich nicht einfach. (NB: Daß das bei unzureichender Sängerleistung auch nach hinten losgehen kann, hat jüngst der Tristan gezeigt.)


    Ich stimme dir zu, daß das nicht nur ein PR-bestimmter Kraftakt war, sondern eine insgesamt hervorragende Wagner-Aufführung. Die Geschlossenheit der Tetralogie wird bei einer solchen Aufführung noch deutlicher, ebenso aber auch der Bruch nach dem 2. Siegfried-Akt, wenn man die Götterdämmerung gleich danach hören kann. Stenz soll ja ursprünglich die Idee gehabt haben, den Ring an einem Tag aufzuführen =:-) Weniger schön aus meiner Sicht, daß Rollen mit unterschiedlichen Sängern besetzt werden mussten; aber das ist ja auch sonst meist der Fall.


    Bernd

    Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna


    eine grossartige Beschreibung der Callas-Aufnahmen .


    Merci!


    Zitat

    "Wagnerianer" mögen unter den Sängerinnen der Isolde Mödl , Varnay , Bjoner , Nilsson , Dvorakova oder die junge Silja ( in Rom unter A. Cluytens ) vermissen , aber Dein Hinweis auch auf die Frage der Wagneraufführungen in italienischer Sprache bietet sicherlich genügend Diskussionsstoff ,


    Ich muß gestehen, daß ich die z.T. gar nicht in dieser Rolle kenne - allein Nilsson ist mir noch gut im Ohr, Mödl und Varnay ein wenig. Es ging mir aber weniger um den Vergleich, als um eine Einordnung Callas' in dieser Rolle. Ihre Kundry bspw. ist IIRC heftig geschmäht worden; ich meine, daß sie auch in diesen Rollen eine Unzeitgemäße war und daher verstörend gewirkt hat (zumal auf deutschsprachige Hörer). Kein Zufall mE, daß von den von mir herangezogenen Vergleichen Lilli Lehmann ihr am nächsten kommt -- wenn ich mir da mal nix einbilde - die Aufnahme ist, äh, etwas gewöhnungsbedürftig ;-)


    Bernd

    CDs 2 bis 4: La Gioconda
    Chor und Orchester Turin der RAI, Dirigent: Antonino Votto Aufgenommen September 1952 im Auditorium der RAI (Radiotelevisione italiana) in Turin.


    Mit dieser Rolle begann Callas' Laufbahn als Berufssängerin bei den Festspielen in der Arena von Verona 1947. Sie wiederholte diesen Auftritt im Sommer 1952 und sang die Rolle auf der Bühne letztmalig im Winter 52/53 an der Scala.


    Das Stück war mir - mit Ausnahme der drei "Hits" - bisher unbekannt, und ich werde auch nach mehrfachem Hören nicht recht warm damit: manchmal klingt es noch nach frühem oder mittlerem Verdi oder sogar dessen Vorgängern, manchmal schon nach Puccini (der IIRC Ponchiellis Schüler am Conservatorio war), dann wieder wie Joh. Strauß jr., über weite Strecken aber irgendwie beliebig. Einen musikalisch-dramatischen Szenenaufbau vermisse ich meist, es wirkt auf mich oft alles ein wenig lieblos aneinandergereiht. (Bis zur zweiten Gioconda-Gesamtaufnahme der Callas (1959) kann ich mich ja noch weiter einhören...)


    Schöne Stellen gibt es aber durchaus, und immer dann läuft vor allem das Orchester zur Hochform auf. Das ist mitreißend und zupackend dirigiert! Auch der gut beschäftigte Chor ist immer präsent und präzise. Die Ensembles (im 4. Akt gibt es ein sehr schönes Terzett) gelingen dementsprechend gut. -- Gab es Anfang der 50er schon das Neujahrskonzert in Wien? Dann hätte Votto eigentlich mal eingeladen werden müssen ;-)


    Maria Callas geht die Partie der geqälten Heldin so an, wie sie später auch die Verismo-Rollen gesungen hat: sie verzichtet auf Stöhnen, Schreien u. dgl. mehr, bettet aber solchen naturalistischen Entäußerungen entsprechende Effekte in ihre Gesangslinie ein: deutliches Atemholen, Zäsuren mit eingeschobenen Mikronoten eine Oktav tiefer, fallende Portamenti; Mittel mit denen sie Schluchzen, Empörung, Wut usw. in ihren Gesang quasi einbaut. Mit der - für einen Sopran - abgrundtiefen Tessitura hat sie keinerlei Probleme; bei einzelnen dieser tiefen Töne singt sie brustig und roh, auch wieder so ein Effekt. Alles sehr vereinzelt und mE gezielt eingesetzt. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt der Aufnahme.


    Auch Paolo Silveri als fieser Intrigant hält sich mit Effekten zurück. Er muß sie allerdings neben seinen Gesang setzen; der gelingt ihm aber ziemlich gut. Ähnlich Giulio Neri als böser Doge, der vor allem der in der Tat beeindruckenden Schwärze seines Basses vertraut, dabei aber ein wenig grob wirkt. Reichlich Stöhnen und Schreien und anderes Gekasper gibt es dagegen von Gianni Poggi als Enzo, der - abgesehen von dem gewaltigen Knödel im Hals - so klingt, als halte ihm zusätzlich jemand die Nase zu; ein schweres Manko dieser Aufnahme. Fedora Barbieri klingt wie immer (in meinen Ohren) etwas ältlich und paßt nicht so recht in die Rolle der jugendlichen Geliebten; an ihrem Gesang ist aber nichts auszusetzen.


    Für die 50er ordentliche Klangqualität, von der gräßlich verzerrten Traviata ein Jahr später ebensoweit entfernt wie von der Brillianz der ebenfalls ein Jahr danach entstandenen Tosca-Aufnahme.


    Bernd (18.04.09)

    Zitat

    Original von Cassiodor
    Interessiert es eigentlich noch jemand, dass Ursula Hesse von den Steinen (sic) nun die Dalila singen wird???


    Mich z.B. Ich habe sie aus Glanerts "Caligula" sehr gut in Erinnerung. Ob das aber etwas über ihre Dalila aussagt? Warten wir's ab.


    Zitat

    Kammersängerin Dalia Schaechter ist eine sympathische "Wuchtbrumme" und kann eine tolle Schauspielerin sein; die Schärfen und Manierismen in ihrem Gesang sind hingegen für manchen Opernfreund mitunter auch eine "psychische Belastung".


    Jau, ich war auch etwas beunruhigt, ob das bei der Dalila gut gehen kann. Ich schätze sie aber trotz allem sehr (und manchmal auch sängerisch).


    Zitat

    Cassiodor, weder Staubi noch Regieli, sondern einfach ein Freund gut gemachten Musiktheaters, hat im Internetforum der Lokalpresse einen Beitrag gefunden, den er voll unterstreichen möchte:


    "Die Ver.di-organisierten Chorspießer, die nach der Armbanduhr Kunst exikutieren, sollte man immer tunlichst in die Unterbühne oder hinter den letzten Vorhang vor der Bühnenrückwand platzieren, weil sie sonst ihre anachronistischen und reaktionären Ansichten reflexartig rausbrüllen müssen."


    <kölsch>Wer war dat?</> (Er könnte aber recht haben.)


    Zitat

    Als alter Kölner fragt sich Cassiodor seit längerem (und dies mit durchaus begrenztem Optimismus), wann das Haus am Offenbachplatz wohl mal wieder eine Produktion herausbringen wird, die positive Schlagzeilen macht.


    K'ata Kabanová ist noch nicht sooo lange her. Und war in der Wiederaufnahme noch besser!


    Bernd

    Ich kannte Haydn lange auch nur als "Aufheizer" im Orchesterkonzert - eine nachlässig einstudierte Sinfonie (idR eine Londoner) als Auftakt zum "eigentlichen" Konzert. Zu genauerem Zuhören brachte mich vor Jahren ein Konzert des Chamber Orchestra of Europe unter Harnoncourt, bei dem IIRC Schubert V., Mendelssohn op. 64 und - nach der Pause - Haydn gespielt wurde (Schande über mich: ich weiß nicht mehr, welche Sinfonie).
    Noch eins drauf setzte 2-3 Jahre danach Alfred Brendel mit einem stark Haydn-betonten Klavierabend.


    Letzten Dienstag war ich beim Auryn-Quartett, das derzeit (Haydn-Jahr) alle seine Streichquartette im WDR in Köln aufführt (außerdem wohl auch in Detmold). Leider, leider werde ich wohl an keinem anderen Termin können. Ich war wirklich von den Socken, vor allem von op. 33 Nr 2; das hat mich wirklich fast vom Stuhl, will sagen: aus dem Sessel gerissen. Da muß ich dringend noch mal bei...


    NB: der Zyklus wird vom WDR (IIRC ab Anfang Mai) auch gesendet.


    Bernd

    CD 1: The First Recital


    Nachdem Callas im Januar 1949 in Venedig für eine erkrankte Kollegin als
    Elvira in Bellinis "I Puritani" eingesprungen war, während sie selbst in
    den Aufführungen vorher und nachher die Brünnhilde in Wagners "Die
    Walküre" sang, hatte sie zumindest in Italien einige Aufmerksamkeit
    erregt als Sängerin, die ein extrem weit gefächertes Repertoire singen
    konnte.


    Man sollte allerdings nicht übersehen, daß Callas, die zunächst vor
    allem in hochdramatischen Rollen besetzt wurde, sich sehr bald ein
    anderes Repertoire eroberte und diese Rollen (Isolde, Brünnhilde, Kundry
    sowie Turandot) nicht lange danach endgültig aus ihrem Rollenbestand
    entfernte. Ihre letzte Aufführung in solch einer Rolle war die römische
    Kundry vom November 1950.


    Auf ihren ersten Schallplatten (bei Fonit-Cetra noch als 78er
    erschienen) stellte sie sich folgerichtig mit dieser Spannweite vor. Sie
    enthalten die jeweils bekannteste Szene aus "Tristan und Isolde",
    "Norma" und "I Puritani". Es spielte das Orchestra Sinfonico di Torino
    della RAI unter Arturo Basile.



    Mild und leise (Richard Wagner, Tristan und Isolde)


    Ich habe, um vergleichen zu können, eine kleine "Liebestod"-Session mit
    den Damen Lehmann (Lilli), Fremstad, Lehmann (Lotte), Leider, Flagstad
    (1935), Callas und nochmal Flagstad (1954) eingelegt (hm, ich könnte mir
    ja auch mal was neueres zulegen...).


    An Callas' Aufnahme ist zunächst einmal die Sprache verwirrend; auf
    italienisch ist man das nicht gewohnt. Callas beachtet den Notentext
    minutiös (abgesehen von kleineren Abweichungen, die der Übersetzung
    geschuldet sind), vermeidet (erstaunlicherweise) jegliche Portamenti
    (na, fast), ganz im Gegensatz zu allen anderen genannten Sängerinnen. Nur die Schlußfermate hält sie weit über den angegebenen Takt hinaus; darin ist sie allerdings keine sonderliche Ausnahme. Mit den kleinen Koloraturen auf "Wonne klagend" und "mild versöhnend" hat sie
    erwartungsgemäß nicht die Probleme einiger ihrer Kolleginnen (bei denen
    das z.T. nur mit heftiger Aspiration, z.T. gar nicht so recht klappt),
    wohl aber (unerwarteterweise) mit den Dreiklangtriolen auf den Endsilben
    von "schallend" und "wallend". Sie gehört aber zu den Sängerinnen, die
    diese technisch ziemlich schwierige Angelegenheit wenigstens versuchen
    (live geht das in aller Regel in Orchestermassen unter). Ich habe über
    Callas' Wagner-Aufnahmen gelesen, sie seien unidiomatisch - abgesehen
    von der Sprache kann ich das in keiner Weise hören; neben den anderen
    Sängerinnen muß sie sich keineswegs verstecken. Und von dem Gestemme (nein, Nina Stemme ist ausdrücklich nicht gemeint),
    was man heutzutage meist in dieser Rolle geboten bekommt, ist sie
    ebensoweit weg wie irgendeine andere der genannten. Allerdings ist sie
    eine eher emphatische Isolde und damit in ziemlichem Gegensatz vor allem
    zu der sehr verinnerlichten Kirsten Flagstad in der Furtwängler-Aufnahme
    von 1954, wenn auch nicht so aus sich herausgehend wie Frida Leider (die
    ist ja schon fast ekstatisch).



    Casta diva - Bello a me ritorna (Vincenzo Bellini, Norma)


    Es ist nicht so, daß Callas mit dem verzierten Repertoire erst bei jenen
    denkwürdigen venezianischen "Puritani" begonnen hatte - ihre erste Norma
    hatte sie bereits einige Wochen zuvor - ebenfalls unter Tullio Serafin -
    am 30.11.1948 in Florenz gesungen. Aus dieser Oper wählt sie für die
    Aufnahmen die beiden Hauptstücke von Normas Auftrittsszene im 1. Akt.
    Das einleitende Rezitativ ("Sediziosi voci"), mit dem Bellini seine
    Heldin so unvergleichlich vorstellt, ist weggelassen, sowie -
    einleuchtenderweise - die Szene zwischen Arie und Cabaletta. Außerdem
    fehlt der Chor vollständig. Übrig bleiben zwei Schaustücke für die
    Sängerin, eines für ihr Legato und eines für ihre Virtuosität - und viel
    mehr macht Callas auch nicht daraus; hier noch nicht! Auffällig das für
    sie oft so typische deutliche Vibrato (bei der Wagner-Aufnahme ist es
    auch zu hören, aber es verschwindet im Orchesterklang), das sie im
    piano kaum beherrscht kriegt und das gelegentlich zu einem leichten
    Flackern des Tons führt. Die klimaktische Phrase auf "a noi volgi il bel
    sembiante" wird fast zu einer reinen Vokalise (für Callas ganz und gar
    unüblich, daß man kaum noch überhaupt Silben unterscheiden kann). Mit
    dem Zielton dieser Phrase (b'') hat sie auch etwas Probleme. Die Arie ist
    übrigens von G nach F transponiert (wie seit der Uraufführung mit
    Giuditta Pasta üblich). Besser dann die Cabaletta: die leichte
    Unbeherrschtheit der Stimme paßt hier zum Text, und das macht sie sich
    regelrecht zunutze. Das (interpolierte? ich habe keine Noten da)
    Schluß-C dehnt sie ein bißchen arg. Die Melismen gelingen mit Bravour,
    aber noch nicht mit Leichtigkeit und Perfektion. Im Vergleich zu anderen
    Sängerinnen ist sie allerdings bereits in hier eine Klasse für sich,
    allein deshalb, weil die meisten die Cabaletta nur noch irgendwie hinter
    sich bringen, aber in keiner Weise mehr gestalten können. Man
    vergleiche, wie etwa die wunderbare Montserrat Caballé nach einem
    berauschend schönen "Casta diva" an "Bello a me ritorna" komplett
    scheitert. Cecilia Bartoli läßt die Cabaletta auf ihrem Malibran-Recital
    lieber gleich weg (obwohl sie das rein technisch eigentlich können
    müßte), und Edita Gruberová scheiterte neulich in München sowohl an Arie
    (sie hätte besser auch transponiert) und an Cabaletta (zulange mit der
    Rolle gewartet?).



    O, rendetemi la speme - Qui la voce sua soave - Vien, diletto (Vincenzo Bellini, I Puritani)


    Bei dem pianissimo auf "speme" (bei der ersten Wiederholung des Wortes)
    ist es bei mir eigentlich schon 'rum: da läuft mir eine solche Gänsehaut
    über den Rücken, daß ich fürchte, zu dieser Aufnahme überhaupt nichts
    sachliches mehr schreiben zu können. Von Unkontrolliertheit der Stimme
    keine Spur, das stimmtypische vibrato verschwindet vollkommen hinter der
    Art, wie sie es für ihre Gestaltung einsetzt, kein Ton, der nicht
    absolut perfekt sitzt, bis hin zu einem der unglaublichsten Acuti der
    Schallplattengeschichte (ein interpoliertes es''' am Ende). Endlose
    Bögen, bei denen statt der Sängerin der Hörer atemlos wird, in der Arie,
    Koloraturen von intrumentaler Exaktheit in der Cabaletta. Wunderbar
    auch, wie sie die tempi bestimmt, wo sie es für nötig hält (in der
    Norma-Aufnahme folgt sie noch sklavisch dem Dirigat) und ein "timing"
    erreicht, daß der Herzschlag des Hörers ebenfalls ihr folgen möchte.
    Bin ich zu emphatisch? Ich halte das für eine der besten Sängerleistungen, die überhaupt jemals aufgenommen wurden! Diese drei tracks wären alleine den Erwerb der kompletten Box wert!


    Ich hörte erst vor kurzem im Radio innerhalb weniger Tage Anna Netrebko
    und Angela Gheorghiu mit dieser Szene. Netrebko singt das mit absoluter
    Belanglosigkeit, als wisse sie überhaupt nicht, worum es in der Szene
    geht; Gheorghius Anstrengung bleibt im Wollen stecken: Die langen Bögen
    der Arie machen ihr hörbar Mühe, und für die Cabaletta fehlt es ihr
    völlig an der notwendigen Technik. Cecilia Bartoli gestaltet die Szene
    wesentlich nur mit ihrem Stimmklang und den technischen Feinheiten ihrer
    (hier übertriebenen) piani und ihrer Agilität (wobei die Läufe nicht
    einmal richtig sitzen) - im Vergleich zu Callas läßt einen das letztlich
    kalt.


    Bernd, sich jetzt langsam auch wieder abkühlend
    (03.04.09)

    Im Thread "Aktuelle Klassik-Sonderangebote" ist diese Box ja schon erwähnt worden. Peter Brixius hatte mich andernorts darauf aufmerksam gemacht - und mich gleich auch genöt-ähem: gleich auch angeregt, die CDs dieser Box mal vorzustellen.


    Ich erlaube mir mal - obschon Neuling hier - , diese Kurzbesprechungen, soweit fertig, nach und nach auch hier einzustellen; es gibt ja offenbar reichlich Opern- und Gesangs-Aficionados im Tamino-Forum. Ich mögt Euch drüber hermachen.


    Bernd

    Zitat

    Original von pbrixius


    Wenn man da ein wenig sorgfältig recherchiert, wird man ganz andere Fronten ausmachen, etwa eine Machtprobe zwischen ver.di, Personalrat und Intendanten.


    So sieht es aus. Vor einem halben Jahr gab's ja auch schon mal Warnstreiks (damals seitens des Orchesters). Zwischenzeitlich hat die neue Intendanz - obwohl noch nicht vor Ort - einen Großteil des Solistenensembles sowie das komplette Dramaturgenteam entlassen (Quelle: örtliche Presse). Da mag inzwischen auch was auf den Chor übergesprungen sein. Der Ausstieg von Dalia Schaechter und Samuel Youn läßt sich damit allerdings nicht erklären.


    Bernd

    Zitat

    Original von S.Kirch
    [...]
    Was meinen Eindruck vergangener Besuche in der Kölner Oper angeht, leidet die musikalische Qualität einer Aufführung unter E. Delamboye.


    Ich würde ohne weiteres in die gleiche Kerbe hauen, hätte ich nicht - nach vielen miserablen Aufführungen unter seiner Leitung - letzten Herbst (Moment... es war am 10.10.08) einen von Herrn Delamboye grandios (ehrlich!) dirigierten (und allseits grandios gesungenen!) Maskenball erlebt. (Ich saß im II. Rang vorne, ich kann ihn nicht verwechselt haben ;-))


    Zitat

    Das liegt vorrangig daran, daß es immer wieder zu erheblichen Abstimmungsproblemen zwischen Bühne und Graben kommt...


    Da ist Delamboye leider nicht der einzige in Köln.


    Bernd, jedenfalls sehr gespannt auf übernächsten Samstag